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Jtos Draufgängertum des Wilhelm II.   befreundeten Ballin den streikenden Offi zieren der Handelsmarine gegenüber. Und als im Ruhrkohlengebiete unter den Steigern (Grubenbcamtcn) sich freiere Koalitionsbestrebungen bemerkbar machten, hat das Bergkapital den Rädelsführern gegenüber mit denselben Mitteln zugegriffen, wie bei den Ar- b e i t e r n. Das Wohlwollen, welches man in Parlamentsreden und bei festlichen Gelegenheiten für die Arbeiter übrig hat, dauert nur solange, als die Angestellten sich alsgutgesinnte" Staats- bürgcr fühlen und auf das Persönlichkeitsrecht freier, unabhängiger, politischer Betätigung verzichten! Deshalb ist auch die jetzige Wahlrechtsbewegung für den An gestellten genau so wichtig wie für den Arbeiter. In seinem eigenen Interesse hat er die Pflicht, Schulter an Schulter mit dem Arbeiter für die Aufhebung des Dreiklafsenwahlunrechts zu kämpfen! Sie SchuIckebsNe in der italienische» Kammer. In Ergänzung unserer telegraphischen Berichte wird UNS aus Rom   geschrieben: Nach achttägiger Debatte hat die italienische Kammer ihr Votum über den Religionsunterricht in der Volksschule abgegeben. Obwohl daS Resultat deS Votums nicht zweifelhaft sein konnte Giolittis: sie volo, sie jubeo besiegelte sein Schicksal im voraus kann die sozialistische Partei zufrieden sein, durch den Antrag B i s s o l a t i die interessante Diskussion veranlaßt zu haben, der die Regierung so gern aus dem Wege gegangen wäre. Dieser Antrag lautete:Die Kammer fordert die Regierung auf. der Elementarschule den konfessionslosen Charakter zu sichern, indem sie die Erteilung irgend welchen Religionsunterrichts in ihr untersagt." Die Frage deS Religionsunterrichts hat in Italien   folgende Phasen durchlaufen. Das Gesetz Casati vom Jahre 1859 führt den Religionsunterricht unter den obligatorischen Fächern auf. Ihm folgte das Gesetz Cappino, 1377, das den Religionsunterricht gar nicht erwähnt, wohl aber dieUnterweisung in Menschen- und Bürgerpflichten". Obwohl eS kaum einem Zweifel unterliegt, daß der Gesetzgeber in diesem Gesetz den Religionsunterricht ganz ans- heben wollte, haben die Aussührungsbestimmungen nicht den Mut zu dieser radikalen Lösung gehabt. Alle Reglements über die Frage haben den Religionsunterricht als fakultativ für die Schüler, aber als obligatorisch für die Gemeinde angesehen. Wo ihn die Eltern verlangten, mußte die Gemeinde ihn bieten. Das Gesetz führte unausgesetzt zu Streitigkeiten. Aber statt die Frage einfach durch ein neues Gesetz im Sinne der Parlamentsmehrheit zu regeln, verfiel daS Kabinett auf den Ausweg, ein neues Reglement zu erlassen Dieses Reglement Rava ist Anfang Februar veröffentlicht worden. ES hält im allgemeinen den Grundsatz aufrecht, daß die Gemeinden auf Wunsch der Eltern den Religionsunterricht bieten müssen. Wo aber die Mehrheit der Gemeinden sich gegen den Religionsunterricht ausspricht, fällt die Verpflichtung der Gemeinde weg und sie ist nur genötigt, die Lokale zu stellen. Der Religionsunterricht kann in diesem Falle auf Kosten der Eltern erfolgen, aber der Lehrer mutz geprüfter Volksschullehrer sein. Schlietzlich setzt das Reglement Rava fest, daß eS jedem Lehrer freisteht, aus Rücksicht auf seine Ueber zeugung den Religionsunterricht abzulehnen, worauf der Provinzialschulrat Ersatz zu stellen hat. Mit Recht sagte Giolitti von diesem