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Zchroers gesprochen und dem Mißfallen, das er bei dem Herrn Kardinal Fischer- Köln erregt hat. Herrn Schroers .st dieses Mißfallen�o sehr auf die schwachen Zierden gefallen, �aß er seine Theologie-Vorlesungen an der Bonner Univcr- ,ität eingestellt hat. Herr Fischer will aber den Professor ruch noch persönlich zur Rechenschaft ziehen. Herr Schroers zat sich geweigert, persönlich zu erscheinen und hat, wie es scheint� den Schuh des preußischen Polizeiknüppels ange- rufen. Der Kultusminister ist in begreiflicher Verlegenheit. Herr Schroers ist st a a t l i ch e r Professor, also bei- nahe ein Bureau!-rat, Herr Fischer aber Erzbischof. . Herr Dr. Holle möchte es natürlich mit beiden nicht verderben. Da er aber anscheinend keinen Ausweg weiß, wollen wir ihm gU Hülfe kommen und ihm einen guten Rat geben. Herr Fischer ist sicher im Recht. Er hat den künftigen Priestern verboten, die Vorlesungen von Schroers zu be- suchen. Wird jemand katholischer Priester, so muß er den Be- fehlen der. kirchlichen Vorgesetzten gehorchen. Er verzichtet auf sein Recht, selbst zu entscheiden, was Wahrheit oder Irr- tum ist, er bringt dem Opfer seines Intellekts, um eine Pfründe zu bekommen, oder aber er hat keinen Intellekt zu opfern, weil er im vorhinein weiß, daß er sein Leben lang das glauben wird, was ihm die Kirche vorschreibt. Indem er Priester wird, weiß er also, was ihm bevorsteht. Er begibt sich freiwillig in geistige Knechtschaft, und wer sich»als Knecht fühlt, wer selbst nicht die heilige Sehnsucht nach Freiheit kennt, den kann-niemand befreien: er ist auch der Befreiung nicht wert. Natürlich kostet es einige Mühe, menschliche Gehirne so weit zu bringen. Der dazu nötige Drill wird zum Teil in bischöflichen Konvikten besorgt, und es ist kirchliches Ideal, die Dressur ausschließlich in diesem nur von der Kirche kon- trollierten Anstalten erfolgen zu lassen. Der Polizeistaat ist aber, wenn es den Drill gilt, eifersüchtig, und so sorgt er durch theologische Fakultäten gleichfalls für Priestererzeugung. So ist dieser Konflikt entstanden. Das Verbot des Kardinal Fischer soll das staatliche Hoheitsrecht verletzen, und der Po- lizeiknüppel soll dieses Hoheitsrecht schützen. Im Ernst, es besteht einige Gefahr, dem Zentrum will- kommenen Agitationsstoff zu bieten, indem die Polizeifaust in innere Angelegenheiten der Priesterausbildung eingreift und man dadurch wieder die religiösen Instinkte der katho- tischen Gläubigen aufstachelt. Diese Konflikte können nur auf eine Weise vermieden werden, die alle berechtigten An- fprüchc der Gläubigen schont und andererseits das staatlich-- Hoheitsrecht unangetastet.läßt. Der Staat hat sich in die Ausbildung der Priester nicht einzumischen, die hat sich jede Religionsgesellschaft selbst zu besorgen. Aber ebensowenig hw die Kirche ein Recht, vom Staat Befolgung ihrer Befehle zu verlangen. Diesen Bedingungen kann genügt werden, wenn der Stadt die Theologie, die katholische wie die protestantische, von den Universitäten der- w e i st. Der Glaube hat nichts zu suchen an der Stätte der Wissenschaft! Das soll natürlich nicht heißen, daß Religion kein Objekt der Universitätsforschung sein soll. Aber sie soll eben Objekt der Forschung, der freie st en Kritik, aber an der Universität kein Glaubensartikel sein. Trennung der Schule von der Kirche! Und solche Fälle, wie der SchroerS, werden zur Unmöglichkeit. Den liberalen Blättern wäre natürlich ein bißchen . Kulturkampf ganz angenehm. Da das liberale Programm schmählich im Stiche gelassen wird,-braucht man eine neue - Lockspeise für die Wähler. Aber wir brauchen nicht zu fürchten, d. dieser Schwindel größere Dimensionen an- nehmen wird. Diesen liberalen Geistesstreitern, die die schlimmsten Attentate auf die Freiheit der Wissenschaft tot- schweigen oder gar begeistert preisen, wenn diese Wissenschaft sich nicht innerhalb der der Polizei genehmen Schranken hält, glaubt selbst der Dümmste ihre Tiraden nicht mehr. Und wenn sie eS auch versuchten, weiß der Polizeistaat ganz gut, daß er ohne die Macht des Klerus erst recht nicht mehr, aus- kommen kann. Polizeiknüppel und Krumm st ab gehör en zusammen und sie werden nur zusammen in die Rumpelkammer der Geschichte geworfen werden. Mrei als sälicherichule und BordeMepfll. Vor dem Schwurgericht in Lübeck wurde von Mittwoch bis Freitag ein aufsehenerregender Prozeß geführt, der sich gegen einen Kanzlisten der Polizeikasse Namens Fisahn richtete. Dieser Mann, ein treues Kriegervereinsmitglivd, war bezichtigt. 18 628,90 M. amtlicher Gelder, die er zu verwalten hatte, unterschlagen, und um diese Unterschlagungen zu verdecken, 15 Fälschungen in den von ihm zu führenden Büchern begangen zu haben. Ter Angeklagte -leugnete die Unterschlagungen, räumte jedoch die Fälschungen ein. Er will dieselben ausgeführt haben, um ihm unerklärliche Fehl- betrage in der Kasse zu verschleiern. Der Staatsanwaltschaft ge- lang es nicht, dxn Nachweis zu führen, daß Fisahn die fehlenden Gelder für sich verbraucht hat, und so konnte der Angeklagte nur wegen der Urkundenfälschung verurteilt werden. Das Urteil lautete auf Vh Jahr Gefängnis. Soweit wäre an der Sache weiter nicht viel Bemerkenswertes,-da Staatsstützen, die das Mein und Dein verwechselt hätten, bekanntlich nicht zu. den Seltenheiten gehören. Nun sind jedoch im Laufe des Prozesses Dinge aufgedeckt worden, die ein mehr als sonderbares Licht auf dieOrdnung" in der Republik Lübeck werfen. Der Angeklagte Fisahn erklärte im Ver- laufe der Verhandlungen, daß er das Fälschen erst im Polizeiämt gelernt habe. Und es gelang ihm, den Nachweis für diese Be- hanptung zu führen. Durch Zeugen konnte festgestellt werden, daß es auf der Polizeikasse üblich war,Schiebungen" vorzunehmen, d. h. es wurden die Jahresabrechnungen künstlich zum stimmen gebracht, indem man, je nachdem Geld vorhanden war, Siechnungen, die in der Jahresabrechnung bereits als bezahlt erschienen, erst nach Schluß des Rechnungsjahres beglich, und umgekehrt. TaS gc- fchah mit Wissen und Willen des nunmehr verstorbenen Polizei- inspcktors Munck; ebenfalls eine starke Ordnungssäule. Auf diese Weise täuschte das Polizeiamt die gesetzgebende Bürgerschaft. Ort- ginell und anscheinend sehr einfach war die ganze Geschäftsführung der Kasse. Nichtige Abrechnungen wurden überhaupt nicht gemacht, ebensowenig Tagesabschlüsse. Das Geld, zeitweise waren es bis zu 20 060 M., trieb sich wochenlang ungezählt in einer mit gewöhn- lichem Schloß versehenen Pultschublade herum. Es wurden auch .manchmalRevisionen" von höherer Seite vorgenommen, aber die wurden so famos ausgeführt, daß Fisahn fast unter den Händen ver Revisoren das Geld von einer Kasse, die nicht revidiert wurde, in eine solche legen konnte, die gerade geprüft werden sollte. Auf diese Art blieben die Fehlbeträge unbemerkt. Auch die Fälschungen entdeckte man seltsamerweise nicht, obwohl die Rasuren derartig vorgenommen waren, dast sie von jedem Laien auf den ersten Blick als solche zu erkennen waren. Angesichts einer solchen Lotterwirt- schaft ii»' der Polizeikasse muß man sich nur wundern, daß nicht uoch mehr gefehlt hat. Doch nicht nur die Sauerei in der Polizeikasse hat der Prozeß an das Licht der Oeffentlickfteit gebracht, sondern es wurde noch eine andere Eiterbeule aufgestochen. Man erfuhr nämlich, daß die Polizei in Lübeck «ine Kasse mit 20 000 M. besitzt, die den Titel L-Kass« führt; diese L-Kasse ist weder der gesetzgebenden Körper- schaft bekannt, noch hat letztere je Mittel aus derselben zu be- willigen gehabt. Und doch müssen alle behördlichen Ausgaben durch das Staatsbudget gehen. Bei der L-Kasse ist das unterblieben; es ist also hier von einer staatlichen Behörde direkt gegen das Gesetz verstoßen worden. Revisionen dieser Kasse fanden niemals statt. Den Beamten, die in dem Prozeß als Zeugen auftraten, war jede Aentzerung über dis Z-Knsse verboten worden. Dennoch sickerte in der Verhandlung die Tatsache durch, daß die Kasse aus Abgaben der Bordellwirtc besteht und u. a. dazu diente, um an Polizeibeamte Gratifikationen zu verteilen. ES handelt sich demnach um eine Art ReptilicnkondS im 51lrincn mit besonders schmutziger Herkunft. Solche Zustände müssen notwendigen einem Staat herrschen, der den größten Teil der Bevölkerung entrechtet hat und dessen Verwaltungsorgane einschließlich der Justiz durch besonders hartes Vorgehen gegen ehrliche Arbeiter bekannt geworden sind. Das Bürgertum sieht mit Entsetzen in den Sumpf, der sich in diesem Prozeß aufgetan. Es stellt sich aber so, als wisse eS nicht, daß es selbst ein gerüttelt Maß von Schuld an diesen Zuständen trägt. Ein nettes Bild eines vielgepriesenenOrdn.ungs"itaats. ver Konflikt Im britischen eiienbahndienit. London , 2, November 1907. Am 3. November abends findet hier eine öffentliche Massen- Versammlung der Eisenbahner statt, in der Mr. Richard Bell, der Sekretär des Verbandes der Eisenbahnangestellten(AmaU gamated Sodety of Railway Servants), das Ergebnis der Uv- abstimmung über Erklärung oder Nichterklärung des Streiks der Oeffentlichkeit übergeben wird. Abgestimmt wurde über folgende Frage: Sind Sie dafür, daß zu einem bestimmten Zeitpunkte Ihre Kündigung des Arbeitsverhältnisses eingereicht wird, um durch- zusetzen, daß die Beamten des Verbandes Sie vertreten können bei der Unterhandlung über unsere Forderungen, wie Ihre Tele- gierten bei den Kongressen beschlossen haben?" Es kann kein Zweifel darüber obwalten, daß die große Mehr- heit der Abstimmenden die Frage bejaht haben. Allein ein derartiges Ergebnis würde nicht die sofortige Kündigung und den Ausbruch des Streiks bedeuten. Es würde mir den Ver­bandsbeamten die Vollmacht geben, die ihnen als günstig er- scheinende Gelegenheit zu ergreifen, um die Kündigungen ein- zureichen. Die Plänkeleien haben indes bereits lange genug gedauert, so daß die Bekanntmachung des Ergebnisses die Krisis beschleunigen wird. Es ist deshalb angebracht, den Konflikt eingehender zu be- sprechen. Die Eisenbahnen des Vereinigten Königreichs gehören einer großen Zahl von Privatgesellschaften, von denen 17 sehr bedeutend sind. Die Zahl der Inhaber von Bahnaktien beläuft sich auf rund eine halbe Million. Viele von diesen Aktieninhabern besitzen-nur wenige Anteilscheine. Immerhin ist die Zahl groß genug, um einen Teil des Publikums am Eisenbahngeschäft finanziell zu inter - essieren. schon ganz abgesehen von der allgemeinen Wichtigkeit der Eisenbahnen als Arterien des wirtschaftlichen Umlaufes des König- reichS. Diese Wichtigkeit ist um so größer, als es die Politik der Bahngesellschaften war, die Kanäle, die in den hundert Jahren von 1750 bis 1850 in großer Zahl geschaffen wurden, eingehen zu lassen, um sich die Konkurrenz der Wasserstraßen vom Halse zu schaffen. Dann war es die Politik der Bahngescllschoften, wie überhaupt des englischen Kapitals, hervorragende Aristokraten und Politiker für sich zu gewinnen, indem sie ihnen gutbezahlte Stellen in der Ver- waltung der Bahnen verschafften. ES gibt im Königreiche nicht weniger als 250 Direktoren-Kollegien(Loards of Directors von insgesamt 3000 Mitgliedern mit einem Durchschnittsgehalt von 500 Pfund Sterling(10 000 M.) jährlich. Davon gehören 80 dem Hause der Lords und 23 dem Unterhause an. DaS Bahnaktien- kapital wird auf die enorme Summe von 1282 000 000 Pfund Ster- ling(rund 26 Milliarden Mark) geschätzt. Seit dem Jahre 1870 wurden an Bahndividenden rund 25 Milliarden Mark verteilt. Die englischen Eisenbahnen bieten dem Reisenden viel größeren Komfort als die deutschen . Die 3. Wagenklasse in England ist so gut wie die 2. Wagenklasse in Deutschland . Eine 4. Klasse gibt es nicht. Das Reisen ist in England teurer, aber eS gibt eine ganze Masse billiger Ausflugszüge, besonders für week-ends(Ende der Woche von Sonnabend bis Montag), ebenso sehr billige Arbeiter- Züge. Das Gesamtpersonäl der Eisenbahner beläuft sich auf 581 644, Davon sind aber nur ungefähr 350 000 im eigentlichen BahndieNst: in den Wagen und auf den Strecken mit der Fortbewegung der Bahnzüge beschäftiat. Der Rest ist folgcndermgßcn verteilt: 46227 jugendliche Arbeiter; 54 000 unqualifizierte Arbeiter; 30 000 in verschiedenen Nebenzweigen; 75 000 Mechaniker, Schlosser usw. in den Bahnwerkstätten; 63 675 Beamte, die mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt sind; 8799 Inspektoren; 8528 Stationsvorsteher. Nur die Kategorie der im eigentlichen Bahndienst beschäftigten Arbeiter kommt für die Mitgliedschaft des Verbandes in Betracht. Die �malgamated Society of Railway Servants existiert be­reits seit dem Jahre 1872. Der Verband hat sich nur. langsam cnt- wickelt, da er ein progressives Prinzip vertritt, das den zünftigen Organisationen entgegenarbeitet. Seine Mitgliedschaft soll alle Grade der im eigentlichen Bahndienst Beschäftigten umfassen, während zum Beispiel die Gewerkschaft der Lokomotivführer amd Heizer, die etwa 19 000 Mitglieder zählt, nichts mit den anderen Bahnarbeitern zu tun haben will und auf ihren Beruf sehr stolz ist. Den Verband nennt man deshalb eineall grade movement". eine Bewegung für alle Grade des Bahndienstes. Es war dieser Verband, der auf dem Träde-Unionskongreß vom Jahre 1899 die Resolution betreffend Gründung einer Arbeiterpartei einbrachte. Und es war dieser Verband, gegen den das berühmte Taff-Vale- Urteil am 22. Juli 1901 gefällt wurde. Der Verbandssekretär ist Richard Bell, Parlamentsabgeordneter für Derby, der früher zur Unabhängigen Arbeiterpartei gehörte, aber jetzt politisch liberal ist. Der Verband ist noch durch zwei andere Mitglieder im Parla- mente vertreten, die treu zur Arbeiterpartei halten. Der Verband hat in politischer Beziehung eine gemischte Mitgliedschaft: manche sind liberal und manche sozialistisch gesinnt. Sein Organ ist die wöchentlich erscheinendeRailway Review", die 16 Seitdn umfaßt und im sozialistischen Sinne redigiert ist. In oen letzten Jahren hat der englische Eisenbahnvßsskehr eine' ganz erhebliche Steigerung erfahren, wodurch die Anforderungen an das Personal, besonders an das mit der Fortbewegung der Wagen beschäftigte Personal, bedeutend gewachsen sind. Die Ver- bandsmitglieder stellten deshalb gewisse Forderungen, die auf eine Verbesserung ihrer Lage abzielten: kürzere Arbeitszeit und höhere Löhne. Auf ihrem Kongresse im November 1906 forderten sie den Verbandsvorstand aus, zu diesem Zwecke mit den Bahndirektoren in Unterhandlungen zu treten. Der Sekretär führte diesen Auftrag aus. aber es wurde ihm die Antwort zuteil, er sei nicht berechtigt, im Namen der Bahnangestellten zu sprechen; diejenigen Arbeiter, die Beschwerden hätten, sollten sich an die Bahnverwaltungeu wenden, aber mit Vcrbandsbeamtcn wollten die Bahndirektoren nicht in lleterhandlungen eintreten. So standen die Dinge zu Anfang dieses Jahres. Leider gibt es keine neuere Statistik, aus der man Arbeitszeit und Lohn der Eisenbahner ersehen könnte. Aber aus verschiedenen in den letzten Jahren geführten Debatten im Unterhause ging zur Genüge hervor, daß die Arbeitszeit eine sehr lange ist. Nach einem Gesetze aus dem Jahre 1903(Railway Regulation �ct 1903) haben die Eisenbahner das Recht, sich mit Beschwerden wegen langer Ar- keitszeit an das Handelsministerium zu wenden und eine Unter- suchung zu verlangen. Diese Beschwerden wurden meist gewöhnlich von Bell im Unterhause vorgetragen, so daß sie zur allgemeinen Kenntnis gelangten. In der letzten Session wurden zahlreiche Fälle bekannt, wo Eisenbahner Arbeitstage von 13 bis 13 Stunden hatten. Nach einer amtlichen Statistik vom Juli 1906 kamen in jenen: Sommer 1636 Fälle von 18stündigen Arbeitstagen vor. Wo der- artige Arbeitsverhältnisse vorherrschen, können auch die Löhne nicht gut sein. Nach einem soeben erschienenen Flugblatte des Sekre- tariats der Arbeiterpartei(Genossen M a c d o n a l d) ist der Durckischnittslohn eines Eisenbahners um 7 Proz. niedriger, als der eines gewöhnlichen städtischen Arbeiters. Dabei ist das große Risiko nicht zu vergessen, das manche Kategorien von Eisenbahnern tragen müssen. Die Arbeit der Bremser und Weichensteller ist gefährlicher als die der Bergleute. Im Durchschnitt werden im Vereinigten Königreich in jeder Woche S Eisenbahner getötet und 100 verwundet. Die beste Hülfe wäre selbstredend die Verstaatlickiung der Eisenbahnen und ihre Unterstellung unter demokratische Kontrolle. Und diese Forderung stellt die Arbeiterpartei auf. Die gcwerk- schaftlich organisierten Arbeiter verlangen vorläufig die Aner- kennung ihrer Organisation, wodurch sie erstens in wirkungsvoller Weise mit den Bahndircktoren unterhandeln könnten; dann wäre es ihnen leichter, die große Masse der Bahnangestellten zu organi- sieren und dem Verbände denjenigen Einfluß auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu gewähren, der im Interesse der Arbeiter notwendig ist. Demgegenüber erklären die Bahndirektoren, die Einmischung der Arbeiter in die Bahnvcrwaltungen wäre eine Gefahr für das reisende Publikum, da die Disziplin zugrunde ginge. Die Eisen- bahnen, sagen sie, werden ohnehin vom Staate reguliert, und wenn noch die gewerkschaftliche Regulierung hinzukäme, dann wäre es mit der Freiheit der Unternehmer zu Ende. Die Dividenden seien zu geringe,- um noch höhere Löhne zu vertragen. Schließlich seien. Bahnunternehmcn gegen Streiks machtlos, da infolge des gesetz- lichen Zwanges, den Bahnverkehr nicht zu unterbrechen, den Dircke toren nicht das Mittel des Lockouts zur Verfügung stehe. Englische Eisenbahnen nehmen eine exzeptionelle Stellung ein und könne!: deshalb nicht mit dem gewöhnlichen Maßstäbe gemessen werden. Zudem vertrete der Verband nur ein Bruchteil der Bahnarbeiter und habe kein Recht, als ihr Anwalt aufzutreten. Es scheint demnach, daß eine Krisis unvermeidlich ist. Der Verband zählt jetzt an die 100 000 Mitglieder, die sich vielfach auf die wichtig st en Knotenpunkte des englischen Eisenbahn - netzes verteilen und deshalb den ganzen Verkehr lahmlegen können. Der Handelsminister Lloyd George sieht ims ein und versucht zu vermitteln vorläufig ohne Erfolg. Er hat auch kein gesetz- lichcs Mittel, in ernster Weise in den Konflikt einzugreifen. Nach dem Versöhnungsgesetze vom Jahre 1896 darf das Handels- Ministerium den Konflikt untersuchen und beide Parteien zu einer Besprechung zusammenbringen; es darf auch einen Vermittler oder Schiedsrichter bestellen, wenn beide Parteien' eS wünschen, schließ- lich darf es auch ein Schiedsgericht für den betreffenden Distrikt oder Industriezweig einrichten. Dies sind die Befugnisse des Handels- Ministeriums. Allein, wie ein englisches Sprichwort sagt: Man kann ein Pferd zur Tränke bringen, aber man kann es nicht zum Trinken zwingen. Angesichts der Bedeutung von Eisenbahnen für daS moderne Lchen bedarf eS- keiner besonderen Ausführungen über die Spannung, mit der man hier der Volksversammlung vom 8. No- vember und den darauf folgenden Ereignissen entgegensieht. politiscbe Gcbcrlicbt Berlin, den 2. November 1907. Die eilige Straftiollstreckung und das langsame Reichsgericht. Das Urteil des Reichsgerichts im Hochverrats- Prozeß Liebknecht ist dem Verurteilten immer noch nicht zugestellt! Die Strafvollstreckung aber bat am 24. Oktober be­gonnen! Deutsche Justiz._ Nochmals Herr Breitscheid . Von einem Mitglied des Parteivorstandes wird uns gc- schrieben: Die Besprechung der Breitscheidschen Schrift:Der Bülow- Block und der Liberalismus' im heutigenVorwärts" veranlaßt mich zu einer kleinen Ergänzung. Auf Seite 43 seiner Schrift äußert sich der Verfasser über den Ausfall der letzten Wahlen also: Jedenfalls ist in allen vorwiegend protestantischen Gebieten die Gemeinschaft mit den Herren Spahn und Rocren den Ge­nossen mindestens ebenso verhängnisvoll geworden, wie die Intoleranz, das Pharisäertum und. was noch schwerer wiegt, die Tatenlosigkeit der sozialdemokratischen Parteileitung, und wie die Todfeindschaft, die Bebel dem bürgerlichen Staate geschworen hat." Es liegt in der Natur des Liberalismus, daß er die Sozial- demokratie nicht verstehen kann. An diesem Erbübel leidet auch Herr Breilscheid als Liberaler� Daß Borniertheit und Vorurteil die Stellung vom'Zentrum und der Sozialdemokratie im letzten Wahl- lampf nicht verstehen kann, wer wundert sich darüber? Daß aber, ein Mann, der die Fehler seiner eigenen Partei- genossen kritisieren will, so blind ist. die Stellung der beiden ge- nannten Parteien zu einander ebenfalls nicht zu begreifen, zeigt die Schranke, über die auch der wohlwollendste Liberale nicht hinaus kann. Genau si» steht's mit den sonstigen Kritiken Breitscheids über Stellung und Tätigkeit der Sozialdemokratie. Spricht er von ihrer Intoleranz, ihren« Pharisäertum, so ist er hierin mtr der Nachbeter und Nachtreter seiner sonst von ihm so bitter kritisierten Partei- genossen. Hier geht er Arm in Arm mit Bassermann. Auch daß er die Todfeindschaft, die Bebel dem bürgerlichen Staate geschworen hat, nicht begreift, verwundert nach dem Gesagten nicht. Dagegen müssen wir sehr entschieden Einspruch erheben gegen den Vorwurf der Tatenlosigkeit, den Breiticheid gegen den sozialdemokratischen Partei- vorstand im letzten Wahlkamps erhebt. Diese Anklage steht in« schärfsten Widerspruch zur Wahrheit; sie ist eine leichtfertige Be- hauptung. Breitscheid hätte aus dem Bericht des Parteivorstandes au den Parteitag zu Essen sich leicht informieren könneir und er hätte aus den Erklärmlgen der Redner und der Stimmung des Parteitages in Essen, eiltnehmei« können, daß die Parte« dieser Tätigkeit volle Anerkennung zollte. Oder bildet stch Breiticheid eiit, die Tätigkeit ejner Parteileitung sei nach dem Lärm zu beurteilen, den sie öffentlich mache? Aehnliche Vorwürfe wie gegen den Parteivorstand erhebt er gegen die Partei im allgemeinen. So aus Seite 107. wo er ein