Dr. 189. 24. Jahrgang.1. KW des„Krimrls"?«mnsIag,l�ZWstlM7.ver frsnüSiiiche psrteitsg.Zweiter Verhandlungstag.Nancy, 12. August. lEig. Ber.)Rappoport kritisiert denBericht der Fraktion»den er lückenhaft findet. Er vermißt auch in der Parlamentstaktilder Abgeordneten an manchen Punkten den Geist der prinzipiellenOpposition. Es besteht noch ein Rest der alten Unsicherheit undUnklarheit, wie die blockfreundlichen Artikel B r o u s s e s undB r e t o n s in der„Petite Republique" und Fournibres, derallerdings kein Abgeordneter ist, in den»Sozialistischen Monats-heften" beweisen. Wir müssen diesen Rest demokratischer Illusionenabstreifen.Bracke vermißt im Bericht die Konstatierung, daß oft beiwichtigen Abstimmungen Meinungsverschiedenheiten zutage traten.Die parlamentarischen Schwierigkeiten sollten erklärt werden.Thomas: Wir haben ein bedeutungsvolles Jahr hinter uns.Die Geschichte wird vielleicht von ihm die Zersetzung jenes 1871 er-richteten Frankreichs der Revanche, den Beginn eines Frankreichs derDemokratie, die nur im Sozialismus eine wirkliche Vertretung hat,datieren. Aber die Fraktion war für ihre Aufgaben nicht genugvorbereitet. Ihre reformatorische Aktion hätte präziser, intensiversein müssen. Wir haben wichtige Gelegenheiten verpaßt. Täglichvergibt die Regierung in Lothringen Grubenkonzessionen ankapitalistische Gesellschaften. Auch die Ereignisse im Süden fandenuns nicht in der nötigen Bereitschaft. Jaures' Antrag hat die Ehreder Partei gerettet, aber er kam zu spät. Wir müssen die organi-satorische Kraft des Sozialismus beweisen.Varennes verteidigt den von ihm erstatteten FraktionS-bericht. Gewisse Meinungsverschiedenheiten sind unvermeidlich, sozwischen den Abgeordneten deS Nordens und des Südens, besondersauch in der Zollpolitik.Reuter(Winzer aus dem Süden): Thomas hat recht. Diesozialistische Partei hätte die Führung der Bewegung an sich bringenkönnen. Die Bauern des Südens sind dem Sozialismus zugänglicher,als man glaubt.Jaures: Die Fraktion hat im Augenblick der Krise getan,was sie konnte.Der Parteitag geht zum Punkt: Internationaler Kongreß über.Militarismus und internationale Konflikte.Brucköre, ein Mitarbeiter der Hcrvöschen„Guerre Sociale",spricht gegen die Annahme einer Resolution, wie die in Limoges,die eine große Mehrheit auf Kosten der Klarheit � vereinige.V a i l l a n t und G u e s d e sind der Meinung, daß die Resolutionvon Limoges die ganze Partei binde, falls der Parteitag keineandere beschließe.Nachmittagssibung.Der Parteitag schickt- dem Genossen G o u d e, Arsenalbeamtenin Brest, dem der Marineminister den Urlaub zum Besuch deS Kon«gresieS verweigert hat, seine Grüße zu.Genossi» Dr. Lepelletier spricht für die hervöistische Re-solution der Donne.Michel(Dordogne) vertritt die Tagesordnung der Föderationder Dordogne. Sie erklärt. daß der Militarismus eine not-ivendige Folge der Klassenherrschaft sei und nur mit dieser ver-schwinden werde. Wenn man alle Anstrengungen der Arbeiterschaftauf diesen einen Punkt konzentriere, verrichte man eine gesell-schaftserhaltende Arbeit, indem man das Proletariat von seinereinzigen Aufgabe. der Eroberung der politischen Macht, ablenke.Andererseits seien die vom Antimilitarismus empfohlenen Mittel(von der Desertion und dem Militärstreik bis zur Insurrektion) nurgeeignet, die sozialistische Propaganda zu erschweren. Die Resolutionichließt: Der einzige Kampf gegen den Militarismus und für denFrieden, der keine Utopie und keine Gefahr ist, ist die sozialistischeOrganisation des Weltproletariats zur Abschaffung des Kapitalismus,und bis dahin sind internationale Konflikte so weit als möglich durchdie internationale Herabsetzung der Dienstzeit, die Verweigerung derMilitärkredite und durch die allgemeine Volksbewaffnung an Stelleder stehenden Heere zu bekämpfen.L s v y(Rhone) begründet die folgende Resolution seinerFöderation. Sie lautet:»In Erwägung, daß in unseren demokratischen Staaten dasProletariat am meisten am Frieden interessiert ist; in Erwägung.daß der Friede nur international organisiert werden kann; in Er-wägung endlich, daß die Arniee eine Volksarmee sein muß, beschließtdie sozialistische Partei, daß die allgemeine Volksbewaffnung an dieStelle der stehenden Heere gesetzt und der Frieden international or-ganisiert werden muß durch die Herabsetzung der Militärdienstzeitund die Verweigerung des Militärbudgets und daß der Krieg mitallen Mitteln verhindert werden soll, unter der Bedingung, daß sieeinen internationalen Charakter haben.Der Redner sagt in seiner Begründung: Die Resolution derDordogne hat darin unrecht, daß sie den Krieg als Folge deSKapitalismus ansieht. Er hat aber auch vor diesem bestanden.Aber wir dürfen nicht AntiPatrioten sein, im Gegenteil I Wir wollendie Nationen wie die kleineren Gemeinschaften innerhalb ihrer erstzu voller Entwickelung bringen. Zersetzung ist nicht Revolution. DieDoktrin HervöZ ist ein Gegenstück zum Nationalismus. Hier istvielleicht niemand so wenig Sozialist wie Hervö.G» e s d e: Man weiß, daß die meisten Parteien deS Auslandes in dieser Frage anders als wir denken. Freilich, man stelltsie heute als altmodisch hin. Aber sie haben Sozialismus ge-macht, während wir alle Weile ettvas anderes treiben: einmal Anti-klerikalismuS, dann wieder Antimilitarismus. Der Antimilitarismushat zwei Seiten: eine innerpolitisckie und eine weltpolitische. Ueberdie erste herrscht keine Meinungsverschiedenheit zwischen unS. Auchhaben wir in Stuttgart nur die andere zu bcsprcckieii. Im vorigenJahre haben wir eine Resolution beschlossen, die die Insurrektion imKriegsfalle fordert. Aber niemals ist eine Insurrektion wenigermöglich. Wenn wir sie beschließen, bereiten wir nureine neue Enttäuschung deS Proletariats vor. Wir bc-treiben keine revolutionäre Propaganda, wenn wir unsereGenossen anleiten, vor den Kugeln der Ausländer davonzulaufen.IlebrigenS stehen wir vor einer Tatsache: der ErklärungBebels über den Antimilitarismus. Ebenso wie die deutschenSozialdemokraten Deutschland, so dürfen auch wir nicht Frankreichan einen fremden Eroberer verraten.Baillant verteidigt in einer temperamentvollen Rede dieResolution von Limoges. Diese schreibe nicht feste, unter allen ve«dingungcn geltende Verhaltungsmaßregeln vor. sondern gebe einMaximalprogramm. Der Generalstreit habe seine Probe in Ruß-land geliefert. Wenn wir diese revolutionäre Aktion des Proletariatsablehnen, werden wir eine bloße Wählerpartei.L a f a r g u e spricht über den bürgerlichen Charakter deS Militarismus. HervöS Auffassung ist metaphysisch. Sie faßt europäischeKriege ins Auge, die nicht kommen, aber nicht die immer häufigerenKolonialkriege, denen zahllose Arbeiter zum Opfer fallen. Diesozialistische Partei darf nicht die von Hervö empfohlene— imWesen bürgerliche— Ausreißerpolitik propagieren, sie muß aber dasProletariat dazu erziehen, daß eS das Baterland, dessen Verteidigungman von ihm verlangt, für sich erobert.VarenneS spncht gegen Hcrvö, der die Partei sehr geschädigthabe. Die Resolution der Dordogne ist durchaus sozialistisch gedacht.sie scheint mir aber zu fatalistisch. Ich stimme für die Resolutionvon Limoges. Wir wollen sie dem internationalen Kongreß vor-legen, trotzdem sie vielleicht zu weit geht, und sehen, aufwelchen Standpunkt sich die deutschen Genossenstellen. Weiter alssie will ich auch nicht gehen. WirSozialisten müffen Patrioten im besten Sinne bleiben.'H e r V ö verteidigt sich hauptsächlich gegen den Vorwurf persön-licher Reklame und tritt für die Resolution der Nonne ein. Diesefasse eine internationale, gleichzeitige Aktion ins Auge, eine Wieder-holung im großen Stil dessen, was das 17. Regiment getan habe.(Rappoport: Sie haben aber das nationale Recht der Marokkanerverteidigt!) Wenn zwei Völker von gleicher Kultur wie Frankreichund Deutschland gegen einandergehetzt werden, müssen sie den gegen-seitigen Mord verweigern.(Jaures ruft: Also je kultivierter einVolk ist, desto weniger hat es das Recht, sich zu verteidigen?)Die Rcsoluiion von Limoges gefällt mir nicht mehr als Guesde.Ihr erster Teil dient dazu, daß Jaurös den zweiten schlucken kann.Wenn indes ihr Schicksat von mir und meinen Freunden abhängt,so werden wir für sie gegen die der Dordogne stimmen.(IronischerBeifall der Delegierten des Nord und ihrer Freunde.)Long» et meint gegen Guesde, daß die Resolution vonLimoges nicht das Land mit dem besser organisierten Proletariatseinem Gegner ausliefere, da sie einen Beschluß des internationalenBureanS voraussetze.(Guesde ruft dazwischen: Ich bezweifle, daß dasinternationale Bureau die Verantwortung dafür übernehmen kann,daß Deutschland, das heute mehr sozialistische Soldaten hat, vonFrankreich überwältigt wird.)De la Porte: Daß Hervü bei den Bauern Beifall findet,wundert mich nicht. Was er predigt, ist das alte Schlagwort derChouans, der antirevolutionären Bauern, die man aufreizte, aufihrer Scholle zu bleiben und die republikanische Regierung lieber zubekämpfen, statt sich von ihr an die Grenze schicken zu lassen.Auf eine Frage D r e y f u s' antwortet H e r V ö: Wenn dieDeutschen die Insurrektion ablehnen, werde ich im Kriegsfalle liebermeine Haut wahren, als sie für den kapitalistischen Staat zu Marktzu tragen.Renaudel: Wir müssen Hervö trotz aller seiner Ueber-treibungen dankbar dafür sein, daß die Frage auf den internatio-nalen Kongreß kommt. Dies ist ein Verdienst seiner Agitation. Ichbin kein Patriot, gebe aber zu, daß es Situationen gibt, wo dasInteresse des Proletariats mit dem der nationalen Bourgeoisiezusammenfällt. Der Redner polemisiert heftig gegen GueSde, dessenResolution(die der Dordogne) ihm die Partei zur Unbcweglichkeitzu verurteilen scheint. Die Ereignisse in Veziers zeigen denrevolutionären Einfluß des Antimilitarismus, der wohl doch keine»Irreführung"(deviatioa) ist.Tnleroatlonaler lilelaliarkiter- Kongreßin Krüssel.Brüssel, 12. August.(Eig. Ber.)(Fortsetzung des 1. VerhandlungstagcS.)Genosse L a t a p i e- Fraitkreich als Berichterstatter über denGeneralstreikschildert die Tendenzen des französischen revolutionären Syndika-lismus. Er bezeichnet seine Anhänger als Reformisten in demSinne, daß sie die Arbeiterschaft physisch und moralisch stärkenwollen. Aber sie wollen mehr, denn die Erfahrung lehrt unS, daßuns auf der anderen Seite genommen wird, was man uns auf dereinen gibt. Die Arbeiter erhalten dank der Organisation eineLöprozenlige Lohnerhöhung, die die Unternehmer und Kaufleutedurch Erhöhung der Lebensmittelpreise und Mietszinse wieder wett-machen. Durch den unersättlichen Kapitalismus gezwungen, mußdie Arbeiterschaft dem Unternehmertuni die direkte Aktion entgegen-stellen. Der Redner sucht den Begriff der»Sabotage" richtig zustellen, von dem seiner Meinung nach im allgemeinen einefalsche Vorstellung verbreitet ist. Die„Sabotage" komme vondem friedlichen und konservativen Trade-Unionismus.„Sabotage"will nichts anderes sagen als: auf schlechten Lohn schlechte Arbeit.Latapie verteidigt sodann die direkte Aktion, die nicht aufeine Zertrümmerung der Fensterscheiben steuere, sondern nur denEinfluß des Arbeiters auf das Unternehmertum außerhalb der sounzulänglichen parlamentarischen Aktion zur Geltung bringen will.— Der Antimilitarismus der französischen Syndikalisten erklärt sichschon damit, daß bei allen Streiks, die sich gegen die Interessen derUnternehmer richten, Militär interveniert. Er kommt sodann aufden Einfluß deS» AntimiliiariSmus bei den Ereignissen in Süd-frankreich zu sprechen, wo es das Interesse der Gewerkschaften war,die bewaffnete Macht zu neutralisieren. Wir glauben, sagt er weiter,an die Macht des Generalstreiks, als an ein revolutionäres Mittel.die Gesellschaft umzuformen. Der Generalstreik muß kein gewalt-sameö Mittel sein,' er will nur die Arbeit zum Stillstande bringenund die Arbeiter in den Besitz der Produktionsmittel setzen.I a n tz e n(Holland) spricht von den Erfahrungen der holländischenGenossen, die gegen derartige Ideen— eines Umsturzes durch all-gemeine Arbeitseinstellung— zu kämpfen hatten. In Holland seienheute die drei Kampfcsformen— politische, gewerkschaftliche undgenossenschaftliche Aktion— unzertrcnntich. Es ist ein Irrtum zuglauben, daß der politische Kampf die proletarischen Kräfte absorbiert.Hupp ler(Schweiz) empfiehlt den französischen Genossen, dieden ausländischen das Studium ihrer Taktik empfehlen, daß auch sieden Rat siir sich selbst befolgen, ehe sie unsere Bewegung kritisieren.Auch wäre es besser, wenn die französischen Syndikalisten sichmehr mit der Stärkung ihrer Organisationen beschäftigten.Der Redner wirst überdies den sranzösischen Syndikalistenvor, daß sie in Lausanne_ ein Blatt unterstützen, dasauf die Vernichtung der Gewerkschaftsorganisationen der Schweizhinarbeite. Latapie ruft dazwischen, welches Blatt dies sei,worauf H u p p l e r antwortet:»La voix du Peuple".Nach Hupp ler spricht Davis(England) ebenfalls gegen dievon Latapie empfohlene»revolutionäre" Taktik. Enorme der inEngland für die Arbeiterschaft errungenen Vorteile seien nicht alleinder gewerkschaftlichen, sondern auch der auf der Arbeiterbewegungruhenden parlamentarischen Aktion geschuldet. Was vermögen dieAnhänger der revolutionären Taktik diesen praktischen Resultaten ent-gegenzuhalten. Solange die französischen Syndikalisten keine ficht-baren Beweise von der Vortrefflichkeit ihrer Taktik aufzuweisenhaben, werden wir sie bekämpfen.B a e tz(Belgien) bemerkt u. a., man möge derartige Methodenwie die„Sabotage", die Zerstörung der Maschinen und Produkte derBourgeoisie überlassen, die»Sabotage" durch die aufs äußerste ge-triebene Konkurrenz in ihren Unternehmungen betreibt, ebenio wiean der menschlichen Maschine durch niedrige Löhne und langeArbeitszeiten. Statt Mittel zu predigen, die keine» Erfolg bringen,solle man erst die Einigkeit in der Arbeiterschaft herzustellen trachtenund sie mit gut fundierten Gewerkschaften für den Kampf ausrüsten.Auch C o u p a t(französischer Verband der Mechaniker) verteidigtdie parlamentarische Aktion und bekämpft den Generalstreik, wie ihndie französischen Syndikalisten angewendet wissen wollen. Die Vor-bereitung der künftigen Gesellschaft geschieht am besten durch dieorganisatorische und erzieherische Tätigkeit innerhalb der Arbeiter-klaffe.Cohen- Berlin regt an, einen Korreferenten zu ernennen, derfür die Entwickeluug der gegenteiligen Ansicht ebenso lvie Latapieeine halbe Stunde Redezeit erhält. Der Kongreß sieht davon ab,nachdem ohnedies eine große Reihe von Rednern gegen die AuffassungLatapieS gesprochen hat.Um 6 Uhr werden die Verhandlungen geschlossen.Zweiter Bcrhandlungstag.Der heutige Vormittag brachte die Abstimmung über die Reso-lution.LatapieS. die ausspricht, daß die Tendenz des revo-lutionären französischen Syndikalismus und seiner