Reglement, datz eS die Freiheit der Eltern, die Freiheit der Gemeinden und die Freiheit der Lehrer gewährleiste wenigstens auf dem Papier, denn in der Welt der Tatsachen sind allerhand Vergewaltigungen und Be- einflussungen möglich. Gerade mit Rücksicht auf diese Ver- gelvaltigmigen und die notorische Geschicklichkeit der Kirche sowie aus prinzipiellen Gründen weil sie jeden konfessionellen Unter- richt ausschließlich der Kirche überlasse» wollen nahmen die Sozialisten gegen das Reglement Stellung. Natürlich war es auch uicht nach dem Herzen der Klerikalen, die gar zu gern den Staat dahin brächten, ihnen die Kinderseele wieder im kritiklosen Alter auszuliefern. So blieben dem Reglement nur seine offiziellen Ver« Leidiger in der großen Schar der Ministeriellen, die unbesehen alles annehmen, was vom Ministerium komint. Die Soziali st en haben in der Diskussion den Standpunkt vertreten, daß eS unpädagogisch sei, dem jungen Gehirn der Kinder durch Dogmen, die der Erfahrung und Logik widerstreiten, einen blinden Autoritätskultus oder inneren Zwie- spalt einzuimpfen. ES sei überaus gefährlich, die Moral auf das Dogma zu pflanzen, da dies innere Haltlosigkeit zur Folge haben müsse, sobald vor der erwachten Kritikfähigkeit das Dogma zerfällt. Turati hat besonders eindringlich dargetan, wie wenig der Katechismus mit dem metaphysischen Bedürfnis, mit der Suche nach ewigen Ursachen und Zwecken zu tun hat: er stellt nur die glatte, mittelalterliche Wortgläubigkeit dar. Die Diskussion konnte natürlich nur eine politische Lösung finden. Die Frage des Religionsunterrichts in den Elementar- schulen bewegt in Italien   die Geister nur als eine Machtsrage der Klerikalen. Aber nicht in dieser, ihrer letzten und klarsten Form stand sie zur Diskusston, sondern nur als Vertrauensfrage des Ministeriums Giolitti. Die bereits gemeldete Abstimmung ergab die Ablehnung des Antrages Bisiolati und die Annahme eines Vertrauensvotums für die Regierung mit 279 Stimmen gegen die 129 Stimmen der ver- emigten Opposition. Das Votum zeigt uns also Giolitti als Herrn der Situation, der jedem Aufgebot der Opposition eine große Uebcmracht entgegenstellen kann. Solange das so ist, werden lvir im Parlament vielleicht interessante Diskussionen haben, aber nie eine klare und gradlinige Politik treiben sehen. Giolitti liebt die Zickzackwege, auf denen er heute dieser, morgen jener Gruppe die Illusion gibt, sich ihr zu nahem und ihre Zwecke zu sördem. poUtifcbc Oebcrlicbt Berlin, den 5. März 1908. Zwischen Unternehmerkartellen und Arbeiter- organisationen. Die Redner, die in der heutigen Reichstagssitzung zum Reichsamt des Innern das Wort nahmen, wandten sich in der Hauptsache gegen das industrielle Großkapital, das in den Kartellen seine Hochburgen zur Ausbeutung der Konsumenten sich geschaffen hat. Einzelne konnten es natürlich aber auch jetzt nicht unterlassen, durch Wiederkauen der abgestandenen Reichslügenverbandsgeschichten ihre Arbeiterfeindschaft und Geistesdürftigkeit zu beweisen. Gleich der erste Redner, Herr B r u h n, seines Zeichens antisemitischer Druckereibesitzer," schlug die alte Terrorismus- leier. Einen zeitgemäßen Ton glaubte er seinem Klagelied dadurch zu geben, daß er stöhnte, der Kampf im Berliner  Baugewerbe habe einen krassen Mißbrauch des Koalitions- rechts durch die Arbeiter gezeigt. Hätten die Bauarbeiter den Achtstundentag errungen, so wären ihnen sicher andere Bernfe gefolgt, zum Schaden für ganz Deutschland  , das die Reaktionäre vom Schlage Brnhii bekanntlich für eine bürger- liche Ausbeutungsdomäne ansehen. Der Pole K u l e r s k i trat für staatliche Arbeitslosen� Unterstützung und weitgehende Sozialformen ein und meinte, das Geld dazu könne das Reich leicht flüssig machen, wenn es die Kosten für die militärischen Rüstungen einschränke. Als der Redner sich dann über die wirtschaftliche Bedrängung der Polen   verbreitete, unterbricht der Vizepräsident Paaschs, weil das nicht zur Sache gehöre. Der Zentriimsabgeordnete Meyer(Kaufbeuren  ) erörterte eingehend die Gefahren, die die Kartelle für die Volkswirt schaft durch künstliche Preissteigerungen ausübten und forderte, daß das Reich demgegenüber die Rechte der Allgemeinheit wahren müsse. Der Konservative Graf K a n i tz stimmte in diese Forderung ein, indem er besonders die Machenschaften des Kohlensyndikats einer scharfen Kritik unterzog. Die von ihm wiederholt vorgebrachten Beschwerden erklären sich aus der Tatsache, daß das Kohlensyndikat auch den landwirtschaftlichen Betrieben die unentbehrliche Kohle verteuert. Er hat aber noch den besonderen Groll gegen die Kohlenmagnaten, weil sie auch die Landarbeiter in Massen aus dem agrarischen Osten in die westlichen Grubenbezirke ziehen. Daß diesem ostelbischen Latifnndienbesitzer noch ganz atavistisch die Auf fassung von der Leibeigenschaft der ländlichen Hintersassen im Blut steckt, bewies er durch die Redewendung:die Land- arbeiter, dir wir mit großer Mühe groß- ziehen, wandern uns nach dem Westen ab. Dann rieb sich ein nationalliberaler Gutsbesitzer Fuhr- mann au der Arbciterbeweguug. In seinem Bemühen, der Sozialdemokratie eüvas am Zeuge zu flicken und die nationale" Arbeiterbewegung zu loben, entgleiste er in die Bemerkung, er hoffe, daß die christlich-soziale Arbeiterbewegung bald aus ihren Lümmeljahren herauskomme, was ihm die Christlichsozialen höchst übelnahmen. Den Bruhn wie den Fuhrmann übertrumpfte dann aber der Liebert- Adjutant v. Di r k s e n, der die Wahlrechtsdemonstranten durch die Behauptung beschimpfte, es seien zum großen Teil unreife Bengels". Er habe das selbst vor dem Abgeordneten- Hause gesehen. Sein sozialpolitisches Verständnis bewies er durch die Entdeckung, die Bauarbeiter seien im Winter viel- fach arbeitslos, well sie im Sommer gestreikt hätten. Da der Vater des edlen Herrn v. Dirksen ein geadelter Bauunter- nehmer war, steckt diesem frischgebackenen Edelsten der Nation offenbar der Haß gegen die Bauarbeiter im Blut. Aber undankbar ist das doch eigentlich, daß der Sohn so gegen die Leute wettert, die dem Bater das Geld für den zusammen­gekauften Großgrundbesitz verdienen mußten. Zum Schluß rief er noch dem Minister als Leitspruch für seine sozialpolitische Tätigkeit zu: Eile mit Weile! Als ob eine solche Mahnung überhaupt noch notig wäre! Parlamentarische Schwätzerei. Das Dreiklassenhaus setzte in der ihm eigenen Weise am Donnerstag die Beratung des Eisenbahnetatö fort. Zu derselben Zeit, als der bekannte Beschimpfer der Arbeiterklasse, der Millionär v. Dirksen. im Reichslage einen HhmnuS auf die Sozialpolitik" des preußischen Eisenbahnfiskus anstimmte, forderte iin Abgeordnetenhause der Konservative v. Quast mit dürren Worten intensivere Ausbeutung der Arbeitskraft und sorgsame Pflege der Akkordarbeit im Reiche Breitenbachs. Derselbe Herr jammerte herz- enoeichend über die Verteuerung der I. Klasse. Als parlamentarischer Fechter für die Kohleusyndikatsherren trat wieder einmal der Nationalliberale Hilbck in Aktion. Ein paar ZentrumSmänner forderten, daß der Sioerengeist in denBahnhofSbuchhandlungen seine un- imischränkte Herrschaft behaupten möge und der Minister Breiten- b,a ch sagte aus dem Gefühle inniger Geistesverwandtschaft heraus bereitwilligst die Erfüllung der Forderung zu, wobei er nicht unter- ließ, den Krieg des Eisenbahnfiskliö gegenstaatsfeindliche" Reiselektüre mit erhebender Schneidigkeit zu preisen. Im übrigen unterhielt sich das edle Haus mit einem ungeheuren Aufgebot an tiefgründiger Weisheit über die Art und Weise, wie die Glühbirnen anzubringen seien, und über die Frage, ob daS Rauchverbot in den Speisewagen ini vollen oder im halben Umfange aufrecht zu erhalten sei. Am Freitag Fortsetzung der Schwätzerei. Kractkes glorreiches Ende. Bei dem Staatssekretär des Reichspostamts. Herrn Kraetke, treten die Symptome der Amtsmüdigkeit auf. Wie dieLib. Korr." zu melden weiß, wird für ihn ein Nachfolger gesucht und zwar aus parlamentarischen Kreisen. Vielleicht findet endlich der ewige Amtsanwärter und jetzige Vizepräsident des Reichstages, Herr Paaschs, Berückfichtignng. Er dürfte zwar vom Posttvesen nicht viel mehr verstehen, als die Kuh von det Geometrie; aber so gut wie Herr v. Podbielski dürfte schließlich auch er sich in sein Amt hineinexperimentiercn, sintemalen Gott dem, dem er ein Amt gibt, in seiner väterlichen Fürsorge dazu stets auch den nötigen Verstand verleiht. Das oldenburgische Landtagswahlrecht. Der oldenburgische Landtag, über dessen Wahlrechtsreform wir kürzlich im Leitartikel berichteten, hat am Mittwoch dem Verlangen der Regierung auf Einführung der fünfjährigen.Legis- laturperiode nachgegeben. Die Erklärung der Regierung. daß davon daS Schicksal der ganzen Wahlrechtsreform abhänge, hat die Freisinnigen tatsächlich zum Umfallen gebracht. Mit der Vorlage muß sich nochmals der im Herbst dieses Jahres neuzuwählende Landtag beschäftigen; ob eS ihm aber gelingen wird, der Vorlage eine wirklich fortschrittlichere Form zu geben, muß bezweifelt werden. Die Freisinnigen sind schon zu sehr im Block aufgegangen, als daß sie sich der Zeit von 1887 noch erinnern, als sie mannhaft gegen derartige Volksentrechttingen Seite an Seite mit der Sozialdemo- kratie kämpften!_ Die sächsische Wahlrechtsdeputatiou verhandelt weiter im dunkeln. Von einem Resultat der nunmehr Wochen dauernden Verhandlungen hat man noch nichts gehört. Es ist sicher auch noch nichts zustande gekommen. Voraussichtlich werden noch mehrere Wochen vergehen, ehe Aussicht vor- Händen ist, die erste Lesung zu beenden, denn die eigentlichen Streitpunkte sind ja noch zu erledigen. DaS gilt vor allem von der Wahl-kreiSeinteilung. Die Konservativen wollen vor allem an der bisherigen Unterscheidung zwischen Stadt und Land fest» halten, die Nationalliberalen fordern dagegen eine neue Wahlkreiseinteilung unter größerer Berücksichtigung der Städte. Da die Negierung, wie sich aus einer Rede Hohenlhals ans dem Mittelstandstage ergab, auf die Kommunalvertteter in ihrem System nicht verzichten will, wird die Deputation auch noch darüber diskutieren müssen, wie man die Negierung befriedigen kann. Wahr  » 1 scheinlich wird man versuchen, ihr eine kleine Zahl Kommunalbertreter zuzuweisen, etwa ein Viertel der Abgeordneten. Geht man aber mit dieser Absicht um, so ist ein ganz anderes Wahlverfahren nötig, als die Regierung vorsah, dann können nicht mehr die Bezirksverbände die Wahlkörper bleiben; man würde an neue Wahlkreise für die Kommunalvertreter denken und auch zur Wahl ein neues Verfahren schaffen müssen. Dazu kommt, daß man anscheinend noch immer nicht weiß, ob man neben den Kommunal» Vertretern ein ZensuS- oder ein Pluralwahlrecht einführen will. Aus einer Auslassung eines konservativen Blattes ging hervor, daß die reattionärste Gruppe um Mehnert und Opitz von einem Pluralwahlrecht nichts wissen will. Da bliebe wohl nur daS ZensuS- ivahlrecht. Schließlich ist die Regierung auch dazu bereit, wenn sie eine größere Anzahl Kommunalvertreter erhält, die. wie Hohenthal sich früher einmal ausgedrückt hat, dazu dienen sollen, der Regierung auf alle Fälle mit Hülfe der Konservativen eine Mehrheit zu sichern. Was schließlich aus dein Hexenkessel dieser Wahlrechtsdeputation noch herauskommen kann, weiß wohl die Regierung so wenig, wie irgend ein Mitglied der Dunkelkammer selbst. Nur darüber ist man sich einig: die Arbeiter- schaft darf nur eine winzige Vertretung erhalten, über alles andere zanken sich Konservative und Nationalliberale weidlich und ziemlich aussichtslos._ Blockbrüderliches. DieAbwehr-Korrespondenz" erzählt auS der Wahl» bewegung in Emden  -Norden-Leer  : Wenn die Antisemiten in liberalen Versammlungen erscheinen, so ist es ihnen nie um sachliche Auseinandersetzungen zu tun. Ihre Absicht ist lediglich, z u st ö r e n. Zu diesem Zweck erscheinen dutzende antisemitischer Anhänger, besetzen die vorderen Plätze im Versammlungslokal und die antisemitischen Redner meist ein halbes Dutzend werden in der maßlosesten Weise persönlich ausfällig. So verstieg sich am 23. Februar in Loppersum   der anttsemitische Agitator Her: H e n n i n g s e n zu der empörenden Aeußerung, der Kandidat der Liberalen, Herr Jan Fegt er, sei einVaterlands- loser Geselle",ein Hoch auf das Baterland, von Herrn Fegter ausgebracht, sei eine Entweihung deS Valer­ia n d e S". Ferner hatte Herr Henningsen die Stirn, dem als lauteren Charakter und Ehrenmann in ganz OstfrieSland   bekannten Herrn FegterW a h l l ü g e n" vorzuwerfen." Das ist der Dank dafür, daß derverjudete" Freisinn um in antisemitischen Jargon zu sprechen die Judenfresser bei der Blockwahl in mehr als einem Falle herausgehauen hat! Zur bayerischen Gemeindewahlreform. Bei den im November dieses Jahres in Bayern   stattfindenden Gemeindewahlen soll bekanntlich das Proporttonalwahlsystem zur Anwendung gelangen. Bisher wurden die Wahlen in der Weise vorgenommen, daß von drei zu drei Jahren jeweils ein Drittel der gesamten Gemeindebevollmächtigten auszuscheiden hatte und dura, Neuwahl ersetzt wurde. In dieser Weise soll anscheinend auch beim Proporz Verfahren werden. Nun tritt aber die Zentrumspresie dafür ein, daß die Gemeindekollegien vollständig aufgelöst und für den Gesamtbestand eine Neuwahl angeordnet werde. Man könne nicht mit einem Gemeindekollegium arbeiten, daS nach verschiedenen Wahlsystemen zustande gekommen sei. Die liberale Presse bekämpft diesen Borschlag, weil dadurch der liberalen Vorherrschaft in vielen Gemeinden schon jetzt ein Ende gemacht wird, was bei der Dritte- lung erst nach Umfluß von drei Wahlperioden eintreten dürste. Die Wirtschaftskrise scheint jetzt auch in der Textilindustrie größeren Umfang anzunehnten. So wird demJournal dÄIsacc- Lorraine' gemeldet, daß die rlsäsfischen Wollspinnereien vom 1. März an wöchentlich ein bis zweimal Feiertage einlegen wollen. Von dieser Arbeitseinstellung werden 50 000 Arbeiter be- troffen._ Wir fordern aber gebt's uns lieber nicht! Die W e s e r- Z c i t u n g ein einflußreiches Organ der freisinnigen Vereinigung, bemerkt zu dem nationalliberalen WahlrechtSprogramm: Das sind wichtige Reformen, die das Zusammen- wirken der sämtlichen Liberalen bei der nächsten Landtagswahl ver- lohnen und die hoffentlich im vollsten Matze erkämpft werden. Das Programm der Freisinnigen lautet in diesen: Punkte anders, es will nur das allgemeine Wahlrecht. Aber der Kreis der Leute, die nur dnrcki dieses zu be- friedigen sind und alles andere als so ungenügend zurückweisen, daß sie Arm in Arm mit der Sozial- d cm o kratie   in der Opposition bleiben wollen, ist verzweifelt klein. DaS Gros der Freisinnigen hat niemals ein Hehl daraus gemacht, daß sie, ohne ihrem grundsätzlichen Stand punkt irgend etwas zu vergeben, auch mit weniger vorlicb nehmen." Sofordert" der Freisinn das allgemeine Wahlrecht! Folgen der Polen  -Enteignung. Nicht nur die Polen  , auch die Deutschen  , nämlich die in den Grenzdistrikten, wehren sich bereits gegen das EnteignungSgesetz. In K a t t o w i tz beschloß eine Versammlung deutscher Beamten, sofort den Reichskanzler zu ersuchen, besondere Schutznahmen zu treffen, da man ihnen den Aufenthalt in den russisch-polnischen Bezirken ver- leide und sie mit TodeSandrohnngen überschütte. Mehrere Beamte erklärten, infolge der feindseligen Stimmung der polnischen Be- völkerung der Möglichkeit beraubt zu sein, fernerhin in Polen  ihrem Dienst nachzugehen. Seltsame Begnadigung. Wie dieAngSb. Abcndztg." meldet, wurde der katholisch- Pfarrer in Wenigumstadt  , der ivegcn schwerer Sittlichkeitsverbrechen an Schulkindern letzthin von der Strafkammer in Aschaffenburg   zu einem Jahre Gefängnis und Ehrverlust verurteilt worden ist. Vor Antritt der Strafe vom Prinzregenten begnadigt. Italien  . Stenerverweigerung zu Ehren deS StenervcrschlcudererS. Rom  . 5. März. Nasi hat beschlosien, einen Brief an seine Wähler in Trapani   zu richten, worin er seine Unschuld darlegt und die Hoffnung aus Revision seines Prozesses ausdrückt. Andererseits haben die Anhänger Na sis den Beschluß gefaßt, eine P r o test- tundgebung ins Werk zu setzen, indem sie sich weigern werde»:, die Steuern zu entrichten. Belgien  . Der Kongovertrag. Brüssel  , V.März. Der neue Kongovertrag ist heute der Kammer vorgelegt worden. Im Falle der Annexion des Kongo­staates durch Belgien   sollen sännliche Güter, die bisher die sogenannt- Krondomäne gebildet haben, in den Besitz der Privatdomäne des Staate« übergehen. Die Abtretung der Krondomäne ist an die Erfüllung folgender Bedingungen gebunden: 1. Entrichtung einer JahreSrcnte von 120000 Frank an den belgischen Thron- folger und einer JahreSrcnte von 7S000 Frank an die Tochter des Königs. 2. Anerkennung der von der Krondomäne mehreren Gesellschaften gemachten Konzessionen. S. Errichtung eineS Fonds von 45 Millionen aus den Mitteln des belgischen Staates zur Ausführrmg der im Auftrage der Krondomüne be- gonnenen Bauten. 4. Errichtung eines weitereu Fonds von 50 Millionen aus de:» Mitteln der Kolonie, die in IS Jahresraten