Hue Induftrte und Kandel.„Ratgeber"-Gtschwafel.Der»Ratgeber auf dem Kapitalmarkt' ist äußerst fruchtbar inWiederholung von Gemeinplätzen, die er schlecht serviert, aber dochals Extrakt tieffter Gedankenarbeit anpreist. In seiner Nummer vom22. Oktober beschäftigt er sich mit den von unS erhobenen Vor-würfen gegen den EisenbahnfiskuS in Sachen der letzten Abschlüssemit dem Kohlensyndikat und dem Stahlverbande. Nach Aufzählungder Vorwürfe erteilt er folgende wunderliche Zensur:„Die so urteilen und vom Staat fordern, daß erden kraß egoistischen Standpunkt des privaten Käuferseinnehme, vergessen zweierlei: erstens, daß der Staat nichtnur Konsument, sondern auch Produzent ist. Zum mindesten,soweit Kohle in Betracht kommt, hat der Staat, d. h. die Gemein-schaft der Steuerzahler, ein lebhaftes Interesse daran, daß dieProduktion der fiskalischen Betriebe zu möglichst hohen PreisenAbsatz finde. Durch einen Druck auf die Kohlenpreise würde sichder Staat nur selbst das Geschäft verderben. Auf dem Eisenmarktfällt dieses Moment fort. Aber der Staat kann doch nicht gutmit zweierlei Maß messen, und auf dem Gebiet, wo er lediglichKonsument ist, eine andere Preispolitik verfolgen, als da, wo erals Produzent ein Selbstinteresse an hohen Preisen hat. DasMoralische versteht sich beim Staat eben von selbst."Jetzt weiß man's. Der Staat will gerne die Konsumentenschröpfen; um das zu können, muß er— moralisch sein und ein paarandere Monopolisten auch plündern lassen. Mit solcher Argumentationfindet man auch ein moralisches Prinzip in der Spitzbubenehre. Sodann beweist das Blatt, das sich„Ratgeber" nennt, daß für ihndie wirtschaftlichen Zusammenhänge Hekuba sind, eS vertritt die An-ficht, der Fiskus könne den Markt beschwindeln, indem er höherePreise bewilligt. Der„Ratgeber" hat wohl die Vorstellung, derWeltmarkt sei irgend ein Tier, das zurzeit sich übervoll geftessen hat.Und um das Wohlbefinden wieder herzustellen, brauche man dem IInpäßlichen nur ein Brechmittel einzugeben, dann werde Erleichterungbald sich einstellen. Als Brechmittel würden wir dem Geschwafeldes Blattes den Vorzug geben. Doch das beste kommt zuletzt. Flachs-mann-„Natgeber" schließt mit folgender Wendung:Von dem zur Diskussion stehenden Einzelfall und seinenspeziellen Bedingungen ganz abgesehen muß man also dem Staatgrundsäplich die Berechtigung zusprechen, seine Preispolitik aufeinen höheren Gesichtspunkt als den des momentanen und direktenVorteils der Staatskasse einzustellen.Erst bekommt der FiSknS eine gute Note, weil er vom aller-lleinlichsten Fiskalismus sich leiten läßt, als Käufer hohe Preisezahlt, um als Verkäufer die Konsumenten bluten lasien zu können— schließlich aber hat der FiskuS weise gehandelt, weil er nichtvon fiskalischen Erwägungen sich leiten ließ. Und so was nennt sichRatgeber l_Vom wirtschaftlichen Krankenlager.In Zahlungsschwierigkeiten geriet eine BerlinerFirma der Seidenivarenbranche, die erst vor etwa Jahresfrist ihrVerkaufshaus im Westen modern umgestaltet hat. Die Firma strebtein Moratorium an, dessen Gewährung als wahrscheinlich gilt.Die Hamburger Wechselmakler sind mit einem Betrage vonzirka l'/* Millionen Mark an dem Zusammenbruche von M. Haller.Söhler ü. Co. beteiligt. Es wird sich in der Masse nicht