Nr. 52. 25. Jahrgang.

5. Beilage des„ Vorwärts " Berliner Volksblatt.

Verfammlungen.

Die Geschirrsattler

Sonntag, 1. März 1908.

unter folchen Löhnen Staatsarbeit anzufertigen, liege nicht im Nachdem verschiedene Redner noch Mißstände in einzelnen Interesse der Allgemeinheit. Nachdem der Referent sich noch mit Betrieben gegeißelt und Brenzel und Blum auf die Unter­den scharfmacherischen Strömungen in der Innung beschäftigt und nehmerorganisationen hingewiesen hatten, denen gegenüber auch dieselben treffend glossiert hatte, forderte er am Schlusse seiner die Arbeiter sich zur Pflicht machen müßten, ihre Organisationen Ausführungen zu stärkerer Agitation und zu festerem Zusammen zu stärken, nahm die Versammlung einstimmig folgende Reso schluß in der Organisation auf, da nur durch eigene Kraft etwas lution an: zu erringen fei.

befchäftigten sich in einer am Sonnabend im Gewerkschaftshause ab­gehaltenen öffentlichen Versammlung mit den Lohn- und Arbeits- Troß Einladung hatte die Jnnung keinen Vertreter gesandt. berhältnissen ihrer Branche. Der Referent Schulze schilderte Jn der Diskussion beschäftigte sich Döhnert mit den Lohn- und die Betriebsform in dieser Branche, in der eine ungeheure An Arbeitsverhältnissen verschiedner Firmen, z. B. Munzel, Beiz, Wiedemann, zahl von Kleinbetrieben vorherrsche. Dieses Aleinmeistertum fet Breittreus, Ridel, Hülsmann, auch von unheilvollstem Einfluß auf die Lohn- und Arbeitsverhält- reuzmann, Bistet, Brandt Nachf. und Reinhardt. nisse, indem diese seit 1901 feinerlei Fortschritte gemacht haben, ja Die beiden letzteren Firmen ließen in Afford arbeiten und seien fich zum Teil noch verschlechtert hätten. Auch die Agitationsarbeit Berdienste von 16, 18-20 m. nichts Seltenes. Namentlich die fei dadurch erschwert. Nach einer im Vorjahre aufgenommenen Werkstatt der Allgemeinen Omnibus- Gesellschaft wäre ans Licht Statistik hätten weit über die Hälfte der Kollegen einen Lohn von zu ziehen, indem diese Gesellschaft Stundenlöhne von 45-53 Pf. 25 M. und darunter, ja Löhne von 20-23 M. wären gang und gäbe. zahle. Auch diese Gesellschaft habe die famosen Wohlfahrtsein­Löhne von 28 bis höchstens 35 M. fonnten nur bei 30 Kollegen er- richtungen, und es müssen sich die Kollegen dort Abzüge von 1,61 bis mittelt werden. Auch die Arbeitszeit sei modernen Verhältnissen 1,92 m. gefallen lassen. Der älteste dort beschäftigte Kollege sei nicht entsprechend, herrsche doch in den meisten Betrieben noch die bereits 21 Jahre in dem Betriebe und habe einen Stundenlohn 10ftündige Arbeitszeit. Die Werkstattverhältnisse genügen in den von 53 Pf. Meding, Obmann des Gesellenausschusses, schilderte feltensten Fällen den hygienischen Ansprüchen. Die Werfstellen die Verhandlungen mit der Innung. Namentlich bei der Frage des felbst liegen zum großen Teil im Keller, dem Licht und der Luft Neunstundentages habe die Innung sich in ihrer ganzen Rüdständig­nur schwer zugänglich. Redner beschäftigte sich mit den Lohn- und feit gezeigt. Gine Kommission, der auch der Obermeister 3 ehle Arbeitsverhältnissen einzelner Betriebe und hob die Werkstatt des angehörte, hätte der Einführung der 9stündigen Arbeitszeit au Herrn Wagner, Melchiorstraße, im sogenannten Posthof, hervor. gestimmt. In der Innungsversammlung selbst wurde diese Kom­Dieser Meister, der die Geschirre für die Poft anfertigt, zahlt einen| mission derart desabouiert, daß, wenn er, Meding, Obermeister Anfangslohn von 20 M., steigend bis 23,30 M. Auch um Militär- gewesen wäre, er der Innung sein Amt vor die Füße geworfen arbeit bemühe fich die Innung. alüdlicherweise ohne Erfolg, denn hätte. Auch die Lehrlingsfrage sei mehr als bisher zu beachten.

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" Die am 22. Februar im Gewerkschaftshause tagende öffent­liche Versammlung der Geschirrsattler Berlins steht auf dem Standpunkt, daß es notwendig ist, mit aller Energie die Ver­besserung der tieftraurigen Lage der Geschirrsattler zu bea treiben.

Sie bedauert die Einsichtslosigkeit der in Frage kommenden Arbeitgeber, die es nicht über sich bringen können, den jezigen Zeitverhältnissen Rechnung au tragen, die im Gegenteil in jeder Art und Weise darduf bedacht sind, die Lage der Arbeiter noch weiter zu verschlechtern.

Sie verurteilt insbesondere die ablehnende Stellung der Berliner Sattler -, Riemer- und Täschnerinnung bei den Ver­Handlungen betreffs Einführung der 9stündigen Arbeitszeit und sieht darin aufs neue den Beweis, daß dieser Körperschaft jedes foziale Verständnis abgeht. Demgegenüber besteht für die Ar­beiter die einzige Möglichkeit, eine Verbesserung ihrer Lage nur durch den festen Zusamenschluß in der Organisation herbetzu­führen.

Die Versammelten verpflichten sich daher, mit allen Sträften für den Ausbau des Verbandes der Sattler Sorge zu tragen, um bei geeigneter Zeit ihre Forderungen auf Verbesserung der Sohn­und Arbeitsverhältnisse mit allem Nachdruck zur Durchführung zu bringen."

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