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2. Beilage zumVomiirts" Berliner   Volksblait. Nr. 7. Sonntag, den 8. Januar 1893. 19. Jahrg. Alte und neue Arten und Abarten der direkten Gesetzgebung. (Von einen, Schweizer, Karl Biirkli in Zürich  .) .Der heutige Staat ist der Herrgott des Kapitals und der Teufel der Arbeit; er soll werde» der Herrgott der Arbeit und der Teufel des Kapitals. Der Staat(an sich) ist die soziale Intervention zwischen mir und dir, zwischen Mein und Dein. Alles kommt nur darauf an. wer Jnterpretator (Ausleger, Gesetzgeber) ist, oo, wie heute, der Kapitalist, oder in Zulu, st der Sozialist. Tin Spitzel oder ein Esel ist d'rnm der Anarchist!" (Meine Antwort an B a k u n i n, der mich vor zwanzig Jahren alsder kleine Aristokrat von Zürich  " seinen Nihilisten und Anarchisten vorstellte.) I. Vorerst etwas Geschichtliches. Die Volksgesetzgebung, die alte wie die neue, beide stammen ans Preußen. Die alte kommt sogar Spaß bei Seite aus der Berliner   Gegend her. Der Berliner kann also mit Recht sagen:Alles schon da gewesen!" Ach! leider ja!! gewesen!!! denn, daß sie noch dort wäre, dieser Beweis istunerbringbar". Aber vor alten Zeiten war sie doch dort, denn das Landsgemeiudc-Systeni, wie es seit mehr als tausend Jahren in den Urkantonen der Schweiz   gehandhabt wird, kommt direkte von der Spree  , ja! ja!! von da, wo heute Berlin   steht, wo dieKreuz-Zeilung" gedruckt, und derVorwärts" gedrückt wird. Dort herum saßen einst, vor und zu Christus Zeiten bis gegen l30 Jahre nach Chr., die Vorfahren der Schweizer  , die A l a m a n» e n oder Semnonen, ein Zweig des großen Stammes der Sneven oder Sueben, d. h. Schwaben, die zwischen Elbe  und Oder und der Enden hausten. Alamannen soll bedeute» Männer des Alah"(gothisch: albs= Tempel) d. h. des Götter- Hains. Semnonen hat denselben Sinn und soll bedeutenGe- fesselte"(altsächsisch: k>!mo= Strick, Fessel), nicht etwa durch ein Sozialistengesetz Gefesselte, sondern, die bei Betretnng des Götterhains, als Symbol oder Zeichen der Unterwerfung sich selbst Fesseln anlegten. Sie waren, wie uns Tacitus   berichtet, als ältester und edelster Stamm, die Bewahrer de? großen Hciligthums aller suebischen Stämme, das damals an den Usern der Spree   lag,(Berlin  ! auf einem Götterhain!! Oh! du grund- gütiger Himmel!!) allwohin die Gesandtschaften ans dem Bereich der. Götterfurcht und frommen Sitte" wallfahrteten, an Arm und Bein mit Weidenstricken umwunden und gebunden, in Heiliger- Scheu und Ehrfurcht den Götterhain betretend, ähnlich wie heute dieim Herrn der Heerschaaren" Gefesselten, denZorn Gottes  " fürchtend die Kaiserstätte des Borussenrcichsallerunterthänigst und gnadehoffendst" betreten. Diese germanischen Stämme bekannte» sich damals schon zur Dreieinigkei t", nicht zwar zur christlichenEin- und Dreifaltigkeit: Gott V at er, Sohn und heiliger Geist", denn sie wurden erst ein halbes Jahrtausend später Christen, als sie schon längst von der Spree über'm Rhein   drüben in Elsaß-Lothringen   und den Schweizerberge» sich haushäblich niedergelassen hatten, wohl aber bekannten sie sich zur g e r- manischen Dreieinigkeit:Gesetzgeber, Rich ter und Wehrmann soll jeder freie'Mann sein. Sonderbarer Weise konnten die gesetz es-, rechts- und kri egs kundigen Römer alle Völker der damals bekannten Welt unterjochen, nur gerade dieses, staatlich doch so zersplitterte Volk der Germanen nicht; warum? eben weil Volksgesetz- gebung, Volksgericht und Volkswehr in ihm zu Fleisch und Blut geworden und Männer erzeugt hatte, an deren Urkraft Roms Allmacht zerschellte. Die alte Demokratie, welche durch monarchischen U n- o e r st a n d und Pfaffenglauben dem Volk entrissen worden. muß durch Vernunft und W i s s e u s ch a s t wieder zurück� erobert und zeitgemäß entwickelt werden. Die uralten Volks- rechte und Freiheiten, vor Zeiten an der Spree   und der Enden ansässig, müssen dort wieder heimisch werden, der heutige Preuße muß wieder Gesetzgeber, Richter und Wehnnann wer- den, dann wird es den Franko-Russen nicht besser ergehen, als es einst den Römern ergangen Dazu b-aucht's gar keinen Schnapsbruder-Militarismus, der alles v-rweg versaust, durch immer mehr Ausguß sich zu stärken wähnt, bis er im Graben liegt. Jedermann muß diese Rechte und Pflichten zeitweise ausüben und zwar i n eigener Person. Hier ist keine Arbeitstheilung, keine Uebertragung an andere möglich, ohne der Knechtschaft zu ver- fallen. Verzichtet das Volk aus das Recht über Gesetze end giltig zu endscheiden, überläßt er dieses Recht, diese Pflicht einem Einzigen oder nur Wenigen, so werden diese bald sich das Recht herausnehmen, die Gesetze nur für sich und gegen daS allgemeine Wohl zu machen, lleberläßt das Volk die Pflicht Recht zu sprechen" ständigen Beamten. statt Volks- gerichlen von Seinesgleichen, so läuft es Gefahr, daß sich ein Bureaukratismus und eine Juristerei einnistet und entwickelt, die es weiß der Teufel! nach welch fremdländischem, römischemRecht" richtet, nur nicht uach dem in den Rechtsanschauungen des Volkes de- gründeten. Ueberlaßt das Volk die Vertheidigung seiner Rechte und seines Vaterlandes einer Anzahl ausschließ- lich hierzu Abgerichteter und Abgesonderter, so schafft es ein stehendes Heer, das furchtbarste Werkzeug in den Händen der Staotslenker, das jedes Mal gegen sein Recht und seine Freiheit gebraucht wird, wenn die Unterthanenschafe etwa 'mal unter der monarchischen Scheere widerspenstig werden. Das stehende Heer, diesewunderbare Kollektiv-Maschine", ist wohl das beste Werkzeug für den Mammon, fürs Kapital, für Thron und Altar, fürGott und König", aber das untauglichste für die Arbeit, für Volk und Vaterland. Weil die Nachkommen der Alamannen, die Schweizer  , obschon einst eifrige Söldner fremder Monarchen, doch daheim Herren im Hause sein und daher von einem stehenden Heere nie etwas wissen wollten, darum hat sich ihre Republik bis heute erhalten, darum konnte sich der envachende Volksgeist leichter Bahn brechen, denn der schweizer Wehrmann hatte immer Wehr und Waffen zu Hanse, d. h. das bewaffnete Stimmrecht, und sein politisches AVE ist allemal noch:Ent- weder frißt das stehende Heer die Republik  , oder die Republik  frißt das stehende Heer!" Doch wieder zurück zu unseren alten Spree-Schwaben oder Sueven. Kein Geringerer als der große Cäsar beschreibt uns diese, denn sie waren die ersten Germanen, mit denen Cäsar im Jahr 58 vor Ehr. zu thun und zwar mehr als ihm lieb war. d. h. genug zu thun bekam. Er schildert uns diese ge- fürchteten, tapferen und stämmigen Preußen-Sckwaben was uns besonders interessiren mag als eine Art Sozial- oemokraten,(aber nicht etwa, daß sie deswegen aus Preußen ausgewiesen worden wären, ko blsmärckjick ging's damals noch nicht zu), die von dem römischen Privateigenthum an Grund und Boden absolut nichts wissen wollten, stramm an dem Grundsatz festhielten:Der Boden gehört Allen, ist Sozial- oder V o l k s e i g e n t h u m." _ Casar sagt wörtlich:privat! ac sepavati agri apnd eos nihil est, b. H. Privatäcker und Sondereigenthum giebt's bei ihnen nicht... Niemand besitzt bei ihnen ein bestimmt abgemessenes Feld; niemand hat eigene Grundstücke; mir Geschlechter und Blutsverwandtschaften, welche zusammen- halten(gentibus cognationibusque horninum, qui una coierunt) bekommen zur Bebauung Feld angewiesen". Sie bebauten also nicht wie heute die Kleinbauern ihre Landvarzellen einzeln, sondern genösse nschafts weise in landwirthschaftlichem Großbetrieb,damit", wie Cäsar scharfsinnig beifügt,sie nicht nach ausgedehntem Landbesitze trachten und die Schwächern nicht von den Mächtigeren ans ihrem Besitze verdrängt werden, um die Geldbegierde nicht aufkommen zu lassen, woraus nur Par- teiung und Zwistigkeiten entstehen und um den gemeinen Mann zufrieden zu erhalten, wenn er sieht, daß auch der Mächtigste nicht mehr Besitz hat, als e r"ck) Es war dies von Cäsar, dem heinilichen Anhänger der Gracchen und einstigen stillen Verbündeten Catilina's  , einMerk- Marx" für Rom  , wo das Patriziat dem Proletariat das gemeinsam eroberte Staatsland vor'm Maul wegnahm und, zum Untergang Roms selbst, auffraß. Die Sueben, wie die heutigen Schwaben, krankten nicht am französischen   Zweikindcr-System, im Gegentheil, ihre Kinderfabri- kation litt an chronischer Ueberprvduktion. So ein Dutzend blondlockiger, blauäugigerSchmutz-Engel und Bengel" war das Gewöhnliche, sogar ihrprinoeps" that's nicht unter einem Halbdutzend. Diese Uebervölkerung und einpreußischer" Hunger es erhielt sich das Getriebe, durch Hunger und durch Liebe zwang große Abtheilungen der Sueben schon frühe zur Auswanderung, und zwar geschah diese öfters in freiwilligen Gefolgschaften unter waghalsigen Heerführern und Abenteurern. und damals schon nach des alten Jeldmnrschall Wrangel's Vorschrift:Mit das Schwert in die Hand, komm ick sicher am Ziele." Solch' ein suebischer Freischaarengeneral, ein gewisser HerrEhrenfest  ", den die Römer inArwvistus" sich mund- gerecht machten, brach an der Spitze eines mächtigen Sueben- Schwarmes schon 72 Jahre v.Chr. in Gallien   ein und wollte da das Land, wie der Bourgeois heute sagt,theilen". DaEhren- fest" eine Bismarck-Natur war. so wurde da im Elsaß   und bis tief in's Burgund   hinein geschaltet und gewaltet, daß Cäsar den Galliern als ein wahrer Erlöser vorkam. WieEifenstirn" seinen kaiserlichen Meister gefunden, so fand auchEhrenfest  " einen meisterlichen Cäsar, der, imnierhin erst nach gewaltiger Krastanslrenzung und eine fuebische Religions-Eseler oder Neu- mond-Schrulle klug benutzend, den brutalenEhrenfest  " abtrieb und, wenn auch nicht nach Pommern   hinein, so doch über den Rhein   jagte. Beiläufig bemerkt hat denn guch diese germanische Ueber- Produktion undunmanierliche Manier", ihreWaare" abzusetzen, die Römer über alle Maßen erschreckt und der romanischen Politik bis heute die Wege gewiesen.-- Seit die Cimbern und Teutonen ein volles Jahrhundert vor Christi sich Rom   so furchtbar gemacht, war die Politik des alten Roms,»ach der Völkerwanderung die der mittelalterlichen Päpste, die des alten und neuen Frankreichs  stets darauf bedacht, wie man dieses menschenübcrflüssige", hungrige Germanien  , das nun gar noch ein Denker- und Reformationsvolk geworden(auch das noch!), unschädlich machen, ihm die Lebensader unterbinden könne, denn Rom   und Frank- reich waren nur dan« groß, wenn Deutschland   auf den Knieen lag. Da im Westen und Süden der Brotkorb meistens zu hoch hing, so wurde der deutsche Menschenüberfluß und Hunger gezwungen im Osten, von der Elbe bis nach Rußland   hinein, den einst verlassenen Sandboden wiederum anzufressen; aber statt seinschmeckende Romanen zu verspeisen, galt es nun un- appetitliche Wilzen, Sorben, Polake», Kaßuben, Pommern   und Preußen oder Pruzzen hinunter zu würgen und sich damit den germanischen Freiheitsmagen gründlich preußisch zu verderben, und dazu,für das Glück und die Kultur", die man den Slaven gebracht, dieseUndankbaren", auch noch, wie die Romanen, als Todfeinde aus den Hals zu bekommen. Böse Zungen behaupten zwar, die Eroberer hätten die Slaven unmenschlich traktirt, sie so massenhast zu Sklaven gemacht und verkaust, daß in Deutsch  - land das WortSklave" ausSlave  " entstanden sei, und zu guter letzt als Lohn für diese Landeseroberung sei dann das deutschpreußische Volk selberverslavt" undversklavt" worden. Auch wir Deutsch-Schweizer, die wir nebst den Nachkommen der Angelsachsen Englands und Nordamerikas   von den Germanen noch am meisten bewahrt, den germanischen Freiheits-Adam noch nicht so gründlich wie die Preußen ausgezogen haben, und eigent- lich deutscher sind, als die Herren Deutschländer, wir sind in ewigen Aengsten", von dem freiheitslosen verslavten Preußen entgcrmanisirt" und aufgefressen zu werden. Die Schweiz   hat nämlich den unverzeihlichen Nalurfehler begangen, von Belfort  bis an den Bodensee   ins Deutsche   Reich hineinzulangen und so die südliche Flanke, wie die Niederlande die nördliche Deutschlands  unsicher zu machen.Flanken sichern, natürliche Grenzen haben, an Italien   und England grenzen, nur aus Nothwehr so handeln müssen!" wird eines schönen Morgens eine gefälschte Infinitiv- Depesche lautenim Südwesten bis an die Alpen  , im Nordwesten ans Meer," mein Liebchen was willst Du noch mehr? Würde uns dierepubliklanische" Francia annexiren, ich glaube, unsere Bourgeois-Fabrikanten, denen der Zollkrieg das Leben allzu sauer und den Prosit auch gar so klein macht, würden dazu ins Fäustchen lachen, sie würden'? dann machen, wie die Elsässer gethan, d. h. das reiche Frankreich   ausbeuten und in floribus leben; aber im armen Deutsch  -Borussenland giebt's für uns nichts zu holen als Prügel undUnterthanentreue", zudem sind uns die Deutschen   bald in allemüber" und würden uns aus- beute», denn die Schwaben   und Sachsen   haben bereits bessere Schulen als wir, sagte letzthin ein Pädagoge im Zürcher   Rath- faal. Es ist nicht zu verkennen, daß dermalen der deutsche Riesenbaum wiederim Saft" ist, sehr im Saft, wie seit der Reformation noch nie, so daß er nächstensausschlagen" wird. Und dieses von allen so gefürchtete Preußen- Deutschland  will immer mehr und immer noch mehr Militär!! Nur immer zu! nieine Herrschaften, denn Ihr seid ja die Revolutionäre par exoellenae nur forsch darauf los. Nur immer zu, forsch darauf los getrommelt und Tusch geblasen, bis ver Michel erwacht und seine Glieder reckt, dann kracht die Bettstatt zu- samnien; Proletar-Michel wird dann auferstehen und Bourgeois- Stiefel muß sterben", dann giebt's wieder mal eine Reformation, aber keine von Luther-Potenz, sonder» eine von lauter Potenz! Gerrch»ks-IZetku»rgt Neichöaerichtö-Entscheidnngen. Sozialdemokratische Re- dakteure. Bor dem Erfurter   Landgericht hatte sich am 26. April *) Cäsar's Gallischer Krieg(äo bello ga,Uico; Lib. IV. Cap. 1; Lib, VI. Cap. 22), v. I. der Redakteur derThüringer Tribüne" und derReuß. Tribüne", Gustav Hülle, wegen Beleidigung zu verantworten. Er wurde schließlich in 2 Fällen verurtheilt, in einem weiteren aber freigesprochen. Rur der letztere Fall kam zur Kenntnis» des Reichsgerichtes, da der Staatsanwalt Revision eingelegt hatte. Es handelte sich um einen Artikel, der im November 1691 in den genannten Blättern erschienen war und die in Thüringen   ab- gehaltenen Kaisermanöver betraf. Es war darin gesagt, daß während der Manöver sehr viele Soldaten erkrankt und sogar gestorben seien. Als beschwichtigend war der Schlußsatz anzusehen, daß die an- gegebenen Zahlen hoffentlich übertrieben seien. Hierdurch sollten die Militärbehörden beleidigt worden sein. Das Landgericht erblickte indessen in dem Artikel nichts Beleidigendes, weil die behauptete Thatsache, daß Gerüchte des erwähnten Inhaltes in der Erfurter   Gegend zirkulirt haben, nach jeder Richtung hin als voll erwiesen anzusehen sei, andererseits auch die Form, in ivelcher das Gerücht mitgetheilt worden fei, auf eine Belcidigungs- absicht in keiner Weise schließen lasse. Wenn von großen Ver- lusten an Todte und Maroden gesprochen worden, so liege darin keine Beleidigung irgend eines Truppentheiles. Die Revision des Staatsanwaltes behauptete Verletzung des§ 260 der Str.- Pr.-O., da die Wahrheit der fraglichen Thatsachen als erwiesen angesehen fei, ohne daß Beiveise in dieser Richtung erhoben worden seien; das Gericht habe also seine Ueberzeugung nicht aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung geschöpft. In der Verhandlung der Sache vor dem 3. Strafsenate des Reichs- gerichts erkannte dasselbe auf Verwerfung der staatsanwaltlichen Revision. Derselbe Strafsenat hatte die Revision des Redakteurs der Halberstädter Sonntagszeitung", Wilhelm Osterburg, zn befinden. Derselbe ist am IS. Juni d. I. wegen Beleidigung der deutschen  Kriegervereine zu einer Geldstrafe verurtheilt worden. Er hatte in einem Artikel über die Einziehung der Reservisten von den Mitgliedern der Kriegervereine als vonÄlählämmern" ge- sprachen, von denen leider ein männliches Auftreten nicht bekannt geworden sei. Das Reichsgericht verwarf das Rechtsmittel als unbegründet. Endlich haben wir noch von dem Redakteur derVolksmacht". Karl Thiel in Breslau   zu berichten. Derselbe ist am 11. Juni vom Breslauer Landgerichte»vegen Beleidigung eines Fabrikbesitzers zu 500 M. Geldstrafe verurtheilt worden. In Anknüpfung an die Thatsache, daß unter den Arbeitern des Fabrikbesitzers eine Geldsammlung stattgefunden hatte, war er gegen dieprahlerischen Feste" aufgetreten, die von den Arbeitgebern veranstaltet würden, wobei die Thränen Hungernder Arbeiterkinder nicht berücksichtigt würden. Das Landgericht war iiberzeugt, daß die Absicht des Angeklagten dahin ging, die Bevölkerung gegen die Arbeitgeber aufzuhetzen und dadurch dem Blatte unter den Arbeitern neue Abonnenten zuzuführen. Das Reichsgericht erkannte auch in diesem Falle auf Verwerfung der Revision. Der sozialdemokratische Arbeiterverein in Salza hatte zu Anfang des Jahres 1891 seine Statuten dem Amtsvorsteher S. eingereicht und um Genehmigung des Vereins gebeten. Der Amtsvorsteher machte aber die Genehmigung davon abhängig, daß der Verein ein Vereinslokal besitze. Die Vorstands- Mitglieder glaubten auch, diesen Nachweis erbringen zu können, da der Restaurateur Max Schmidt dem Vereine sein Lokal zu überlassen geneigt war. Als nun aber die direkte Zusage von ihm gefordert wurde, sagte er, er dürfe den Sozialdemokraten sein Lokal nicht überlassen, weil er sich dein Ainte gegenüber schriftlich habe verpflichten müssen, dies nicht zu thun, widrigen- falls ihm die Konzession zum Schankbetriebe wieder genommen würde. Arn 27. Juli 1891 fand dann in einem anderen Lokale eine sozialdemokratische Versammlung zur Besprechung der Getreidezölle statt, und es kamen in derselben auch die Schwierig- keilen zur Sprache, niit ivelchen die Gründung eines sozial- demokratischen Arbeitervereines verknüpft sei. Der Tabakspinner Hermann Schniidt ans Salza theilte hierauf mit, der Amts- Vorsteher habe den Restaurateur Max Schmidt veranlaßt, sich schriftlich zu verpflichten, die Sozialdemokraten nicht anfzunehmen, »vidrigenfalls ihm die Konzession werde entzogen werden: er habe dies« Nachricht aus dem eigenen Munde des Restaurateurs Max Schmidt. Der anwesende Redakteur Karl Schulze aus Erfurt   be- merkte hierauf, der Amtsvorsteher S. müsse nach dem eben ge- hörten den Tabakspinner Hermann Schniidt wegen Verleumdung belangen, da das, was von ihm behauptet werde, die Verletzung einer Amtspflicht in sich schließe und nicht angeuomlnen werden könne, daß der Beamte so gröblich seine Pflicht verletzt habe. Herr Schulze forderte dann ausdrücklich die anwesenden Polizei- beaniten auf, die fraglichen Behauptungen dem Herrn Amtsvorsteher mitzutheilen. Dies wird denn auch wohl ge- schehen sein, denn einige Zeit darauf hatte sich der Tabak- spinner Hermann Schmidt vor dem Landgerichte Nordhausen  wegen Beleidigung zu verantworten. Das ihn verurtheilende Er« kennlniß wurde vom Reichsgerichte auf seine Revision aufgehoben. Sodann hatte sich das Landgericht Nordhausen   am 27. Juni d. I. abermals mit der Sache zu beschäftigen. Hermann Schmidt wurde zu einer Geldstrafe von 20 M. verurtheilt. Das Gericht erkannte an, daß die dem Anitevorsteher unter- stellten Motive in der That den Vorwurf einer schweren Amts- Verletzung in sich schließen würden. Es wurde aber auf Grund der getroffenen Feststellungen als erwiesen angesehen, daß der Amtsvorsteher S. sich gar nicht das erwähnte Versprechen von dem Restaurateur Max Schmidt habe geben lassen, daß dies viel- mehr der Privatsekretär des Amtsvorstehers S., Herr Oester- selb, gethan habe, und zwar auf eigene Faust, wie ausdrücklich hervorgehoben wurde. Der Amtsvorsteher war sonach entlastet und der gegen ihn erhobene Vorwurf unbegründet. Die Revision des Angeklagte» verwarf das Reichsgericht. Soziale Tkclrevlickxl. An alle in Buchbindereien und verwandten Betriebe» beschäftigten Slrbeiter nnd Arbeiterinnen! Am Montag, den 9. Januar, 9 Uhr Abends, findet im Lokale Alte Jakob- straße 7S eine öffentliche Versammlung statt, die sich insbesondere mit dem von der Innung ins Leben gerufenen Schiedsgericht befassen soll und außerdem noch einige Ersatzkandidaten zum Gewerbegericht aufzustellen hat. In Anbetracht, daß die Buch- binder-Jnnung ohne allen Grund und ohne daß das geringste Bedürfniß hierzu vorhanden ist, uns ein besonderes Schiedsgericht aufoktroyirt, hoffen wir, daß unsere Mitarbeiter und-Arbeiterinnen zahlreich und pünktlich erscheinen, um gemeinsam zu berathen, welche Maßnahmen hiergegen zu treffen sind. Das Recht, an den Wahlen zum Gewerbegericht theilznnehmen, ist leider für alle Arbeiter, die bei Jnnungsmeistern arbeiten, verloren. Es sind dadurch also unsere bürgerlichen Rechte stark bedroht, und Hieraegen wollen wir uns nach Kräften wehren. Alle weiteren Ausschlüsse werden in der betreffenden Versammlung gegeben werden.(Siehe Annonce.) Im Auftrage: B e r n h. I o st. hlL. Der Vorstand der Innung ist schriftlich zu dieser Ver- sammlunq eingeladen worden.