über10 Proz. befinden. Die Passiven der Firma sind auf 14 MillionenMark festgestellt. Die Finnische Staatsbank ist an dem Zusammen-bruch von Haller, Söhler u. Co. mit 2 Millionen Mark beteiligt.das russische Finanzministerium aus dem Coupondienst mit1S0 000 Mark.Die Berliner Furage- und Getreidehandlung Hugo Röhrheinhat ihre Zahlungen eingestellt. Die Passiven werden auf 60 000bis 70 000 M. geschätzt. Beteiligt sind hauptsächlich hiesige kleinereHafersirnien. Der Inhaber soll flüchtig sein.Die Hamburger Konfektionsfirina Sommer u. Baruch, die kürz-lich in Zahlungsstockung geriet, tritt in Liquidation.Die Firma Lnigi Bossi, Seidenspinnerei in Villa d'Adda ist inZahlungsstockung geraten und sucht einen Ausgleich mit denGläubigern nach, denen sie gegen 500000 Lire schuldet. Die Aktivenwerden auf 100000 Lire geschätzt.Der Krach in �Amerika.Die Zusammenbrüche und Schwierigkeiten auf dem amerikanischenFinanzmarkt sind ans der wilden Kupferhaussc herausgewachsen.Diese fand ihre Stütze in den allgemein weltwirtschaftlichen Ver-Hältnissen: diese mutzten schlietzlich auch dem Kupferschwindel einZiel setzen. Der Krach ist keine lokale, von den Gesamtverhältnissenunabhängige Erscheinung, er ist da« Präludium zu einem größerenmitztöncnden Konzert. DaS„B. T." macht über die in den letztenTagen bekannt gewordenen Katastrophen folgende Zusammenstellung:Innerhalb weniger Tage brach die dem„Kupferkönig" AugustHeinze nahestehende Baukfirma Otto Heinze u. Co. zusammen, esfolgten'die Insolvenz der staatlichen Sparbank in Butte(Montana),die Zahlungseinstellung der New Dorker Bankfirnta Grotz u. Kleeberg,Zahlungsstockungen bei der Mercantile Nationalbank, deren PräsidentAugust Heinze gewesen war. Außerdem wurde es notwendig, dieVerhältnisse der National Bank os North Amerika und der New-Ainsterdam Bank, die zum Machtbereich des der Heinzegruppe nahe-stehenden Finanzmanncs Morse gestanden halte, einer eingehendenPrüfung zu unterziehen. Bei der Consolidated Nationalbank undder Hamilton Bank mutzten die Direktoren zur Demission veranlaßtwerden. Ferner stellten die New Dorker Vrokersirma Mayeru. Komp., sowie einige kleinere Rew Dorker Firmen ihre Zahlungenein. Die Heinze- Gruppe, die den tollkühnen Versuchunternommen hatte, in den ShareS der ihr nahestehendenUnited Copper Co. einen„Corner" zu inszenieren, wurdebei diesem Versuch von angeblichen Freunden überrumpeltund mutzte erleben, daß jene Shares innerhalb zweimal 24 Stundenvon 60 auf 10 Dollar sanken. Alle die Geldinstitute nun, dieKupfershareS, seien es solche der Heinze-Gruppe oder andererGruppen, beliehen hatten, standen plötzlich vor einer teilweisen odervölligen Entwertung der Depots, so daß sich Verluste aus Verlustehäuften.Ueber die von der Hochfinanz angekündigte HülfSaktion sagt dasBlatt:Sicher ist. daß die Clearingbanken bis in die Nacht hinein be-raten haben und daß die Geneigtheit besteht, IS Mill. Dollars zurStützung der Kuickerbocker Co. herzugeben. Ob das aber als aus-reichend anzusehen ist, und ob weiteres zu unternehmen sei, darüberscheinen sich bis zur Nacht die Banken nicht klar geworden zufein. Von einer niit den Verhältnissen vertrauten Seite wird eSals möglich bezeichnet, daß die Clearinghoufe-Mitglieder denDepositären der