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Nr. 232. 24. Jahrgang. 3. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Vierte Generalversammlung des Verbandes fortschrittlicher Frauenvereine.

Frankfurt   a. M., 30. Sept. 1907.

An die Generalversammlung des" Frauenstimmrechts- Ver­Gandes" schloß sich die der Fortschrittlichen Frauen" unmittelbar an. Zu einem erheblichen Teil bestehen beide Verbände aus den­felben Mitgliedern, der Rahmen, in dem die Fortschrittlichen" arbeiten, ist größer: fie nehmen zu allen öffentlichen Fragen Stellung, find aber, wie auch schon die Zusammensetzung des Vor­standes zeigte, eine oder auch mehrere Nuancen gemäßigter als die Stimmrechtlerinnen. Der erste Tag war der Wohnungsfrage gewidmet, die in drei besonderen Referaten behandelt wurde. Dr. Ernst Cahn- Frankfurt a. M. sprach über:" Kommunale woh­nungsreform", Frl. Bischnewsta Berlin über: aus genossenschaften und Erziehungsheime" und end­lich Frl. Lüders- Berlin   über:" Wohnungsinspektion durch Frauen". Der Vortrag des Herrn Dr. Cahn war gut, er bertrat die radikalsten Forderungen bürgerlicher Boden­und Wohnungsreformer.

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Freitag, 4. Oktober 1907.

War bisher die Parole: Halt!", dann wird sie von nun an lauten: Rückwärts!"

Die agrarische Deutsche Tagesztg." sagt zu der Leistung der Fortschrittlichen":

Der zweite Tag wurde mit Referaten über das Bevölkerungs- Der Schluß der Beratungen brachte noch eine Sensation. [ problem ausgefüllt. Zuerst sprach Dr. Spann- Frankfurt über: Unter Führung von Frl. Lischnewska und Frl. Schirrmacher trat Bevölkerungsvermehrung und Kulturfort der Verband fortschrittlicher Frauen" dem Bunde deutscher  ichritt". Der Referent stellte sich ganz auf den Boden der Frauenvereine" wieder bei, demselben Bunde, den er vor Jahren Malthusschen Theorie, behauptete, daß der Drud der Ueber berlassen hatte, weil er zu gemäßigt war. Die Vorsitzende des bölkerung die wirtschaftliche Verelendung schaffe, zugleich die Verbandes, Minna Cauer  , hatte selbst diesen Anschluß an den Zivilisation fördere und die Kultur unbedingt vernichte. Dieser Bund befürwortet; zugleich aber gab sie die Erklärung ab, daß Vortrag fand zum Teil lebhaften Widerspruch, besonders als der sie persönlich angesichts der neuen Sonstellation eine Wiedertabl Vortragende die heutige Zeit als kulturlos bezeichnete und Zivili- in den Vorstand nicht annehmen könne. Dieselbe Erklärung gaben sation und Kultur als zwei sich unbedingt ausschließende gesell- die Damen Dr. Anita Augspurg und Lida Gustava Hehmann ab. schaftliche Zustände einander gegenüberstellte. Die Debatte über Zu Beginn der Verhandlung wurde deshalb ein Dringlichkeits­diesen Vortrag sowohl wie über den des Reichstagsabgeordneten antrag von Adele Schreiber   eingebracht, dahingehend, daß auf der Dr. Potthoff stand nicht auf der Höhe. So war es natürlich ganz diesmaligen Tagung ein unabhängiges Agitationskomitee begründet falsch, zu sagen, daß die Sozialdemokratie deshalb Malthus   ab- werden folle, dem lediglich die Agitation für die Ideen der fort­lehne, weil sie von der Sozialreform der Gegenwart alles Heil schrittlichen Frauenbewegung obliegen soll. Die ausscheidenden eriparte. Nein, auch die Sozialdemokratie wird sich vielleicht Vorstandsmitglieder würden wohl bereit sein, die Leitung dieses sie es aber gar nicht nötig, denn sie ist der festen Ueberzeugung, Frauen erhalten bleiben. Auf Grundlage dieser Ausführungen später mit Malthus   auseinandersehen müssen, möglicherweise hat Agitationskomitees zu übernehmen und somit den fortschrittlichen daß nicht die Sozialreformen, sondern die Aufhebung der fräfte- gelangte mit erheblicher Majorität der Antrag zur Annahme. Frau verschwendenden privatkapitalistischen Produktion die gute Er- Minna Cauer   erklärte, die auf sie gefallene Wahl zur Vorsitzenden sation nun auch nicht ohne weiteres Kultur bedeutet, besonders und Dr. Augspurg nahmen gleichfalls eine Wahl an. Die Wahl nährung   so vieler Menschen möglich macht. Wenn eine Bivili- des Agitationskomitees zu übernehmen. Lida Gustava Hehmann nicht innerlich, so sollte man doch nicht verkennen, daß für weite des Ausschusses macht den ganzen Rückschritt der" Fortschrittlichen" Volksschichten eine wirkliche, auch innerliche Stultur nur auf der nicht sympathischer. Basis der Zivilisation möglich ist, die ihrerseits wieder durch die technisch- industrielle Entwickelung geschaffen wurde. Hier sind sehr starke Wechselbeziehungen vorhanden, die oft deshalb nicht richtig gewürdigt werden, weil die materiellen Ergebnisse der heutigen Bivilisation in den Händen weniger stecken bleiben oder nur dazu benutzt werden, die rein technisch- industrielle Entwickelung fortzu­führen. Dr. Potthoff behandelte rein rechnerisch den Wert des Menschenlebens. Er stellte sich auf den Standpunkt, der sagt: Der Wert von Menschen kann nur bewertet werden, wenn man fragt: Was kommt für die gesamte Volkswirtschaft dabei heraus? fam unter vielem Beifall zu dem Ergebnis, daß die Unternehmer, die viel Nußen für sich herausschaffen, ohne Rücksicht auf das Wohl ihrer Arbeiter, die Gesamtheit schädigen, die aber der Gesamt­heit nüßen, die hohe Löhne zahlen und die Leistungsfähigkeit ihrer Mit den Grundsäßen des zweiten Referates: die Entwickelung Arbeiter nicht zu sehr anspannen, selbst wenn ihr eigener Gewinn des Einzelhaushaltes, der Einzelfüche zu genossenschaftlichen Ein- gering ist. Diese Gelegenheit nahm Genosse Cohen wahr, um richtungen kann man vollkommen einverstanden sein, obwohl zu auseinanderzusehen, wie selbst ein guter Gedanke eines Frei­bemerken ist, daß die von Frl. Lischnewste so schön ausgemalten sinnigen mit eiserner Konsequenz zur sozialistischen   Produktion Hausgenossenschaften in der Gegenwart nur für die Wohl- führe. Scharf widersprochen werden muß Herrn Dr. Potthoff, habenderen in Betracht kommen können, worauf in der Diskussion wenn er sagt: Wir müssen uns entschließen, zu den bei der die Genossin Fürth   auch hinwies. Was dann weiter über Er- Geburt verkrüppelten Menschen eine andere Stellung einzunehmen, ziehungsheime, Schulen und dergleichen gesagt wurde, kann von sie und die gefunden können wir nicht erhalten; Tausende von jedem Sozialisten akzeptiert werden, nur muß man fragen: Wie gesunden Kindern sterben lediglich aus wirtschaftlicher Not, daher: denken diese Frauen sich die praktische Ausführung all der schönen entweder- oder. Ob die unbedingte Erhaltung von Krüppeln usw. und guten Dinge? Da wurden von einigen, z. B. von Frl. Adele nötig ist, darüber läßt sich diskutieren; unrichtig aber ist es zu Schreiber, so weitgehende Forderungen gestellt, daß man wirklich sagen: Nur wenn wir die für diese verwendeten Werte für die irenisch fragten möchte: Ja, seid Ihr wirklich so naiv, anzu- Gesunden aufwenden, werden lettere uns erhalten bleiben. Da nehmen, daß der Gegenwartsstaat mit seinem Millionenbedarf für gibt es aber doch wahrhaftig näherliegende Mittel, Herr Dr. Bott­Heer und Flotte, Kolonien und Imperialismus das Geld aufzu- Hoff! Den Arbeitern und Arbeiterinnen höhere Löhne, wirtschaft­bringen vermöchte, das Ihr für Eure vernünftigen Kultur- liche Hebung der gesamten ärmeren Bevölkerungsschichten, und forderungen verlangt? Dann müßt Ihr auch ein wenig konsequent teine Tausende von Kindern werden aus materieller Not zugrunde sein: bescheidener in Euren Wünschen werden oder eine geregelte, gehen! sozialistische Produktionsmethode erstreben, alles auf einmal geht nicht. Das dritte Referat von Frl. Rüders hielt sich streng innerhalb der Grenzen des Themas: Wohnungsinspektion durch Frauen; fie fagte faum etwas Neues, aber was sie sagte, war gut und tann die Zustimmung aller Fortgeschrittenen finden.

Es war recht interessant, zu beobachten, wie der radikale aber bürgerliche Sozialpolitiker hier vorging. Er sprach es klar aus, daz ohne die gänzliche Kommunalisierung des Bodens richtiger Einfluß nicht erzielt werden könne. Nun hätte man annehmen müssen, daß Dr. Cahn dem Publikum über die Wege und Möglich­teiten zur Kommunalisierung näheres auseinander sette. Weit gefehlt. Man sollte es fast nicht glauben. Ein Sozialpolitiker, der selbst sagt, daß die Erfüllung seiner Hauptforderung von der Kommunalisierung abhängt, redet kein Wort über diese Kom: munalisierung zu semen Hörern. Gerade das wäre richtig ge­wesen; denn die Aufzählung alles dessen, was man bis zur Er­reichung dieses Bieles tun muß, hätte genau so gut geschehen fönnen, wenn das erstere nicht unterblieben wäre.

Er

Am Abend des zweiten Tages sprachen in überfüllten Ver­sammlungen Frl. Dr. Stöder und Adele Schreiber   über:" Die neue Ghe" und" Sittlichkeit und Kinderrecht". Wir sind mit beiden Damen der Meinung, daß die auf" kraffefter Befißmoral" beruhende Sittlichkeit von den wirtschaftlichen Grundlagen unserer Zeit heute schon überholt ist.

" Der Schluß der Frankfurter   Tage hat noch eine nicht un erfreuliche Wendung gebracht!" Die fortschrittlichen Frauen in den Armen des Knuten- Derte!! Das ist eine wohlverdiente Liebkosung.

Vermischtes.

Tobesurteil. Das Schwurgericht von 3 weibrüden ber urteilte den Aderer Franz Weigel aus Hayna wegen Ermordung seiner Dienstmagd, mit der er ein Verhältnis unterhalten hatte, zum Tode.

Schiffszufammenstoß. Nach einer Meldung aus Antwerpen  fand zwischen den Dampfern Lothringen  " und" Sigam" in der Nähe des Quais ein Zusammenstoß statt. Beide Schiffe sowie die Quaimauer erlitten schwere Beschädigungen.

Unter den Berdacht der Teilnahme an dem Ueberfall auf den Kurierzug nach Kiew   sind gestern in der Umgebung von Odessa  sechs Personen verhaftet worden. Der bei dem Ueberfall schwer verwundete Gendarmerieunteroffizier ist seinen Verlegungen er­legen.

Im Telegraphenamt überfallen. In Omsk   drangen nach einer Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur gestern drei Räuber in die Kanzlei des Telegraphenamts ein, in der gerade den Beamten das Gehalt ausbezahlt wurde. Sie töteten den Rent­meister durch Revolverschüsse und verwundeten fünf Personen, davon drei schwer. Bei der Verfolgung der Räuber erschoß sich einer von ihnen, als er fein Entkommen mehr sah; die beiden anderen wurden auf der Straße mit der geraubten Geldschatulle festgenommen. Einer derselben ist ein erst 15 Jahre alter früherer Gymnasiast.

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