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Nr. 56. 25. Jahrgang. 1. Iriliijt des JotiuWs" Knlim Freitag. 6. Marz t908. Reichstag 116. Sitzung vom D onnerstag, den S. März 1908, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstische: v. Bethmann-Hollweg  . Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Beratung deS Etats für das ReichSamt des Innern mit den dazu ge- stellten Resolutionen. Die Beratung wird fortgesetzt beim Titel«Gehalt deS Staats- selretärs, 50000 äK." Abg. Bruhn(ätnt): Das Handwerl bedarf einen besonderen Schutz gegen den TerroriSmus der Arbeiter. Die christlichen Ge- werkichaften arbeiten den Sozialdemokraten entgegen, aber die sozialdemokratischen Gewerkschaften beherrschen die Arbeiterschaft und sind ausschlaggebend für die Stellung der Arbeiter in ihren Kämpfen mit den Unternehmern. Bei dem Kampf im Berliner  Baugewerbe hat sich in sehr krasser Weise der Mistbrauch des Koalitionsrechts, deS Streikpostenstehens usw. gezeigt. Wäre eS den Berliner   Bauarbeitern gelungen, den Achtstundentag zu erringen, so wären andere Berufe gefolgt, und dazu ist das deutsche   Volk nicht reich genug. Der Terrorismus der Sozialdemokratie bei diesem Kampf überstieg alles bisher Dagewesene.(Lachen bei den Sozialdemo kraten.) Der Redner ergeht sich des weiteren ausführlich in seinen bekannten Klagen über den Terrorismus und die Selbstsucht der Arbeiter. Das Automobilrennen um die Gunst der Arbeiter mache ich nicht mit. Man must sich fragen, ob insbesondere die kleinen Gewerbetreibenden die ihnen auferlegten Lasten auch tragen können. Wir wollen auch eine Fürsorge der Arbeiter, aber unter Berücksichti- gund der Mittelschichten, und wir haben Vertrauen zum Herrn Minister, dast sich seine Sozialpolitik m diesen Bahnen bewegen wird. (Bravo   rechts.) Abg. KulcrSki(Pole) fragt an, was an der Pressenachricht zu- treffend sei, dast die Regierung eine staatliche Arbeitslosenversicherung plane. Die Witwen- und Waisenversicherung wird hoffentlich bis 1910 eingeführt sein, wie das im Zolltarif vorgesehen ist. Die Unfall- reuten sollten weniger schematisch berechnet werden unter Berück- fichtiguna auch von privatärztlichen Gutachten. Sehr wichtig ist die baldige Einführung der Privatbeamtenversicherung. Die Mittel für all diese Kulturzwecke wären leicht aufzubringen, wenn man die militärischen Rüstungen mehr einschränken würde, Der«Wahre Jacob" brachte neulich ein Bild, wo auf der einen Seite schwer arbeitende Leute, auf der anderen sekttrinkende Herren beim Spiel mit Kanonen usw. abgebildet waren. Dieser Witz enthält eine tieftraurige Wahrheit: Millionen von Arbeitern müffen sich abschinden, um die kolossalen militärischen Rüstungen zu ermög- lichen. Man follte endlich dazu kommen, einen Minimallohn vorzuschreiben, der es dem Arbeiter ermöglicht, sich eine gesunde Wohnung zu beschaffen und für seinen Lebensabend etwas zurückzulegen, was ihm heute unmöglich ist. Der Herr Minister v. Rheinbaben in Prcusten zählt dazu noch den Arbeitern förmlich jeden Bissen im Munde ab. Dieser Herr Rheinbaben, der den Ruf hat, nicht gerade einer der besten Fmanzminister zu sein, scheint auch noch nach dem Ruhme zu geizen, ein Historiker von zweifelhafter Bedeutung zu sein. Er hat neulich dem polnischen Könige Stanislaus LeSzinski daS Wort in den Mund gelegt, die Mehrzahl der polnischen Bevölkerung sei eine rechtlose Masse. Diese Aeusterung ist dem Könige aber lediglich von preußischen Hof- Historikern in den Mund gelegt. Der Wabrheit entspricht sie nicht, denn die polnischen Arbeiter sind als freie Arbeiter in die preustische Leibeigenschaft gekommen. Auch war es in Polen   nicht möglich, dast wie es in Preußen geschehen ist, die Magnaten ihre Arbeiter wie Schlachtvieh an das Ausland ver- kauften.