Knickerbocker Co. Zertifikate aushändigen, dievon den Mitgliedern des New Dorker Clearinghouse solidarischgarantiert wurden. Der amerikanische Schatzsekretär Cortelyou hatinzwischen bei den Nationalbanken 6 Millionen Dollar hinterlegtund sich bereit erklärt, weitere 13 Millionen Dollar zu deponieren.Diese Ankündigung hat gestern, zumal da es sich um relativ kleineSunrmen handelt, noch nicht beruhigend zu wirken vermocht. Für„tägliches" Geld wurde an der New Dorker Börse 50 Proz.. jasogar 70 Proz. verlangt. Schließlich gab dann die National CityBank 6 Millionen Dollar a 6 Prozent mit dem� Erfolge, daßwenigstens panikartige Kursrückgänge an der New Dorker Effekten-börfe verhindert wurden.Präsident Roosevelt erklärte in einer gestern in Nashville(Tennessee) gehaltenen Rede, daß seine Politik für die Krisis an derFondsbörse nicht verantwortlich geinacht werden könne. Er sei ent-schlössen, während der noch übrigen sechzehn Monate seinerPräsidentschaft unentwegt bei seiner Politik zu verharren. Im Zu-sammenhang mit dem Kursrückgang an der Fondsbörse erfolgten inNew Dork zwei kleine Zahlungseinstellungen.In der Angelegenheit liegen noch folgende Meldungen vor:_ New Dork, 23. Oktober.(W. T. B.) Die Direktoren der der-einigten Trusts sind im Laufe des gestrigen Nachmittags zusammen-aetteten und haben beschlossen, die„Knickerbocker Trust-Conipanybis zu 50 Millionen zu unterstützen. Morgan allein hat sich zu25 Millionen erboten.New Dork, 23. Oktober.(B. H.) Die Mehrzahl der führendenBlätter fordert da§ Publikum auf, angesichts der prekären Lage der„Knickerbocker Trust-Companh" die Ruhe zu bewahren, da dieBanken sich im allgemeinen in einer sehr schwierigen Lage befinden.New D»kk, 23. Oktober.(W. T. B.) Der Stellvertreter desErsten Aufsichtsbeamten des Staates fiir die Banken teilte gesternabend dem Generalstaatsanwalt in Angelegenheiten der Kuickerbocker-Trustgesellschaft mit, die Sachen ständen zwar nicht hoffnungslos,aber doch so ernst, daß der Generalstaatsanwalt daraus vorbereitetsein müßte, jeden Augenblick einzuschreiten. Er fügte hinzu, daßihm bis 4 Uhr nachmittags keinerlei bestimmte Zusicherung wegeneiner Hülfsaktion für die Knickebocker-Trustgesellschaft zugegangen sei.New Dork, 23. Oktober.(W. T. 23.)(Meldung der„AssociatedPreß".) Die Beunruhigung, welche die gegenwärtige Lage einigerBanken hervorgerufen hat, fuhr heute fort, das Geschäft in nn-günstiger Weise zu beeinfluffen, obwohl die gestrige nervöseSpannung bedeutend nachgelassen hat durch das persönliche Ein-greifen deS Schatzsekretärs Cortelyou und durch sein Versprechen, denganzenTag über imNew Dorker Untcrschatzamt zuvcrweilen. CortelyouSErklärung von gestern abend, welche die unerschütterte Positionder Nationalbanken von New Dork bestätigt, wirkte gleichfalls sehrgünstig.Es wurde bekannt, daß die Knickerbocker-Gesellschast alshoffnungslos zahlungsunfähig angesehen werde und daß ihr keineHülfe gewährt werden würde. Ferner wurde berichtet, daß dieTrust Company of America um Unterstützung gebeten habe, dieihr m weitgehender Weise auch für die Zukunft zugesagt wurde. Diese Gesellschaft hat heute 12 Millionen in ihrenGewölben, um nötigenfalls den heutigen Auszahlungen nachkommenzu können. Die übereinstimmende Meinung in der