Einzelbild herunterladen
 
Nr. 55. 25. Jahrgang. 2. Kilizc ücs Joriuarls" Knlim pllislilalt. Donnerstag. 5. Marz 1908. Ok IrrenbaustragSdk eines Berliner  Becbtsanwalts. Ein Opfer der sehr reformbedürftigen Jrrcngesetzgcbung ist der Berliner   Rechtsanwalt Dr. E. geworden. Im Dezember IS07 ging durch Berliner   Blätter die kurze, inhaltsschwere Notiz, daßder gemeingefährlich geisteskranke Berliner   Rechts anwalt Dr. E. aus der Privatirrenanstalt Lankwitz   entflohen sei". Diese Jrrenhausinternierung hat einen recht dramati- schen Hintergrund, den die Zeitungen nicht ahnen konnten. Dr. E. ist der arme Sohn eines Millionärs in dem posenschen Städtchen Jarotschin  . Von Jugend auf sieht er die käst- lichsten Trauben vor sich hängen, aber sie sind ihm unerreichbar. So oft er sie pflücken will, wird er brutal zurückgestoßen. Zwei gewaltige Gegensätze stoßen haarscharf aufeinander, die Sucht der weiblichen Familienmitglieder nach Reichtum und die ideale Gesinnung des einzigen Sohnes. Es wird ihm zum� steten Vorwurf gemacht, daß hier die Art von der Art gelassen hat. Weil er es nie verstanden hat, aus der regen Betrieb- samkeit seines Geschlechts mit Nachdruck Vorteile zu ziehen und dreist zuzugreifen, ist und bleibt er der Prügellnabe seiner Familie, der Mißratene, Mißachtete. Man glaubt, ihm alles bieten, ihm Almosen vor die Füße werfen zu dürfen, obwohl er die gleichen Rechte hat. Und als ihm im Vater, der noch einigermaßen am Sohne hing, der letzte Halt durch den Tod genommen ist, fällt nahezu die ganze Familie über ihn her, um ihm sein reiches Erbe vorzuenthalten. Es beginnt ein Erbstreit, ein Feilschen und Intrigieren, das jeder Beschreibung spottet. Die Mädchen, die sich inzwischen an zwei Berliner  Rechtsanwälte auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege bcr heiratet haben, erhalten Hunderttausende, der Sohn nichts. Er muß als Millionärssohn sogar darben und Darlehen aufnehmen. Zudem hat er sich namentlich mit dem einen der beiden Schwäger. dessen Verbindung mit der jüngeren Schwester er für eine Miß- Heirat ansah, schon vor der Verlobung überworfen und sich in diesem Manne seinen bittersten Feind geschaffen. Wohl möchte er, um zu seinem Erbteil zu kommen, die Testamentsvollstreckung anfechten, aber die Finger sind ihm gebunden, weil er in solchem Falle nach testamentarischer Bestimmung auf das Pflichtteil gesetzt wird. Gelingt es. E. so zu reizen, daß er zum Mittel der Erb- klage greift, so fließt der größte Teil seines Erbes in andere Taschen. Wiederholt ist er nahe daran, diesen verderblichen Schritt zu tun, um wenigstens etwas zu retten, aber schließlich versucht er neue Mittel, um auf gütlichem Wege eine Versöhnung und gerechte Auseinandersetzung zu erstreben. Wiederholt wird er mit größeren Geldangeboten geködert, aber das Geld selbst bleibt im fremden Kasten. In welche Seelcnstimmung E. schließlich gerät, welche Gefühlsszcnen. aber auch welche privaten Gerichts- szenen mit den verwandten Rechtsanwälten sich aus diesem ewigen Spiel zwischen Katze und Maus ergeben, das kann wohl jeder sich selbst ausmalen. Seinen Gegnern gerade recht kommt ein Rencontre, das E. mit einem Referendar an Gerichtsstelle hatte, und das in Ver- bindung mit fein säuberlich aufgehobenen, ZorncLausbrüche ent- haltenden Briefen E s in dem nun folgenden Jnternierungsantrage seiner Feinde willkommenes Material bot. Eines schönen Tages wird E. von seinem Schreibtisch weg nach dem Polizeirevier ge- holt, wo ihn der Bczirksphysikus sieht und spricht; auf einige Minuten spricht. Darauf setzt sich dieser im Jrrcnwesen All- mächtige hin und schreibt das Todesurteil für E. Fort geht's nach Dalldorf. Dort aber erkennt der diensthabende Arzt sofort, um was es sich handelt. Mit vernichtender Deutlichkeit er- klärt der Anstaltsarzt, daß sich die Anstalt nicht mit Familien- angelcgenheiten befasse und verlangt die Jortschaffung, E.s. Wenige Stunden später wird E. nach der Irrenanstalt Lankwitz  , einer sogen.Quetsche", übergeführt. Diese überaus schnelle und durch die Schnelligkeit ungewöhnliche Abwimmelung ist für den Kenner der Jrrenhausverhältnissc leicht erklärlich. In Dalldorf ist man, durch die Erfahrung gewitzigt, sehr borsichtig geworden. So wird die Veranwortung für alle weiteren Komplikationen, die die scharf- sichtige Dalldorfcr Anstaltsleitung wohl vorausgesehen hat, auf die Lankwitzer Quetsche abgewälzt. In Lankwitz   weiß man zwar auch nicht recht, was man mit E. anfangen soll, haben doch hervorragende Juristen sich sehr sym- pathisch für E. ausgesprochen; wohl halten ihn manche für nervös und wer ist heute nicht nervös. aber für verrückt hält ihn keiner, mit Ausnahme seiner Feinde. E. erträgt die Folterqualen nicht lange; eines TageS nimmt er sich ohne Abmeldung selbst die Freiheit, um nunmehr um so wirksamer gegen die Veranlasscr seiner Jnternierung vorzugchen. Er hat bei der Staatsanwaltschaft gegen den Rechtsanwalt Dr. Brat und Genossen wegen Freiheitsberaubung, Verleumdung und übler Nachrede Strafantrag gestellt. Partei- Angelegenheiten. Zur Lokalliste. Im 5. Kreis steht uns das Lokal«Restaurant zum Bürgerhcim" nunmehr zu allen Veranstaltungen zu den be- kannten Bedingungen zur Verfügung und ist hiermit unsere Sperrnotiz in Nr. b0 vom 23. Februar er. betreffend das Vergnügen des Lotterievereins.Pechvogel" in obigem Lokal aufgehoben. In Hohen-Nrucndorf(N.-B.) steht uns das Lokal des Gastwirts Paul Schmitz   zu den bekannten Bedingungen zur Verfügung. Die Lokalkommission. Charlottenburg  . Am heutigen Donnerstag, abends 3 Uhr, findet eine öffentliche Versammlung statt. Tagesordnung: Vortrag des Genossen Paul(Söhre:«Der Kampf um die wirtschaftliche Freiheit". Die Frauen werden besonders hierauf aufmerksam gemacht. Petershagen   bei Fredersdorf  . Am heutigen Donnerstag, abends 8 Uhr, findet im Lokal von Otto Giese eine Besprechung, die Gemeindewahlen betreffend, statt. Zahlreiches Erscheinen ist not- wendig. Alt-Glienicke. Am Sonnabend, den 7. März, abends 3 Uhr. findet im Lokal von Joch ein«�trazahlabend statt, auf welchen die Mitglieder ganz besonders hingewiesen werden. Grünau  . Am Freitagabend 7 Uhr findet von der«Grünen Ecke" auS eine Handzettelverteilung statt. Um recht zahlreiche Be- teiligimg ersucht Das Wahlkomitee. Reinickendorf  -West. Heute abend findet in Frankes Familien- heim eine Volksversammlung statt. Stadtverordneter Genosse Paul Hirsch-Charlottenburg spricht über das Thema:«Die bevorstehenden Gemeindevertreterwahlen". Wahler, erscheint in Massen l Lerlmer JSacbricbtcn. Mehr Schulärzte für die Gemeindeschulen! Wäre es nach dem Wunsche der sozialdemokratischen Stadt- verordneten gegangen, so hätte die Stadt Berlin   jetzt für ihre 287 Gemeindeschulen 144 Schulärzte. Für jeden Arzt nicht mehr als zwei Schulen, das war das Ideal, das von unseren Genossen im Rathause als grundsätzliche Forderung hingestellt wurde. In Wirklichkeit hat aber Berlin   jetzt genau 100 Schulärzte zu wenig; denn die Gesamtzahl der amtierenden Schulärzte beläuft sich erst auf 44. Mehr hat der Freisinn sich bisher nicht abringen lassen. Es sind jetzt nahezu zehn Jahre her, daß die Schuldcputation im Oktober 1898 sich im Prinzip für Anstellung von Schul- ärzten aussprach. Sie holte hiermit nach, was die Gemeinde- Verwaltung bis in die zweite Hälfte der neunziger Jahre hinein, ungeachtet aller immer wiederholten Anregungen der sozialdemo- kratischen Stadtvcrordnctcnfraktion, versäumt hatte. Der Magi strat schlug dann einen schüchternen Versuch vor, und nach Jahres- frist im Dezember 1899 beschloß die Stadtverordneten­versammlung, daß probeweise 2924 Schulärzte auf zwei Jahre beschäftigt werden sollen. Der Magistrat legte diesen Beschluß auf seine Art aus und setzte durch, daß die Zahl der Aerzte nachträglich auf 19 herabgedrückt wurde. Im Sommer 1999 kriegte die Stadt ihre 19 Schulärzte, für jeden der damals 19 Schul kreise je einen Arzt. Jeder Arzt sollte nur zwei Schulen ver- sorgen. Im Sommer 1992 erhöhte sich die Zahl der Schulärzte auf 12, weil inzwischen das Stadtgebiet in 12 Schulkreise ein- geteilt worden war. Der Herbst 1993 brachte dann die endliche Regelung der Schularztfrage, den Beschluß der Einführung einer schulärztlichen Ueberwachung für alle Schulen. Die Zahl der Schulärzte wurde aber nicht, wie die Sozialdemokraten es forderten, auf je einen für immer zwei Schulen festgesetzt, sondern für ganz Berlin   auf nur 36. Die sozialdemokratische Stadt- verordnetenfraktion erklärte einstweilen sich einverstanden mit dieser Regelung und verschob ihre weitergehenden Wünsche auf eine spätere Zeit. Im Sommer 1996 wurden die Schulärzte aus 44 vermehrt, aber das war natürlich nur eine winzige Abschlag- zahlung. Eine zweite ist bisher nicht erfolgt, und auch für das Etatjahr 1998 sind im Etatentwurf wieder nur 44 Schulärzte vorgesehen. Nun ist es richtig, daß seit 1996 die Zahl der Gemeindcschul linder nicht mehr sehr erheblich gestiegen ist, und auch für die nächste Zeit ist wohl noch nicht wieder auf sehr großen Zuwachs zu rechnen. Die Zahl stellte sich im Winterhalbjahr 1995/96 auf 225 216 und stieg bis zum laufenden Winterhalbjahr 1997/98 auf 223 468. Doch das Maß der Arbeit, die einem Schularzt aus seinem Amt erwächst, und die Größe des Nutzens, den die Schul- linder von der ärztlichen Beobachtung und Ueberwachung haben können, werden nicht lediglich durch die Zahl der Kinder, sondern auch durch die Zahl der Klassen und der Schulen beeinflußt. Die Zahl der Klassen und der Schulen steigt aber gegenwärtig rascher als die der Kinder. Vom Winterhalbjahr 1995/96 bis zum laufenden Winterhalbjahr 1997/93 erhöhte sich die Zahl der Klassen von 4879 auf 5967. die der Schulen von 289 auf 287. Das Schuljahr 1998/99 soll eine weitere Vermehrung der Klaffen auf 5297 und der Schulen auf 294 bringen. Und dennoch soll immer noch nicht ein einziger Schularzt mehr angestellt werden! Vor zwei Jahren wurde bestimmt, daß künftig jedem Arzt sechs Schulen, höchstens sieben zugewiesen werden sollten. Wenn in 1998/99 für 294 Schulen 44 Schulärzte aus- reichen sollen, so kommen schon im Durchschnitt auf jeden Arzt fast sieben Schulen. Da ist zu erwarten, daß bei der Schwierig- keit, die Schulen ganz gleichmäßig auf die Aerzte zu verteilen manchem Arzt acht Schulen und vielleicht sogar neun aufgepackt werden müssen. Die Forderung, die Schulärzte wieder mal zu vermehren, muß als berechtigt anerkannt werden selbst von dem Standpunkt aus, daß jedem Schularzt die doch wahrlich nicht geringe Zahl von sieben Schulen zugewiesen werden darf. Die Schulärzte müssen vermehrt werden, wenn eine Ueberschreitung dieser Höchstzahl vermieden werden soll. Ueberschritten ist übrigens unseres Wissens die Zahl sieben schon jetzt. Schon jetzt haben in drei starkbevölkerten Arbeitervierteln in der Viehhofgcgcnd, in der Schönhauser Vorstadt, auf dem Wcdding drei Schulärzte jeder seine acht Schulen zu versorgen. Dem einen dieser Herren, dem Arzt des 39. Schularztbczirkcs(Teil vom Wcdding), sind, wenn wir recht unterrichtet sind, rund 7799 Schulkinder zugewiesen worden. Wie viele davon mag er ständig zu überwachen haben? Und mit welcher Sorgfalt kmm er die Ueberwachung durchführen? Berliner   Asylverein für Obdachlose. Im Monat Februar nächtigten im Männerasyl 29 179 Personen, wovon 8797 badeten, im Frauenasyl 4203 Personen, wovon 1856 badeten. Die Krankheiten der schlechten Witterung. Unter den tödlichen Krankheiten herrschen jetzt die der Atmungsorgane fast überall vorwiegend vor. So. starben in Berlin   in der Woche vom 16. bis 22. Februar insgesamt 639 Personen, darunter allein 127 an den Krankheiten der Atmungsorgane, außerdem noch 97 an Tuberkulose, 9 an Diphtherie und Krupp und 6 an Keuchhusten. Magen- und Darm- katarrh usw. starben 27, Masem und Röteln 11, Kindbett- fieber 8. Scharlach 4, sonst 336, gewaltsamen Todes 14. In Hamburg   starben von 271 Toten 63 an den Krankheiten der Atmungsorgane. 26 an Tuberkulose. 5 an Keuchhusten, je 3 an Masern und Röteln sowie Diphtherie und Krupp, an Magen- und Darnikatarrh 17, sonst 142, gewaltsamen Todes 12. Dresden   verlor von 186 Toten 43 durch die Krankheiten der Atmungsorgane. 26 durch Tuberkulose, 5 durch Diphtherie und Krupp, 1 durch Keuchhusten, 7 durch Magen- und Darm- katarrh. 6 durch gewaltsamen Tod. In Leipzig   starben von 279 an den Krankheiten der Atmungsorgane 38. Tuberkulose 23. Keuchhusten 3, Diphtherie und Krupp 2, ferner Magen- und Darmkatarrh 10, Kindbcttfieber 2. Masern und Siötcln 1, gewaltsamen Todes 10. In Breslau   starben 239, an den Krankheiten der Atmungsorgane 37, Tuberkulose 38, Diphtherie und Krupp sowie Keuchhusten je 2. Masern und Röteln 4. Kindbettfieber 1. Magen- und Darmkatarrh 13  , gewaltsamen Todes 7. In Köln   starben 327, an den Krank  - heilen der Atmungsorgane 46. Tuberkulose 24. Diphtherie und Krupp 3, Keuchhusten 1. Masern und Röteln 8. Scharlach 5. Kindbettfieber 1. Magenkatarrh usw. 11. gewalt­samen Todes 1. Einem schiffbaren See gleicht gegenwärtig der Spreewald, wo- selbst das Wasser zurzeit einen derartigen Hochstand erreicht hat. wie er schon seit Jahren nicht beobachtet worden ist. Das ganze Spree- waldgebiet bildet eine einzige Wasserfläche, aus welcher die Städte und Dörfer inselartia hervorragen. Der gesamte Verlehr im Spree  - wald ist infolge dessen nur noch mittels Kähnen möglich, und die flachgehenden Fahrzeuge sind bei ihren Fahrten nicht an die Kanäle gebunden, sondern werden quer über Felder und Wiesen geleitet, auf denen das Wasser bis zu 59 Zentimeter hoch steht. Intoleranz. In denMonatlichen Berichten" der Jesus  -Gemeinde meldet der Pastor Braun über folgenden Vorfall aus dem Februar d. I.: «Frau L. hat viele Jahre lang in Herz und Haus, an Leib und Seele schwere Lasten getragen; sie besaß unsere ganze Teil- nähme, und wir ermüdeten nicht, sie materiell und seelsoraerlich, zumal auf ihrem letzten schweren Krankenlager, zu unterstützen. Wir hoffen auch, daß des Herrn Gnade der müden Dulderin ausgeholfen hat zu seinem ewigen Reiche. Aber den letzten Liebesdienst: ihr eine christliche Beerdigung zuteil werden zu lassen, hat uns der unduldsame Geist des UmsturzfanatismuS verwehrt. Der sozialdemokratische Mann der Entschlafenen schrieb uns in einem sonst sehr freundlichen Dankbriefe, daß er von seinem Verbände, der ihn bei der Beerdigung der Fmu unterstütze, verpflichtet worden sei, auf die Begleitung eines Predigers zu verzichten. Wir kennen diese terroristische Praxis der Genossen, die das heuchlerische Wort von der Religion als Privatsache immer im Munde führen, seit langem; nun ist sie uns auch durch eine schriftliche Urkunde bestätigt. Arme, dunkle Herzen!" Die Form der vorliegenden Mitteilung läßt leider eine Nach- Prüfung des Falles nicht zu. Vorerst bezweifeln wir, daß dir Angabe des angeblich sozialdemokratischen Mannes den Tatsachen entspricht. Soweit Verbände besondere Kassen haben, aus denen aus Anlaß des Ablebens der Frau eines Mitgliedes eine Unter- stützung gezahlt wird, so sind das Unterstützungen, auf die sich das Mitglied ein Anrecht erworben hat, und werden bedingungslos gegeben. Niemand fragt in solchen Fällen, in welcher Weise die Frau des Kollegen beerdigt wird, noch werden Verpflichtungen auf- erlegt. Und wenn etwa gar die Berufskollegen beim Nichtvor» handensein solcher Kassen in besonderen Notfällen für einen vom Unglück betroffenen Kollegen eine Unterstützung geben, so geben Arbeiter solche milde Gaben, um Not zu mildern, nicht aber be- stimmen sie, wie ein Arbeiter seine Frau unter die Erde bringen soll. Es ist deshalb schon anzunehmen, daß der L. dem Pastor etwas vorgeflunkert hat. Die Intoleranz öder dieterroristische Praxis der Genossen" existiert nur im Kopfe des Pastors, der da zu meinen scheint, die Arbeiter seien so intolerant wie die Kixche, deren Diener es oft verweigert haben, daß Arbeiter einem toten Kollegen auf dem Friedhofe ein letztes Abschiedslied singen durften, oder die es als ein Staatsverbrechen ansahen, daß Arbeiter ihrem toten Freunde einen letzten Gruß in die Gruft nachriefen. Die Heuchelei, von der der Pastor Braun spricht, ist ganz auf Seite der Diener der Kirche, die die Religion zur Staatssache gemacht und sie in den Dienst der herrschenden Klasse gestellt haben. Eigene beamtete Tierärzte will das Polizeipräsidium anstellen zur Kontrolle der offenen Fleischverkaufsstellen in Berlin  . Zwar wurde schon bisher das von auswärts eingeführte Fleisch von Kon- trolleuren, die d,e Stadt stellte, in den Markthallen daraufhin ge- prüft, ob es den Unterfuchungsstempel trägt; aber zu einer Be- anstanduug ungenießbaren Fleisches hatten diese Kontrolleure kein Recht, zu diesem Zweck mußte erst der Schutzmann geholt werden. Die Ladengeschäfte standen unter gar keiner Kontrolle. Durch die Anstellung beamteter Tierärzte durch das Polizeipräsidium werden die Konsumenten wenigstens vor den schlimmsten Gefahren geschützt. Durch Einatmen von GaS sind am Dienstag fünf Mädchen er« krankt. In dem Metallstanzraum der Firma F. F. A. Schulze, Fehrbelliuer Straße 47/48. erkrankten Dienstag vornüttag zwischen 9 und lO'/s Uhr nacheinander die dort beschäftigten Arbeiterinnen Gertrud Dickmann, Martha Düsing, Klara Dombowski. Berta Gennrich und Anna Tauschke unter vcrgiftungsartigen Erscheinungen. Der von der Firma hinzugezogene Arzt Dr. Lemcke stellte Gas- Vergiftung fest und ließ die beiden ersten Mädchen im Alter von 19 Jahren nach dem Lazarus-Krankenhause schaffen, während die anderen sich nach Hause begeben konnten. Lebensgefahr besteht für keine der betreffenden Personen. Die Ursache der Unfälle dürfte darin zu suchen sein, daß in dem mangelhaft ventilierten Räume einem schadhasten Gasarbeitsofen GaS in großer Menge entströnit ist. Mmosencmpfänger als Steuerzahler. Der jugendliche Arbeiter H. war noch vor zwei Jahren in der Erziehungsanstalt Lichtenberg  . Von da kam er nach der Irrenanstalt Herzberge und wurde hier vor Jahresfrist entlassen. Er ist durch einen in der frühesten Kindheit erlittenen Schlaganfall auf der rechten Körperhälfte gelähmt, also nur in geringem Grade arbeitsfähig, und zudem geistig sehr be- schränkt. Die Berliner   Armenverwaltung hat diese zu mehr als der Hälfte verloren gegangene Arbeitskraft mit der Riesensumme von monatlich 19 M. taxiert und zahlt eine dementsprechende laufende Armenunterstützung. Davon allein kann H. selbstverständlich nicht existieren. Er verdient also noch eine Kleinigkeit hinzu und ist wegen dieser ErwerbSbetättgung soeben mit einer Steuereinlchätzung beglückt worden. ES wäre interessant, zu erfahren, ob hier ein Irrtum vorliegt, oder ob noch mehr Almosenempfänger daS, was sie von der Stadt erhalten, an den Staat abladen sollen. Letzteres wäre ja bei der Art und Weise, wie gegenwärtig die Steuerschraube gerade in den unteren Erwerbsständen angezogen wird, nicht UN- möglich. Das Passage-Theater, dessen japanischen Gastspiels wir erst kürzlich Erwähnung taten, hat in fein Märzprogramm eine ganze Anzahl zugkräftiger Piccen aufgenommen. Die Gymnastik über- wiegt diesmal etwas stark, und die Komik kommt etwas kurz weg. Sie ist aber� dafür auch um so vorzüglicher vertreten: Paul Corradini nimmt voll groteslen Humors seine neuesten Schlager. Sie zünden immer. Aber der reiche Beifall gilt weniger dem Text der Couplets, als der urkomischen Mimik, mit der sie vorgetragen werden. Großartiges bot ferner Bruno Pitrot auf seinem Mobil-Reck, dessen Stange freirollend auf zwei Schienen aufgelegt ist. Trotz dieser Beweglichkeit der Reckstange, die die Gesetze des Gleichgewichts für den an ihr Turnenden gleichsam aufzuheben sckieint, brachte der Artist die schwierigsten Tricks mit spielender Leichtig» keit heraus. Seine Produktionen erregten allgemeine und berechtigte Bewunderung. Flott und graziös arbeitete auch die T o m a- Truppe; es machte Freude, den Sprüngen und Kraftproben dieser geschmeidigen Akrobaten zuzuschauen. Die dressierten Hunde der Miß M o r n e t erregten gleichfalls allgemeinen Beifall. The 3 Jom teils boten als Kunstschützen Vorzügliche?' hervorgehoben zu werden verdient der gleichzeitige Schuß mit zwei Waffen nach zwei verschiedenen Zielen. Schließlich sei noch der muskulösen Fröres GallettiS gedacht, die an den schwebenden Ringen alS gymnastische Gladiatoren sich in auserlesen schwierigen Tricks produzierten. Unbekannte männliche Leiche in Plötzensee. Am 26. Februar er. ist im Spandauer   Schiffahrlskanal bei der Möckeritzbiücke die Leiche eines unbekannten ca. 59 Jahre alten ManneS, welcher anscheinend den besseren Ständen angehört, aufgefunden und nach Plötzensce geschafft worden. Der Verstorbene ist 1,89 Meter groß und von kräftiger Statur, hat dunkelblonde Haare, vorn Glatze, und einen dünnen blonden Schnurrbart. Bekleidet war er niit einem schwarzen Gehrockanzug, dunklem Ueberziehcr. grauen Unterhosen, ebensolchen Strümpfen, Gummizugstiefeln, weißem Trikot- und weißleinenem Hemd.