aber unter diesen Massen haben wir auch bei dieser Wahl anTerrain gewonnen und nicht verloren, darüber kämen auch unsereGegner in ihrem Sicgestaumel nicht hinweg. Aber auch die Theorie,daß die bürgerliche Linke sich uns immer mehr nähere und demo-kratischer werde, sei gründlich ins Wasser gefallen. Das strikteGegenteil ist der Fall. Aus diesen politischen Tatsachen herausseien auch die Anträge aus Thüringen, die sich gegen alle Stichwahl-hülfe für den Freisinn, und die der Rheinländer, die sich gegen dasZentrum wenden, zu erklären, da tatsächlich alle bürgerlichenParteien uns gegenüber immer mehr nur noch eine reaktionäreMasse geworden seien. Aber auch die Theorie des„guten Herzens"der Gegner und der Ueberbrückung der Klassengegensätze, die unsvor einigen Jahren mit so viel Worten und schlechten Argumentenangepriesen, sei gründlich aä absurdum geführt, da die Klassenheute schärfer als je geschieden sind. Von den Freisinnigen als„kleineres Uebel" könne man heute überhaupt nicht mehr sprechen,da dies Uebel ebenso groß sei, als das der anderen Reaktionäre.Dies habe auch Müller-Meiningen durch seine bekannte Depesche,keinen Sozialdemokraten zu wählen, bewiesen. Uns könne es imGrunde nur angenehm sein, wenn wir in diesen Dingen klar sehen.Einen sehr lebhaften Meinungsaustausch werde wahrscheinlich auchdie Tätigkeit des Reichsverbandes zur Verleumdung der Sozial-demokratie hervorrufen. Dessen Tätigkeit zeige, welch enormeSummen eS sich die Kapitalisten kosten ließen, die Sozialdemokratiezu»vernichten".Auch der amtliche Apparat habe wie noch nie gearbeitet.Während der Reichskanzler Graf Bülow seinerzeit diePosadowskysche 12 000 M.-Spende der Großindustriellen mißbilligte,habe der Reichskanzler Fürst Bülow selbst eine M 000 M.-Spendezur Verteilung an die bürgerlichen Parteien angenommen. Heutekenne man ja auch den wahren Grund der Reichstagsauflösung undwisse, daß der ganze Wahlkampf unter falscher Flagge geführt sei.Solche Dinge sind aber nur deshalb möglich, weil alle bürgerlichenParteien sich aus Angst vor der Sozialdemokratie immer enger zu-sammenschweitzen und alle ihre Vrinzipien längst über Bord ge-worfen haben. Auch hier werde das Bebelsche Referat die nötigeKlarheit schaffen.Redner skizziert dann kurz unsere Stellung zum M i l i t a r i s-m u s. Auch er halte die Noslesche Bemerkung von der„Flinte aufden Buckel nehmen" für sehr unglücklich. Da der Militarismusein Mittel zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft sei, seineSpitze sich also direkt gegen uns richte, so könne die Sozialdemo-kratie ihm me auch nur einen Pfennig bewilligen. Die Torheiteiner Kasernenagitation würden wir freilich nicht begehen, da sieuns nichts nütze und den Soldaten viel schaden würde. Dagegenmüßten wir dafür sorgen, daß die jungen Leute schon als Sozialistenin die Kaserne kommen. Habe man aber Angst vor den Sozialistenin der Kaserne, so sollten die herrschenden Klassen dafür sorgen,daß das sozialistische Proletariat vom Militärdienst befreit würde.Man würde wahrscheinlich dann bald die Tatsache beobachten können,daß auch sehr viel Leute aus den„besten Kreisen" sich alssozialistisch angehaucht bezeichnen würden. Wir verlangen die Ent-scheidung des Volkes über Krieg oder Frieden. Lediglich um derschönen Augen der Junker willen würden wir nicht„die Flinte aufden Buckel nehmen". KampfeSeifer und Freudigkeit könne nurdurch Liebe zum Vaterlande erzeugt werden, wo aber, wie bei derArbeiterschaft, das Gefühl herrsche, wir haben doch nicht viel zuverlieren, auf das wir Wert legen könnten, werde diese Liebe niezu erwarten sein.Redner erörtert sodann noch die Aussichten der Blockpolitik undder„liberalen Aera" mit dem Hinweis auf die„agrarische Leichen-stein"-Kanzlerrede, die die Absicht des Reichskanzlers deutlich er-kennen lasse. Er erinnert an Spahns Rede über den Flottenbau,welche ganz deutlich die Liebeserklärung des Zentrums an dieRegierung erkennen lasse. Auch die Budgetabstimmung in Württem-berg unterzieht Redner einer Kritik. Selbst der Sdjein müsse vermieden werden, als ob wir irgend einer bürgerlichen Regierungein Vertrauensvotum ausstellen könnten, da wir jedem Klassenstaatin unverbrüchlicher Feindschaft entgegenstehen. Ueber die Maifeierbrauche er sich wohl angesichts der kommenden Debatte auf demStuttgarter Kongreß nicht auszulassen. Er halte es für selbst-verständlich, daß die Maifeier nur als würdige Demonstrationgelten könne, wenn sie durch Arbeitsruhe begangen würde.Auch über die Alkoholfrage könne Redner sich kurz fassen.Müsse auch die Partei zu dieser Kulturftagc Stellung nehmenwegen ihrer sozialen Bedeutung, so könne sie doch von Partei wegennie zur Prinzipiensache gemacht werden. Zugegeben, der Alkoholnütze den Menschen nichts, so solle man sich auf der anderen Seitedoch vor Uebertreibungen hüten und nicht aus einem Extrem insandere fallen. Den Alkoholmißbrauch bekämpfen wir alle, und dieSchnapspest hindere zweifellos auch unser Vordringen. Rednerbelegt dies durch einige Beispiele aus seinen praktischen Erfahrungenauf Agitationstouren. Er empfinde es auch ganz eigentümlich, daßdie abstinenten Genossen schon Sturm gegen den ReferentenGenossen Wurm laufen, der doch zweifellos Fachmann aus diesemGebiete sei, obgleich dessen Thesen noch gar nicht veröffentlichtwären. Auf jeden Fall sei deshalb auch das Verlangen eines Korreferenten zurückzuweisen. Indem Redner noch auf die besondereBedeutung der Kanonen- und Industriestadt Essen als Parteitags.ort in seinem kräftigen Schlußwort hinweist, spricht er unter demlebhaften Beifall der Versammlung den Wunsch und die Hoffnungaus, daß auch dieser Parteitag zur Förderung der Partei bei-tragen möge.Als erster Diskussionsredner sprach Genosse Paul L i t f i n.Wenn man die Abstinenten höre, so gebe es überhaupt nichtsWichtigeres mehr auf der Welt, als die Alkoholfrage. Die Lehreneines Marx. Engels, Lassalle, wie überhaupt die gesamte Wissen.schast schrumpfte bei ihnen auf ein Nichts zusammen. Zum Schlußseiner Ausführungen charakterisierte Litftn das Treiben einesScrrn Schiller-Tietz, der als Vorsitzender des NorddeutschenastwirtcvcrbandcS sich an die Arbeiterschaft wende, seinekapitalistischen Interessen zwar vertrete, doch sonst gegen den Miß-brauch alkoholischer Getränke wettere, auf der anderen Seite aberals 2. Vorsitzender des„Reichsverbandes" nicht nur die Arbeiter-schast als versoffenes Gesindel verleumde, sondern auch jede wirk-same Bekämpfung des Altoholismus durch Hebung der Arbeiterschaftbekämpfe und in jeder Bekämpfung der schnapsbrennenden Junkerund Volksausbeuter Hochverrat sehe.Genosse Lenzner tritt lebhaft für eine energischere Be-kämpfung deS Alkoholismus ein und befürwortet seinen Antrag, daßdem Genossen Wurm ein Abstinenzler als Korreferent entgegen-gestellt werde. Durch einfachen Uebergang zur Tagesordnung wirddieser Antrag von der Versammlung erledigt.Genosse Hiebel hätte durch den Referenten eine schärfere Kritikderjenigen Genossen gewünscht, die sich sofort nach den Wahlen be-müßigt gesehen, der Partei eine neue Taktik vorzuschlagen. Er be-kämpft die Genossen Bernstein, Calwer, Dr. Mauren-brecher, Edmund Fischer usw, indem er an der Stellung derPartei zur Kolonialpolitik, der Mittclstandsfrage usw. die Gegen-sätze hervorzuheben sticht. Redner begründet sodann noch die vonihm gestellte Resolution, die sich mit der Frage der lokalorganisierrenGenossen beschäftigt. Ein Antrag auf Schluß der Diskussion wirdangenommen.Zunächst wird dann folgender von Lenzner gestellte Antragangenommen:In Anbetracht der Tatsache, daß daS einzige wissenschaftlicheOrgan der deutschen Sozialdeinokratie, die»Neue Zeit", nochlange nicht die Beachtung und Verbreitung findet, die ihm alsMittel zur Vertiefung der sozialistischen Erkenntnis und zurFörderung des Klassenkampfes zukommt, möge der Parteitag be-schließen:1. Der Verlag hat die„Reue Zeit' vom t. Oktober ab ineinem dem Titel und der neuen Kunstrichtung entsprechendenGewände herauszugeben.2. Der internationalen Bedeutung der„Neuen Zeit" eilt-sprechend und um die Lektüre auch den ausländischen Genossenmöglicher zu machen, die der deutschen Sprache wohl mächtig sind,denen aber die deutschen(gothischen) Schriftzeichen Schwierigkeitenbereiten, hat der Schriftsatz in lateinischen Lettern zu er-folgen.3. Der Verlag und die Parteiinstanzen werden verpflichtet,mehr als bisher eme umfassende Propaganda für die»Neue Zeit"zu betreiben.'Auch ein Antrag, von der 37. Abteilung gestellt, wird debattelosangenommen. Derselbe lautet:„Der Parteitag wolle beschließen, alle im Reichstage wichtigenDebatten über Lebensmittelzölle und Kulturfragen in Broschüren-form zu drucken und auf dem platten Lande zu verbreiten, damitder Landbevölkerung klar gemacht wird, welche Partei ihre Jnter-essen vertritt."Abgelehnt wird ein Antrag Stu mpe, mich den„Vorwärts"in lateinischer Schrift erscheinen zu lassen.Ein Antrag N o r o s ch a t, der eine Aenderung des Partei-statutS bezweckt, wird nach kurzer Begründung des Antragstellersabgelehnt, nackdem Genosse Treue ihn bekämpft. Ein Antrag, dieMaifeier betreffend, wird unter Hinweis auf die bevorstehendeDebatte auf dem Stuttgarter Kongreß für erledigt erklärt.Ein Antrag Lenzner auf Beseitigung deS Trinkzwanges beiusammeukünften von Parteigenossen wird abgelehnt, weil ein solcherWang nicht existiert.Der vom Genossen Hiebel schon begründete, von einemlokalorganisierten Genossen bekämpfte Antrag, betreffend die Stellungzu den Lokalorganisierten, wird mit einem Zusatzantrag EugenBrückners, den dieser begründet, in folgender Fassung gegenwenige Stimmen angenommen:„In Erwägung, daß die zunehmende Verschärfung der Wirt-schaftlichen Kämpfe und in Verbindung damit die wachsende Aus-breitung der Unternehmerorganisationen die Erstarkung der Ge-Werlschaftsorganisationen zur Notwendigkeit macht;in weiterer Erwägung, daß unter dieser Voraussetzung für.die Parteigenossen nur eine einzige Organisation ihres Berufes inFrage kommen kann und jede Souderbündelei nur zum Schadender gewerkschaftlichen Kämpfe gereicht, erwartet die General«Versammlung vom Parteitage, daß derselbe klipp und klar denGedanken der Notwendigkeit einer einheitlichen gewerkschaft-lichen Organisation zum Ausdruck bringt und den Appell an dielokalorganisierten GewerlschastSgenossen richtet, sich den Zentral-verbänden anzuschließen."Nach kurzer Debatte über die als Delegierte zum Parteitag undzur Brandenburger Konferenz vorgeschlagenen Genossen wird dieWahl in der kurzen Pause, während die Versammlung vertagt wird,vorgenommen.Ein Antrag Möhring verlangt:„daß der Vorstand ber-anlasse, eine Geschäftsordnung zu drucken und daß dieselbe in dieMitgliedsbücher eingeklebt werden könnte". Diesem Wunsche willder Vorstand Rechnung tragen.Als Delegierte für den Parteitag sind gewählt die GenossenPaul Hoffmann sö72 Stimmen), Paul L i t f i n<395),W i l h. Schenk<179), während die Genossen N i g b u r<105),G e i t h n e r<104). V orchardt<145), Me n z e l<143), Pankow<137), Kupferschmidt<131), Treue<105) Stimmen erhielten.Alle anderen erhielten weniger als 100 Stimmen.Als Delegierte zur Brandenburger Konferenz sind gewählt Ge-nasse Gries<400), Eue<310), Schuhmann<302 Stimmen).Außerdem erhielten Zielte 273, Pankow 244. L i e b r a n d t208, P r o I s 190, Scharf 173, Walter 139 und Melle120 Stimmen.Fünfter Wahlkreis.Die Generalversammlung des fünften Wahlkreises tagte im»Alten Schützenhause". Das einleitende Referat über den Partei,-tag in Essen hielt Genosse Rod. Fischer. Er verwies auf diehohe Bedeutung, welche unsere Parteitage für das Parteilebcnhaben, besprach die Tagesordnung des Parteitages und gab zumSchluß der Erwartung Ausdruck, daß auch der Parteitag in Essengleich seinen Vorgängern ein Markstein in der Geschichte derPartei werde.In der Diskussion berührte Meier die Frage der Einigungder lokalistischcn mit den zentralistischen Gewerkschaften undmeinte, wenn sich die Lokalisten den Verbänden nicht anschließen,so habe die Partei keine Handhabe, um sie deswegen aus-zuschließen. Die Zentralverbände sollten nur ihre Statuten' soändern, daß die Lokalisten ihnen beitreten können. Das wäre diebeste Lösung der Frage.B r u n s s e n begründete zwei von abstinenter Seite gestellteAnträge. Der eine fordert, daß zur Besprechung der Alkoholfrageauf dem Parteitage ein Vertreter der Arbeiter-Abstinenzbewegungals zweiter Berichterstatter aufgestellt werde. Der andere Antragfordert den Parteitag auf, entschieden Stellung zu nehmen gegenTrinkzwang und Trinksitten, bei Parteizusammenkünften, und dieParteipresse zu veranlassen, daß sie Aufklärung über die Schäd-lichkeit des AlkoholiSmus verbreite.Huhn beantragte, die. Delegierten zu verpflichten, unter allenUmständen für die Beibehaltung der bisherigen Form der Mai-feier durch Arbeitsruhe einzutreten.'Weise Ivandte sich gegen den Abstinenzantrag, die Trink-sittcn usw. betreffend. Der Antrag sei schon deshalb überflüssig,weil es einen Trinkzwang bei Partei'züsammenkünften nicht gebe.Wenn solche Anträge angenommen würden, so werde der Anscheinerweckt, als ob cS in unseren Kreisen eine Strömung gebe, die denTrinkzwang fördern wolle. Gegen die Bestellung eines Kor-rcferentcn zur Alkoholfrage lasse sich nichts einwenden. In derAngelegenheit der Maifeier stellte sich der Redner auf den Stand-Punkt des Antrages Huhn.Boger bemerkte, daß er wohl mit der Abstinenzbcwegungsympathisiere, die Anträge der Abstinenzler könne er aber nichtbefürworten.L i e p m a n n führte aus, wie der Referent schon gesagt habe,sei dieser Parteitag der erste, der sich auf die zentralistische Formder Parteiorganisation stütze. Daß die Partei durch diese Formder Organisation einen bedeutenden Aufschwung erfahren habe,werde auch durch den Bericht des Parteivorstandes erwiesenwerden. Der Parteitag werde also dokumentieren, daß wir nichtniedergeritten sind und nicht niedergeritten werden können. DemAntrage Huhn stimme der Redner zu. Die Delegierten desfünften Kreises seien verpflichtet, für die Arbeitsruhe am 1. Maieinzutreten. Das loürden sie auch ohne gebundenes Mandat tun.Die Maifeier sei ja auch trotz aller gegnerischen Machenschaftenin inimer weitgehenderem Maße durch Arbeitsruhe gefeiert worden.— Dl"nträge zur Alkoholfrage bekunden einen regen Eifer derAbstinenzler. Diese hätten es nun dahin gebracht, daß dieAlkoholfrage auf die Tagesordnung des Parteitages gesetzt wurde,und jetzt kämen sie schon wieder mit den Anträgen auf Stellungeines Korreferenten. Die Abstinenzler sollten doch erst abwarten,was der Parteitag in der Alkoholfrage tun werde.— Am wichtigstensei die vom Parteitag zu behandelnde Frage: Partei und GeWerk-schast. Der Standpunkt des Redners sei der: Wie eS nur einepolitische Organisation geben könne, so dürfe es auch nur einegewerkschaftliche Organisation geben. Die Zentralverbände um-fassen längst die große Mehrheit aller gewerkschaftlich organisiertenArbeiter. Das sollte die Lokalisten veranlassen, darüber nach.zudenken, ob nicht die Mehrheit auf dem rechten und die Minoritätauf dem falschen Wege ist. Gerade für die Berliner Genossen seidiese Frage von großer Wichtigkeit, denn in Berlin solle es zirka10 000 Lokalisten geben, die in manchen Kreisen auch in denParteiorganisationen zahlreich vertreten seien. Aus diesemGrunde solle den Delegierten für diese Angelegenheit kein ge-bundenes Mandat gegeben werden. Es sei vielmehr notwendig,die Frage so zu lösen, daß die Berliner Parteigenossen nicht zustarke Nackenschläge bekommen. In diesem Sinne sollten dieDelegierten auf dem Parteitage wirken.Brunssen trat nochmals für seine Anträge ein. Rittersprach gegen dieselben. Zur Frage der lokalen und zentralenGewerkschaften sagte der Redner, er bedauere die Zersplitterungder Organisationen, er lege den Delegierten ans Herz, dafür zusorgen, daß alles vermieden werde, was die Lokalisten vor denKopf stoßen könnte, jedoch sollten die Delegierten ihre ganze Kraftaufbieten, um den Parteitag zu veranlassen, daß er zum Ausdruckbringe, das Bestehen von zwei gewerkschaftlichen Organisationenist der Arbeiterbewegung schädlich.Die Debatte wurde hierauf geschlossen. Die Anträge desGenossen Brunssen wurden abgelehnt. Der Antrag Huhn»die Maifeier betreffend, fand einstimmige Annahme. Abgelehntwurde ein dazu von I a k o b u s gestellter Antrag, welcher besagt,jeder organisierte Arbeiter, der gezwungen ist, am 1. Mai zuarbeiten, hat den an diesem Tage verdienten Lohn dem Kampf-fonds der Partei zuzuführen.Eine Debatte entstand über die Frage, wieviele Delegierteder Kreis nach dem Parteitag senden falle. Die Bezirksführerhatten sich für drei entschieden. Aus der Versammlung wurdebeantragt, daß sich der Kreis aus Gründen der Kostenersparnismit zwei Delegierten begnüge. Die Versammlung stimmte für dieEntsendung von drei Delegierten und wählte als solche dieGenossen Rob. Fischer, Weise und Böttcher.Mit der Vertretung des Kreises auf der Provinzialkonferenzwurden die Genossen Albrecht, Wiese und Schrägebetraut.Der Vorsitzende Friedländer schloß die Versammlungmit einer von Begeisterung getragenen Rede für den Wahlrechts-kämpf in Preußen. Er erinnerte daran, wie die Freisinnigen sichdurch Anwendung der niedrigsten Mittel im Regierungsblock zuerhalten suchen, wie sie in bekannter Weise mit dem Reichskanzlerein Techtelmechtel veranstaltet haben, um sich den Schein zu geben,als seien sie für die Einführung eines demokratischen Wahlrechtsin Preußen, während sie in Wirklichkeit bereit sind, aus engherzigemFraktionsinteresse das Wahlrecht zu verraten und sich mit dem„Erreichbaren", das heißt mit dem, was die Regierung und dieKonservativen wollen, zufrieden zu geben. Das allgemeine, gleiche,direkte, geheime Wahlrecht in Preußen kann nur erlangt werden,wenn die Arbeiterklasse energisch für dasselbe kämpft. Deshalbbegrüßen wir eS mit Freuden, daß unser Parteivorstand amSonntag in der Generalversammlung von Groh-Berlin verkündete,er tverde die Parteigenossen zum Kampf für das preußische Wahl-recht aufrufen. Jetzt ist es an den Genossen, wenn der Ruf an sieergeht, in diesen Kampf einzutreten und alles daran zu setzen, um,gleich unseren österreichischen Brüdern, ein wahrhaft demokratischesWahlrecht zu erringen, damit wir endlich sagen können, Preußenist aus dem Sumpf mittelalterlicher Einrichtungen herausgerissenund in die Reihe der modernen Staaten gestellt worden.<Leb-hafter Beifall.) OSechster Wahlkreis.In der Generalversammlung des Wahlvereins für den sechstenWahlkreis, die in den„Gcrmaniasälen" stattfand, sprach GenosseFrey thaler über den Parteitag in Essen und gingkurz auf die wichtigsten Punkte der vorgeschlagenen Tagesordnungein. Im Bericht deS Parteivorstandcs werde gewiß hervorgehoben,daß die Parteiorganisation, ebenso wie die Ausbreitung der Partei-presse, stark und stärker als man erwarten konnte, gewachsen sei.In der Maifeierfrage sei ja der Standpunkt der Genossen dessechsten Kreises hinreichend bekannt. Bei den Verhandlungen überdie Reichstagswahl werde eS Aufgabe deS Parteitags sein, immernoch mehr Mittel und Wege zu finden, um die Partei starker undstärker zu machen, damit sie auch unter den schwierigsten Verhalt-nissen dem mit einem ungeheuren Beamtenapparat arbeitendenGegner gewachsen sei. In der Alkoholfrage werde es vor allemdarauf ankommen, auf die Schädlichkeit des übermüßigen Alkohol-genusseS hinzuweisen.In der Diskussion sprach zunächst Genosse R e h b e i n. Erführte aus, der Parteivorstand habe es in den letzten Jahren beiseiner Tätigkeit an der nötigen Festigkeit und Stetigkeit mangelnlassen und sich von Augenblicksstiminungen leiten lassen. Das seiin der Massenstreik- und in der Maifeierfrage der Fall gewesen.Hier könne man von einem Zickzackkurs reden. Im vorigen Jahrehabe man im„Vorwärts" übermäßig zur Arbeitsruhe am 1. Maiausgefordert, in diesem Jahre aber habe der Parteivorstand, viel-leicht etwas mehr als nötig, zur Vorsicht gemahnt. In der Massen-streikfrage habe man erst mit vollen Backen ins Horn geblasen', dannsei plötzlich alles still geworden. Per„Vorwärts" habe nun der-sucht, vor einigen Monaten die Maifciersrage vjgn neuem aufzurollen, jetzt aber mit keinem Wort die in den„SozialistischenMonatsheften" erschienenen Artikel der Genossen RobertSchmidt und Ed. B e r n st e i n erwähnt. Es scheine, als obman gegen gewisse Genossen eine Art Totschweigetaktik ausübe.Der Redner äußerte sich schließlich über die Stellung der Parteizu den Lokalorganisationen und brachte folgenden Antrag in Vor-schlag:„Der Parteitag wolle beschließen, dem 8 L deS Organisationsstatuts folgenden Absatz anzufügen:Ferner ist von der Parteizugehörigkeit ausgeschlossen, werdie Einheitlichkeit der anerkannten Partei- und Äewcrkschafts-Organisationen durch Zersplitterungsbestrcbungen gefährdet oderBestrebungen dieser Art Borschub leistet. Als anerkannt geltendiejenigen Organisationen, die vom Parteivorstand und derGeneralkommission der Gewerkschaften Deutschlands als solchebezeichnet lverdcn."Der Redner meinte, daß mit dieser Bestimmung, deren Wort-laut ja noch geändert werden könne, ein Bindeglied zwischen Parteiund Gewerkschaften geschaffen, das Verhältnis zwischen beideninniger gestaltet werden könnte. Die lokalorganijierten Genossenwürden sich wohl größtenteils einem solchen Beschlüsse fügen; wennnicht, so zeigten sie damit, daß sie doch keine rechten Parteigenossenseien.Genosse Ledcbour wandte sich scharf und entschieden gegenRehbeins Ausführungen. Ueber den diesjährigen Maifeier-erlaß des Parteivorstandes könne man wohl verschiedener Meinungsein. Wer aber wisse, welche Gründe dem Parteivorstand maß-gebend waren, der könne von keinem Zickzackkurs reden. Nun habeRehbein verlangt, der Parteivorstand sollte den Gcwcrkschafts-leitern mehr Rechnung tragen, solle sich Wohl ausschließlich vonihnen leiten lassen. Das sei durchaus verwerflich. Der Partei-verstand müsse sich von P a r t e i i n t e r e s s e n leiten lassen.Eine Unterordnung des Partcivorstandes unter die Generac»kommission sei ebenso verwerflich wie das Umgekehrte. Ueber dieArtikel in den„Sozialistischen Monatsheften" wolle er, Redner,kein Urteil abgeben; er lese die Monatshefte nur im Notfall. Wennaber der„Vorwärts" zu den Artikeln Stellung genommen hätte,dann hätte Rehbein gewiß wieder wie neulich gesagt: Nunfallen sie wie hungrige Wölfe über B e r n st e i n her. WasR e h b e i n vorschlage, laufe übrigens auf eine organisatorischeVerbindung zwischen Partei und Gewerkschaften hinaus, und damüsse man doch auch die notwendigen Konsequenzen erwägen.Nähme man solche Ausschlußbestimmungen in das Parteistatut auf.so müßten doch auch die Gewertschaften ihrerseits jeden aus-schließen, der nicht der Parteiorganisation angehört. Nach Geistund Sinn deS Parteistatuts, wie der Statuten der Gewerkschaften,dürfe eine solche Bestimmung gar nicht getroffen werden. DieAusführungen Rehbeins zeugten von Voreingenommenheit undGehässigkeit. Gerade in dem allgemeinen Wunsch, daß die Zer-splittcrung beseitigt werde, müsse man alles bekämpfen, was ge-eignet ist, den Zwist zu verschärfen.Genosse R e h b e i n erklärte hierauf, daß er keineswegs voneiner Unterordnung des Parteivorstandcs unter die Generalkom-Mission gesprochen habe, sondern nur davon, daß der Parteivorstandden Ansichten der GewerkschaftSleiter mehr Rechnung tragen sollte.Sein Antrag sei nichts als eine Konsequenz der Beschlüsse desletzten Parteitags. Die Frist, die dort den Lolalorganisierten ge-geben wurde, müsse doch einmal ablaufen.Genosse Theodor Fischer bemerkte, so oberflächlich wieR e h b e i n habe hier im Kreise wohl noch kein Genosse gesprochen.Bei seinem Antrag zum Organisationsstatut hätte Rehbcin dochbedenken sollen, daß seine persönlichen Freunde vielleicht mehrgegen das Parteistatut verstoßen hätten, als die Genossen, die erdamit treffen wolle. Wolle man diese ausschließen, so seien gewißauch alle rechtsstehenden Genoffen reis zum Ausschluß. R e h b e i nmüsse doch auch wissen, daß die Einigungsverhandlungen noch nicht