Sitzung derBankvertreter war, daß die Börsenlage sich gebessert habe und keineweiteren Schwierigkeiten erwartet würden, und daß ferner denunterstützungsbedürftigen Trustgesellschaften Hülse zuteil werdensollte._Gerichts-Zeitung.Justiz und Gerechtigkeit ist zweierlei.Eine enorme Strafe ist am Dienstag von der Stettiner Straf-kammer gegen zwei Arbeiter verhängt. Die Höhe der Strafe unddie Begründung widersprechen auf das entschiedenste dem allgemeinenGerechtigkeitsempfinden.Die Arbeiter Wcndland und Kleinke hatten sich im Juli währenddes Streiks auf der Zementfabrik„Stern'-Finkenwalde an einerMißhandlung des arbeitswilligen HülfsmonteurS Eigenbrodt be-teiligt. Das Schöffengericht Stetttn hatte fie, wie im.Vorwärts'berichtet, zu der hohen Strafe von zwei resp. sechs Monaten Gr-fängnis verurteilt. Gegen das nach Meinung der Staatsanwaltschaftzu niedrige Urteil legte dieselbe Berufung ein. In. der neuerlichenVerhandlung vor der Strafkammer wurden dieselben Feststellungen wie in der Vorinstanz gemacht. Bezüglich Wendlandskonnte einwandftei festgestellt werden, daß er den von vielenMenschen umgebenen Arbeitswilligen nur einmal mit der Hand ge-schlagen hatte, während Kleinke als erster mit einem Stocke angriffs-weise vorging.Der Staatsanwalt beanttagte Strafen von l1/« und l'/a JahrenGefängnis. Der Verteidiger bemerkte, das Gericht könne die An-geNagten nur für das bestrafen, was sie getan hätten, eS dürfe abernicht Rache dafür genommen werden, was andere unermitteltePersonen dem Eigenbrodt zugefügt. DaS Gericht stellte sich aberauf einen anderen Standpunkt.»Nicht gerade die Schläge,die die Angeklagten ausgeteilt haben, sondern ihre ganze Mit-Wirkung mutzte berücksichtigt werden l' erklärte der Vorsitzende Land-gerichtsrat Zürn in der Begründung deS Urteils, das auf—Monate gegen Wendland und t Jahr Gefängnis gegenKleinke lautete.Milde Richterhingegen fand ein Beamter. Der Assistent vom GeographischenInstitut in Halle, Friedrich Lengacker, lief in einer warmenAugustnacht zur Freude mehrerer Studenten in den Anlagen umherund rief fortgesetzt:»Schutzmann!" Als der Schutzmann ihn dannnotiert hatte, verunreinigte er den Bürgerstoig und schrie nun:„Polyp" und„Polypenmensch". Dann lief er um den Polizeisergeanten im Kreise herum und redete ihn höhnisch mit den Wortenan:„Herr Polyp, darf ich einmal über die Schienen der Elektrischengehen?"-Der Angeklagte kam vor dem SchöffengerichtHalle mit— 25 M. Geldstrafe davon, weil Polyp eine»gebrauchliche Bezeichnung" der Studenten für Polizisten sei.Hus der frauenbewegung««Die deutsche Frau um die Jahrhundertwende"betitelt sich ein Buch von Elisabeth Gnauk-Kühne. Der Inhalt,auf reichem statistischen Material aufgebaut, erklärt die Umgeftal-tung des Frauenlebens aus der veränderten Produktionsordnung.Diese Veränderungen drängten die Frau in das Erwerbslebenhinein. Das erwachende Gefühl der Selbständigkeit bildete dieFrau zu ciner�andcren Persönlichkeit. Manche emanzipierte Frautat dabei den Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen. Demgcgen-über macht sich in neuerer Zeit eine andere Strömung geltend,die den absolut männlichen Zug im Weibe bekämpft und die Mutter-schaft an dessen Stelle gesetzt wissen will. Das Weib soll Muttersein, daneben