(Hört! hört I bei den Polen  .) Herr v. Rheinbaben sollte also die polnische Geschichte besser studieren, ehe er solche Dinge in die Welt setzt, die der Wahrheit widersprechen. Redner wendet sich dann den Arbeiterverhältniffen, besonders im Bergwerk zu und verlangt erhöhten Arbeiterschutz; die großen Unfallziffern sind der Gewinnsucht der Unternehmer zuzuschreiben. Vor allem ist es nötig, daß die Unfallverhütungsvorschriften in der Muttersprache der Arbeiter an der Arbeitsstelle an- geschlagen sind I eine Verkürzung der Arbeitszeit sowie die Zuziehung von Arbeitern zur Grubeninspektion würden ebenfalls zur Verringerung der Unfälle beitragen. Ferner verlangen wir Sicherung der Koalitionsfreiheit und die Rechts- sähigkcit der Berufsvereine. Wir verlangen aber auch Schutz und Gerechtigkeit für den polnischen Mittelstand. Die preußische Regierung prahlt damit, sie habe erst den polnischen Mittelstand großgezogen: jetzt aber ist sie auf dem besten Wege, den polnischen Mittelstand zu vernichten. Das Boykottieren polnischer Gelv erbetreibenden stellt eine O st markenzulage an die deutschen   Gewerbetreibenden dar. Reichs- gesetzliche Bestimmungen, die für alle Staatsbürger gelten. benutzt die preustische Regierung, um die Polen   in differenzierter, ungerechter Weise zu behandeln. Die polnischen Gast- Wirte werden von der preußischen Regierung in der un- erhörtesten Weise schikaniert. Auch gegen den landwirtschaft- lichen Mittelstand wird in unerhörtester Weise verfahren, man zwingt die Leute, wie Zigeuner in Wagen zu wohnen, und nunmehr ver- langt man von den Leuten, daß sie jetzt im Winter die Feuerung aus dem Wagen entfernen, es ist das eine brutale, barbarische Maßregelung.(Lebhafte Zustimmung bei den Polen   und den Sozialdemokraten.) Mißgriffe, welche die preustische Polizei gehören nicht zum Gehalt des Staats- deS Innern.(LehafteS Sehr richtig l Vizepräsident Paasche: Ihrer Ansicht nach macht, sekretärs des Reichsamts rechts.) Abg. KulcrSki(Pole): Rleines feuitteton. Theater. Schiller-Theater v.:Der Weg zum Herzen" von Adolf L'Arronge  . In dieser Woche, in der Adolf LÄrronge seinen siebzig st en Geburtstag feiert, taucht der halb ver- klungene Name überall auf den Theaterzetteln wieder auf. DaS Schillcr-Theater eröffnete hier in Berlin   am Mittwoch den Reigen der Festvorstellungen: das Publikum applaudierte voll demonstrativen Eisers und der Jubilar bedankte sich, indem er gleichzeitig erklärte. er habe stets dem großen Ziele, ein.Volksschrifisteller" zu werden nachgestrebt.Volk" klingt gut und die Dehnbarkeit der Worte nimmt mit dem Grad der Feierstimmung zu. Die Bezeichnung «populärer Bühnenautor" hätte das Ziel des Strebens erheblich deutlicher umschrieben. DasVolk", für das er dichtete, waren die breiten bürgerlichen Massen, welche im Theater die engen vier Wände, in denen jeder hauste, mit ein wenig spaßigem, ein