«Silhelm II. gegen Keim.Das Schicksal Keims ist nunmehr besiegelt. DerKaiser hat seineu Willen kundgetan. Er hat sich gegenKeim erklärt, hat sein und des Prinzen HeinrichProtektorat über den Flottenverein nieder-zulegen gedroht, wennKeim nicht fallen ge-lassen würde!Herr Streesemann sprach von dem Prinzen Rupprechtvon Bayern als„von einem da aus Bayern". VonWilhelm II. wird er schwerlich als„von einem da aus Berlin"zu reden wagen. Gleich ihm werden auch die wildestenDraufgänger des Flottenvereins, die fanatischsten Bewundererdes Keim vor dem Berliner Bannstrahl zusammenknicken!Von wildem Zorn entbrannt ist natürlich über dieseKundgebung des Kaisers die„R h e i n i s ch- W e st f ä l i s ch enZeitung", das Organ der Panzerplattenpatrioten, denenmit dem Abgang Keims gleichzeitig ein paar Panzerschiffedavonzuschwimmen drohen. Das rheinisch-westfälische Panzer-Plattenorgan meint, wenn Wilhelm II. einmal sein Krüger-Telegramm als unglückselig bezeichnet habe, sofürchte es, daß wiederum der Tag kommen werde,wo er auch seine Entschließungen gegen Keimebenso nennen werde. Keim und seine Leute könnten sichaber trösten. Sie hätten ihre Pflicht getan fürs Vaterlandund dafür mit vielen Patrioten aller' Zeiten und Völker denUndank der Fürsten geerntet I Von neuem öffne sichdie Kluft zwischen Kaiser und Volk, die sich schonnach der Entlassung Bismarcks so jäh aufgetan habe. Freudean der Erklärung des Kaisers könnten nur Feinde desMonarchen und des Reiches haben. Aber wie die Männer,die seinerzeit den Kaiser gegen seinen treuesten Diener ver-hetzten, vom Fluche des deutschen Volkes und der Welt-geschichte getroffen worden seien, so würden auch die jetzigenRänkespinner das historische Kainsmal aufgedrückt er-halten IAergeren Bombast konnten die journalistischen Handlangerder Panzerplattenpatrioten nicht gut zu Papier bringen!Freilich: der Entschluß des Kaisers bedeutet nicht nur die Ab-halfterung des Generalissimus der Flottentreiber, sondernauch''einen gewichtigen Schritt zur Aussöhnungd e s Z e n t r u m s. Kein Wunder, daß das nationalliberalenPanzerplattenpatrioten wahre Zorneskataratte entschäumenläßt!Im übrigen ist die Kundgebung des Kaisers gegen Keimum so befremdender, als der Kaiser kurz nach denWahlen dem Präsidenten des Flotten-Vereins, dem mit Keim engstens befreundeten Fürstenvon Salm, seine ausdrückliche Befriedigung über die�prächtige Wahlagitation" des Flottcnvcreins ausgesprochenhat! Und diese prächtige Wahlagitation hat diebayerische Opposition des Flottenvereins. insbesondere auchdie Kundgebung chys Prinzen Rupprecht, gerade herauf-beschworen!—__Eine neue Artillerievorlage.Kaum ist das neue französische Kadergesetz, daS eine betrachtliche Bermeyrung der Feldartillerie vorsteht, angenommen, und schonmunkelt man auch bei uns in sonst gut unterrichteten Kreisen voneiner neuen Artillerievorlage, die dem Reichstage aller Wahrscheinlich-keit nach im Herbst 1909 zugehen soll.Beabsichtigt scheint zunächst., eine Verminderung der Geschütz-anzahl der Batterien zu sein. Während diese bisher bekanntlichsechs Geschütze zählten, wünscht man sie jetzt nach dem Muster derfranzösischen Feldärtillcrie zu vier Geschützen zu fonnieren. Daman. aber natürlich gar nicht daran denkt, die Zahl der Kriegs-geschütze insgesamt zu vermindern, so wird man eben eineerhebliche Vermehrung der Batterien vomehmen müssen, undzwar wird sich dann die Neubildung von nicht wenigerals rund 280 Batterien erforderlich machen. Das aber wäremit ganz bedeutenden einmaligen und fortdauernden Kosten ver-knüpft,, weil ja die Vermehrung der Batterien Vergrößerungen desOffizierkorps, des Mannschafts- und des Pferdebestandes nach sichziehen würde. Doch bei dieser Reorganisation wird eS jedenfallsnoch nicht sein Bewenden haben; höchstwahrscheinlich wird man dieFcldartillerie überhaupt wesentlich verstärken wollen.Schon im Jahre 1903 wird die Armee die ungeheuereSumme von 8ö6 Millionen beanspruchen; dazu erfordert die Herr-liche Kriegsflotte nicht weniger als 350 Millionen, so daß also derdeutsche Militarismus' 1908 1205 Millionen Mark verschlingt, u n-gerechnet die Kolonialkostcn, die Schuldcnzinsen usw. DieseZahl wird im Jahre 1909 sicher übertrumpft werden, schon weil jadie neue Novelle zum Flotlengesctz ihre verderblichen Wirkungenentfallen wird. Will man angesichts dieser Tatsache dem Volke auchnoch neue Opfer für das stehende Heer auferlegen, noch dazu ineiner Periode der wirtschaftlichen Depression, so heißt das nichtsanderes, als das Volkswohl mit Füßen treten.—Die Krone und der Schiffahrtstrust.Wir berichteten gestern über das von der Hamburg-Amcrika-Linie und dem Norddeutschen Lloyd getroffene Abkommen und dieaus diesem Kartell zu erwartende Steigerung der Passagier- undFrachtpreise.Anders, wie wir gewöhnliche Sterbliche, muß der Kaiser dieNützlichkeit des Vorgehens der beiden Gesellschaften beurteilen, denndas.Wolffsche Bureau veröffentlicht folgendes aus Hamburgdatiertes Telegramm:„Se. Majestät der Kaiser hat in einem an den General-direktor Ballin gerichteten Telegramm seiner besonderen FreudeAusdruck gegeben über die zwischen dem Norddeutschen Lloyd undder Hamburg- Amerika- Linie getroffenen Vereinbarungen, welchedas Zusammenwirken beider Gesellschaften ans ihren wichtigstenVerkehrSgebietcn für die nächsten Jahre sicherstellen."Ein nationallibcraler Wahlrechtsplan für densächsischen Landtag.Der nationalliberale Abgeordnete Dr. Brückner hat der amDienstag wieder zusammentretenden Wahlrechtsdcputation dessächsischen Landtags einen WahlrechtSvorschlag überreicht, der unterWlehnung der Wahlen durch Bezirks-Konmmnalverbände, wie siebekanntlich der Rcgierungscntwurf enthält, ein gegen diesen Eni-Wurf wesentlich erweitertes Pluralwahlrecht in Verbindung mitProportionalwahlen fordert. Eine Pluralstimme sollen danacherhalten: Leute mit einem Einkommen von 2200— 5300 M., städtische und ländliche Grundbesitzer, selbständige Handels- und Gc-wcrbetrcibcndc. Gelehrte, freie Berufe, Leute, die über 40�15Jahre alt sind und Inhaber des Einjährig-Freiwilligen-Zeugnisses.Zwei Pluralstimmen sollen erhalten Leute mit einem Einkommenvon 5300— 15 000 M., Unternehmer eines Betriebes mit über100 Arbeitern, ferner die Inhaber eines Maturitätszeugnisses einerhöheren Lehranstalt. Einen Anspruch auf drei Pluralstimmensollen die Leute mit einem Einkommen über 13 000 M. haben.Die Wahl soll in fünf durch die Kreishauptmannschaften gegebenenKreisen stattfinden. Die Zahl der in jedem Wahlkreise zu wählen-den Abgeordneten soll abhängig gemacht werden von Aeralgröße,Bevölkerungszahl, Einkommen und.Grundsteuer. Der Entwurfsteht eine Erhöhung der Zahl der Abgeordneten auf etwa 100 vor.Der Vorschlag fordert ferner die Wahlpflicht. Ihre Nichterfüllungsoll mit einer nach dem Einkommen bemessenen Geldstrafe belegtwerden. Das Wahlrecht soll von einer einjährigen Ansässigkeitim Wahlkreise abhängig gemacht werden.(Die jetzige Ansässigkeits-frist beträgt ein halbes Jahr.)Das echt nationalliberale Produkt dürfte nicht die Gnade derfür die Annahme oder Ablehnung matzgebenden Konservativen fin-den, die ja erklärt haben, unter allen Umständen an der Trennungzwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen festhalten zu wollen,die ihnen ihr ungerechtfertigtes Uebergewicht in der Kammer gibt.Bülowsche Polenpolitik.Polizeilich beschlagnahmt wurde die neueste Nummer des inGnesen erscheinenden polnischen Blattes„Leck" wegen eines diepolitische Entstehung Preußens behandelnden Artikels.IVlaroKKo.Fez für Mulay Hnsid.Aus der Hauptstadt Fez ist eine für die Franzosen sehrunangenehme Nachricht nach Tanger getaugt. Die Hauptstadthat sich für den Gegensultan Mulay Hafid und gegen denSultan Abdul Aziz erklärt. Die„Agence Havas" meldet:Tanger, 11. Januar.(Meldung der„Agence Havas".) Wieoffiziell bestätigt wird, ist Sultan Abdul Azizabgesetzt und Mulay Hafid am 4. d. Mts. in der Moscheevon Fez zum Sultan proklamiert worden. Der Grund derAbsetzung Abdul Aziz' ist seine Haltung gegenüber den Europäernund Frankreich. Abdul Aziz wird beschuldigt, das Eindringender Christen in das marokkanische Gebiet ge-duldet zu haben und mit ihnen wegen der Organisation derPolizei, die den marokkanischen Ueberlieferungen und Gebräuchenwiderspreche, im Einvernehmen zu stehen. Der heilige Krieg isterklärt worden. In Fez ist ein Khalifat Mulay Hafids errichtetworden.Andere Telegramme teilen noch mit, daß sofort eine Ab-ordnung an Mulay Hafid entsandt wurde, um ihn nach Fezzu geleiten. Nach einer Meldung der Londoner„Daily Mail"aus M a r r a k e s ch ist der Kaid Ben Kador, den Abdul Azizmit einem größeren Heerhaufen zur Unterstützung des Shragna-Stammes gegen Mulay Hafid entsandte, mit seinen Soldatenund drei Geschützen zu Mulay Hafid übergegangen.Eine zweite Meldung der„Agence Havas" vom 11. Januarsucht die Stellungnahme der Hauptstadt als ziemlich be-deutungslos hinzustellen. Die Aufständischen hätten danach alsBedingungen an den neuen Sultan gestellt, daß sie ferner keineSteuern zu zahlen brauchten und daß jeglicher Ver-kehr mit den Europäern, soweit er nicht durch Ge-bräuche und Verordnungen vorgeschrieben sei, zu unterbleibenhabe. Es handle sich bei der Affäre einfach um den Wunsch,keine Steuern zu zahlen, der infolge der vollkommenen Eni-blößung des Ortes von Truppen die Form des Aufstandesangenommen habe. Die Meldung schließt:„Sobald AbdulAziz nach Fez zurückgekehrt sein wird, dürste die Ordnungwiederhergestellt werden. Uebrigens erscheint der MarschMulay Hafids auf Fez wegen der Feindschaftder Stämme unausführbar."In starkem Widerspruch steht zu dieser optimistischen Auf-fassung des französischen Telcgraphenbureaus die folgende,allerdings noch unbeglaubigte Meldung:Tanger, 11. Januar. Nach einer Meldung aus Fez wurde einAnhänger Muley Hafids zum Gouverneur ernannt. Die Stadt-befestigungen wurden besetzt. Mulay Hafid zog unter dem Jubel derBevölkerung in die Stadt ein. In einer Proklamation er-kannte er die Algecirasakte an.Danach wäre der Gegcnsnltan also schon in Fez ein-gezogen. was die„Agence Havas" oben für ziemlich aus-geschlossen erklärte.Ganz anderer Ansicht als das offiziöse französische Bureau,sehen auch die Londoner„Times" den Vorgang an. Sieschreiben:„Es ist einleuchtend, daß dies Ereignis dazu angetan ist, dieAnarchie und Unruhe im Lande zu vermehren. ES bleibt abzu»warten, in welchem Umfange die. Proklamierung geeignet ist, denKämpfen zwischen den beiden streitenden Brüdern ein Ende zu setzen.Jedenfalls wird sie die Beunruhigungen über die marokkanische Frageerhöhen und die Pazifizierung in den Hafenstädten, die vom enro-päischen Standpunkte so wünschenswert ist, verzögern. Es ist wahr-scheinlich, daß die Nachricht für die französische Regierung eine bittereEnttäuschung bringen wird, zumal für Pichon, dessen Besuch inMadrid den Zweck hatte, eine annehmbare Lage zu schaffen. Mandarf kaum hoffen, daß die Franzosen ihrem Wunsche Folge gebenwerden, ihre Streitkräfte aus Casoblanca zurückzuziehen und dieStadt den Truppen Abdul Aziz zu übergeben.Was die letzten Sätze anbetrifft, so ist billig zu be-zweifeln, daß die Franzosen diese angebliche Arbeitüberhaupt ausgeführt hätten. Die Meldungen über ihreOperationen bei Casablanca sprechen direkt dagegen. So berichtet der Londoner Daily Telegraph aus Casablanca, daßvon den für diesen Ort bestimmten französischen Ver-stärkungcn tausend Mann bereits dort eingetroffensind. Man trifft Vorbereitungen für einen V o r st o ßgegen Settat. wohin sich der hafidische Truppen-führer Mulay Reschid mit dem Reste seiner Leute zurück-gezogen hat. In das jüngst eingenommene Medinna wurdevon den Franzosen eine Besatzung von tausend Mann ge-legt.- Das nächste Ziel der Franzosen ist— trotz ihrerAbleugnung— die Kasbah V e r r e s ch i d, etwa 20 Kilometer von Medinna. Die Verbindung mit Casablanca wirdmittels eines neu eingerichteten Kamelverkehrs unterhalten.Ebenfalls von weiterem Eindringen der Franzosen inMarokko spricht die folgende Meldung:Casnblonca, 11. Januar. General dÄmade hat am 9. d. M.die KaSbah Fedala, nördlich von Casablanca, besetzt und dannseinen Marsch nach Norden fortgesetzt, um das auf halbemWege nach Rabat liegende Bumika zu besetzen—sowie die folgende Depesche der„Kölnischen Zeitung", derfranzösische Kommandeur habe von den Stämmen beiMedinna die Auslieferung von Mulay Reschidund anderen angesehenen Scherifs sowie aller Waffengefordert.Rußland.Die nahende Hungersnot.Jeden Tag vermehren sich die Nachrichten aus der Provinzüber die herannahende Hungersnot im Reiche. Im GouvernementP o d o l i e n leiden bereits jetzt 7 Bezirke Not. Im Gouverne-ment Minsk nährci� sich schon jetzt die Bauern von Brot, das50 Pcoz. verschiedene Surrogate enthält; die dortige landwirtschast-liche Gesellschaft bestellte zur Verteilung unter den Notleidenden190 Waggons Getreide. Dem Semstwo im GouvernementC h e r s o n wurde erlaubt, zum selben Zwecke zirka 500 000 PudBrot zu lausen. Im Gouvernement Kasan verteilt man dasBrot, das von der letztjährigen Vcrpflegungskampagne zurückblieb.Besonders groß ist die Not im K a uk a s u s. Die vollständige Wirt-schaftlichc Verkümmerung des kaukasischen Torfes und der'Hungerbilden das Leitmotiv sämtlicher Korrespondenzen aus dieser Herr»lichen und fruchtbaren, aber vernachlässigten Gegend. Gleichzeitigmit dem Mangel an Nahrung verbreiten sich dort die Epidemie»,darunter die schwarzen Pocken. Die für den Kaukasus erforderlicheSumme zur Unterstützung der Notleidenden ist vom dortigenKomitee auf 2l� Millionen Rubel festgestellt. Der Kampf mit derHungersnot wird dadurch noch schwerer und komplizierter, daß aufden Märkten des Südens und Westens überhaupt ein Mangel anBrotgetreide beobachtet wird. Infolge dieses Mangels an Mahlgutwurde eine Reihe von Mühlen in den Gouvernements Poltawa,Kiew, Samara usw. geschloffen. Im Zusammenhang mit allendiesen Umständen verkleinern auch viele Unternehmungen ihreProduktion.Und diese wirtschaftliche Krise vergrößert immer mehr dieArmee der Arbeitslosen Unter ihnen herrscht entsetzlichesElend. Und das ist erst der Anfang de? Winters und derHungersnot mit all ihren Begleiterscheinungen.Abzeichen für die„Echtrusscn".Um die Abgeordneten außerhalb der Reichsduma kenntlich zumachen und vor Unannehmlichkeiten zu schützen, beabsichtigen, wiedie russischen Blätter berichten, die Abgeordneten der Rechten, dieEinführung eines Brustabzeichens zu beantragen.Die„Echtrussen" haben ganz recht. Sie müssen ein Ab-zeichen tragen, sonst wäre mancher von ihnen vom lieben Pich nichtzu unterscheiden._Hus der parte!*Bildungsbcstreliungcn.DaS Unterrichtsprogramm der Dresdener Vereinigungf ü r V o l k s b i l d u n g u n d K u n st p f l e g e für das 1. Viertel-jähr 1908 ist das folgende: Dr. Georg Gradnauer über Staars-und Verfassungslehre: F. Düwell: Deutsch-Kursus, Uebungen immündlichen Ausdruck; Dr. Franz D i e d e r i ch: GeschichtlicheUebungen(gemeinsames Lesen und Besprechen wichtiger geschichtlicherSchriften); Gustav Riem: Gewerkschaflsbewegung(Geschichte,Theorie und Praxis); Jul. F r ä tz d o r f: Arbeiterversicherung(IhrWesen und ihre Handhabung).— Die Kurse werden an 8—12Abenden gehalten. Von den Teilnehmern werden 2 M. erhoben;Jugendliche entrichten 1,50 M._Unsere Toten. In Münch en starb nach nur achttägiger Krank-heit im Alter von 52 Jahren der Schriftsetzer Peter Wengen-mayer. Ein alter sturmerprobter Kämpfer ist damit aus denReihen des kämpfenden Proletariats geschieden. Wengenmayer warein eifriges Mitglied des Verbandes der deutschen Buchdrucker, demer 32 Jahre als Mitglied angehörte. Frühzeitig wandte es sich michder politischen Bewegung zu. Durch das Vertrauen der Genossenwurde er zu verschiedenen Ehrenstellen berufen. Um diese ihm über-tragenen Pflichten zu erfüllen, brachte er viele Opfer an Zeit undGeld. Sein unermüdlicher Fleiß und seine Selbstlosigkeit sichern denverstorbenen Genossen ein ehrenvolles Andenken innerhalb derMünchener Arbeiterschaft.In Altona starb der Genosse Zigarrenarbeiter AugustBrauer, 52 Jahre alt. Ein alter, verdienter Kämpe, der unterdem Ausnahmegesetz aus Deutschland vertrieben wurde. Einer vondenen, die von dem berüchtigten Ausweisungsparagraphen am erstenmit betroffen wurden, entschloß sich August Brauer, zusammen mitOtto Reimer und vielen anderen Braven, sich jenseits des Ozeanseine neue Heimat zu suchen, da man ihm hier seineExistenz mit brutaler Gewalt raubte. In den siebzigerJahren hatte August Brauer seine volle Persönlichkeit inden Dienst der guten Sache gestellt. Er war beteiligt bei derGründung des„Hamburg-Altonaer Volksblattes" und mehrere Jahrehindurch Kassierer der Partei in Altona. Auch in seiner ireuenHeimat bekleidete er oftmals Vertrauensstellungen innerhalb derPartei in New Dork. Dort wurde er von einer tückischen schleichendenKrankheit befallen. Im Jahre 1897 zog er wieder nach seinerVaterstadt. Sein Zustand erlaubte ihm nicht mehr, die Tätigkeit zuentfalten, zu der er sich hingezogen fühlte, er glich mehr und mehreiner wandelnden Ruine, so daß der durch einen Gehirnschlag herbei-geführte--To� sür-ihm eine- Erlösung war. In den letzten Jahrenhatte er sogar fast die Sprache verloren.Russische Preßfreiheit.Wilna, 11. Januar. Das hier erscheinende jüdisch-sozialistischeBlatt„Der Morgenstern" mußte sein Erscheinen ein-stellen, da die Polizei den größten Teil der Mitarbeiter desBlatte? verbaftete und im RedakttonSlokal sämtlicheManuskripte beschlagnahmte.poUzeiUebes, Ocrichtllchca ufw.Strafkonto der Presse. Wegen Beleidigung eines Pfarrers wurdeder Genosse Müller vom„Sächsischen Volksblatt" inZwickau in der Berllfungsinstanz zu drei Monaten Ge-fän g ni s verurteilt. Die erste Instanz hatte nur auf einen Monaterkannt.Eine Haussuchung fand am Donnerstag beim Genossen Dietzsch,dem zweiten Geschäftsführer der Buchhandlung der„Volks-stimme" zu Frankfurt a. M. statt. Zwei Kriminalbeamteschlössen sich dem Genossen Dietzsch an. als er zum Mittagessen seineWohnung aufsuchte und durchstöberten diese aufs eingehendste. An-scheinend vermutete man dort-verbotene Schriften. Indes war derLiebe Müh umsonst.________Soziales*Liebesdienste für den Unternehmer bis zum Meineidwerden den Obersteiger Kummer und den Arbeiter Wagner,beide im Zachmannschen Steinbruch bei Würzen(Sachsen) be-schäftigt, ins Unglück stürzen. Ein als sogenannter Unterakkordantbei der Firma in Stellung gewesener Ausländer war mit ihr inLahndifferenzcn geraten, weil ihm die Firma nur 301 Kubikmetergebrochene Steine berechnen wollte, statt 330 Kubikmeter, die vondeni Arbeiter mit seiner Kolonne geleistet worden waren. Auf seineBeschwerde hin bot ihm der eine der Firmeninhaber nachträglich40 M., während der andere Inhaber über die Beschwerde desArbeiters so erbost wurde, daß er ihn einen„Lügner" nannte,der daS„Maul halten" solle. Daraufhin verließ der Arbeiterdie Arbeitsstelle und verklagte die Firma beim WurzenerGewerbegericht. Nicht weniger als sechs Sitzungen desGerichts waren zum Austrag dieser Sache notwendig; der eine derTermine wurde im Steinbruch selbst abgehalten. Der Obersteigerund der Arbeiter Wagner sagten als Zeugen des Unternehmersunter Eid aus. daß der Kläger nach genauesten Ausmessungen nur301—306 Meter gebrochen habe. Der Arbeiter Wagner legtedem Gericht einen Zettel vor, auf dem er angeblich jede durch dieMessung festgestellte Zahl sich aufgeschrieben und das Ergebnis dannauf dem gleichen Zettel auch ausgerechnet haben wollte. Als derVorsitzende von diesem Zeugen eine Schriftprobe anfertigenließ, stellte sich heraus, daß der Mann unmöglich den Zettelbeschrieben haben kann. Und als der Vorsitzende weiterdie Ausrechnung eines ähnlichen Exempels forderte, wie das auf demZettel stehende, erklärte der Zeuge:„Das habe ich in derSchule nicht gelernt!" Erregt sprang der Vorsitzende aufund erklärte dem Manne:„Sie haben einen Falscheid geschworen!Wenn es mir nicht darum zu tun wäre, daß der Kläger zu seinemGelde und zu seinem Rechte kommt, machte ich sofort Schluß undschickte die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft."(WaSinzwischen geschehen ist.) Nim gab der Zeuge an, daß der Ober-steiger vorher mit ihin im Maschinenhaus« ver-h a ii d e l t und den fraglichen Zettel geschrieben habe. Das Letzteremußte mm auch der Obersteiger zugeben, er wollte aber Nichtwissen,wie der Zettel in den Besitz Wagners gekommen sei. Dabei hatder Obersteiger im Termin neben dem Zeugen Wagner gestanden,als dieser den Zettel vorlegte und als von ihm geschrieben ausgab.Der O b e r st e i g e r hat also, wie auch die Begründung des Urteils