der Arbeit obliegen. Beide Anschauungen verwirftdie Verfasserin. Ihr schwebt das Weib der früheren. längst über-wundenen Zeit, das nur Mutter war, noch heute als Ideal vor.Die Autorin schildert die EntWickelung der Frauenarbeit.Frauenhände werden im Hauswesen entlastet und schließlich über-flüssig. Aus diesen Tatsachen leitet nun die Verfasserin einenUcbclstand für die Frau her, sie sagt: Dadurch, daß die weiblichenAngehörigen im Haushalte nicht mehr verwendbar sind, müssen siehinausgehen in das industrielle Erwerbsleben, denn vor alldin dergroßstädtische Haushalt verträgt keinen unnötigen Ballast.—Die Folgerungen, die die Verfasserin hier zieht, treffen für dieweiblichen Angehörigen der Arbciterklaffe nicht zu, denn diese mußtestets die Töchter aus dem Hause entfernen, da im Arbeiterhaushaltvon jeher die Vorbedingungen fehlten, einen großen Hausstand er-halten zu können. Einer Arbeiterin kann es schließlich wenig auS-machen, ob sie ihr Leben in einem fremden Haushalte als Dienst-böte fristet, oder ob sie ihre Arbeitskraft dem Fabrikanten verkaust.Das letztere ist ihr sogar in den weitaus meisten Fällen angenehmer.Für die Töchter deS Mittelstandes und der obersten Schichten derBevölkerung ist das jedoch eine andere Sache. Für diese hattendie von der Verfasserin angezogenen Produktionsumwälzungendirekt die von ihr angeführten Folgen.Die durch die Umwälzung in der Produktion bedingte Ver-änderung für den männlichen Arbeiter beurteilt Frau Gnauk-Kühne also: Nimmt die Maschine dem Manne auf einer StelleDach und Fach, gibt sie es ihm auf der anderen erweitert wieder.Der Frauenwelt wird dagegen der Boden entzogen, sie wird ent-eignet. Die weibliche Person wird in der Privatwirtschaft ineinem gewissen Prozentsatze als mithelfende Güterproduzentinüberflüssig.—Von einer Enteignung kann nun aber doch woh! nicht di«Rede sein, sondern nur von einem Wechsel der Beschäftigungs-arten. Für die Töchter der gebildeten Stände ist insofern ein Um»schwung der Verhältnisse eingetreten, daß sie heute einen eigenenErwerbszwcig ergreifen müssen, während früher das Familien-obcrhaupt auch für die erwachsenen Familienmitglieder den Brot-und Kleiderschrank füllte.Die Verfasserin weist durch Zahlen nach, daß die Frauen-arbeit stetig zunimmt; im Jahre 1882 gab es 4 259 103 im Volks-wirtschaftlichen Sinne erwerbstätige Frauen, 1895 bereits 5 264 393.Die Industrie wäre gar nicht imstande, die vielen Frauen unter-zubringen, wenn sie nicht den männlichen Arbeiter mehr und mehrausschaltete.Die Verfasserin führt weiter den Nachweis, daß in der Alters-klaffe von 30—50 Jahren rund 77 Proz. Frauen verheiratet sind, undsagt dazu:„Trotzdem kann die Ehe nicht als lebenslänglicherBeruf, geschweige denn als lebenslängliche Versorgung gelten.Von 50 Jahren ab ist die größere Hälfte wieder ohne Versorger."Dieser Satz beweist klar und deutlich, daß nach bürgerlicher Auf-fassung die Ehe als Versorgungsanstalt betrachtet wird.Es heißt weiterhin:„In der Erwerbstätigkeit ist das Weibvor männlicher Konkurrenz zu schützen, dazu muß das weiblicheGeschlecht eine Arbeit berufsmäßig lernen."Hier stellt die Verfasserin die Tatsachen auf den Kopf; dennselten ist der Mann als Konkurrent deS Weibes aufgetreten, sonderndas Umgekehrte ist in der Regel der Fall. Ucberall wird die Frauals billigere Arbeitskraft Konkurrentin des Mannes. Die berufs-mäßige"Ausbildung der weiblichen Angestellten muß da, wo derBeruf an sich eine längere Ausbildung notwendig macht, für beideGeschlechter von gleicher Dauer sein.Die Gedanken der Verfasserin decken sich in mancher Beziehungmit unseren Anschauungen und doch durchweht das Ganze einHauch echt bürgerlichen Geistes. Die Grundübel der heutigen Pro-duktionsverhältnisse, denen nicht das Streben, Bedürfnisse zu be.friedigen, sondern Mehrwert für das Kapital zu schaffen, zugrundeliegt, bleiben außerhalb des Kreises der Untersuchungen. Und sokommt man von falschen Voraussetzungen ausgehend, über schiefeund direkt falsche Schlußfolgerungen zu verkehrten Urteilen undzu Vörschlägen, welche das Uebel nicht ausrotten, vielmehr teilweisesogar noch steigern können._ F. W.Sozialdemokratische Frauen hatten sich sehr zahlreich am Dienstagin den Festsälen in der Gartenstr. 6 versammelt, um einen VortragdeS Reichstagsabgeordneten Georg Ledcbour zu hören.Ledebour sprach über:„Die Frau in Staat und Ge-e l l s ch a f t". In interessanten Ausführungen legte er dar. wiedie Frau die zur Zeit des Urkommunismus erlangte Gleich-berechtigung verloren habe, als die Einzelwirtschaft aufGrundlage deS Privateigentums sich ausbildete. Der Manngalt nun als alleiniger Träger des. Besitzes der Famisie.Die Frau wurde vollständig in das Haus verdrängt und mit denGefangenen aus ftemden Völkern, die zur Fron verurteilt waren,versklavt. Auch daS Christentum milderte den Zustand nur, hob ihnnicht ganz auf. Verkündete es doch den Grundsatz: Die Frau seiUntertan dem Manne I In der Oeffenilichkeit hatte die Frau nichtsmehr zu sagen. Die wirtschaftliche Grundlage, die eS möglich machte,daß die Frau aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet wurde, istjetzt aber durch den Kapitalismus gründlich zerüört worden. Heutekann sich die übergroße Mehrzahl der Frauen, selbst wenn siewollten, gar nicht mehr dem kapitalistischen Getriebe entziehen. Ja,eS würden sogar Frauen, auch in Deutschland, zu Arbeiten ver-wendet, zu denen sie sich nach ihrer natürlichen Beschaffenheit garnicht eigneten, nur weil ihre Arbeitskraft leider noch billiger zuhaben ist alS die männliche. Man denke nur an Gegenden Süd-deutschlands, wo Frauen auf Leitern und Gerüsten von NeubautenSteine schleppten. In England mußten zu Beginn derkapitalistischen EntWickelung die Frauen sogar in Berg-werken, auf allen Vieren kriechend, die sogenannten„Hunde",die Förderwagen, ziehen. In Dresden tragen jetzt noch Frauen dieKohlen in Kiepen und schleppten sie in die Keller. Das ist geradeein Matzstab für die Verlogenheit, die darin liegt, daß man diebestehende Entrechtung der Frauen zu rechtfertigen sucht mit derBehauptung, die Frau sei anders geartet und eigene sich nicht füralles. Ja. aber gerade für Dinge, wozu sie nicht geeignet ist.wird die Frau vielfach in unserer Gesellschaft det kapitalistischenAusbeutung verwendet.— Die Zahl der erwerbstätigenFrauen betrug schon 1895 in Deutschland 7'/, Millionen, wovon5 400000 als Arbeiterinnen bezeichnet werden. In Deutschland sindetwa 28 Millionen weiblicher Wesen vorhanden. Davon kommt un»jefähr die Hälfte wegen zu großer Jugend oder zu hohen Alter»ür eine Erwerbsarbelt nicht in Bettacht, so daß 14 Millionen ver»bleiben. Und von diesen sind schon, wie gesagt. 