Nr. 177. 24. Jahrgang.2. Kkilm Ks Amiirls" DMer UcksdlMDonnerstag, 1. August 1907.Partei-?ZngelegenKeiten.Bezirk WaidmunnSlnst. Der Wahlverein veranstaltet amSonntag, den 18. August in Waidmannslust im SchweizerhäuSchenein Sommerfest. Billetts sind bei den Abteilungsführern und demObmann des Vergnngungskomitees Genossen Scheck in Borsigwaldezu haben. Das Programm ist sorgfältig zusammengestellt und ver-spricht einige genußreiche Stunden. Der Borstand.Berliner JVacbncbten.Seelenfänqerei auf dem Tempelhofer Feld.Wenn der Berg nicht zu uns kommt, so gehen wir zumBerg! So denken augenscheinlich die„Nachfolger" jenes großenNazareners, die zwar seine Worte mit vollen Backen bei jedweder Gelegenheit hinausposaunen, seine Taten aber selbstum so weniger befolgen. So denkt auch der rühmlichst bekannte Hof- und Domprediger a. D. Dr. Stöcker, der miteinem erstaunlichen Eifer dem Seelenfang obliegt und sichhierzu einer großen Schar wackerer Jünger bedient, die mutigund unverdrossen hinausziehen, um ihre Netze auszuwerfen.Man müßte nun annehmen, daß diese Braven, denen ihreArmut im Geiste eine Anwartschaft auf den Hinunel verbürgt,dort ihre Tätigkeit beginnen würden, wo sich ihnen ein reichesund dankbares Arbeitsfeld böte, nämlich in Berlin W., oderin Heringsdorf, Ostende, Norderney, kurz überall dort, wojene' weilen, denen es infolge ihrer irdischen Güter dermaleinst ebenso schwer werden wird, in den Himmel zu kommen,als einem Kamel durch ein Nadelöhr zu schlüpfen. Weit gefehlt! Sie suchen dort Proselyten zu machen, wo man sieweder wünscht noch braucht, bei der arbeitenden Bevölkerung.Es war am letzten Sonntag. Die Sonne rüstete sichallmählich zum Abschied. Das Tempelhofer Feld war dichtbelebt und alt und jung bewegte sich bei Scherz und frohemSpiel. Plötzlich lenkt ein Kreis Männer und Frauen, mitLiederterten in den Händen, die Aufmerksamkeit auf sich. Einedichte Zuhörerschaft bildete sich um die Sänger, die in allenTönen, von der piepsenden, quietschenden Fistelstimme bisherab zum abgrundtiefen Brummbaß fromme Lieder, zumTeil nach patriotischen Weisen, z. B. i; Ich Hab' mich ergeben—! ableierten.Nachdem der Gesang beendet war, trat ein Jüngling,der äußerlich einem angehenden Theologen nicht unähnlich sah,in die Mitte und ließ eine Rede vom Stapel, die an sich allesandere denn eine oratorische Leistung war, aber durch denmerklichen Zungenfehler des jugendlichen Redners und dessenkapellmeisterliche Bewegungen und besonders durch den umglaublichen Pathos zur Komik reizte. Inhaltlich war sie einwirres, konfuses Ragout von Bibelsprüchen und unverdautenreligiösen Phrasen, nebst einigen rührseligen, läppischen ErZählungen, wie man sie in den Lesebüchern der unterstenSchulklassen findet. So rief er auch in heiligem Feuer aus:>.Der Beweis, daß Christus gelebt hat, bin ich, weil ich da bin!Er hat uns geliebt, aber wir haben ihn gekreuzigt!"—Als sich dieser Jüngling solchermaßen befreit hatte vonall dem, was ihn bedrückte, wurden wieder die Stimmbänderin Bewegung gesetzt und schauerlich-schöne Weisen zu Gehörgebracht. Dann salbaderte wieder ein anderer Redner undwetterte im Brustton tiesiter, sittlichster Ueberzeugung gegenAlkohol, Unkeuschheit, Geiz und noch vieles andere. Als erdann von einem alten Trinker erzählte, der seine Schnapsflasche zerschlagen hatte, um nicht mehr zu trinken, sich abernachher doch wieder eine kaufte, rief ein Zuhörer dazwischen:„Na, wenn er die alte Pulle zerschlagen hat, muß er sich frei-lich wieder ne neue koofen!" Ein anderer Redner:at denüberaus geistreichen Ausspruch:„Die Mutter des sozialenUebels ist die Sünde!"— Und weiter:„Wir sollten malabends zum Himmel hinaufsehen, da seien Sterne, die könnekeiner, auch kein Gelehrter, wegstreiten. Also müsse da obenauch was sein! Er habe einmal mit einem studierten Manne,einem Doktor und sozialdemokratischen Reichstagsabgeordnetengesprochen, der habe ihm zugegeben, daß„da oben" was seinmiisse, das die Menschen belohnt und bestraft!" Auf den Zmruf eines Anwesenden, wie denn der betreffende Abgeordneteheiße, schwieg der Redner. Nachdem der Spuk über eineStunde gedauert hatte, sammelte einer dieser wunderlichenKäuze die Textblätter wieder ein und verkündete, daß sie jetztregelmäßig des Sonntags, bei günstigem Wetter, diese An-dacht auf dem Felde abhalten werden. Er betonte auch noch,daß sie selbst aus Kaufleuten, Buchhändlern, Beamten undArbeitern beständen. Die Umstehenden bekundeten aber durchihre Aeußerungen, daß sie durch derartige Veranstaltungensich nicht ködern lassen und die Spekulation eine verfehlteHeute, wa das Proletariat mehr denn je den willkürlichenMaßnahmen seiner Gegner ausgesetzt ist und in heißemRingen seine winzigen Rechte verteidigen und jeden PfennigLohnerhöhung vom Unternehmertum ertrotzen muß, könnenihr fromme Traktätchcn und wässerige Bibelsprüche nichthelfen. Und das gleißnerische Werben der Kirche, die alsHandlangerin jederzeit sich bis auf den heutigen Tag in denDienst der besitzenden und herrschenden Klassen gestellt hat,wird bei der �aufgeklärten Arbeiterschaft erfolglos bleiben.Aber einem Satze, den die Redner mit Emphase hervor-gestoßen haben, stimmen wir zu. Er kommt, der Erlöser, erkommt! Ja. er wird kommen und die Menschheit aus denBanden der kapitalistischen Unkultur befreien, wie es die Be-gründer und Verkünder unserer Weltanschauung mit prophe-tischem Blick vorausgesehen haben. Er kommt, der wahreErlöser, der Sozialismus!Ein gebildet sein wollender Rüpelschickt unS eine Zuschrift, die wir der Abwechslung wegen beröffent-Jsichen, obwohl der Schreiber nicht den Mut hat, seinen Namendarunter zu setzen. In dem Schreiben heißt es:Ttl. Redaktion des Vorwärts!W. 68...Sie würden sich ein großes Verdienst um die übrige Mensch-heit erwerben, wenn Sie in Ihrem Blatte den Arbeitern malden Vorschlag machen wollten, sich ihre Anzüge zu reinigen, be-vor dieselben(die Arbeiter) die Wagen der Elektrischen be-steigen; in der Stadt- und Hochbahn macht ja das nichts aus,denn man hat ja dort den Borzug, die II. Klasse benutzen zukönnen, was ja bei der Elektrischen leider nicht möglich ist. Ichhabe vor einiger Zeit die Angelegenheit schon in einem andernL hiesigen verbreiteten Blatte zur Sprache gebracht, habe aber� immer wieder, erst heute auch, die unangenehme Beobachtunggemacht, daß alles beim alten geblieben ist. Obendrein sind diemeisten Angehörigen der sogenannten Arbeiterklasse— anderegebildete Leute, die anständig angezogen sind, weil sie es müssen,sind ja in den Augen der Arbeiter Kapitalisten und werden vonIhren„Genossen" danach behandelt— betrunken und erregenden Ilnivillen der anständigen Leute. Sagt man den Leutenetwas, so berufen sie sich auf ihre sozialdemokratische