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Tcwerbemspektion freue und sagte:Ich brauche kaum zu er- Widern, daß es auch künftighin mein Bestreben sein wird, die Ausgestaltung und die Ausübung der Gewerbeinspektion so ein- zurichten, daß sie die gesetzlichen Zwecke, welche sie erfüllen soll, auch wirklich voll erfüllt." Ein sozialdemokratischer Antrag, der für den Geschäfts« betrieb der Gesindever Mieter und privaten Stellenvermittler eine verschärfte Aufsicht an- strebt, gelangte nach Abschluß dieser Debatten zur Annahme. Bei der Beratung der Vorlage über den Stuttgarter Bahnhof umbau brachte die Sozialdemokratie einen Antrag ein, der an- gesichtS der bevorstehenden Tagung des Stuttgarter Internationalen Sozialistenkongresses von Interesse ist. Sie beantragte, zu be� schließen, daß bei den sehr umfangreichen Arbeiten in der Hauptsache inländische Arbeiter zu beschäftigen und ausländische nur insoweit heranzuziehen seien, als der Bedarf durch die inländischen nicht gedeckt werden könne. Des weiteren sollten die zur Ber Wendung gelangenden Arbeiter nur durch die öffentlichen(kommu nalen) Arbeitsnachweisstellen vermittelt werden dürfen. Damit war der Zweck verfolgt, die Kontrolle über die Arbeits- kontrakte und über die L ö h n e in der Hand zu behalten und eine ausländische Schmutzkonkurrenz zu verhüten. Der Antrag fand inhaltlich Annahme, wenn auch das Zentrum aus Parteieifersucht seine Fassung leider etwas verwässert hat. Von erheblicher politischer Bedeutung war wiederum die©e* ratung des Kultusetats. Die Aufwendungen des Staates für die kirchlichen Gemeinschaften lehnte die sozialdemo kratische Fraktion selbstverständlich ab. Sie ließ durch ihren Sprecher, Abg. H e y m a n n, erklären: Meine Fraktion will keine Verpflichtungen deö Staates an­erkennen, den kirchlichen Gemeinschaften aus staatlichen Mitteln Zu- Wendungen zu geben, und wir glauben auch, daß unsere Motive für diese Stellungnahme keineswegs falsch gedeutet werden können. Es leitet uns dabei, wie ich betonen will, keinerlei Animosität gegen die Religion oder gegen einzelne Konfessionen, sondern wir wollen im Gegenteil durch die vollständige Unabhängigkeit der kirchlichen Gemeinschaften vom Staat als politischer Organisation jeder ein- zelnen Person und jeder kirchlichen Gemeinschaft die Möglichkeit der freien Entfaltung ihres religiösen Standpunktes in vollem Umfange gewährleisten." Es kann hierbei bemerkt werden, daß schon im vorigen Landtage auf sozialdemokratische Anregung hin ein Antrag Annahme fand, der die Regierung aufforderte, die für die A u S s ch e i d u n g d e s Kirchengutes aus dem Staatsvermögen notwendigen vorbereitenden Schritte zu unternehmen. Auf diesen Antrag wurde auch bei der diesjährigen Debatte wieder zurückgekommen, und von der Regierung wurde mitgeteilt, daß die von ihr verlangte Denk schrift in Bälde dem Landtage borgelegt werden würde. Sobald dies geschehen sein wird, dürfte der Augenblick gekommen sein, den Staat durch Ausscheidung des Kirchengutes nicht nur jeder Rechtsverpflichtung den Kirchen gegenüber zu ent kleiden, sondern auch eine generelle Bewegung zugunsten der Trennung von Kirche und Staat überhaupt in die Wege zu leiten. Bei Beratung des SchuletatS war von der Volkspartei beantragt worden, eine Verstaatlichung der sogenanntenMittel- schulen", Gymnasien, Realgymnasien usw. vorzunehmen. Seitens der Sozialdemokratie wurde die Gelegenheit benutzt, um die viel wichtigere Frage der Volksschulreform aufzurollen. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen leidet die Volksschule besondere Not und ist am wenigsten in der Lage. sich der sie eng umklainmernden Umarmung durch die Kirche zu entziehen. Erst wenn die Volksschullasten auf den Staat übernommen sind, wird es möglich sein, sie auf eine entwickelungSfähigere Grundlage zu stellen. Es gelang der Sozialdemokratie, deren Stimmen für den Volks- parteilichen Antrag unentbehrlich waren, sich durch geschicktes Operieren eine alle Parteien mit Ausnahme des Zentrums umfassende Mehrheit für ihren Antrag zu sichern. Die Situation war in doppelter Hinsicht intereffant, zunächst, weil der Antrag diese große Mehrheit fand, obgleich der Minister selbst gegen ihn gesprochen hatte, sodann, weil er das Zentrum wiederum in die gleiche Isolierung brachte wie im Vorjahr bei der Ver- fassungSreform, die bekanntlich auch infolge des Scheiterns einer Schulvorlage ins Rollen gekommen war. Resigniert mußte ein ZentrumSredner zugeben, daß sich hier, bei dieser eminenten Kultur- frage, zum erstenmal die Wirkungen der VerfaffungSreform zeigten und der Abg. Gröber versuchte in der unangenehmen Lage, in der sich seine Partei befand, das letzte Mittel, indem er die Nationalliberalen und Konservativen mit der Aus- malnng der Volksschulreform, bei d'e r die Sozial­demokratie die Führung habe, grnslich zu machen. Es nützte ihm aber nichts. Die große Mehrheit, welche der sozialdemokratische Antrag erhielt, bewies, daß die dringliche Frage der Volksschulreform in der reinen Volkskammer doch besser zu lösen sein wird, als unter der früheren Mitwirkung der Privi- legierten. Bei der Beratung des Eisenbahnetats wurde die Frage der Tarifreform und einer deutschen Betriebsmittel- g e m e i n f ch a f t in ausführlicher Weise behandelt. Die Anschauungen der Sozialdemokratie vertrat sehr wirksam der Abg. Hildenbrand, der besonders den Einfluß Preußens auf die Gestaltung der Tarife, den Druck, den es auf Württemberg bei seinen Sondertarifen, namentlich bei den sogenannten Landeskarten, ausgeübt hatte, scharf kritisierte. Es gelangte auch hier ein auf sozialdemokratische Au- regung zurückzuführender Antrag zur Annahme, daß in Zukunft zum Eisenbahnbeirat auch Vertreter der Arbeiter hinzu- gezogen werden sollen. Beim Po st etat gelang es der Sozialdemokratie, deren Ver- tretung hier in den Händen des Abg. Dr. Lindemann lag, leider nicht, die gleichfalls infolge Druckes seitens der Reichspostverwaltung von der württembergischen Regierung geforderte Erhöhung der Ortsportotarife länger als bis zum Jahre 1303 hinaus- zuschieben. Es war hier, ebenso wie bei der Frage der Schiffahrts- abgaben, die Schuld der Volkspartei, daß nicht mehr erreicht werden konnte. Im allgemeinen hat die Etatberatung, die natürlich hier nicht erschöpfend behandelt werden konnte, gezeigt, daß die Position der Sozialdemokratie sowohl den Parteien wie der Re- gierung gegenüber im neuen Landtage eine recht günstige ist. Sie ist in der Lage, zwischen den bürgerlichen Parteien von links und rechts den Ausschlag zu geben. Demokratie und Liberalismus haben, um ihre Wünsche zur Erfüllung zu bringen. die Zustimmung der Sozialdemokratie bitter nötig. Dadurch ist für die letztere der Boden gegeben, von dem aus sie selbständig ein- zugreifen vermag, indem sie ihrerseits sich für ihre eigenen Zwecke die bürgerlich-liberalen Parteien tributpflichtig macht. Auf diesem Wege wurden im Laufe der Etatveratung eine größere Anzahl sozial- demokratischer Anträge zur Annahme gebracht. Freiiitinige Ashstechk-Mtimmiglttite». DieFreisinnige Ztg." und Herr Naumann vom weiblichen Freisinn haben mit Fanfarenstößen den Kampf um das N e i ch s t a g s w a h l r e ch t für Preußen an- gekündigt. Herr Naumann hatte auch sofort einen strategischen Plan entworfen, wie der Freisinn die Regierung als Avantgarde in diesem Kampfe vorschicken müsse. Die Regierung müsse zur baldigsten Auflösung des Landtags drängen und dann zur Erzielung g o u v e r- nemental-freisinniger Wahlen den berüchtigten Bismarckischen Erlaß vom Jahre 1882, dessen Urheberschaft eigentlich auf Puttkamer zurückzu- führen gewesen sein soll und gegen den Freisinn ge- richtet war, gegen die konservativen Beamten zur An- Wendung bringen. Eine so antiliberale und schreiend anti- demokratische Forderung, daß die Organe der Rechten mit bissigem Hohne über Herrn Naumann herfallen konnten. So anerkennenswert Herrn Naumanns Forderung, die Einführung des R e i ch s t a g s w a h l r e ch t s für Preußen zur ersten Bedingung der ferneren Unterstützung der Regierung zu machen, auch war, so unbegreiflich irrte er sich über die Formen, unter denen der Kampf um die demo- kratische Umgestaltung des Dreiklasscnwahlunrechts einzig ge- führt werden kann. Nur mit Hülfe der breiten Massen des Volkes, und einzig durch sie, kann das Privilicgien- Wahlrecht der Kraut- und Schlotjunker gebrochen werden, nicht aber, wie Naumann sich in echt nationalphantastischer Weise einbildet, durch ihr ureigen st es Werkzeug, die Re- gierung und die Bureaukratie l Immerhin, bei aller Vhantastik, hatten doch Herr Nau- mann und dieFreisinnige Zeitung" das K a m p f o b j e k t mit löblicher Deutlichkeit bezeichnet: die Einführung des ReichStagSwahlrechts für Preußen. Dafür müsse freilich erst im Herbst l die breite Masse des Volkes zum Kampfe aufgerufen werden. Nun zeigt sich aber, daß einflußreiche freisinnige Organe von einem so hoch gesteckten Ziel gar nichts wissen wollen, daß sie bescheiden genug sind, sich gleich dem offiziösendemokratischen" Organ am Main mit einerWahlreform" zu begnügen, die durchzusetzen auch der Nationalliberalismus bereit ist, der ja bekanntlich, um ein Wort derGermania " zu gebrauchen, an Stelle des Dreiklassenwahlsystems ein V i e r k l a s s e n- w a h l s y st e m", ein neues Privilegienwahlrecht gesetzt zu sehen wünscht. So läßt sich die freisinnigeWeser- Zeitung" vernehmen: So lange der Liberalismus noch nicht ein- mal untereinander zu einem einigenden Eni- schlusse gekommen und damit das nötige Gegen- spiel zu dem festen Block der Konservativen, die im Herrenhause ihre natürlichste Stütze finden, gegeben ist, werden die Aussichten auf eine tatsächliche Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts immer fragmentarische und un- gewisse bleiben. Den Schlag gegen das Dreiklassernvahl- system aber so zu führen, wie man jetzt ausholt, heißt die ge- gebenen Machtverhältnisse einfach verkennen. Wenn irgendwo, so ist gerade in Preußen der Zusammenschluß der libe« ralen Elemente zur Durchsetzung der modernen Reform- gedanken notwendig. Von dieser Stelle sollten die e r st e n Vorbereitungen ausgehen, um den gemeinsamen reaktionären Gegner zu überwinden. Wie im Reichstage die Versuche einer Ver- ständigung von Fall zu Fall im Laufe der vergangenen Session mit Erfolg gemacht worden sind, sollten die Brücken zwi scheu den sich immer mehr Bahn brechenden jung- liberalen Elementen innerhalb der national- liberalen Partei und den freist nnigenKreisen niemals abgebrochen werden. Denn zu allererst gilt es die parlamentarische Waffe zu schmieden, die einer reform- willigen Regierung zur Seite steht. Heute kann der Reichskanzler an eine Aenderung des Wahlrechts nurdenken". Aber zur Aus- führung der Gedanken fehlt ihm die tatsächliche Macht." DieWeser-Ztg." will also im Kampfe um die Ein- führung des Reichstagswahlrechts nicht mittun! Sie verlangt vielmehr eine Verständigung mit dem National- liberalismus l Sie hat dabei freilich insofern recht, als die Regierung doch nicht gegen Konservative und Nationalliberale den Kampf austrehmen kann, um sich dabei auf die dreißig Freisinnigen und die sieben Schwaben der süddeutschen Volks- Partei zu stützen! Meint es also der Freisinn ernst mit seinem Kampfe um eine wirkliche Wahlreform, so kann er sich einzig auf die Massen stützen! Je e h e r er mit der Sozialdemokratie den Kampf gegen die gesamte Reaktion aufnimmt, desto günstiger sind die Aussichten der Bataille. Alles Diplo- matisieren aber, alles illusionäre Vertrauen auf die Regierung sichert nur den Triumph der hohnlachenden Reaktion I-- Liberale Hjoffnirogsfreudigheit. Unsere Liberalen gleichen eingeregneten Sommerfrischlern: die müssen sich schließlich jeden Regentag, den der liebe Gott gibt, damit trösten, daß es morgen doch wieder schön sein werde. Kommt aber dann die Stunde, wo wieder der neue Wetterberichtvor- wiegend trübe" erscheint, dann hoffen sie weiter auf den Irrtum des Meteorologen. Bald wird man annehmen dürfen, daß der entschiedene" Liberalismus vor allem entschieden ist in seiner Hoffnungsfreude. MS Herr Studt, der außerhalb Preußen? niemals Minister hätte werden, geschweige denn Minister hätte bleiben können, endlich alt und müde geworden war und seinen Abschied nahm, da begann die Hoffnung und zugleich die erste Enttäuschung: Herr Holle kam. Wer war Herr Holle ? Ein Unbekannter zwar, aber ach, kein Liberalerl Aber man tröstete sich, er sei wenigstens einunbeschriebenes Blatt". Ein netter Trost, wenn für ein Amt, das die höchsten Anforderungen an seinen Träger stellt, einunbe- schnebenes Blatt" ernannt wird statt eines Mannes, von dem man weiß, daß er die Kraft, den Willen, die Fähigkeit und die Macht habe, jene Reform an Haupt und Gliedern vorzunehmen, die dem preußischen Unterrichtswesen von der Volksschule bis zur Universität so dringend not tut. Aber die Liberalen hofften weiter: sie werden dasunbeschriebene Blatt" schon beschreiben, und alle liberalen Federn sind seit einiger Zeit in Bewegung. Leider entdeckten sie bald, daß die alten Ministerialdirektoren deS Herrn Studt die Kunst des Schreibens auch beherrschen. Zwar soll sich der alte, kranke Althoff gleichfalls zurückziehen, der mit eiserner Hand despotisch die preußischen Universitäten beherrscht und bei einem ge- wissen Verständnis für die sachlichen Anforderungen deö Universi- tätsbetriebes durch seine unheilvolle Personalpolitik die letzten Spuren freier, unabhängiger, wissenschaftlicher Betätigung von den Universitäten Preußens zu verscheuchen sich bemüht hat. Aber Schwartzkopff, der Verderber der Volksschulen, der ver- bissenste Gegner jeder freiheitlichen Regung der Lehrerschaft, soll bleiben. Und außer Schwartzkopff ist auch Herr v. C h a p u i S Ministerialdirektor geblieben, den dasB. T." als einen Eck» Pfeiler des Studtschen Systems bezeichnet und der mit diabolischer Diplomatengeschicklichkeit trotz aller Blockpolitik auch die Beziehungen zum Zentrum aufrechtzuerhalten weiß. Kurz, Studt ist gegangen, Holle ist gekommen, aber nichts hat sich geändert und deshalb, nun, deshalb muß man weiter hoffen. Einst kommen schöne Tage, das un- beschriebene Blatt wird beschrieben sein und die Schwartzköpfse werden auf den krausen Schriftzügen ihren Abschied heraus­lesen. Die armen hoffnnngsfreudigen Liberalenl Kaum haben sie sich die Pläne zurechtgelegt, die sie alle ausführen werden, wenn nur mal schönes politisches Wetter eintreten wird, da erscheint der Wetterbericht. DieDeutsche Tageszeitung" schreibt: Zwei hiesige freisinnige Blätter veröffentlichen heute lange und eingehende Artikel, die in der Forderung gipfeln, daß ein völlig anderer Geist ins preußische Kultusministerium einziehen müsse, wenn die Blockpolitik im Reichstage nicht gefährdet wer- den solle. TaS eine Blatt begnügt sich damit, im allgemeinen darzulegen, wie der völlig andere Geist beschaffen sein müsse, das andere Blatt wird um eine Abtönung deutlicher, indem es ziemlich unumwunden die Abhalfterung von zwei Ministerial- direktoren verlangt. Wir haben schon mehrfach dargelegt, daß nach unserer Auffassung die Blockpolitik im Reichstage mit dem Geiste im preußischen Kultusministerium verhältnismäßig wenig zu tun habe. Wenn der neue Kultusminister Bahnen einschlagen wollte oder sollte, die den konservativen Politikern ungangbar oder gefährlich erscheinen müßten, so wäre dadurch der Block mindestens ebenso gefährdet, wie er nach links- liberaler und freisinniger Auffassung durch das Fortarbeiten in den bisherigen Bahnen gefährdet werden würde. Wir glauben kaum, daß der neue Kultusmini st er Neigung haben dürfte, einenvöllig anderen Geist in das Kultus- Ministerium" hineinzutragen, wenn er vielleicht auch in einigen Punkten kleine Zugeständnisse an gewisse Tagesförderungen machen wird. Noch weniger glauben wir, daß er Lust haben könnte, sich von dcn Männern zu trennen, die bisher im Kultus- Ministerium eine verdienstvolle Tätigkeit entfaltet haben. Solche persönlichen Verstöße gegen einzelne Beamte, wie sie in dem frei- sinnigen Blatte beliebt wurden, sind erfahrungsgemäß eher ge- eignet, die Stellung der Herren zu st arten, als sie zu schwächen. Unsere Freisinnigen, die den ersehntem neuen Geist im Kultusministerium nicht erwarten können, son­dern mit peinlicher Regelmäßigkeit wöchentlich oder doch monat- lich einmal danach rufen, bekunden damit eine krankhafte Nervosität, die nicht gerade den Eindruck der Stärke macht. Sollte der neue Kultusminister, was wir nach wie vor bezweifeln, tatsächlich einige Neigung haben, den Geist im Kultusministerium völlig zu ändern, so wurde er durch die regelmäßigen Anzapfustgen der linksliberalcn und frei­sinnigen Presse gewiß nur zu größerer Vorsicht veranlaßt werden." Wir fürchten, diese politische Meteorologie wird sich als zuver- lässig erweisen. Die Liberalen hoffen und werden solange ver- geblich hoffen, solange sie eben nichts anderes tun, als nur hoffen. Wollen die Liberalen eine wirkliche Schulreform, so müssen sie endlich die Weisheit der alten Kaiserin begreifen, daß die Schule ein Politik um sei. Politische Forderungen aber können nicht erhofft, sie können nur erkämpft und erobert werden. Die preußische Schule ist, wie sie ist, weil die Reaktionäre, mit denen die Liberalen jetzt verbündet sind, im Landtag das Heft in Händen haben. Die Schule von heute entspricht den Klasseninteressen der Junker und das wird sich nur ändern, wenn die Herrschaft der Junker gebrochen wird. Nicht m i t den Junkern, sondern gegen sie muß die Schulreform gemacht werden, nicht durch den Block, sondern erst nach Sprengung d es Bl«cks. Die preußische Schulfrage ist die preußische Wahlrechtsfrage. Der Kampf um die Schul»-ist solange ein Scheingefecht, solange nicht der Kampf dort aufgenommen wird, wo er allein ausgetragen werden kann, solange nicht die Vorbedingungen für jede freiheitliche Schulreform geschaffen ist: Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht in Preußen. Wollen die Liberalen wirklich kämpfen, die Arbeiterschaft wird ihnen Gelegenheit geben, ihren Kampfesmut zu beweisen! Der ruhende Bloch. Je genauer man die Blockpolitik betrachtet, desto mehr findei man. daß sie eine vorzügliche Politik ist, solange die Ferien dauern. Und in Preußen-Dcutschland dauern die politischen Ferien sehr lange, und das ist gut, denn während der Ferien arbeitet höchstens die politische Justiz. Vor der übrigen Re- gierungStätigkeit ist das deutsche Volk gesichert. Blockpolitik ist aber ein anregendes Sommerthema für die Leser der konservativen und liberalen Blätter. Einige sind auch schon soweit, um beim Blumenzupfen statt der veralteten Frage:Liebt sie mich, liebt sie mich nicht!" die modernere aufwerfen:Hält der Block, hält er nicht?" Tagegen ist die Zentrumspresse sehr ungeduldig. Sie kann es gar nicht mehr erwarten, bis er nicht mehr hält und das Zentrum die Erbschaft der Liberalen antreten kann. Was an ihr liegt, tut die Zentrumspresse. Immer neue Fragen stellt sie den: Block, auf die dieser leider nicht eine, aber dafür zwei Ant­worten hat, nämlich eine deutliche, laute, bestimmte, also eine konservative, und eine zaghafte, zweideutige, leise eine liberale. Was ist's denn mit den neuen Steuern, fragt dieGermania ", und sie bemüht sich nachzuweisen, daß das eine sehr dringende Frage ist. Da ist zunächst die Verschuldung des Reiches, die immer mehr zu einer Kalamität wird. Der Anleihemarkt ist verdorben, das Reich kann zu einem Zinsfuß von 3� Proz. keine Gelder mehr auftreiben und muß die letzte Anleihe bereits mit 4 Proz. verzinsen. Ter Grund dafür ist die unaufhörliche Vermehrung der Schulden. Das Angebot an Staatsanleihen nimmt rascher zu als die Nachfrage nach fest verzinslichen Z�prozentigen Papieren. Die herrschende Geldnot hat die Situation für das Reich verschlimmert, aber es wäre falsch, mit dem Finanzminister auf den Eintritt der Krise zu hoffen, die die Geldnot beseitigen soll. Wird die Schuldenlast weiter vermehrt, so wird auch bei leichterem Geldstand der Anleihemarkt auf die Dauer nicht günstiger sein. Aber vorläufig wird weiter gepumpt. Aus dem Etat ergeben sich wieder neue Schulden von ins- gesamt 253,8 Millionen Mark. Dazu kommen noch 40 Millionen Mark Anleihekredite für unsere südwestafrikanische Gold-, Dattel- und Diamantenkolonie. Nun sind für 200 Millionen Mark 4prozentige Reichsschatzanweisungcn begeben worden. Die noch zur Verfügung stehenden Kredite belaufen sich noch auf 130 bis 1S0 Millionen Mark. Die Zwecke, für welche diese Gelder bewilligt worden sind, sollen im Laufe des Jahres erfüllt werden; eS ist uns nichts davon bekannt, meint dieGermania ", daß man z. B. den Aus- bau der Festungen und der strategischen Eisenbahnen eingestellt habe, daß die bewilligten Schiffe nicht gebaut werden, daß die Telephonleitungen nicht gelegt werden; im Gegenteil: man kann ab und zu lesen, daß man auf diesen Gebieten kräftig av der Arbeit sei; dann mutz sie aber auch bezahlt werden. Wenn die genehmigten Kredite jedocb nicht verwendet werden, so muß das Reich eben sehr stark die Schatzanweisungen und die Reichsbank in Anspruch nehmen; dann kann man mit der Begebung von Anleihen erst zurückhalten, aber die so vermehrten Schatzan- Weisungen sind auch Schulden und müssen verzinst werde». Die