wenig sentimentalem und moralisierendem Bildfchmuck ausgeputzt dort wieder finden wollten, gut abgeschlossen gegen jede Zuglust irgend einer neuen gefährlichen Idee. Und diesen Geschmack der guten Stube. der vor Ibsen   und Hauptmann fast" unumschränkt ans deuischen Bühnen herrschte, hat er der Bcisall. den er fand, beweis, es ausnehmend gut zu treffen gewußt. In der Art, wie er dies Genre pflegte, tritt eme besondere, ihm natürlich zu Gesichte stehende Betonung des Soliden. Biederen, zuweilen auch ein Spür- sinn für neue, noch nicht ausgebeutete Gruppierungen und ein Ver- mögen grober, indes schlagkräflig-eiudrucksvoller' Figurenzeichuung charakteristisch hervor. So eng dies Genre, so weit es abliegt vom Emst und von der freien Heiterkeit der Kunst, setzt der Erfolg in ihm darum nicht weniger eigentümlich gemischte Qualitäten voraus. Und die sind selten. Wie viele würden den von LÄrronge ge- räumten Posten haben ausfüllen wollen?! Aver keiner hat eS in ähnlicher Weise vermocht. Adolf LÄrronge gehört schon durch Geburt zur Bühne. Sein Pater war ein beliebter Komiker und Hamburger Thealterdirektor. Zum Kapellmeister ausgebildet, wagte sich der Sohn in der Mitte der 00er Jahre zum ersten Male mit einem Stücke vor die Rampe. Es folgte später die von ihm mit Gustav Moser zusammengearbeitete Poiie«Der Registrator auf Reisen". 1373 das hübsche Bolksstück «Mein Leopold", das über alle Bühnen zog und seinen Name» mit einem Schlage berühmt machte. Seine erfolgreichsten Lustspiele HasemannS Töchter".«Doktor Klaus",«Wohltätige Frauen" stammen sämtlich aus demselben Jahrzehnt. In die achtziger Jahre fällt LÄrronges sehr verdienstvolle Direktoreutntigkeit am Deutschen  Theater. Im Verein mit einer Reihe tüchtiger Schauspieler gründete er dies Unternehmen. daS den größte» Einfluß auf die Fortentwicke- lung der Schauspielkunst �gewann. Im Herbste de» JahreS 1883 Ich bin so wie so fersig.(Heiterkeit.) Abg. Dr. Mcycr-Kaufbeuren(Z.): Die Enquete der Regierung über die Kartelle hat keine Klarheit über die Kartelle gebracht, sondern nur bewiesen, dast der von der Regierung eingeschlagene Weg der Erhebungen nicht zu dem gewünschten Ziele führt. Soweit ihre Ergebnisse richtig waren, sind sie auch schon überholt, da die ganze Struktur der Kartelle sich geändert hat. Schon 1904 hat der Abg. Gothein hier darauf hingewiesen, daß aus der Enquete gar nichts herauskommen kann. Was soll nun jetzt geschehen? Denn die Mißstände, die seinerzeit zu der Enquete Veranlassung gegeben haben, bestehen weiter fort. Betonen will ich, daß wir keineswegs Kartellgegner sind, der Zusanmienschlust der Kräfte sagt uns vielmehr zu, als das zur Unterproduktion führende freie Spiel der Kräfte. Aber die freie Konkurrenz bildet ein Korrektiv gegen übermäßige Preise seitens der Kartelle und auf diesem Gebiete sündigen die Kartelle sehr stark. Das rheinisch- westfälische Kohlensyndikat hält die Preise des wichtigsten Roh- Produkts, der Kohle, den Zeitverhältuissen unangemessen hoch Ein zweiter berechtigter Vorwurf gegen die Kartelle ist, daß sie dem Ausland erheblich niedrigere Preise stellen als dem Inland. Dadurch wird die ausländische Konkurrenz zum Nachteil der inländischen großgezogen, die inländische zum Teil vollständig verdrängt. Weiter haben die Syndikate eigenartige Konsequenzen hinsichtlich der Macht stellung, die sie dem Lieferanten gegenüber dem Abnehner geben. Durch' die Streikklausel, die sie in die Lieferungsverträge einfügen, können sie,)wie die Arbeiter nicht mit unrecht behaupten, bei Streitigkeiten den Arbeitern schroffer gegenübertreten. Die vielfach vorgekommenen Uebergisfe haben große Er- bitterring hervorgerufen. Man hat daraus hingewiesen, daß das Kinderkrankheiten sind, die mit der EntWickelung der Syndikate über- wunden werden. Aber die Dinge sind nicht besser geworden, sondern schlimmer. Deshalb muß der Staat die Rechte der Allgemeinheit gegenüber den Kartellen wahren, das gehört zu seinen ureigensten Aufgaben.(Lebhaftes Bravo I im Zentrum.) Abg. Graf Kanitz(k.): Der Herr Vorredner sprach auch vom Kalisyndikat. Er sagtedaS Kali", Herr Professor Pauly sagte mir, es heißeder Kali", nach meiner Meinung aber müßte es logischer- weisedie Kali" heißen.(Heiterkeit.) Nach einer Aufstellung der Aeltesten der Berliner   Kaufmannschaft gibt es zurzeit 347 Syndikate, die für das deutsche Wirtschaftsgebiet in Betracht kommen. Fast alle Verbrauchsartikel sind syndiziert.(Hört! hört I> In Amerika   sind sogar die Eisenbahnen vertrustet, was bei uns Gott sei Dank noch nicht der Fall ist. Dort ist ein Riesenkampf zwischen den Kartellen mrd den Staatsgewalten entstanden, dessen Ende noch niemand ab- sehen kann. Die Botschaft des Präsidenten Roosevelt   gegen die Kartelle wurde mit Jubel aufgenommen. Auch wir werden uns zu ähnlichen Maßregeln entschließen müssen. Aber es hat den Anschein, als ob unsere Regierung eS gar nicht wagte, gegen die Kartelle irgend etwas zu unternehmen.(Sehr richtig I rechts.) Die Kartellcnquete hat fast gar keinen Zweck gehabt, über die wichtigsten Dinge wurde dort kein Aufschluß erteilt.(Sehr richtig!) ES ist schon oft genug betont worden, wie die Kartelle nach dem Auslande billiger liefern. Jnter essant ist folgender Fall. In Kopenhagen   sollte ein Gasometer gebaut werden. ES konkurrierten eine englische und eine deutsche  Firma. Die englische bekam den Zuschlag, der Gasometer aber wurde aus deutschem Material hergestellt, das von dem deutschen  Syndikat wesentlich billiger nach England als in Deutschland   ge- liefert wurde.(Hört! hört!) Trotz der rückläufigen Konjunktur denkt das Kohlensyndikat nicht daran, die Preise herabzusetzen, im Gegenteil vom 1. April ab sollen die Kohlenpreise noch teurer werden. Herr Hilbck freilich hat im preußischen Landtajf vorgerechnet, daß pro Tonne nur 50 Pf. verdient werden. Da trage ich nur: Wo besonderem Fleiß die Klassiiervorstellungen pflegend, die Bühne, bis Brahm sie übernahm und sie zur klassischen Stätte des modern- naturalistische» DarsiellungssiileS machte. Was das aufgeführte Lustspiel anlangt, so läßt sich die Wahl nur daraus erklären, daß die Direktion des Schiller-ThcaterS die be- kanntercn LÄrrongeschen Komödien schon früher aufgeführt hatte und keine Wiederholung geben wollte.«Der Weg zum Herzen" war ein arg verstaubter Weg. Man erhielt ein Kompendium der LÄrronge­schen Schwächen unter Ausmerzung aller mildernden Umstände. Zu- weilen schien es einem sogar, als ob, so niedrig gegenwärtig das Niveau steht, derartige Trivialitäten im modernen Lustspiel nicht mehr möglich wären. Der Jubilar war besser als die Ausgrabung vermuten liest. DaS flotte Spiel half über den Eindruck der Leere nicht hinweg. ät. Lessing-Theater.Lebendige Stunden" von Artur Schnitzler  . Die dramatische Ernte dieses Jahres ist so karg, dast die Theater auf ältere Stücke zurückzugreifen beginnen. Vor sechs Jahren hat Schnitzlers Einakierzyklus im Deutschen   Theater unter Brahms Jiueresse geweckt. Aber war der Eindruck so stark, dast jetz, eine Neubelebung drängte? Kaum. Schnitzler   hat Stärkeres der Bühne geschenkt, das nicht auf dem Repertoire ist. Die Kunst, in der knappen Form des Höhepunktdramas, des fünften Aktstückes der dramalischeu Novelle Lebensschicksale zu beleuchten und wenn auch nicht starke, so doch feine, nachdenklich stimmende oder auch heiteres Lächeln weckende Wirkungen zu erzielen. hat er auch in diesen mehr virtuos konstruierten denn Leben ge- wordenen Stücken verstanden. Freilich hatte man die dem ur- sprünglichen Zyklus den Titel gebenden, aber in breite StimmungS- Malerei ausarlenden«Lebendigen Stunden" weggelassen und durch den strafferen.Puppenspieler" ersetzt, der ja auch zum älteren Bestände deS Lessing-Tbeaters gehört. Das phantastische Traum- weben«Die Frau mit dem Dolche" erschien abgeblaßt und litt unter einer illusionslörender Regie. Aber als Theater im gmen Sinn behaupteten sichDie letzten MaSken", die resigniert ausklingende Abrechuungsszene in der Sterbestunde. Am frischesten erwies sich da? sehr ergötzliche letzte Stück: Literatur", in der eine gewisse Kasseehausliteratur mit heiterer Ironie verspottet wird.. Die Besetzung war zum Teil die alte. BassermannS ziselierte Charakteristiken des erfolgreichen, aber innerlich armen Mödeliteraten in den«Letzte» Masken" und der aristokratischen Kontrast- 1 figur in«Literatur", Reichels meisterliche Verkörperung des alten, i verbitterten Journalisten rcchifertigten die Aufführung. Durchaus be­achtenswert war auch Karl F o r e st. r. bleiben die Dividenden?(Heiterkeit und Sehr gut I) Die hohen Kohlenpreise veranlassen die Arbeiter wieder zu neuen Lohnforde- rnngen: es ist nicht richtig, wenn man sagt, die hohen Kohlenpreise sind die Folge der gestiegenen Löhne: nein, umgekehrt, die Löhne steigen wegen der hohen Kohlenpreise und der großen Werk- Überschüsse. Herr Hilbck freilich meint, die Bcrgarbeiterlöhne sind zu schnell gestiegen, und die Bergarbeiter werden auf Kosten der kohlenverbrauchenden Konsumenten besser bezahlt. Vornehmlich leiden auch die Industrien, welche nicht zu Lohnsteigerungen im- stände sind, in erster Linie die Landwirtschaft. Die Arbeiter, die wir mit großer Mühe großziehen,(Heiterkeit) wandern uns ab. Fast 100 000 sind aus dem Osten in die Bergwerke gewandert. Da müht man sich ab, die Landbevölkerung seßhaft zu machen, u-ro zieht die Arbeiter auf diese Weise vom Lande fort. Die Wirt- Ichaftliche Berechtigung der Kartelle hört auf, wenn sie solche Preispolitik treiben.(Znstimmung rechts.) Wiederholt ist uns von der Regierung gesagt. wir sollten doch keine Furcht vor den Syndikaten haben, denn die Regierung beherrsche die Eisenbahnen und Kanäle. Warum hat denn aber die Regierung von ihren Machtmitteln auf dem Verkehrsgebiete keinen Gebrauch gemacht? Sie hat den Syndikaten vielmehr noch Aus- nahmetarife bewilligt. Ein weiteres Mittel gegen die Syndikate ist, daß die Regierung statt der Lieferungsverträge' mit ihnen öffentliche Ausschreibungen veranstaltet. Der Hypertrophie der Syndikate muß entgegengewirkt werden, sonst geraten wir in haltlose Zustände, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in sozialer Beziehung.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Fuhrmann(natl.) befürwortet eine Resolution auf Verlegung einer Druckschrift darüber, wie die Handwerker- und Gewcrbekammern sich zu einer Abänderung des§ 100 g der Gewerbeordnung(Fest- setzung von Mindestpreisen) stellen. Das Emporsteigen der nationalen Arbeiterbewegung begrüßen wir mit Freuden. Sie sind der beste Wall gegen die sozialdemokratischen Gewerkschaften. Wir hoffen, daß die christlichen Gewerkschaften bald aus den Lümmel- jähren, in denen sie sich jetzt noch zu befinden scheinen(Hört! hört! im Zentrum) herauskommen werden. Wir freuen uns, daß der Herr Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg   bei neuen Vorlagen stets die Vertteter beider Teile hören will im Gegensatz zum Grafen PosadowSky, dem oft der Vorwurf gemacht wurde, daß er zu sehr vom grünen Tisch aus Gesetze mache. Wegen unseres Eintretens für direkte Steuern hat Herr v. Rheinbaben Herrn Basser- mann als Schrittmacher der Sozialdemokratie bezeichnet. Dem- gegenüber stelle ich fest, daß jetzt auck der bayerische   Finanzminister sich für einen Ausbau der ReichserbschaftSsleuer erklärt hat. Abg. v. Dirksen(Rp.): Der Abg. Schmidt-Berlin hat mir vor« geworfen, ich hätte gelegentlich der Wahlrechtsdemonstrationen ge- sagt, man solle auf die Bande schießen. Die Aeußerung ist in dieser Form nicht richtig; aber ich halte vollkommen auftecht, daß die Demonstranten zum großen Teil unreife BengelS waren, die nicht wußten, um lvaS eS sich handelte.(Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Bor dem Abgeordnetenhause hatte ich selbst Gelegenheit, zu sehen, daß die Massen hauptsächlich aus unreifen Jungen und Frauen be- standen.(Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Herr Schmidt hat weiter über die Arbeitslosigkeit gesprochen: aber ein großer Teil der Arbeitslosen besteht aus Bauarbeitern, die im Winter naturgemäß arbeitslos sind, diesmal aber in Not sind, weil sie im Sommer gestreikt haben.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Schmidt be- hauptete, daß die Löhne nur da gestiegen seien, wo die Gewerk- schaften stark seien, und auch da werden sie ausgewogen durch die gestiegenen Lebensmittelpreise. Sein Parteigenosse Calwer hat aber nachgewiesen, daß die Löhne der Arbeiter ganz allgemein erheblich gestiegen sind.(Hört! hört! rechts.) Rühmend wies Herr Schmidt hin auf die Leistungen der Gewerkschaften an Arbeitslosen« und Krankenunterstützung. Diese Summen sind nur ein Tropfen, ganz minimal gegenüber den riesigen Einnahmen der Gewerkschaften.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Was den Arbeitern durch Streiks an Löhnen verloren gegangen ist, ist weit mehr, als sie durch die Gewerkschaften gewonnen haben. Kolossale Summen dienen auch dazu, die sozialdemokratischen Beamten zu er- nähren; diese Summen wären besser in den Taschen der Arbeiter geblieben.(Sehr richtig! rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Das Aufblühen der christlichen Gewerkschaften begrüße ich mit Freude; leider kommen auch bei ihnen Fälle von TerroriSmus vor. Bei aller Fürsorge für die Arbeiter dürfen wir daS festiaa lenta (Eile mit Weile) nicht vergessen.(Beifall rechts.) Damit schließt die Diskussion. Abg. Schmidt-Berlin  (Soz.): Die Gewerkschaften haben 1903 nicht wie Herr Dirksen sagt Vs Million, sondern S'/a Millionen au Arbeitslosenunterstützung bezahlt. Daß Herr Dirksen das Schießen auf die Arbeitslosen jetzt ablehnt, zeugt immerhin von M u s i k ch r o n i k. Notizen. Das nächste fand die EröffnungSvorstcllung statt. Zehn Jahre leitete er, mit lSchillersaales Charlottenburg Sonntagskonzert des bringt ein Streich- quartett von R. Bolckmann und ein Mozartsches Quintett.   Die nächste Aufführung der von der Neuen freien Volksbühne her bekanntenLebenden Lieder" findet mit neuem Programm Sonntag, den 8. März, nachmittags 4 Uhr, in den Pracht« jälen des Westens lSpichernstr. 3) statt. Ehrengabe für Schönherr  . Das Kuratorium der Wiener   Bauernfeld  -Stiftnng beschloß, dem Schriftsteller Karl Schönherr   in Wien   für sein Drama.Erde", das auch hier an- erkennend besprochen wurde, eine Ehrengabe von viertausend Kronen zu verleihen. Zola im Pantheon. Die Ueberführuna der Reste ZolaS, um die schon mehrfach der Parteihader hoch aufloderte, ist jetzt auf den 2. April festgesetzt. Die Kammer wird aufgefordert, dre dafür bereits bewilligte» 30 000 Fr. auf 40 000 zu erhöhen. Die Zeremonie wird sich wahrscheinlich auf die Feier im Pantheon be- schränken. Die Gedächtnisrede wird der UnterrichtSmiuister halten. Die Witwe Zolas würde es lieber sehen, wenn Briand   und Cleinenceau, der in den Tagen des Dreyfuskampfes so oft an der Seite des Dichters gestritten, das Wort ergreifen würde. Aber die großen Staatsmänner wollen die Geftihle der Zolagegner schonen. Sie tun recht daran, denn bei der Ehrung eines geraden und aus- richtigen Mannes, wie Zola, haben sie nichts zu suchen. Interpellation. Wenn Reichstag und Landtage tagen, dann tauchen auch immer wieder die Interpellationen auf. Wie großartig das klingt! Und es sind doch nur Einreden, Fragen oder Anfragen. Intsrpellars heißt im Lateinischen unterbrechen, in die Rede fallen, eine Einrede vorbringen; iatsrpsUatio ist demnach die Unterbrechung, die Einrede, und es haftet ihr fast immer der Begriff der störenden Unterbrechung an, bänfig aber auch der der Dringlichkeit. Man kann auch Zwischrnfrage, Befragung für Interpellation sagen und statt zu interpellieren kann man fragen oder eine Anfrage oder Zwischenfrage stellen, man kann auch um Aufschluß bitten oder ersuchen oder ihn fordern oder verlangen. Eine Statistik dar Dampf kraft hat für die ganze Erde Prof. Lewicki in Dresden   aufzustellen versucht. Er ist in seiner Schätzung auf 120 Millionen Pferdestärken gekommen, dabei ist die in Lokomoliv- und Dampfschiffsbettiebeu verwendete Dampfkraft mit eingeschlossen. Bei einem zehnstündigen Betriebe an 300 Arbeitstagen erfordert die Dampfmaschincnleistung der Erde 7200 Millionen Zentner Brennstoff, der einem Geld« wert von 5700 Millionen Mark entspricht. Um* die An­sprüche der heute verwendeten Dampfkraft zu beftiedigen, müssen an jedem Werktage 120 000 oder im Jahre 36 Millionen Wagenladungen Kohle gefördert werden. Den gesamte» Betriebsaufwand berechnet Profeffor Lewicki auf II Milliarden Mark jährlich. Nach der Dampfkraft sind GaS- und» Wafferkraft die wichtigsten Kraftlieferanten, sie erzielen indeS bisher nur b bis 6 Millionen Pferdestärken.