Organi-sation. wodurch die Rüpeleien ja einigermaßen entschuldigt sind.Ich gehe mit der Absicht um, Unterschriften zu sammeln undan die Direktion der Elektrischen resp. an das Polizeipräsidiumheranzutreten, damit die Mitnahme derartiger Elemente ver-boten wird und sie der Wohltat, für einen Groschen eine end-lose Strecke zu fahren, verlustig gehen. Die Betrunkenheit hatnicht zuletzt den Grund darin, daß die Leute viel zu viel ver-dienen und eine viel zu kurze Arbeitszeit haben, so daß sie quasigezwungen sind, in den Kneipen herumzuliegen; Sie allerdingsverlangen verkürzte Arbeitszeit, daß sich die Genossen ihrenFamilien widmen können, zum Lachen—So weit sind wir Gott sei Dank im preußischen Staate nicht,daß die Gesetze von Arbeitern und deren Aufhetzern gemachtwerden, dazu sind gebildete Leute genug da.Nichts arbeiten, viel verdienen und noch mehr Amüsement,und der Zukunftsstaat ist fertig.— Nein, so was gibts nicht.Also befehlen Sie mal Ihren Genossen, sich reinlicher zuhalten.Einer, der auf den von Ihnen zugründenden Zukunstsstaat verzichtet."Die Anwürfe, die der Verfasser dieses Geistesprodukts gegendie Straßenbahn benutzenden Arbeiter erhebt, sind in dieser Allgemeinheit eine Unverschämtheit. Gewiß können Arbeiter, die aufdem Bau, in der Maschinenwerkstatt, auf dem Kohlenplatz sich ihrBrot verdienen müssen, nicht im schwarzen Gehrock, Schlips undKrawatte ihre Arbeit verrichten; in vielen Fällen werden bei dieserArbeit alte abgetragene Kleider oder mindestens Arbeitskittel ver-wandt, die nach Feierabend mit den Alltagskleidern gewechseltwerden. Soweit auf den Arbeitsstätten von den UnternehmernGelegenheit zum Reinigen geschaffen worden ist, wird von derselben Gebrauch gemacht, viele Unternehmer mußten erst von denArbeitern zur Schaffung von Reinigungsgelegenheit gezwungenwerden. Jedenfalls steht es so, daß die Arbeiter die Straßenbahnbenutzen in einem Zustande, in dem sie sicher niemandem lästigwerden. Es mögen auch Ausnahmen vorkommen, Arbeiter sich betrinken— wir loben das sicherlich nicht—, aber diese Ausnahmenohne weiteres als„sozialdemokratisch Organisierte zu bezeichnen,wodurch ihre Rüpeleien einigermaßen entschuldigt sind", kenn-zeichnet die Geistesverfassung des Briefschreibers. Mit viel mehrRecht könnten wir den Verfasser obiger Zeilen, der sich zu demgebildeten und anständigen Publikum rechnet, zu den Rowdies imZylinder und Schnallenschuhen werfen, der in punkto Ermahnungengut tut, erst bei sich anzufangen. Daß die Schaffner schon heute angewiesen sind. Personen in stark beschmutzter Kleidung und in starkangetrunkenem Zustande von der Mitfahrt auszuschließen undvon dieser Anweisung Gebrauch machen, weiß der„gebildete"Briefschreiber nicht einmal; er entrüstet sich also ganz vergeblich.Daß die Arbeiter zu viel verdienen, eine zu kurze Arbeitszeithaben, wollen wir nicht ernstlich widerlegen, der Mann beziehtoffenbar seine geistige Nahrung aus der„Post". Da kann manihm solche nationalökonomische Weisheit nicht weiter übel nehmenso wenig wie seine„Anschauung" von dem Gcsetzemachen. Wirhaben die ganze Litanei auch nur abgedruckt, um zu zeigen, welcheVerheerungen in den Köpfen mancher angeblich Gebildeten dieLektüre von Scharfmacherblättern vom Schlage der„Post" unddergleichen anrichten und außerdem, um unseren Lesern einigeamüsante Minuten zu bereiten.Witterung und Sterblichkeit.Die vorwiegend kühle, meist regnerische Witterung diesesSommers hat wenigstens das eine Gute gebracht, daß durchsiedieSterblichkeitszifferbishcringünsti�gem Sinne beeinflußt worden ist. In B e r l i n istdie Zahl der Sterbefälle gegenwärtig ganz ungewöhnlich gering, hauptsächlich deshalb, weil diesmal die Sterbcfälle vonKindern des ersten Lebensjahres sich nicht so häufen, wie sonstin den Sonunermonaten. Die bezüglichen Zusammenstellungendes Berliner Statistischen Amts liegen jetzt erst bis MitteJuli vor. Aus den sechs Wochen von Anfang Juni bis MitteJuli wurden gemeldet pro Woche 587, 594, 540, 563, 526,528, zusammen 3338 Sterbefälle, während in denselben sechsWochen des vorjährigen Sommers pro Woche 618, 578, 630,631, 570, 597, zusammen 3624 Sterbefälle gemeldet wordenwar'en. Die Kinder st erblichkeit war hieran brteiligt mit 160, 161, 136, 155, 130, 134, zusammen 876Fällen, im vorigen Jahr mit 155, 152, 164, 205, 192, 172,zusammen 1040 Fällen. Wenn etwa für die zweite Hälftedes Juli und den ganzen Monat August das Ergebnis ebensogünstig sich stellt, dann dürfte hierdurch die Gesamtsterblichkeitfür das Jahr 1907 merklich herabgemindert werden.Neue Telegraphenämter in Berlin. Eine größere Anzahl vonneuen Telcgraphenämtern werden im Laufe des Monats Augustin Berlin eröffnet, indem zahlreiche Postämter Telegraphcnbetrieberhalten. Schon am 1. August findet dies statt bei den Postämtern8. 86 in der Wassertorstr. 33 und 8. 88 in der Alten Jakobstr. 87/88.Am 15. August erhalten ebenfalls Telegraphenbetrieb die Postämter8. 73 in der Luckauerstr. 14, LG. 32 in der Köpenickerstr. 98,80. 83 in der Pücklerstr. 47. 0. 109 in der Krautstr. 36 und O. 112in der Gabelsbergerstraße, Ecke der Frankfurter Allee. Die Dienst-stunden für den Verkehr mit dem Publikum sind für die neuenTelegraphenbetriebsstellen von der Kaiserlichen Oberpostdirektionauf die Zeit von 8 Uhr vormittags bis 7 Uhr nachmittags festgesetztworden. Sämtliche neuen Telegraphenbetriebsstellen sind nur anWerktagen geöffnet.Für Beerdigungen von der Charite auS» die auf Kosten derHinterbliebenen bewirkt werden, ist eine Einrichtung zu beachten,die wahrscheinlich nur wenigen bekannt ist. In solchen Fällen er-bietet sich die Charite, den Sarg nebst Sterbekle iL» ungusw. zu liefern, und sie berechnet dann den Hinterbliebenenhierfür eine angemessene Gebühr. Lehnen die Hinterbliebenendieses Anerbieten der Charite ab, so wird mindestens eine Gebührfür„Aufbewahren, Waschen usw. der Leiche" gefordert. Die Fraueines in der Charite verstorbenen Arbeiters S. hat kürzlich wegendieser Gebühr, die der Chariteküster ihr abgefordert, einen rechthäßlichen Auftritt über sich ergehen lassen müssen. Als der Küsterihr die Beschaffung des Sarges usw. anbot, antwortete sie, siewerde das selber beschaffen. Darauf forderte der Küster 11 M.(elf Mark) für„Aufbewahren, Waschen usw."Gegenüber der Versicherung der bestürzten Witwe, daß sie das nichtzahlen wolle oder könne, erklärte er schroff, sie habe zu zahlen.Er soll sogar hinzugefügt haben, daß andernfalls die Leiche soverstand ihn die Witwe— nicht herausgegeben werde. Darauf be-zahlte die geängstigte Frau die 11 M., worüber ihr der Küsterauf vorgedrucktem Formular eine Quittung ausstellte. DieseQuittung bescheinigt, daß„für das Aufbewahren, Waschen undRasieren, Ankleiden, Einsargen und Tragen der Leiche" 11 M.bezahlt worden seien. Frau S. hat aber bei der auf dem Friedhofder Gnadenkirche erfolgten Beerdigung die dort angestellten Trägerbesonders bezahlen müssen. Es entsteht hiernach die Frage, wofürnun eigentlich die Charite diese doch recht beträchtliche Gebühr er-hoben und eingesteckt hat. Wir empfehlen den Hinterbliebenen, inähnlichen Fällen weniger rasch nachzugeben. Die Charite hatnichts zu fordern für eine Leistung, die dteHinterbliebenen nicht von ihr beanspruchen.Die Kriminalpolizei ist noch auf der Suche nach dem Ver-über der scheußlichen Taten auf mehrere Kinder; auch der Mörderder Wirtschafterin Plath ist noch nicht ergriffen. UnschuldigePersonen hat man zwar genug verhaftet, aber die Attentäter warennicht darunter. Handelt es sich um anständige Arbeiter, die inAusübung ihres gesetzlich gewährleisteten Koalitionsrechtes ihreihnen in den Rücken fallenden Arbeitskollegen auf das Unmoralischeihrer Handlungsweise hinweisen, so hat die Polizei eine„glück-lichere" Hand; schnell ist sie zur Stelle und locht die Streik-Posten ein.Man kann von diesem Gesichtspunkte aus bald bedauern, daßsich in den Straßen, in denen die Bluttaten verübt wurden, keinBau befand, auf dem Arbeitswillige arbeiteten. Indem diePolizei die nützlichen Elemente vor den„Belästigungen" derStreikposten beschützt hätte, wären wenigstens auch die Kinder ge-sichert gewesen oder aber man wäre des Täters schnell habhaftgeworden./AuS der Praxis der Darlehnsinftitute.Auf unseren unter obigem Titel in Nr. 168 unseres BlatteSveröffentlichten Artikel über die Geschäftspraktiken verschiedenerTarlehnsgeschäfte sind uns eine Reihe Zuschriften zugegangen,teils aus Kreisen von Darlehnssuchern, teils von Inhabern vonin unserem Artikel namentlich aufgeführten Geschäften.. VonDarlehnssuchern wird die von uns gegeißelte Geschäftspraxis,nach der es in der Hauptsache vielen Inhabern von DarlchnS-geschäften lediglich um die sogenannten Auskunftsgebühren zutun ist. nur bestätigt und es werden weitere Fälle zum Beweisebeigebracht.Zwei Inhaber von DarlehnSgeschäften teilen uns mit, daßsie ihr Geschäft„streng reell" betreiben. Herr Winkler von der„Deutschen Kredit- und Diskontobank" ersucht uns um Namenund Adresse des Darlehnssuchers, welchem er die 4,80 M. zurück-erstattet haben soll; er will unS den Beweis bringen, daß sich dieSache anders verhält. Wäre der DarlehnSsucher wirklich gut ge-wesen, hätte er das Darlehn auch ohne weiteres erhalten. Es istdoch recht sonderbar, wie Herr Winkler unsere Behauptungen be-streiten kann, ohne daß er weiß, um welchen Fall es sich handelt.Herr Winkler schreibt unS noch eine ganze Menge über seine Ge-schäftsmaximen, wir müssen eS aber ablehnen, sein ganzes Schreibenabzudrucken, da wir im redaktionellen Teil unseres Blattes Ge-schäftSreklamen grundsätzlich nicht aufnehmen.Auch Herr Tictze, Memelerstraße 40, bestreitet in einer Zu«schrift, daß er einem Arbeiter erklärt habe,„Leute in IhremStande bekommen überhaupt kein Geld". DaS sei schon deswegennicht möglich, weil er viele Arbeiter bediene. Diese Beweisfähig-ieit ist für uns keineswegs überzeugend. Wir müssen um so mehran den Angaben des Herrn Tietze zweifeln, weil uns aus Anlaßunserer Veröffentlichungen gerade über Herrn Tietzes Geschäfts-führung die meisten Klagen zugegangen sind.Krieg im Frieden. Auf dem Truppenübungsplatz in Döberitzhat sich am Dienstag ein Unfall ereignet, der noch der näherenAufklärung bedarf. Ein Soldat des 1. GardercgimentS zu Fußin Potsdam wurde von einer abirrenden Kugel getroffen. DerHauptmann, der die betreffende Kompagnie befehligte, war in dieUmgebung der Schießstände gerückt, obgleich bekannt gegeben wordenwar, daß Scharfschießübungen stattfänden. Plötzlich brach einerder Soldaten mit einem Aufschrei zusammen. Eine abirrendeKugel hatte ihn im Rücken getroffen und den Unterleib durch-bohrt. Der Hauptmann und ein Stabsarzt ließen den Schwer-verletzten sofort zur Bahnstation Dallgow-Döberitz bringen, wosie den Schnellzug zum Halten brachten, in dem dann der Soldatnach Spandau transportiert wurde. Hier ist er im Garnison-lazarett Dienstagabend gegen 11 Uhr gestorben.Zwei schwere Unglücksfälle werden vom DieuSiag gemeldet.Der Fleischcrmeister Jajnick aus der Müllerstraße hatte mit seinerFrau und mehreren Bekannten auf einem Break einen Ausflugnach Wittenau unternommen und befand sich gegen 4 Uhr nach-mittags auf der Rückfahrt nach Berlin, als das vor dem Wagenbefindliche Pferd plötzlich scheute. DaS Tier raste die Oranien-burger Chaussee entlang, bog in Reinickendorf in die Hauptstraßeein und jagte hier auf einen entgcgekommenden Straßenbahn-wagen zu. Der Wagenführer gab das Warnungssignal und hier-durch neuerdings erschreckt, blieb das Pferd so plötzlich stehen, daßdurch den Ruck die auf dem Break befindlichen Personen auf dasStrahenpflaster geschleudert wurden. Hierbei erlitt der Schlächter-meistcr einen Bruch des rechten Unterarms und anscheinend innereVerletzungen und seine Frau dadurch eine bedeutende Kopfwunde,daß sich eine Hutnadel tief in die Kopfhaut einbohrte. Die übrigenPersonen erlitten leichte Kontusionen.— Schwer verunglückt istvorgestern abend in der Gollnowstraße der 33jährige Klempner-geselle Karweit. In der Nähe der Weinstraße taumelte er undstürzte unmittelbar vor einem Omnibus der Linie 32 auf denFahrdamm. Obwohl der Kutscher des Gefährts bemüht war, diePferde sofort zum Stehen zu bringen, gingen doch die Räder desschweren Wagens dem K. über beide Beine und die Brust hinweg.Er wurde im besinnungslosen Zustande zunächst zur Unfallstationin der Keibelstraße und von dort nach dem Krankenhause Friedrichs-Hain übergeführt._Eine blutige Ehetragödiehat sich in der Uhlandstraße in Wilmersdorf abgespielt. In ihrerin der Uhlandstraße 94 belegenen Wohnung wurden Dienstagabend der Hauptmann a. D. Albert Aaron und dessen EhefrauClara erschossen aufgefunden. Die Leichen waren bereits teilweisein Verwesung übergegangen. Die Tat ist bereits am 19. d. Mts.verübt worden.In der zweiten Etage des HaufeS Uhlandstraße 94 bewohnteseit dem 1. April das Aaronsche Ehepaar eine hochherrschaftlicheWohnung. Der Ehemann ist am 23. November 1845, die Ehefrau,eine geborene Arendt, am 23. Januar 1863 geboren. Kinderhatten die beiden Eheleute nicht. Nach seinem Austritt aus demHeere lebte A. von seiner Pension und von den Zinsen eineskleinen Kapitals. Im Laufe der Jahre war aber das letztere auf-gezehrt und in der letzten Zeit stellten sich Schulden ein. Dazukam noch fortwährende Krankheit. Alles dies sollte die Ver-anlassung zu der Tragödie geben. In einem hinterlassenen Briefe,der von beiden Eheleuten unterzeichnet ist, geben sie an. daß siedurch Geldnot und Krankheit in den Tod getrieben würden. Die