1895 an'Vz Millionen erwerbstätig gewesen. Ein Beweis, wie tief derKapitalismus umwälzend eingegriffen hat in die Beziehungen derFrau zur Gesellschaft. In einigen Gewerben findet man die Frauen-arbeit annähernd gleich stark verttcten wie die Arbeit der Männer.Aus-der ganz veränderten Stellung der Frau im Wirtschaftsleben derGesellschaft geht fiir uns mit zwingender Notwendigkeit hervor,' daß die�rau auch dieselben Rechte haben müsse wie die Männer. Unsereiesetzgebung hat die Frauen aber benachteiligt. Sie hat nichtschritt gehalten mit der geschilderten Veränderung der Wirtschaft-lichen und damit verbundenen sozialen Beziehungen in der Gesell-chaft. Die Frau habe im öffentlichen Leben zu schweigen, das giltauch heute noch. Sie soll„Untertan" sein, heute aber nicht bloß demManne, sondern dem Fabrikanten, dem Dienstherrn, dem Staat.So wollen � eS alle, die rückständig find, die an derKonvention hängen und die— ein Interesse daran haben. Wiedie Dinge liegen, haben die Frauen im Kanrpfe um diegleichen Rechte keine andere Stütze als das klassenbewußte Proletariat:politisch in der Sozialdemokratie, wirtschaftlich in den Gewerkschaften.— Redner zeigte dann den schädlichen Einfluß der kapitalistischenAusbeutung namentlich auf die Gesundheit der Frauen und deSkommenden Geschlechts und besprach die Notwendigkeit deS gefetz-lichen Schutzes, wie ihn die Sozialdemokratie fordert. ImZusammenhang damit erörterte er die Bestrebungen auf Erringungder politischen Gleichberechtigung der Frauen. Wenn die Frau dasRecht" habe, sich ausbeuten zu lassen, dann müsse sie auch dasRecht verlangen, in Kommune und Staat und auch sonst im öffent-lichen Leben mitzuraten und nützutaten. Die bekannten törichtenEinwände der Gegner zerpflückte Redner erbarmungslos. Unter leb-haftem Beifall schloß er mit einem begeisternden Ausruf an dieFrauen, niit den Männern Schulter an Schulter zu stehen im Kampfum eine bessere und freiere Gesellschaft.Genossin Hoppe, die Eiuberuferin und Vorsitzende, ttat eben»älls in warmen und beredten Worten für die Teilnahme derfrauen am gewerkschaftlichen und politischen Kampfe ein und gedacht«besonders der Kämpfe um das Wahlrecht.Annähernd fünfzig Frauen wurden zur Zahlung fteiwillige,Beiträge für die Partei gewonnen, wie sich an der Zahl der ver»auSgabten Karten feststellen ließ.Witternngsüberflcht vom 23. Oktober 1907.Statlimnswlmmdei Hamburg3 erlinrankf.a D!ünchenLienL Sjj»•== 2BS767 SSW765 SO765 Still763 W765 SO767 SO»eUe,1 Nebel2 Nebel-Nebel3 wolligLNcbcl1 heiterc-»-» ilH»H!-LtaNomn--«—i II ftaparandai768NNOeterSburg 768030Scilly 761 WSW.-lberdeenPari-766 SSO762 RHellervsc Aä 6�heiter2 bedeckt3 wolkig1 bedeckt1 bedeckt!-s7111010Wetter-Prognoi« für DouuerStag, den 24. Oktober 1907.Bei schwacher Lusibewcgung Temperatur wenig geändert. Ziemlichtrübe und nebelig, mit gelegentlichem Ausklaren; kein,Ichläge.keine oder geringe Nieder»Berliner Wetterdui-a�verantwortlicher Redakteur: Hans Weber, Berlin. Für den Inseratenteil verantw.: Th. Glocke, Berlin. Druck».Vertag: Vorwärts Buchdruckcrei u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW,