kommunales. Stadtverordneten -Versammlung. 26. Sitzung vom Donnerstag, den 3. Oktober, nachmittags 6 Uhr. Vorsteher Dr. Langerhans eröffnet die Sitzung um 5% Uhr mit Worten der Teilnahme für den verstorbenen Groß- Herzog von Baden. Zur Kenntnisnahme liegt vor die Uebersicht über die F r e- quenz in den Gemeindeschulen am l. Mai 1907. Hierzu ist der Antrag Arons gestellt, den Magistrat zu er- suchen, mit der Versammlung in gemischter Deputation über die weitere Ausgestaltung unseres Volksschul- Wesens zu beraten. Stadtv. Dr. Arons(Soz.): Die neueste Freguenzübersicht zeigt wieder eine kleine Abnahme der Besetzungsziffer, nämlich von 46,37 auf 46,29 gegen das halbe Jahr vorher. Etwas günstiger gestaltet sich die Zahl noch bei den achten und siebenten Klassen: weiterhin geht sie in eine Zunahme über, was ja bei den höheren Klassen an sich durchaus erfreulich ist. Es handelt sich aber hier um Durchschnittszahlen; im einzelnen finden wir auch jetzt noch eine erhebliche Anzahl von Klassen mit Ueberfüllung. In nicht weniger als 113 Klassen sind die immerhin noch sehr hohen Maximalzahlen überschritten. Die Maximalzahl 69 ist nach den allgemeinen Be- stimmungen von 1872 auch für Dorfschulen, wenn sie zwei Lehrer haben, nur zulässig. In der Mädchenschule in der Gräfestrahe z. B. ist eine überfüllte 6. und 4. Klasse vorhanden, obgleich in der anderen Schule im selben Hause leere Zimmer vorhanden sind; hier würde die Anstellung eines weiteren Lehrers Abhülfe schaffen. Wir haben auch noch immer fliegende Klassen und zwar jetzt 51 statt früher 27. Noch schlimmer steht es mit den M i e t s- schulen. Diese zählen jetzt 657 Klassen, 13,2 Proz. aller Klassen! Die Mietsschulgebäude sind ja nicht als Schulgebäude gebaut. Aus der Uebersicht ist die Lage der Mietsschulen nicht zu ersehen. Aus einem heutigen, sehr interessanten Artikel des„Vorwärts" ergibt sich, daß diese Mietsschulen im wesentlichen in der äußeren Pe- ripherie liegen! Diese Dinge näher zu prüfen, wird eine Aufgabe der bereits eingesetzten gemischten Deputation sein; erfreulich wäre es, wenn wir über die bisherigen Arbeiten derselben demnächst Aufschluß erhielten. Vor einem halben Jahr wies der Stadtschulrat auf die Eventualität der gemeinschaftlichen Einschulung von Knaben und Mädchen hin; schon vor einem Jahr habe ich diese Maßnahme dringend empfohlen. In den katholischen Gemeindcschulen geht die gemeinschaftliche Erziehung von der 8. bis zur 4. Klasse schon jetzt durch, und die Not zwingt uns jetzt auch sonst schon gelegentlich, Knaben und Mädchen gemeinsam zu erziehen, so in der Doppelschule in der Neuen Hochstraße, wo in der 7. Klasse der Knabenschule 4 Mädchen mit 56 Knaben zusammen unterrichtet werden. Aehn- liches ist in der Schule in der Ravenestraße der Fall. Solche Aus- nahmefälle sind geradezu bedenklich; aber durchaus wünschenswert wäre die allmähliche völlige Durchführung der gemeinsamen Er- Ziehung beider Geschlechter. Ferner kommt hier die Einrichtung ver Nebenklassen in Betracht, die ständig zugenommen haben, aber »och nur ein Anfang dessen sind, was in der Ausbildung von Sonder- klassen geleistet werden muß. Bessere Verhältnisse würden herbei- geführt werden können, wenn nach dem Beispiel von Mannheim und Charlottenburg das Prinzip der Förderklassen aufgenommen würde, in welchen die aus irgendwelchen Gründen bei dem acht- klassigen Schulsystem einmal zurückgebliebenen Kinder wieder soweit gebracht werden können, daß sie den Anschluß noch erreichen und mit dem 14. Jahre die erste Klasse absolvieren. Ferner wäre auf Ab- schlutzklassen Bedacht zu nehmen, welche den Kindern, die das Ziel nicht erreichen, doch einen gewissen Abschluß ihrer Bildung geben. Schon diese beiden großen Fragen genügen sicherlich, unseren Antrag zu begründen. Es kommt aber hier noch die Frage der Kinder- gärten hinzu. Diese sind in möglichst organische Beziehung zu setzen mit unserem Volksschulwesen: es würden dadurch außer- ordentliche Vorteile erreicht werden. Dr. Keufer, der vor einigen Jahren die Schulverhältnisse in Nordamerika im Auftrage des Handelsministeriums studiert hat, gibt darüber sehr interessante Details.(Redner verliest die betr. Stellen der Schrift.) Besonders gelobt wird hier der organische Anschluß der amerikanischen Kinder- gärten an das Schulwesen.— Am 1. April 1908 tritt das neue Volksschulunterhaltungsgesetz in Kraft, wozu heute der Antrag des Kollegen Preuß vorliegt. Dieses Gesetz beschäftigt sich bekanntlich nicht bloß mit der Schulunterhaltungsfrage, sondern auch ziemlich eingehend mit Organisationsfragen und sehr wesentlich mit den konfessionellen Verhältnissen. Bereits vor einem Jahr betonte ich, wie zweckmäßig es sein würde, wenn wir in Berlin uns darüber klär würden, wie es sich mit dem konfessionellen Moment in unseren Gemeindeschulen verhält. Die Herren Cassel und Genossen, welche eine öffentliche Erörterung der Frage damals nicht gern zu sehen schienen, werden jetzt unseren Antrag mit hoffentlich um so größerer Freude begrüßen. Den Kopf in den Sand stecken, hilft diesen Fragen gegenüber nicht. Das Gesetz macht auch ein neues Statu! notwendig für die Zusammensetzung der Schuldeputation, erfordert einen Beschluß darüber, ob die Schulkommissionen weiter bestehen sollen, was jedenfalls wünschenswert wäre. Auch über die Frage der Einsetzung anderweiter Schulkommissionen nach dem neuen Gesetz wird Entscheidung zu treffen sein. Ferner wird zu erwägen sein, ob für das Mittelschulwesen eine besondere Deputation ein- zusetzen sei. Schließlich ist an die Resolution zu denken, welche das Abgeordnetenhaus bezüglich möglichster Dezentralisation der Schul- Verwaltung gefaßt hat. Unsere Vertreter im preußischen Landtage müssen sich doch auf Aeußerungen der städtischen Behörden in diesen Fragen stützen können. Einer Gemeinde lvie Berlin müßte seitens des Staates die Ausgestaltung des Gemeindeschulwesens voll und ganz überlassen werden und die Kontrolle hätte sich daraus zu bc- schränken, daß die Mindestleistungen erfüllt sind. Es gibt hier ein außerordentlich wichtiges und weites Arbeitsgebiet, auf dem wir alle zusammen arbeiten können. Nehmen Sie unseren Antrag ein- stimmig an!(Beifall.) Es geht ein Antrag ein, die Vorlage nebst dem Antrag AronS einem Ausschuß von 15 Mitgliedern zu überweisen. Stadtv. Cassel(A. L.): Der eben mitgeteilte Antrag ist von den drei liberalen Fraktionen gestellt. Die Ausführungen des Kollegen Arons haben viel Beachtenswertes und Billigenswertes enthalten. In einer gemischten Deputation alle die angeregten Fragen zu besprechen halten wir nicht für richtig; jedenfalls darf die Schul- deputation nicht ausgeschaltet werden. Aus dem Wege wollen wir der Erörterung nicht gehen; es wird sich ja zeigen, ob ein Bedürfnis für eine gemischte Deputation überhaupt später noch vorliegt. Stadtsyndikus Hirsekorn kann ein Bedürfnis dafür überhaupt nicht anerkennen, da irgend eine Differenz zwischen den städtischen Körperschaften nicht bestehe. Die Ausführung des erwähnten Ge- setzeS bereite die Schuldeputation bereits vor. Stadtschulrat Dr. Fischer: Die Ucberschreitung der Maximal- ziffer in einzelnen Klassen ist wieder bemängelt worden. In der Schuldeputation wird dieser Frage die äußerste Aufmerksamkeit zugewendet. Bei der Fluktuation der Bevölkerung kommt es vor. daß auch nach Abschluß der Klasseneinteilung noch Einschulungen stattfinden und eventuell noch Umschulungen stattfinden müssen. Seit 10 Jahren haben wir uns um die Herabsetzung der Höchst- frequenz nicht ohne Erfolg bemüht.(Redner gidt die betr. Durch- schnittSzahlen.) Vom rein schultechnischen Standpunkt wäre ja eine noch weitere Herabsetzung erwünscht, aber als Magistratsmitglied habe ich auch darüber zu wachen, daß andere Kulturfaktoren nicht neben der Volksschule zurückbleiben. Die Uebersicht der Durch- schnittsfrequenz einer Anzahl preußischer Städte aus 1902 zeigt, daß Berlin zu den Schulen mit niedrigster Durchschnittsfrequenz gc- hörte. Bei den fliegenden Klassen ist jetzt, wie ich annehme, der Höchststand erreicht, und in einem Jahre, höchstens zwei, werden wir viel günstiger dastehen. Den Wunsch, in der Uebersicht künftig auch die Mietshäuser kenntlich zu machen, werde ich ohne Bedenken- erfüllen. Die Unterlassung der Teilung von Klassen mit über 60 Kindern erklärt sich eben durch die nach dem 1. Mai erfolgte Neueinschulung. Der Frage der gemeinsamen Erziehung der Ge- Lerantlv. Redakteur: Hans Weber, Berlin . Inseratenteil verantw.: schlechter kann nicht eher näher getreten werden, als bis acht Jahre nach Einführung des neuen Lehrplans verflossen sind. Das Mann- heimer System chabe ich noch nicht an Ort und Stelle kennen lernen können; dieses System hat ebenso viel Freunde als Gegner gefunden. In Charlottenburg ist bis jetzt nur beschlossen worden, einen Versuch in einem Teil der Schulen damit zu machen. Die eingesetzte ge- mischte Deputation hat einmal getagt und wird in der nächsten Woche wieder zusammentreten. Die Kindergärten anlangend, halte ich für wünschenswert, daß in dieser Richtung— Kindergärten, Kinderhorte, Kinderbewahranstalten— der privaten Wohltätigkeit nicht in den Weg getreten werde. Die Versammlung beschließt nach dem Antrage Cassel. Von der sozial-fortschrittlichcn Gruppe Dr. Preuß u. Gen. ist der Antrag eingebracht: � Den Magistrat um Auskunft zu ersuchen über den gegen- wärtigen Stand der zwischen der städtischen Schulver- w a l t u n g und den Aufsichtsbehörden schwebenden Fragen, insonderheit auch mit Rücksicht auf das bevorstehende In- krafttreten des Volksschulunterhaltungs- g e s e tz e s. Der Antragsteller Stadtv. Dr. Preuß führt aus: Die Fragen, von denen mein Antrag spricht, bilden in unserer kommunalen Geschichte ein wenig erfreuliches Kapitel. Völlig totgeschlagen hat ja auch das neue Gesetz unsere Bestrebungen auf dem Gebiete des Volksschulwescns nicht. Freilich, das von der Aufsichtsbehörde beanspruchte Recht der Bestätigung der Schuldeputationsmitglieder ist jetzt gesetzlich festgelegt, so daß Sozialdemokraten auch in Zu- kunft, entsprechend der bisherigen Verwaltungspraxis, den Depu- tationen ferngehalten werden. Sonst aber ist immerhin in manchen Punkten der ursprüngliche Entwurf nicht Gesetz geworden und damit insoweit schlimmeres abgewendet worden, als es in diesen Beziehungen beim alten bleibt. Bedenklich und eine Quelle von Konflikten ist die Gesetzesbestimmung, welche den Schuldepu- tationen gewisse staatliche Aufsichtsfunktionen delegiert. Von den bisher durch uns ausgeübten Rechten und Befugnissen dürfen wir uns nicht hinwegdrängen lassen. Es sind aber in letzter Zeit, kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, allerlei Verfügungen ergangen, welche ein solches Herabdrücken bezwecken, damit nachher unmittel- bar vor dem 1. April 1908, gesagt werden kann, ein weiteres sei in Berlin nicht Rechtens gewesen und es müsse dabei sein Be- wenden haben. Die Schuldeputation hat nach dem Reskript von 1829 auch die Aussicht erster Instanz über die Privatschulen. Das Provinzialschulkollegium versucht jetzt dieses Verhältnis zu be- scitigcn; in einem konkreten Falle hat es entgegen dem Berichte und den Vorschlägen der Schuldeputation verlangt, daß letztere dem von ihm bestellten interimistischen Leiter der Schule, einem früheren Rektor, der auch wegen seiner Neigung für einen güten Tropfen als sehr wenig qualifiziert erschien, die Vokation aus- händigte! Die Deputation hat das nicht getan(Beifall), sondern sich beim Kultusminister beschwert, eine Antwort aber noch nicht erhalten. Auch sonst zeigt sich das Bestreben der Staatsbehörden, städtische Rechte an sich zu ziehen, so in der Frage der Vertretung der Lehrer in Streitsachen mit anderen Staatsbürgern, in Urlaubs- angelegenheiten, in Fragen der Nebenbeschäftigung der Lehrer und dergleichen. Hier wird die Aufsicht in direkte Verwaltung ver- wandelt! Auch in der Frage des Auswärtswohnens der Lehrer will das Provinzialschulkollegium die letzte Entscheidung usur- Pieren! Ebenso machen sich diese Bestrebungen nach der kon- fessionellen Seite hin bemerkbar. Hat sich doch jüngst das Pro- vinzialschulkollegium über die große Zahl jüdischer Hospitantinnen unter dem Lehrpersonal gewundert, während doch das Odium dafür ausschließlich die Aufsichtsbehörde trifft! Ueber alle diese Punkte wünscht meine Anfrage Aufklärung. Stadtsyndikus Hirsekorn: Der Magistrat hat in den er- wähnten Fällen die Verfügungen des Kollegiums nicht etwa ein- fach hingenommen, sondern sich in einer zusammenfassenden Be- schwerde an den Kultusminister gewandt, aber eine Antwort noch nicht erhalten. Der Magistrat setzt den Bestrebungen auf Ein- schränkung der Kompetenz der Schuldeputation den energischsten Widerstand entgegen. Stadtv. Cassel: Die Stadt befindet sich diesen Eingriffen des Schulkollegiums gegenüber in einer geradezu unwürdigen Notlage, in die sie wider Recht und Gesetz hineingebracht worden ist! Noch 1900 hat das Oberverwaltungsgericht anerkannt, daß die Schulgemeinden das Recht der Verwaltung der äußeren und inneren Angelegenheiten sowie der Aufsicht ihrer Schulen besitzen. Auf diese so autoritative Entscheidung wird viel zu wenig Rücksicht genommen. Nach dem Gesetz ist aber wenigstens eine direkte Umgehung des Magistrats und die Erteilung direkter Weisungen von der Aufsichtsbehörde an die Schuldeputation un- möglich gemacht: jedenfalls wird unser Magistrat nach dem 1. April 1908 seine Rechte in diesem Punkt zu wahren wissen. Bei der despotischen Bureaukratie, die in unserer Schulverwaltung herrscht, bleiben unsere Beschwerden erfolglos; wie� ein Exekutor glaubt sie sich in alles und jedes einmischen zu müssen; von dem Wesen der Selbstverwaltung hat man keinen Begriff, und das ist auch nach dem Weggange Studts nicht anders geworden. Im Provinzialschulkollegium haust quasi ein Dämon, der stetig Kon- flikte mit Berlin heraufzubeschwören beflissen ist. Die Verant- Wartung für diese Zustände fällt lediglich auf die Regierung, weit weniger auf die Parteien im Landtage; wollte die Regierung von ihrer reaktionären Haltung abgehen, es würde besser werden. In dem Kampfe gegen diese Bureaukratie wird uns auch die nationalliberale Partei unterstützen(Stadtv. Hoffmann: Hoffen und harren...)— behalten Sie doch Ihre Späße für sich!— und ich hoffe, der Erfolg wird nicht ausbleiben!(Lebhafter Beifall.) Stadtv. Dr. Preuß: Mein Antrag hat seine Schuldigkeit gc- tan, er war eine Flucht in die Oeffentlichkeit. Ich ziehe ihn hiermit zurück. Schluß der öffentlichen Sitzung: 8 Uhr. Eue der Partei. Die wnrttemdergische Sozialdemokratie. Der Bericht des württembergischen La ndesvor st and esan den Landes- Parteitag teilt weiter den Stand der Parteiorganisation mit. Danach bestehen in Württemberg 247 Mitgliedschaften mit über 18 000 Mit- gliedern. Davon entfallen 6204 Mitglieder auf den I. Wahlkreis iStuttgart), 3125 auf den II. Kreis(Cannstatt), 1963 auf den V. Kreis (Eßlingen ), 1578 auf den X. Kreis(Göppingen ), 1393 auf den III. Kreis(Heilbronn ), 1161 auf den IX. Kreis(Tuttlingen ) und 1023 auf den IV. Kreis(Böblingen ). Die Mitgliederziffern in den übrigen Kreisen sind wesentlich geringer. Im Parteisekretariat sind ein Sekretär und ein HülfSarbeiter angestellt. Die Einnahmen im Berichtsjahre betrugen 46 568,39 M. Davon waren 16 885,84 M. Beiträge der Ortsvereine. 2855,21 M. Wahl- fondssammlungen. 15 000 M. Wahlkostenzuschuß von, Parteivorstand, 1500 M. Zuschuß des Parteivorstandes zum Sekretariat, 7400 M. Darlehen, 839,87 M. Ueberschuß vom.Tagwacht-Kalender". Dazu kam ein Kassenbestand vom Vorjahre in Höhe von 14 931,99 M. Die Ausgaben betrugen 61 831,90 M., davon 39 887,75 M. Wahlkosten und 5693,98 M. sonstige Agitationsausgaben, sowie 7000 M. zurückgezahlte Darlehen. Es verblieb ein Kassenbestand von 5275.48 M. Von der württembergischen Parteipresse wird berichtet, daß der Abonnentenstand der„Schwäbischen Tagwacht" von 16 000 auf 22 000 gestiegen ist, wovon 10 583 auf die Stadt Stuttgart entfallen. Da die Wochenausgabe, der„Schwäbische Volksfreund", keine Fort- schritte macht und außerdem in einigen Kreisen, wie Heilbronn und Eßlingen Bemühungen auf Schaffung einer Provinzpresse im Gange find, beantragt der Landesvorstand, das Eingehen des„Volkssreund" für den Schluß dieses Jahres zu beschließen. Der„Schwäbische Tagwachtkalender" erschien in einer Auflage von 25 000 Exemplaren, die zum Preise von 20 Pf. pro Exemplar glatt abgesetzt wurden. AH.Glpcke, Berlin . � r Die bösen Berliner . In dem an anderer Stelle teilweise I wiedergegebenen Artikel des Genossen Josef Bloch in den �„Soziali st ischen Monatsheften" über den Essener Parteitag befindet sich zu Anfang die folgende Stelle: „Der Essener Parteitag hat den günstigen Eindruck der Haltung der deutschen Delegation in Stuttgarl nicht zu verwischen vermocht. An Versuche», die deutsche Partei scharf zu machen, hat es nicht gefehlt. Die Dortmunder „Arbeiterzeitung" hatte in einem merk- würdigen Bcgrüßungsartikel den Parteitag auf die schweren Gc- fahren des hereinbrechenden R ev i s i o nis mu s aufmerksam ge- macht und unter Hinweis auf meine Ausführungen über die Be- deutung der Stuttgarter Tagung den Delegierren drohend zu- gerufen:„Genossen, ihr seid gewarnt!" Die äußeren Vor- bedingungen für ein Ketzergericht ivaren auch durchaus gegeben.(Diese und die folgenden Sperrungen rühren von uns her. Red. d.„Vorw.".) Die Gewerkschaftler fehlten fast sämtlich, dagegen war Groß-Berlin und seine geistige Nachbarschaft stark vertreten. Gleichwohl brachte man nichts zuwege. Ein paar kleinliche persön- liche Zänkereien, von den Beteiligten selber mißmutig und gelangweilt geführt, aber nichts von einer Auseinandersetzung großen Slils, keine Erregung, kein Funke der Leidenschaft. Die politischen Ereignisse der letzten Zeit lasteten auf den radikalen Wort- führern, sie hatten selber wohl die Empsindung, daß die Partei nicht mehr mit ihnen gehe." Ein Jubiläum des„Pravo Lidu". Unser Prager Bruderblatt. der„Pravo Lidu", hat am 1. Oktober sein zehntes Lebensjahr als Tageblatt vollendet. Jahre schweren Kampfes liegen hinter ihm— das Jubiläumsjahr aber war ein Jahr glorreicher Ernte, stolzer Siege der tschechischen Sozialdemokratie. Mit ihr ist der„Pravo Lidu" gewachsen und erstarkt. Die Jubiläumsnnmmer enthält eine Fülle interessanter Artikel. Außer den Mitgliedern der Redaktion, unter ihnen die Genossen Nemec, Soukup, Schmeral, Krejci und Schuster, haben sich mit Beiträgen alle bekannten tschechischen Ge- nassen eingefunden. Als Vertreter der österreichischen Bruderparteien haben sich die Genossen Dr. Adler, Austerlitz und Pittoni mit Artikeln eingestellt. Auch vom Auslande sind Grüße gekommen und Bebel und K a u t s k y beglückwünschen die tschechische Partei zu dem Fest- tage ihres Blattes. Professor Werner Sombart , der dem sozialdemokrattscheu Verein für Breslau bestimmt versprochen hatte, am 12. Oktober einen Vortrag zu halten, hat diese Zusage nach Kenntnisnahme des Leitartikels der„Volkswacht"(„Ein Greis von 40 Jahren) wieder zurückgezogen. Sein Schreiben löste schallendes Gelächter ans. Besser iväre gewesen, die Breslauer Genossen hätten den Herrn Professor nicht erst beniüht. polizeilicbes, Ccrichtliches ufw. Wegen Meineids, angeblich geschworen in einem Prozeß gegen einen Genossen wegen Gendarmenbeleidigung, wurde der Genosse Voigt aus T e u ch e r n vom Schwurgericht zu N a n m b u r g zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Wir kommen auf den Prozeß zurück. Eingegangene Druckrcbriften. 22 Jahre königlicher preußischer Oberlehrer. Ein Kulturblld der Gegenwart von M. Satorius. 4 M. Verlag. H. Walther. Berlin , Rollen« dorsplatz 7. Jahrbuch 1006 des deutschen HolzarvcitcrverbandeS. Herausgegeben vom Vorstand. 290 Seiten. Selbstverlag in Stuttgart . Archiv sür Sozialwiffenschast und Sozialpolitik. 2. Heft. Herausgeber i W. Svnibart, M. Weber und E. Jassö. Verlag: J. C. B. Mohr in Tübingen. _ Letzte JVacbricbten und Depefcbea Tie„nützlichen Elemente". Senftenierg, 3. Oktober. (Privatdepesche des„Vorwärts".) Die Streilbrecher sind durch die Behörden meist abgeschoben, infolge- dessen haben die Krawalle heute nachgelassen. Den Ueberfall auf den Direktor Junghann stellt die Ordnungspresse trotz der Fcststclluilg, daß die blutige Tat durch Streikbrecher begangen wurde, als einen von Streikenden verübten Roheitsakt dar. Die lieben Arbeits- willigen haben auch in Drebkau die Arbcitcrkaserne demoliert. Bei den Krawallen sind 31 Verhaftungen vorgenommen worden. Der passive Widerstand der Eisenbahner. Rcicheubcrg in Böhmen , 3. Oktober. (W. T. B.) Die nord» böhmischen Bahnlinien sind infolge der Passiven Resistenz der An- gestellten mit Gütern überhäuft. Infolge der außergewöhnlichen Beeinträchtigung des Güterverkehrs leidet die Industrie unter Kohlenmangel. Die Züge haben Bcrspättingen bis zu acht Stunde». Wien , 3. Oktober. (W. T. B.) Einer Mitteilung der Staats- eisenbahngesellschaft zufolge ist eine Neuregelung der Bezüge des gesamten Eisenbahnpersonals beschlossen worden. Die gefaßten Beschlüsse sind im wesentlichen identisch mit den Beschlüssen der Nordwestbahn, durch die das Schema der Staatsbahnen eingeführt wird. Außerdem erfahren aber auch die Löhne und Akkordsätze der Werkstättenarbciter Erhöhungen. Der neue Hauptmann von Köpenick. Frankfurt a. M.» 3. Oktober. (B. H. ) Vor einigen Tagen erschien in Klein-Schwalbach ein Unbekannter und erklärte, daß er Gerichtsgcbühren zu erheben habe, worauf ihn der Polizei- sergeant zu den angeblich Zahlungspflichtigen begleitete. Er kassierte bei etwa 20 Personen kleine Beiträge ein und verschwand dann auf Nimmerwiedersehen.___ Kohlenstaubexplosion- Köln, 3. Oktober. (23. T. B.) Wie die..Kölnische Volks- zeitung" aus Liblar bei Köln meldet, erfolgte heute vormittag in der Grube„Liblar " eine Kohlenstaubexplosion, bei der fünf oder sechs Personen mehr oder minder schwere Brandwunden er- litten. Eisenbahnunglück. Innsbruck , 3. Oktober.<W. T. B.) Der gestern abend von Ala abgegangene Schnellzug der Südbahn stieß bei Morl mit einem rangierenden Güterzug zusammen, wobei zwei Reisende, der Zug- snhrrr sowie zwei Schaffner verletzt wurden. Wahnsinniges Wüten. Lodz , 3. Oktober. ( W. T. B.) Nach Bestimmung deS Gencralgouverneurs sind aus der Zahl der in Zusammenhang mit der Ermordung des Fabrikanten Silberstein verhafteten Personen 127, darunter 13 Frauen, zur Verschickung in entfernte Gouverne- mcnts verurteilt worden. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Maul Singerö-Co., Berlin L>V. Hierzu 3 Beilagen u. Unterhaltungsblatt
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten