Er habe diese Sache dienstlich weitergegeben. Richtig ist eS,dah gerüchtweise behauptet wurde, Graf Lhnar und andere Personentreiben mit Männern widernatürlichen Umgang. Dies wurde auchvom Grafen Hohenau erzählt, aber von dem Privatkläger ist soetwas nicht gejagt worden.Hierauf erscheint der als Zeuge vorgeladene Richard Krause,ein 29 jähriger Mann, der 1898— 1902 in Potsdam gedient hat.In seiner Gegenwart, so sagt er aus, ist niemals darüber gesprochenworden, daß in der Villa des Grafen Lynar oder sonstwo vonOffizieren widernatürlicher Verkehr mit Männern stattgefundenhabe. Auf wiederholten Vorhalt seitens des Verteidigers erklärter langsam und zögernd, daß er das, was er gehört habe, alsIokus aufgefaßt habe. Es wurde allerdings ge-sprachen, daßGraf Lynar und Graf Hohenau Umgang mit Männernhabe. Vom Privatkläger sei nichts Derartiges gesagt worden.Zeuge Unteroffizier Liedmann von den Garde0 u Corps weiß nichts davon, daß im Hause des Grafen Lhnarwidernatürliche Unzuchtshandlungen vorgekommen sind. Er hatnur davon gehört, daß der Bursche des Grafen Lynar von diesemweggekommen ist und daß Graf Lynar und Graf Hohenau vomRegiment weg'seien. Der Zeuge bleibt bei seinem Nichtwissen,trotz vieler Vorhaltungen vonseiten des Verteidigers.Zeuge Lücke aus Essen weiß ebensowenig wie der Vorzeuge.Es stellt sich heraus, daß ein falscher Lücke vorgeladen ist.Zeuge M o l d e n h a u e r, der längere Jahre in Potsdam ge-dient hat, erklärt gleichfalls anfänglich, daß er nichts von einemGerücht weiß, wonach Offiziere mit Männern unsittlichen Umganghaben. Nach ernsten Vorhaltungen und Hinweisen auf den zuleistenden Eid gibt er zu: Gesprochen möge ja wohl sein, aberer habe nicht darauf geachtet. Er habe nur gehört, daß der GrafLynar wegen seines Burschen habe abgehenmüssen.Zeuge Dompteur Th.: Er ist 1896 bis 1900 in Potsdam ge-Wesen. Es wurde manchmal davon gemunkelt, daß beimGrafen Lynar unsittliche Dinge vorkamen. Mög-lich ist es, daß ihm von dem Zeugen B. angeboten worden sei,und zwar im Auftrage des Grafen Hohenau, in die Villa desGrafen Lynar zu kommen. Er habe darauf gesagt: SolchckSachen mache ich nicht.— Vors.: Sie wußten also gleich.worum es sich handelte?— Zeuge: Na ja, weil man ja allerleimunkelte.— Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden verneint derZeuge, daß bei jenen Gerüchten auch der Name der Fürsten Eulen-bürg oder des Grafen Moltke eine Rolle gespielt habe.Es wird darauf General v. Kessel, kommandierenderGeneral des Garde-Korps als Zeuge vernommen und vereidigt.Vors.: Hat der Privatkläger mit Ihnen darüber g e-sprachen, daß Fürst Eulenburg in eine Affäre in Sachenwiderlicher Unzucht verwickelt sei.Zeuge: Es ist mir nichts davon bekannt.Vors.: Wußten Sie. daß er mit ihm befreundet war?Zeuge: Ja.Justizrat Dr. B e r n st e i n: Ist dem Zeugen nicht bekannt, daßder Privatkläger geäußert hat. er habe allerdings den Fehler ge-macht, daß er bezüglich des Falles Hohenau nicht sofort dienstlichweiteres veranlaßt habe.Zeuge: Ist mir ganz fremd.H a r d e n: Ist Ihnen etwas von einer Aktion bekannt, diedie Polizei bezüglich des Grafen Hohenau unternehmen wollte.Hat das Garde-Korps nicht den Wunsch gehabt, durch die Polizeivon Fall zu Fall darüber orientiert zu werden?Zeuge: Nein.H a rd e n: Ist Ihnen bekannt, daß die Absicht bestand, denGrafen Lynar zum Flügeladjutanten zu machen.Zeuge: Nein.Es wird hierauf eine kleine Pause gemacht, um den GothaischenAlmanach vom Jahre 1902 herbeizuschaffen, aus welchem der An-geklagte dem vernommenen Zeugen B. das Bild vorgehalten hat,in welchem dieser den Fürsten Eulenburg wiedererkannt haben will.Das Buch ist aber nicht sofort zur Stelle zu schaffe«.Justizrat B e r n st e i n weist darauf hin, daß er den Generalv. Kessel und den Platzmajor v. Hülsen nur deshalb habeladen lassen, um durch sie zu bekunden, daß der Privatkläger seineStellung verloren hat, weil er den Dingen keineswegs so fernstand, als er behauptete. Da Herr v. Kessel in dieser Beziehungversagte und der Platzmajor v. Hülsen nicht erschienen sei, bleibeihm nichts übrig, als sich auf denChef des Militärkabinetts Hülsen-Haesrlerzu berufen.Hierauf wird eine Pause bis 4 Uhr gemacht.Um 4 Uhr eröffnet Amtsrichter Dr. K e r n die Sitzung wieder.Der Gothaer Almanach ist inzwischen zur Stelle gebracht wordenund wird vom Angeklagten Haiden dem Vorsitzenden überreicht.Der wieder hervorgerufene Zeuge B. sieht sich das dort ent-baltene Bild des Fürsten Eulenburg an und erklärt,daß dieser mit zu der Gesellschaft gehört habe.die in der Villa des Grasen Lynar die am heutigen Vormittagegeschilderten Vorgänge inszeniert hat. Nach seiner Meinung mußdies der Herr sein, der damals in Zivil bei dem Grafen Lynar war.Als der Zeuge vereidet werden soll, erklärt Justizrat Dr.b. Gordon: Ich beantrage nunmehr, den Fürsten v. Eulenburain seiner Wohnung zu vernehmen. Er ist nicht reisefähig nachdem Ausspruche des Arztes, aber ist doch hierher gekommen undist bereit, sich auf Erfordern vernehmen zu lassen. Das von mirhier überreichte ärztliche Attest spricht deutlich aus, wie krank derFürst ist. Er wird bezeugen: 1. daß er keine Ahnung hat von jenenBorgängen in der Potsdamer Villa, daß er niemals mit diesemKreise, der durch die Namen Graf Lynar und Graf Hohenau be-zeichnet worden ist. zu tun gehabt hat, ihm vielmehr vollkommenfern steht. Er wird auch bekunoen, daß es gar nicht richtig ist. daßer die Anregung gegeben hat. Herrn Lecomte einzuladen, daß erselbst vollkommen intakt dasteht, seine Freundschaft mit dem Privat-kläger durchaus rein ist und er selbst keinerlei Empfindung davonhat. daß diese Freundschaft erotisch betont ist. Der Zeug«, der denFürsten Eulcnburg nach dem Bilde wiedererkennen will, hatte ge-sagt, der Mann, um den es sich handelt, sei 27— 30 Jahre alt ge-»vesen. Fürst Eulenburg aber ist damals 50 Jahre alt gewesen. Erhat gesagt, es habe auf ihn den Eindruck gemacht, als ob die Herrenin der Villa des Grafen Lhnar Offiziere waren. Fürst Eulenburgist aber kein Offizier. Folglich kann der Zeuge den Mann indem Bilde nicht wiedererkennen. Fürst Eulenburg erklärt eS auchfür absolut unwahr, daß er mit diesen Vorgängen in Potsdamirgend etwas zu tun gehabt hat.Justizrat B e r n st e i n: Von Herrn Horden wird nicht be-hauptet. daß Fürst Eulenburg etwas zu tun gehabt hat. sonderner hat nur behauptet, dah von anderen Personen solche Dinge be-hauptet werden. Das ist ja doch geschehen. Wenn Fürst Eulenburgvernommen wird, werde ich selbstverständlich mich nicht mit derFrage begnügen, welche Beziehungen er zum Privatkläger hat,sondern ich werde mit ihm die Frage der Homosexualitätüberhaupt erörtern.Justizrat Dr. v. G o r d o n: Ich habe ja selbst die Negativein dieser Beziehung behauptet. Die Dinge, die in Potsdam vor-gekommen sein sollen, sind ja sehr beklagenswert, sie haben abermit meinem Mandanten nichts zu tunlJustizrat Bernstein: Ich glaube Anspruch auf daS An-erkcnntnis zu haben, daß ich sowohl wie Herr Horden in dieserFrage ganz loyal vorgehen. Wir haben den Grafen Lhnar undden Grafen Hohenau schon von Anfang an gern hier sehen wollen,die Gegenpartei schien bisher dasselbe Interesse daran zu haben.Hierauf wird der Zeuge S3. nochmals vorgerufen.Vorsitzender: Sagen Sie, Herr Zeuge, ist ein Irrtumausgeschlossen?Zeuge: Es muß der Herr sein, der an dem Abend dabeigewesen ist.Borsitzender: Entweder Sie sagen: er ist eS, oder Siesagen: ich muß ihn erst sehen.Zeuge: Gut, ich will ihn erst sehen.Justizrat Dr. v. Gordon: Es ist doch auf der ganzen Weltnicht möglich, daß ein Mann auf Grund eines Bildes einen Herrnwiedererkennen kann, den er vor zehn Jahren einmal gesehen hat,zumal der Zeuge gesagt hat, es ist ein Herr von 2? bis 30 Jahren.Tatsächlich ist er aber bO Jahre alt.Vorsitzender: Wann kann der Fürst hier erscheinen?Justizrat Dr. v. Gordon: Er kann hier nicht erscheinen,aber er müßte kommissarisch vernommen werden.Vorsitzender: Der Fürst ist doch nur gichtleidend, kann ernicht hergctragen werden?Justizrat Dr. v. Gordon: Ich bitte, das Attest zu verlesen.Harden: Seit Wochen habe ich den Fürsten Eulenburg alsZeugen benannt. Es ist gesagt worden, man habe ihn und anderenicht in Gewissenskonflikt bringen wollen. Aber seine Gesundheitdürfte doch keinem stärkeren Chol ausgesetzt sein, wenn er hierherkommt. Um Berlin zu erreichen, muhte er zu Wagen von Lieben-borg nach der Eisenbahn fahren, auf der Eisenbahn nach Berlin,vom hiesigen Bahnhof nach der Wohnung in der Königin Augusta-strahe. Ich sehe keinen Grund, weshalb er nicht hier nachdem Gericht mit demselben Wagen fahren kann.Ich sehe nur den Versuch darin, dieVerhandlung zur Vertagung zu bringen,daß der Herr hier nicht erscheint. Ich möchte doch darum bitten,endlich damit aufzuhören, hier immer zu sagen, der Privat-kläger hat nichts damit zu tun. wenn ein Herr, der inder„Zukunft" genannt wurde, der gleichzeitig mit dem Kläger ausdem Amte gesetzt wurde und unter Mißbrauch seines Amtes straf.bare Handlungen begangen hat. Zwei Herren, die sich ganz genaukennen, wie der Privatkläger und Graf Hohenau, den der Klägerduzt, mit dem er verwandt ist, der mit ihm lange Jahre alsFlügeladjutant die gleiche Stellung einnahm, können doch nichtsagen, sie hätten miteinander nichts zu tun. Wo gibts denn nocheine Gemeinschaft, wenn das keine ist. Mein Verteidiger hat aus-drücklich gesagt, weshalb der Zeuge B. vernommen werden sollte.Nebenbei behauptet der Zeuge noch das und das vom FürstenEulenburg und hat das immer Harden gegenüber behauptet. Ichhabe davon aber keinen Gebrauch gemacht. Wenn Fürst Eulen-bürg hier ist, werden wir ihm sagen, was wir ihm beweisen. Wirbitten, er soll nun endlich kommen und für den vierzigjährigen ge-liebten Freund, der ihn seine„Seele", seinen„Geliebten" nennt,Zeugnis ablegen.Justizrat v. Gordon: Herr Harden hat zum Schluß hiergegen den Pr-ivatkläger und den Fürsten Eulenburg einen Ton an-geschlagen, auf den ich nicht eingehen möchte. Ich bitte einfach,den Fürsten Eulenburg als Zeugen für die von mir benannten Tat-fachen zu vernehmen. Es ist Sache des Gerichts, zu entscheiden,in welcher Form dies geschehen soll. Weil ich weiß, daß er nichtkommen kann, habe ich der Einfachheit wegen die kommissarischeVernehmung angeregt. Wir haben von vornherein den dringendenWunsch gehabt, daß er hier erscheint; auch der Fürst war der An-ficht. Schließlich sagte aber der Arzt, er setze sich einer dringendenGefahr aus, wenn er als Zeuge erscheine. Mehr kann man nichttun, um die Sache abzukürzen, als wenn wir die kommissarischeVernehmung deS Fürsten beantragen.Es wird hierauf das von Sanitätsrat Dr. G e n t s ch aus-gestellte ärztliche Attest von dem Vorsitzenden verlesen. Aus diesemgeht hervor, daß Fürst Philipp zu Eulenburg seit vielen Jahrenan Gicht und schwerer Neurasthenie leidet. Da außer-dem eine Nervenentzündun'g an Beinen und Armen hinzu-gekommen ist, so besteht Gefahr, daß eine größere Auf-regung schwere Folgen, ja selbst den Tod herbeiführenkönnte. Das Leiden des Fürsten ist so erheblich, daß er sich nuran zwei Stöcken vorwärts bewegen und ohne menschliche Hülfe keineTreppen ersteigen kann. Außerdem leide Fürst Eulenburg anArteriosklerose, die ebenfalls sehr ungünstig auf den Körpcrzustanddes Fürsten einwirke. Ein Erscheinen vor Gericht erscheine deshalbunter keinen Umständen ratsam.Justüjrat Dr. v. Gordon: Ich gebe anheim, den Fürstenladen lassen. Ich weiß allerdings nicht, ob der Fürst erscheinenwird. Unverständlich ist eS mir allerdings immer noch, was meinMandant damit zu tun hat, wenn tatsächlich seitens des GrafenHohenau irgendwelche Dinge gewisser Natur vorgebracht werdenoder meinetwegen schon erwiesen sind.Harden: Ich behaupte, daß dergrößte Teil der deutschen Offiziere von diesen Dingen gewußt hat,natürlich aber aus begreiflichen Gründen geschwiegen hat. Es istallgemein bekannt gewesen, daß sich Graf Hohenau jahrelang hin-durch in Erpresserhänden befunden hatte, und da soll Herr GrafMoltke, der mit Hohenau auf„Du und Du" stand und täglich dienst-lich und auch sonst gesellschaftlich mit ihm zu tun hatte, nichts vonallen diesen Dingen goivußt haben? Mir ist es unverständlich undanderen Leuten wahrscheinlich auch!Justizrat Dr. Bernstein: Ich will nunmehr einmal eineeinzige Frage an den Herrn Grafen Moltke richten: Will derHerr Kläger die Güte haben, uns zu sagen, weshalb er nichtmehr Stadtkommandant von Berlin ist?(Verhaltene Heiterkeit imAuditorium.)Der Gerichtshof zieht sich hierauf zu kurzer Beratung zurück.Der Vorsitzende verkündet: Der Gerichtshof hat beschlossen, dieVerhandlung auf morgen, 10 Uhr. zu vertagen. ES soll geladenwerden der Fürst Philipp v. Eulenburg. Das vorgelegte Attest hältdas Gericht nickt für ausreichend. Wenn der Fürst Eulenburg dieReise nach Berlin antreten konnte, die mit einer nicht geringenkörperlichen Anstrengung verknüpft war, so kann er auch von seinerWohuung aus hier vor Gericht erscheinen. Eine seelische Aufregungist ja doch nicht zu befürchten, da der Fürst sich selbst fürunschuldig halte.(Heiterkeit.)Justizrat Dr. v. G o r d o n: Ich beantrage nunmehr, die Frauv. d. Marwitz, Lüneburgerstr. 21, als Zeugin zu laden, um zu be-weisen, daß die Behauptung der Frau v. d. Elbe unrichtig ist, wo-nach die Ehe der Zeugin mit meinem Mandanten mir zweiTage konsumiert gewesen sei. Frau v. d. Elbe hatseinerzeit die Frau v. d. Marwitz, die damals noch un-verheiratet war, ins Vertrauen gezogen und dieser gegenüberAeußerungen getan, auS denen deutlich hervorging, daß sie durchausin ehelichem Verkehr mit ihrem Manne gestanden habe. Auch ihreMutter habe Aeußerungen getan, wonach die Zeugin v. d. Elbeihren Mann geschlagen habe. AuS diesen Vernehmungen werdeman Schlüsie auf eine anormale sexuelle Veranlagung dieser Zeuginziehen können.Justizrat B e r n st e i n: Wenn die Versuche, eine Frau, diehier mit ichwerem Herzen ausgesagt hat, als eine Meineidige zubezeichnen, dann— ich tue eS jetzt noch nicht— werde ich beantragen.das Srztliche Zeugnis zu verlesen, das bei Gelegenheit des Ehe-scheidungSprozesseS in bezug auf denGefundheitSzupaud des PrivatklögerSausgestellt ist. Der Privatkläger hätte alle Ber-anlassun g, mich nicht dazu zu zwingen, diesesärztliche Zeugnis hier preis zu geben. Ich tueeS bis jetzt nicht, weil ich nicht gern mit solchen Waffen kämpfe.Justizrat Dr. v. G o r d o n bestreitet, daß in seinen Anträgeneine Verdächtigung der Zeugin, als hätte sie einen Meineid ge-leistet, liege.Graf Moltke verwahrt sich nochmals gegen den Versuch, ihnin ein besonderes KonstniftionSverhältnis zum Grafen Hohenau zufetzen.Die Verhaudlung wird hierauf auf morgen 10 Uhr vertagt.Flivster Nerbandstag des Zttmaniisvtrbltudts.Hamburg. 23. Oktober.In der VormittagSsitzung beendete Paul Müller seinReferat über die„Reorganisation des Verbandes", in dem er dieNotwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Ausbaues der Unter-stützvnaseinrichtungen betonte, dabei auf die Erfahrungen andererGewerkschaften verweisend, deren Schlag- und KampfeSfähigkeitjetzt höher sei als früher. Der Korreferent Drescher- Bremer-haben kann die Argumente MüllcrZ nicht anerkennen, weil erstensder prinzipielle Standpunkt der Gewerkschaften als Kompfesorga-nisationen verwischt werden würde und zweitens die Unter-stützungSeinrichtungsn im Seemannsverbande undurchführbarseien. Er sei aber zu Konzessionen geneigt und schlage vor, dievorgeschlagenen Einrichtungen fakultativ einzuführen, so daßes jedem Mitglieds freistehe, ob er sich versichern wolle.Die meisten Redner erklärten sich im Prinzip für die VorlagedeS Zentralvorstandes.In namentlicher Abstimmung wurde mit 24 gegen 4 Stimmenim Prinzip die Reorganisation beschlossen.Das gesamte vorliegende Material wurde einer Kommissionzur Beratung überwiesen.Um der Kommission Zeit zur Arbeit zu gewähren, fällt dieNachmittagssitzung aus.Huö der Partei.Die vorderrussische Aera.Die Polizei von Kellinghusen verbot nun gleichfalls denLichtbildervortrag des Genossen Grempc-Bcrlin über„Ruß-lands Freiheitskämpfer" ohne Angabe von Gründenund oblvohl der Vortrag am Dienstag im benachbartenLägcrdorf vor 500 Zuhörern ohne Zivischenfall gehaltenworden ist. Auch in diesem Fall wurde die gesetzlich vor-geschriebene Aniileldebcscheinigulig von der Polizei nicht erteilt!In fiinf Tagen drei Versammlungsverbote: eine Leistnng.für die man in— Petersburg den gebührenden Respelihaben wird._Der Kongreß der Seine-Föderation.Paris, 21. Oktober.(Eig. Ber.)Die sozialistische Föderalion des Seine-Departenients hat gesternihren Kongreß abgehalten. Die 20 Pariser ArrondissementS und21 Kantone der Umgebung waren durch insgesamt 263 Delegiertevertreten. Diese große Zahl macht es begreiflich, daß die Verhond-lungen manchmal einen sehr lebhaften Charakter annahmen. DenBericht über den Parteitag in Nancy erstattete Groussier,S e m b a t den über den internationalen Kongreß. Scmbat erllärte,in der Frage des AnlimilitarismuS habe in der Internationale inbezug auf daS Ziel keine Meinungsverschiedenheit geherrscht.sondern nur in bezug auf die Mittel. Die Deutschen hätten dieFormel der Insurrektion und deS Generalstreiks nicht aufiiehmcilwollen, die Internationale habe sie aber in der historischen Auf-zählung doch zugelassen. In der Frage deS Verhältnisseszwischen Partei und Gewerkschaft hätten die Franzosen zwarden Beschluß von Nancy nicht durchsetzen können, aber die Jnter-nationale hätte ihrem Verlangen nach AktionSfreiheit Rechuuiiggetragen, indem sie der Aufnahme des sranzösiicken Vorbehalts insProtokoll zustimmte. Vaillant fügte diesen Berichten noch einigeergänzende Bemerkungen an. Er sagte u. a., daß der von denFranzosen gemachte Vorbehalt in der GcwerkschaftSfrage ihnen dievolle Freiheit gegeben habe. Die Internationale habe zu-gunsten der Franzosen eine Ausnahme gemacht.Seine Auseinandersetzungen mit dem Berichterstatter Beerhätten ihm darüber keinen Zweifel gelassen.— Gegendiese Auffaffung protestierte C a m b i e r im Namen derMinorität: Die Beschlüsse der Internationale seien für alle Sektionenbindend. Cambicr unterstützte den Antrag, die Berichte Gronssiersund Sembats in Druck zu legen, sprach sich aber gegen die Hinzu-fügung der ErNärungei' BaillantS aus. Der Kongreß beschloß indes,in die Broschüre die Ausführungen BaillantS, aber auch die Cambiersaufzunehmen. Schließlich wurde eine Resolution, die die StuttgarterErklärung der französischen Mehrheit in der GewerkschaftSfragebilligt, mit 168 gegen 84 Stimmen angenommen.Angenommen wurde ferner eine Resolution über daS Verhältniszu den Radikalen. Sie wendet sich gegen die Anmaßung dieserPartei, die über den„Bruch" mit den Sozialifteii diskutiert, als obfür die Sozialisten überhaupt eine Gemeinschaft mit den Radikalen,diesen Agenten de« Kapitalismus und Werkzeugen des Marokko-syndikats und der Kolonialräuberei, möglich wäre. Die Föderationfordert die Sektionen auf, den Kampf gegen alle Bourgcoisparteienmit verstärkter Energie fortzuführen.Der Kongreß beauftragte die VcrwalwngSkommission, dem Ge-nassen KarlLiebknecht die Sympathie der französischenSozialisten kundzugeben.Ein wichtiger Punkt der Tagesordnung war die Organisationder sozialistischen Jugend. Diese hat bisher eine eigene Sektiongebildet, die ihre Mitgliedschaft aus allen Bezirken deS Departementsrekrutierte. Eine Reihe von Sektionen verlangte nun, daß dieGruppen der sozialistischen Jugend überall in die Bezirks-organisation eintreten und ihre autonome Organisation auf-geben. Der— unter Hervvislischen Einflüssen stehende— Jugend-verband bemühte sich den status quo aufrechtzuerhalten.' DerAntrag auf Statutenänderung wurde indes mit 140 gegen99 Stimmen angenommen. Eine vom Föderationsrat ernannteKommission soll die neue Organisationsform entwerfen.Sozialistische Proteste in England.London, im Okiobcr.(Eig. Ber.)In Liverpool fand kürzlich eine von über 3000 Personenbesuchte Versammlung statt, in der die Gcnossei, B l a t ch f o r d,G r a y s o n und C u n n i n g h a in e Graham sprachen.Blatchford sagte, er werde über zwei Ereignisse sprechen: überKeir Hardieö Besuch in Indien und über die Wahl in Kirkdale.„Was Keir Hardie betrifft, so möchte ich einige Worte au diebritische Presse richten. ES ist jetzt Mode geworden, sozialistischeReden aufzufangeu und sie zur Verhetzung der Gemüter umzu-deuten. Ich bitte die Vertreter der Presse, sich als Männer undEngländer zu betragen, und uns kair plaz? zu geben. Will diePresse unS in skrupelloser und rachsüchtiger Weise bekänipfeii, sowerden wir in derselben Weise dienen: der Wahrheit wäre indes da-mit nicht gedient, wenn wir unS gegenseitig beschimpfen. Was geschahtim Falle Keir Hardics? Eine Depesche kam aus Indien und erzählte.Hardie habe gelvisse Bemerkungen gemachl. Die Presse zeigte nichrdie geringste Neigung, die Nachrichten aus ihre Wahrheit zu prüfen,sondern siel sogleich über Hardie her und fügte gleichzeitig hinzu,Hardie sei der Führer der Sozialisten. Aber nach wenigen Tagenkam doch die Wahrheit zutage, daß Hardieö Worte in gröbster Weiseentstellt worden waren. Wenn die Presse nur«inen kleinen Teil derToleranz, die sie Lord Cromer aegenüber übt, Keir Hardie, Grayso»und anderen Sozialisten gegenüber üben wollte, so wären wir sehrdankbar. Auch in der Wahl in Kirkdale lourde nicht mit anständigenWaffen gefochten. Wir haben eS überhaupt mit einem organisierten Angriff auf den Sozialismus zu tun.In diesem Kampfe wollen wir keine Gnade, wohl aber männliche,chenhafte Kriegführung."Cunninghame Graham erklärte, Keir Hardie verdienedie Dankbarkeit der britischen Nation, da er eS gewagthabe, die europäischen Borurteile zu durchbrechen und dieniedergeireteiien Millionen der Hindu kameradschaftlich zu behandelu.Anstatt Ausweisung— wie manche Blätter verlangen—, sollte dieRegierung ei» Kriegsschiff nach Indien schicken, um Hardie, ivenn erseine Mission erfüllt habe, mit allen Staatsehren»ach Hausezu bringen. DaS beste für daS Reich und für Indien wäre dieTrennung.G r a y f o n meinte, man muffe der bürgerlichen Sozialpolitikauf die Finger sehen, da sie die Kosten auf die Schultern der Arbeiter