Kampfmittel(Boykott, Sabotage, direkte Aktion, Antimilitarismus, Generalstreik)den Mitgliedern des internationalen Metallarbeiterbundes quasi zurBegutachtung empfohlen und eventuell neben allen anderen Mittelnin Anwendung gebracht werden.Latapie. der ursprünglich eine Abstimmung seiner Re«solution bezweckte, hielt eS jedoch nach der Diskussion, die seinenIdeen so wenig Zustimmung brachte, für angezeigt, seine Resolutionnur in eine Anregung umzuwandeln, und sie nur dem Protokoll desKongresses einverleiben zu lassen, ohne daß die Kongreßmitgliederin Form einer Abstimmung ihr Urteil über die von ihm veiffochteneTaklik abgeben. Der Kongreß bestand jedoch auf der Meinung, daßeine so ausführliche Diskussion über eine taktische Frage ein Ab-stimmungSresulkat zur Folge haben müsse. Entsprechend der bereitsaus der Diskussion sichtbar gewordenen Stimmung ent-schied sich der Kongreß gegen die Aufnahme oderdas»Studium" der„revolutionären Taktik"und ihrer Mittel. Für die Resolution stimmten bloß die dreiftanzösischen Vertreter der revolutionär- syndikalistischen Richtungund Genosse Huggler(Schweiz), letzterer mit der Motivierung,daß er sich gegen das.Studium" dieser Mittel nicht lehren wolle.Es wird nun der Punkt:Bericht beS Sekretärsaufgenommen, und Genosse Schlicke ergreift das Wort zu feinemBericht.Wir ergänzen hiermit die gestern nur unvollständig wieder«gegebene Zusammensetzung des Kongresses.Vertreten ist Deutschland durch 10 Delegierte, Englanddurch 10, Belgien durch IS, Oe st erreich durch 5, Ungarndurch 4, D ä n e in a r k durch 1, Schweden durch 1, Frank-reich durch 5, Holland, Schweiz und Amerika durch jeeinen Delegierten, die zusammen rund 700 000 organisierte Metall-arbciter vertreten. Die Verhandlungen werden in drei Sprachen,Deutsch, Französisch und Englisch, geführt. Als Uebersetzer fungiertfür das Französische Genosse Huggler, für das EnglischeG u i l a i n. Die VcrhandlungSzeit beträgt 6'/z Stunden, und zwarwird beraten von O'/s Uhr vormittags bis 12 Uhr und von 2 Uhrbis S Uhr abends._Die ßerliner Partei und der Parteitagin essen.Die Genossen Berlins nahmen am Dienstag in 6 großenVersammlungen Stellung zum Parteitag in Essen. Ueber denVerlauf der Versammlungen erhalten wir folgende Berichte:Erster Wahlkreis.Die Generalversammlung des WahlveeeinS für den erstenBerliner Reichstagswahlkreis fand im Klubhaus in der Krausen-stratze statt. Genosse Dr. Leo Arons referierte über denParteitag in Essen. Er griff einzelne Punkte aus der TageS-ordnung heraus und besprach diese in recht anregender Weise.Jedenfalls, so meinte er, werde auf dem Parteitage auch das Ber-halten der schwäbischen Genossen in bezug auf die Budgetfrageeine lebhafte Erörterung finden. Ueber die Art der Diskussion, wiesie im„Vorwärts" über diese Frage gepflegt wurde, äußerte er seinelebhafte Befriedigung. So nur allein sollten streitige Fragen unterGenossen diskutiert werden, ruhig, sachlich und würdig. In derSache selbst weiche seine Meinung von der im„Vorwärts" ver-tretenen ab. Er sehe die ganze Frage der Budoetablchnung alsnicht so außerordentlich wichtig an. Als Demonstration sei dieseAblehnung des Budgets von den Fortschrittlern in der Konflikts-Periode erfunden worden; den Charakter einer Demonstration ver»liere dagegen die ständige, unbedingte Ablehnung, dennsie würde inhaltlos und verpuffe wirkungslos. Eine Demonstration,die Wert besitzt, könnte erst dadurch erzielt werden, daß man sichauf den Standpunkt stellt: Nicht grundsätzlich lehnen wir ab,sondern wir sind gezwungen, aus diesen und jenen Gründen dies-mal abzulehnen. Gegen eine Auslassung des„Vorwärts" in dieserFrage nahm Genosse Arons noch Stellung, indem er sich energischgegen den Satz wandte,„daß die Sozialdemokratie nicht die Auf-gäbe hat, diese langsamen Ueberlcitungen einer sozialen Institutionin die andere zu fördern". Dieser Satz könne nicht nur nichtzugegeben werden, sondern er sei sogar als gefährlich zu bc-trachten. Arons wandte sich dann gegen das Gebrauchen großevWorte in der Agitation. Er führte unter anderem an, daß manso oft von der„glorreichen russischen Revolution" schreibe undrede, und dazu läge seines Erachtens gerade keine Veranlassungvor.— Er ging dann über zu dem Punkt Partei und Ge-w e r k s ch a f t e n, der als eine Erbschaft vom MannheimerParteitag in Essen vorliegen werde. Sein Standpunkt in demStreite zwischen Zentralisten und Lokalisten sei der, daß die Parteidie Hände davon lassen und eine Einigung zwischen den feindlichenBrüdern nicht weiter von Partei wegen betrieben werden sollte.Wie im praktischen Leben die ganze Frage verschwindet und schnellalle Gegensätze überbrückt werden, wo die Notwendigkeit dazu er-kannt würde, das habe der Bauarbeiterstreik am besten gezeigt.—Gegen die jetzigen Beziehungen zwischen Parteivorstand und Ge-Werkschaftskommission hat der Redner viel Bedenken. Zwei Dingehätten diese Beziehungen in ein scharfes Licht gerückt, nämlich derMaifeicraufruf des Parteivorstandes und das Abraten an die Bau-arbeiterschaft, in den Kampf zu ziehen. Der Redner will keinenVorwurs erheben, aber es gefalle ihm gar nicht, daß der Partei-vorstand in den Apfel beißen mußte, den die Gcwerkschafts-kommission zu sauer sand. Die Partei sollte immer ihre großenZiele im Auge behalten, die prinzipiellen Fragen erwägen und esden Gewerkschaften überlassen, kleinere Erfolge zu erringen undOpportunisten zum Besten der Arbeiterklasse zu sein.— Dann ver-breitet sich Genosse Arons über die Älkoholfrage und erklärt,daß der Parteitag nicht so leicht darüber hinweggehen könnte.Die Wechselwirkung zwischen Armut und„Suff" sei nicht zuleugnen; der Schnaps sei die größte Stütze der verdammten Be-dürfnislosigkcit der Massen.— Arons bespricht dann noch diefolgenden beiden Anträge, die er der Versammlung vorlegt unddie angenommen wurden:1. Der§ 18 des Organisationsstatuts ist dahin abzuändern.daß 1. auch die beiden Beisitzer im Parteworstond durch denParteitag gewählt werden und daß 2. niemand länger alS zweiJahre hintereinander Beisitzer sein darf.2. Der„Vorwärts" ist in das Eigentum der Genossen vonGroß-Bcrlin überzuführen und verliert den Charakter alSZentralorgan der Partei.— Dem Parteivorstandc ist die Er-mächtigung zu erteilen, in zwanglosen Blättern eine„Sozial-demokratische Korrespondenz" herauszugeben, die an sämtlichePartciblätter zu versenden und von diesen abzudrucken ist.Die Versammlung gab ihren Delegierten für den Fall, daßAuSschlußanträge gegen die lokalorganisiertcn Genossen demParteitage vorgelegt werden sollten, bestimmte Instruktionen. DieDelegierten sollen durch Anträge auf Uebergang zur Tagesordnungsolchen Absichten entgegentreten. Ein Antrag des GenossenWagner, daß der Parteitag sich mit der Agrarfrage näher be-schäftigen möge, wurde angenommen.In der Diskussion traten verschiedene Genossen dem ReferentenArons wegen seiner Ausführungen über die Budgetablehnungentgegen; aber.pie vorgerückte Zeit erlaubte den einzelnen Rednernnicht, tiefer darauf einzugehen. Genosse T ä t e r o w bezweifelt,ob die„großen Worte" oder die Phrasen in der Agitation so sehrin den Vordergrund gerückt werden; er kritisiert das Bestreben,„Realpolitik" zu treiben und nimmt den Parteivorstand in Schutz.— Genosse Kunze erklärt das Verhalten des Parteivorstandcsvor dem Bauarbeiterstreik als gerechtfertigt und greift heftig dieLokalisten an.— Genosse G u t m a n n verteidigt die letzteren.—