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Gesetzes habe eine hochstehende konservative Persönlichkeit ge- äußert, daß der rote Lappen solange vor dem liberalen Philister- tum geschwungen werden müsse, bis es in ihm den Feuerschein der brennenden Städte erblicke. Jetzt schien den Regieren- den die Gelegenheit, gekommen, die Preß- freihcit und das Vereins recht für alle Zeiten zu verhunzen. In der sich anschließenden Erwiderung Puttkenners ver­teidigte dieser das Spitzelsystem als ein Recht der Polizei, sich Leute zu kaufen, dieden dunklen Gängen der Sozialdemokratie nachspüren". Auch der Zentrumsrcdncr Reichcnsperger kritisierte den Gesetzentwurf und die Polizeimaßnahmen heftig. Er erklärte. gegen das Sozialistengesetz zu stimmen, weil es den Grundsätzen der Gerechtigkeit widerspreche. Unerhört sei die angedrohte Ab- erkennung der Staatsangehörigkeit. Niemand habe das Recht, einem Menschen das Leben und Arbeiten auf einem Fleckchen Erde   zu verbieten. Das Urteil der Arbeiter sei erst durch dieses Ausnahmegesetz vergiftet worden. Der Konservative v. Hclldorf sang am zweiten BeratungS- tage ein Klagelied überdie Partei der sozialen Revolution" und verlangte in seinem junkerlichen Hcrzensdrange noch schärfere Be- stimmungen. Der Freisinnige Bambergcr erklärte sich ebenfalls gegen die Verlängerung. Er kritisierte hauptsächlich den Vcrbannungs- cntwurf, was ihm eine Abkanzelung Puttkamers eintrug, der den Freisinn als ein von der Gunst der Sozialdemokratie abhängiges Fraktiönchen bezeichnete. Auch der große Eugen bekam wegen eines Zwischenrufes eine Ohrfeige ab, die ruhig eingesteckt wurde. Am!3. Februar schlug dann die Kommission die Ablehnung der verschärfenden Bestimmungen vor, und beantragte, das Sozialistengesetz unverändert auf zwei Jahre, also bis zum Ll>. September 1890 zu verlängern. Llm 14. Februar beantragte Windthorst, den kleinen Be- lagerungszustanb zu beseitigen. Der Antrag wurde jedoch vom Kartellreichstag abgelehnt. In der dritten Beratung am 17. Februar kam Genosse Bebel zum Wort. Er erinnerte daran, daß Bismarck   erst seit 186S eine Kampfstellung gegen die Sozialdemokratie eingenommen habe. Jetzt, nach kaum zwanzigjährigem Bestehen der Partei, umfaßten die sozialistischen   Ideen schon den ganzen Erdball. Kein Mann der Wissenschaft könne nichtachtend an ihnen vorübergehen. Das komme daher, weil die sozialistische Bewegung den modernen Pro- duktionsverhältnisscn entsprungen sei. Wäre sie das Wer! eines einzelnen Agitators, würde sie längst verschwunden sein. Der Staatsrechtslehrer Bluntschli habe gesagt:Das Recht der Revolution ist das Recht der Volksnatur, die sich nicht mehr anders zu helfen weiß!" Es gebe Revolutionen von oben und unten. Die Annexionen von 1866, die Konfiskation des Vermögens der hannoverschen Königsfamilie, die Steinsche Gesetzgebung, die Aufhebung der Leibeigenschaft in Rußland   seien Revolutionen von oben gewesen. Die Revolution lasse sich verhüten, wenn die Regierung das Bedürfnis nach Reformen anerkeunc. Die Nationalliberalen seien die Urheber der Ausnahmegesetze gegen die Polen  , Elsässer und Sozialdemokraten. Am Schlüsse seiner Rede geißelte Bebel die Institution der �geuts provocateurs. Als letzter Redner unserer Fraktion kritisierte Singer noch- mals das Ausnahmegesetz und seine Anwendung. Mit 164 gegen 80 Stimmen wurde die Verlängerung des Sozialistengesetzes auf zwei Jahre beschlossen. Am 18. März er- folgte die Publikation zum letzten Male. Am 20. Februar 1890 fiel das Schandgesetz durch den Ausfall der Reichstagswahlen, ob- wohl sein formeller Ablauf erst am 30. September 1830 erfolgte. poUtifebe Gcbcrlicbt Berlin, den 29, Februar 1908. Heimarbelt. Die Fortsetzung der Debatte über die beiden Gewerbe- oesetze im Reichstage brachte heute zunächst den freisinnigen Abg. P a ch n i ck e auf die Tribüne, der niit den Regierungs- borlagen höchst zufrieden war und das Haus mit einer Definition der Blockpolitik erheiterte. Nach der Aussage dieses eifrigsten Blockpriesters drückt sich in der Blockpolitik nämlich das Bestreben der Freisinnigen aus. ihre Grundsätze zu der- wirklichen. Es ist nur gut. daß man das endlich aus so be- rufenenl Munde erfährt, da bisher noch niemand in der Welt etwas davon gemerkt hat, daß es den Freisinnigen gelungen wäre, auch nur einen einzigen ihrer Grundsätze zu der- wirklichen._ Der Direktor des Reichsamt des Innern, Herr Caspar, mühte sich ohne Erfolg ab, die Darlegungen des Genossen Molkenbuhr zu widerlegen, daß die jetzt gültigen Bestimmungen der Gewerbeordnung bereits die Kontrolle der Heimarbeit ermöglichen würden. Schließlich unterzog Genosse Geyer den Gesetzentwurf betreffend die Zigarrenfabrikation einer eingehenden Kritik, indem er einleitend darlegte, daß die Sozialdemokratie seit Jahrzehnten unablässig gedrängt habe, daß der Arbeiterschutz auch auf die Heimarbeit ausgedehnt werden müsse. Die Zu- stände gerade in der Zigarrenfabrikation seien besonders schlimm. Habe doch Zoll- und Steuererhöhung wesentlich mit dazu beigetragen, die Fabrikation und die Hausindustrie aufs Land hinauszudrängen, da auf solche Weise die Fabrikanten an den Löhnen sparen. Die Löhne der Zigarrenarbeiter seien mit durchschnittlich 574 M. die niedrigsten in ganz Deutsch- land im Vergleich zu den übrigen Berufen. Was der Gesetzentwurf aber da an Besserungen in den Zuständen leisten könne, entspreche bei weitem nicht den Anforderungen, die wir an ernstliche Schutzbestimmungen stellen müßten. Am Montag wird die Debatte weiter gehen. Dann kommt das Reichsamt des Innern an die Reihe. Müller-Berlin proklamiert den Generalstreik. Die Freisinnigen halten jetzt im Abgeordnetenhause Wahlreden. Sie winseln den Blockminister Moltke   an, bei den kommenden Land- tagSwahlen die Sonne der RegierungZgunst den Freisinnskandidaten leuchten zu lassen. Sie nennen daß: Unparteilichkeit der Regierung fordern, haben aber gegen die Drohung des Staatssekretärs Kraetke. jeden Postbeamten zu entlassen, der öffentlich sozialdemokratisch wählt, noch nicht ein Wort der Mißbilligupg gc- fanden. Ihr konservativer Blockbruder von Korn sagte ihnen auf den Kops zu, daß sie amtliche Wahlbeeinflussungen zu ihren Gunsten wünschten. Gyßling, der gemeinsame bürgerliche Kandidat von Königsberg  , der in der Wahlagitation sich selbst schon nicht n?ehr freisinnig nannte, erwiderte, daß die Freisinnigen jeden Eingriff in die Freiheit der Wahl mißbilligten. Und lachte heimlich mit dem Augurenlächeln, als er an die Wahlen von Enders und Eickhoff zum Reichstage dachte. Die schönste Wahlrede aber hielt der Müller, der früher Müller-Sagap, jetzt Müller- Berlin heißt und den man kurz und bleibend den Dividenden- Müller nennt. Mit geheimnisvoller Stimme rannte er den anderen Erkorenen des preußischen PrivilegienwahlrechteS zu, daß die Sozial- demokratie für den 18. März den Generalstreik vorbereite und sein Freisinnsherz fiel wieder einmal in die Hosen. Er hat die Nach- richt aus den Kreisen der Arbeitgeber bekommen, die gewiß über die Absichten der.Zentralinstanz der Sozialdemokratie", die nicht der Parteivorsiand sein soll, die aber.der Dividenden- Müller in fromm verzückten Visionen erschollt hat, ausge­zeichnet unterrichtet sein werden. Müllers letzte Hoffnung ist, daß die Polizei sichauf alle?" vorbereitet hat. Als Politiker hat erunter diesen Verhältnissen" nur einen Rat an die Konservativen, daß sich alle bürgerlichen Elemente fest zusammen- schließen mögen. Was fürchtet der Müller? Er sagte, daß die Sozialdemokratie nur für das gleiche, geheime und direkte Wahlrecht demonstrieren wolle. Der Borsitzende der Freisinnigen Volkspartei  fürchtet also nichts mehr als eine Aktion zugunsten der Ein- führung des ReichStagSwahlrechtS in Preußen. und statt sich daran zu beteiligen, umarmt er gerührt die Junker von Korn und Ouehl. Die Konservativen antworten auf dies brünstige Liebeswerben der Reaktionäre aus den Großstädten mit einer glatten Absage. Sie verlangen die Unterstützung der Landräte für sich allein. Nur der freikonservative Frh. v. Zedlitz machte den Vermittelungs- Vorschlag, die Städte ganz den freisinnigen Kommunalverwaltungen auszuliefern, wenn diese dafür auf dem Lande dem Landrate un- beschränkte Macht zu grenzenloser Willkür zugeständen. GyhlingS Schweifwedeln vor dem neuen preußischen Minister des Innern v. Moltke, dem Verantwortlichen für die Wahlrechtsverweigerung vom 10. Januar, zeigt die Erbärmlichkeit des Freisinns, die er hinter geheuchelter Hoffnungsseligkeit verbirgt und seine Dereit- Willigkeit, sich von dem schlauen Oktavio Frhn. v. Zedlitz wieder ein- mal betrügen zu lassen. Nach Erledigung des Kapitels Landratsämter   ging man zur Polizeiverwaltung von Berlin   über. Die Abgeordneten Kirsch(Ztr.) und Strosser(1.) klagten über die Ungeschicklichkeit der Berliner   Kriminalpolizei, die zwar Müller- Berlin von dem kommenden Generalstreik rechtzeitig unterrichten kann, aber keinen einzigen Verbrecher entdeckt oder faßt. Da sprang derFreisinnige" Gyßling auf und ersparte dem Minister die Ver- teidigungSrede, indem er einen Hymnus auf die Berliner   Kriminal- kominisiare und Schutzleute sang. Der Abg. Schulze-Pelkum(k.) ftagte unter scharfmacherischen Redensarten nach dem Schicksal des Waffenlagers in der Pankstraße, dessen Entdeckung seinerzeit die Polizei, die Scharfmacher und die Klatschprcsse gleichmäßig als Wundertat von weittragendster Bedeutung gefeiert haben. Kleinlaut mußte der Minister des Innern erwidern, daß man nicht einmal einem einzigen Menschen einen schäbigen Hochverrats- oder Sprengstoffprozeß hat anhängen können. Der freisinnige Vlell, der gestern für die Industrie billige aus- ländifche Arbeiter gefordert hatte, verlangte heute eine Ver- kürzung der Sonntagsruhe der Handlungsgehülfen. Das ist daS ozialpolitische Niveau deS Freisinns! Aber daS Zentrum läßt -ich von ihm nicht übertreffen: der Abg. Kirsch wetterte wieder einmal gegen die Preßfreiheit, deren Mißbrauch durch die SensationS- und Skandalpresse wie durch die Annoncenplantagen des bürgerlichen Kapitalismus er allerdings treffend schilderte, und ein anderer Zentrumsredner verlangte gar eine noch brutalere Unterdrückung der ausländischen Arbeitern in Preußen. Am Montag soll die zweite Lesung des Etats des Innern zu Ende geführt werden._ Wahlrechtskampf in Sachsen-Weimar  . Weimar  , den 28. Februar. In 34 Prote st Versammlungen wird die sozialdemo- kratische Partei zu der Wahlrechtsfrage Stellung nehmen. Unterm b. Mai 1816 wurde bereits in �Sachsen-Weimar   durch Verfassung eine Ständevertretung geschaffen. Es wählten die Rittergutsbefitzer elf, die Bürger und Bauern je zehn Abgeordnete. Am 17. November 1843 wurde unter dem Einfluß der revolutio- nären Strömung diese Ständevertretung beseitigt und das all» gemeine, gleiche und direkte Wahlrecht eingeführt. Damals wurden 41 Abgeordnete als Volisvertreter durch alle über 24 Jahre alte männliche Staatsbürger gewählt. Bereits vier Jahre später, durch Gesetz vom 6. April 1852, wurde jedoch das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht wieder aufgehoben. Den Rittergutsbesitzern, Großgrundbesitzern und Höchstbestcuerten wurde das Recht gewährt, ihre Abgeordneten direkt zu wählen, während für die aus all­gemeinen Wahlen hervorgehenden Abgeordneten das indirekte Wahlverfahren eingeführt wurde. Seit dieser Zeit sind in fast jeder Landtagsperiode an denGetreuen" Gesuche um U münde- rung des Wahlrechts gekommen. Erst waren es die Liberalen, die gegen die Privilegiertenwahl Sturm liefen und das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht verlangten. Später verstärkten sich diese Forderungen durch die Agitation der sozialdemokratischen Partei. Im Jahre 1896 wurde neben einer kleinen Verbesserung deS Wahlrechts eine Verschlechterung in das Gesetz gebracht, indem den Privilegierten das Recht gewährt wurde, sich auch an den all- gemeinen Wahlen zu beteiligen. Jetzt sind die Liberalen sehr zahm geworden. Vom allgemeinen. gleichen und direkten Wahlrecht wollen sie nichts mehr wissen. Gegen die Privilegiertenwahlen haben sie nichts mehr einzuwenden. Ihnen genügt es. daß die indirekten. Wahlen beseitigt werden. Ein solcher Antrag hat vorige Woche den weimarischen Landtag wieder beschäftigt. Dabei sind von konservativer wie von liberaler Seite allerlei Wünsche ausgesprochen, die gewisse Kautelen als wirksamen Damm gegen die Sozialdemokratie verlangen. Das Plural- Wahlsystem, mit Mehr stimmen für Besitz. Alter. Bildung usw. soll die geplante Verbesserung wieder illusorisch machen. Eine Hinaufsetzung des Alters der Wahlberechtigten, ein längerer Auf. enthalt in einer Gemeinde, Erweiterung der Privilegiertenwahlen und derartige schöne Forderungen fanden bis in die Kreise der Liberalen freudigen Anklang. ES zeigt sich auch hier, daß nur noch die Sozialdemokratie die Trägerin wahrer volköfreiheitlicher Bestrebungen ist. Der Maffcnprotest richtet sich deshalb nicht nur gegen das bestehende Wahlgesetz, sondern auch gegen die Bestrebungen. bedeutende Verschlechterungen zu schaffen. In unseren Resolutionen, die dem Landtag zugestellt werden, wird die Einführung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts für olle über 20 Jahre alten Staatsangehörige ge,- fordert._ Adickes  . Ein Frankfurter   Blatt will wissen, daß der Oberbürgermeister A d i ck e S für seine Verdienste um die Rettung der Polenvorlage den Adel erhalten wird. Wir halten daS für unwahrscheinlich. weil es schließlich die echten Junker allzusehr verletzen müßte, daß die Verleihung des Adels sogar auffällig zu einem politischen Handelsartikel und zur Bezahlung für charakterlose politische LiebeS- dienste werden soll. Herr AdickeS   strebt auch wahrscheinlich weniger nach dem«ldel. als nach einem Ministerporteseuille. Er gehört auch wirklich in das Ministerium B ü l o w. Reif für das Kompromiß. In parlamentarischen Kreisen wird nach demBerk. Tagebl." behauptet, daß gewisse Freisinnige bereit seien, sich mit den Konservativen über ein gemeinsames Borgehen bei denLandtagöwahlen zu verständigen. DaS Blatt be- zweifelt diese Nachricht; sie hat aber unseres ErachtenS große innere Wahrscheinlichkeit für sich. Ist sie doch nur die kogische Fortsetzung der Blockpolitik. Die Lackaiendiensie, die der Freisinn i n den Parlamenten de» Konservativen leistet, will er eben auch außerhalb des Parlaments verrichten, um sich die Gnade der Junker nicht zu verscherzen. Ilebrigens ist tatsächlich ein Kompromiß zwischen Freisinnigen, Nationalliberalen und Frei- konservativen für die östlichen Provinzen bereits abgeschlosien. Die Freisinnigen, die jetzt für ein konservatives Kompromiß eintreten, gehe» eben nur auf das Ganze. Die objektivste Behörde. Am 22. Januar d. I. erschien imV o r w a r t§" ein Ar­tikel unter der UebcrschriftEin Ueberfall auf das Metall- arbeiterhaus". In diesem Artikel wurde geschildert, welche Uebergriffe sich die Polizcibeamten unter Führung bei Hauptmanns Schmidt schuldig machten. Wegen dieses Ver- Haltens der Polizeibeamten war Anzeige erstattet worden. Nunmehr ist vom Ersten Staatsanwalt des Land- gerichts eine Antwort eingegangen, daß gegen Genossen Blumenthal. de rdiePolizeibeamtenaufihr rechtswidriges Vorgehen aufmerksam ge- macht und deshalb mißhandelt und zur Wache geschleppt wurde, Anklage wegen Beamtenbeleidigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt erhoben worden ist! Dies Vorgehen paßt ganz in das Schema der bisher üb- lichen staatsanwaltlichen Praktiken. Der Kläger   gegen polizeiliche Erzesse wird zum Angeklagten gemacht, um nicht Zeugnisablegen, sondern durch die a n g e s ch u l- digten Polizeibeamten bela stet werden zu können. Wir glauben allerdings, daß in diesem Falle tro!? der staatsanwaltlichen Vorsichtsmaßregeln die Polizei nicht günstig abschneiden wird!_ Gegen den Arbeitskammergesetzentwurf. DerDeutsche Holzarbeiter", das Blatt des chrift- lichen Holzarbeiterverbandes, tritt in einer Besprechung der Regierungsvorlage über die Arbeitskammern für reineSrbeiter- Vertretungen, also für Srbeiterka mmern ein. Die Arbeitgeber ließen sich ganz vernünfttgerweise daS Recht nicht nehmen, über Fragen des Wettbewerbes selbständig zu bestimmen und die Gesetzgebung zu beeinflussen; dasselbe Recht mußten auch die Arbeiter für sich beanspruchen abgesehen davon, daß die Regierung ein lebhaftes Interesse daran habe, die unverfälschte Arbeitermeinung zu hören. Dann heißt eS: Wir täuschen unL also bei Beurteilung deS Gesetzentwurfes darüber nicht hinweg, daß reine Arbeiterlammern als Gutachten gebende Instanzen in allen nicht beide Parteien gleich- berührenden Fragen besser gewesen wären. Wir fürchten sogar, daß man die neuen Arbeitskammern weniger als ArbeitSkammeni und weit mehr als soziale Schiedsinstanz von Anfang an bc- trachten wird. Damit ist dann eben nur prakttsch bekundet, daß wir außer Arbeits- noch die Arbeiterkammern brauchen und bis wir sie haben, auf die freiwilligen Meinungskundgebungcn und die indirekte Einwirkung auf die Gesetzgebung durch die Ar- beiterberufövereine doppelt angewiesen find.... Die durch den Gesetzentwurf vorgesehene Organisation der Arbeitskammern kann im übrigen die Arbeiter nicht befriedigen." Das christliche Gewerkschaftsblatt, derDeutsche Metall- a r b e i t e r hat dreierlei an dem Entwurf auszusetzen: Der or- ganisatorische Aufbau, den die Regierungsvorlage beabsichtige, sei sehr unglücklich; der Geltungsbereich könne ebensowenig befriedigen. und schließlich sei daS Wahlverfahren praktisch kaum durchführbar und zudem so reaktionär, daß es allein die Vorlage für die organisierte Arbeiterschaft unannehmbar mache. Das Blatt behält'sich vor. noch weiteres zur Kritik des Eni- Wurfs beizubringen und schließt: Dessenungeachtet können wir aber heute schon sagen, daß wir unL für ArbeitSlammern nach dem Muster dieser Vorlage entschieden bedanken müssen. DaS würde nur ein Zerrbild dessen sein, wa« die Arbeiter erhofft haben." In derWe st deutschen Arbeiterzeitung", dem Organ der katholischen Arbeitervereine Westdeutschlands, übt GicSberts eine scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf. Auch er wendet sich gegen den verfehlten Aufbau, den beschräntten PersonenlreiS und daS ver­unglückte Wahlversahren, namentlich auch dagegen, daß die Organi- sattonen der Arbeiter und Unternehmer vollständig von der Mit- wirlung an den ArbeitSlammem ausgeschlossen seien. Der Artilcl schließt: Mit einen, bureaukratischen Institut, das de» schönen NamenArbeitskammer" trägt und fern von dem frisch pulsierenden Leben der Organisationen steht, ist den Arbeitern nicht gedient." Der. A r b e i t e r daS Vervandsblatt der katholischen Arbeiter- vereine Süddeutschlands  , kann sich ebenfalls mit der Regierung:- Vorlage nicht einverstanden erflären. Der Vorschlag, für den Bc- zirk einer gewerblichen BerufSgenossenschast nur eine Arbeitskammer zu bilden, erscheine nicht akzeptabel, daS vorgeschlagene Wahl- verfahren könne keine Zustimmung finden, und endlich müßten auch die Arbeiterorganisationen an den ArbeitSlammem beteiligt werden. Soweit bis jetzt die christlichen Arbeiter- und Gewerkschaft:- blätter sich zu dem ArbeitSkammer-Gesetzentwurf geäußert haben. verhalten sie sich im einzelnen wie im ganzen scharf ablehnend, und ihr Urteil läßt sich darin zusammenfassen, daß sie lieber gar keine als solche Arbeitslammewwünschen. Wie sie die Regierung für gut befindet Stumpfsinn. Eine unglaubliche Lächerlichkeit hat der Rektor der Verlinn Universität, Professor Stumpf, verübt. Er hat einen Bortrog über das Sexualleben des Kindes verboten, dm Dr. Moll, d< c durch seine Studien über die Hypnose und die Sexualpathologie rühmlichst bekannt ist, in der Abteilung für Medizin und Natur- Wissenschaft der freien Studentenschaft halten wollte. Der Rektor hält ein derartiges Thema für die Studenten für nicht g e- eignet. Die Behandlung durch einen praktischen Arzt biete keine genügenden Grundlagen, daß der Vortragende aus feiner rein einseitigen praktischen Erfahrung die richtigen morc- tischen und ethischen Gesichtspunkte gewinne! Dr. Moll hat sich mit Recht gegen die schwere Beleidigung der gesamten Aerzteschasc gewandt. Der Rektor bestreite, daß seine Ausführungen richtig wiedergegeben worden seien, erklärt aber, daß er den Mediziner für medizinische, den Juristen für juristische und nur den Ethikcr und Pädagogen für ethische und pädagogische Dinge als b c r u f s- mäßige Sachverständige anerkenne! Nach dieser famose» Logik ist offenbar Professor Stumpf hervorragend sachverständig für Stumpf-Sinn. Der Rektor hat außerdem noch dem bekannte» Sexualforschcr Dr. Iwan Bloch   verboten, über Sexualforschung zu sprechen. Das gleiche Geschick erfuhr Frl. Adele Schreiber  . Ebenso durfte Frau Privatdozent Dr. Julie Ohr aus Tübingc» nicht überStudent und Alkoholismus" reden. Mit Recht, den» sie ist offenbar nicht berufsmäßig Alkoholikerin! Nach alledem bc- greift man, daß Herr Professor Stumpf seinerzeit im klugen Haue- eine kongeniale Seele zu finden hoffte, die berufsmäßig Mathematik trieb. Dies alles geschehen an der ersten Universität deS Reiches im Jahre 1907/1308._ Sozialistcnbekampfung. Mit welchen gehässigen Mitteln die Behörden die Sozial- demokratie bekämpfen, zeigt folgende Korrespondenz derRordd. Ztg." aus dem Kreise Blankenburg  :