gesamten Berichts.(Hört! hört! bei der Mehrheit.) Fürst Radzi.will hat weiter auf die Gegensätze innerhalb des Blocks hinge»wiesen. Ich glaube doch, daß innerhalb der polnischen Fraktion,z. B. der Gesamtanschauung des Fürsten Radziwill und des Abg.Korfanty, noch grötzere Gegensätze bestehen.(Grotze Heiterkeit undSehr gut� bei den Nationalliberalen.) Und hält etwa Fürst Radzi-will die Sozialdemokratie, mit der er jetzt zusammengeht, für einebesondere Hüterin der christlichen Weltanschauung?(Erneute großeHeiterkeit bei den Nationalliberalen.) Wir stimmen für den§ 7,obgleich er uns noch nicht weit genug geht. Es isteine ungeheuere Uebertreibung, wenn man behauptet, daß der Gc-brauch der polnischen Muttersprache durch diesen Paragraphen ver.boten sei.(Sehr gut! bei den Nationalliberalen.) Dieser Gc-brauch ist nur in öffentlichen Versammlungen ver-boten, also m Versammlungen, wo Angelegenheiten des deutschenVaterlandes zur Sprache kommen.(Lachen bei den Polen. Sehrrichtig! bei den Nationalliberalen.) In den Wählerversammlungen,also für me wichtigste politische Betätigung, wird auch den Polender Gebrauch ihrer Sprache freigegeben.(Sehr wahr! bei denNationalliberalen.) Preußen hat durch die geschichtliche Entwicke»lung die Aufgabe bekommen, die deutsche Wacht im Osten zu halten:für d'e Art, wie Preußen diese nicht gesuchte Aufgabe erfüllt, mußDeutschland ihm dankbar fein.(Lebhaftes Bravo! bei den Ratio»nalliberalen.) Auf die Frage, ob die Polen Bestrebungen gegeneine Abtrennung von Preußen unterstützen, haben wir keine klareAntwort bekommen.(Hört! hört! bei den Nationalliberalen.)Darin liegt der tiefere Grund für die Berechtigung des§ 7 diedurch naturrechtliche Betrachtungen nicht erschüttert werden iann.(«ehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Man hat auch auf dasAusland hingewiesen. Nun. unter Napoleon III. wurde der Ge»brauch fremder Sprachen sogar in der Presse verboten(Hört! hört!be, den Nationalliberalen), und auch in Oesterreich besteht für Ver-sammlungen durchaus nicht absolute Sprachenfreiheit! Der denk-würdige Bund zwischen Ultramontanen und Radikalen wird, wievor 60 Jahren, auch heute wieder gegen die nationalen Interessenstimmen. Trotzdem hoffen wir, daß die Polen lernen, sich alsDeutsche zu empfinden.(Lebhaftes Bravo! bei den National-liberalen. Anhaltendes Zischen im Zentrum und bei d�n Polen.)Abg. Legten(Soz.):Versammlungen werden zu dem Zweck abgehalten, daß dieStaatsbürger sich über die öffentlichen Angelegenheiten unterhaltenund Einfluß auf sie nehmen. Dieses Recht wird durch den 8 7für einen großen Teil der Bevölkerung illusorisch gemacht.Will Preußen ein Nationalstaat sein, so hätte eS die fremdenBolksstämme nicht annektieren dürfen. Zu dem Unrecht der An»nexior darf man nicht noch das Unrecht der Beschränkung derMuttersprache fügen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herrv. Putlitz meinte, daß Preußen der Träger des Reichsgedankens sei.Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe war anderer Meinung.Er schrieb in seinen Memoiren: Ich muß trachten.Preußen beim Reich zu erhalten, denn alle dieseHerren hierpfeifen auf da? Reich.Die Anregung zu§ 7 soll von rheinisch- westfälischen Groß-industriellen ausgegangen sein. Das soll, wie die„Germaniamitteilte, der Reichskanzler Herrn Wiedeberg, demVorsitzenden des christlich- nationalen Maurer.Verbandes, erklärt haben. Vielleicht bekommen wir vonHerrn Wiedeberg noch zu hören, ob das wirklich der Fall ist, obwirklich§ 7 auf Anregung der rheinisch. westfälischen Großunter»nehmer in das Gesetz gebracht ist, damit sie ihre Arbeiterbequemer ausbeutenkönnen. Während im§ 3 das Recht der Polizei zur Ueberwachungnur für politische Versammlungen festgesetzt ist, bezieht sich dasSprachenverbot des Z 7 auf alle öffentlichen Versammlungen. HerrHieber sagt freilich, in ihren Vereinsversammlungenwürden die Polen auch weiter polnisch sprechen können,nur nicht in öffentlichen Versammlungen, d. h. in solchen, die sichmit Angelegenheiten des Staates beschäftigen. Eine solche Tefini-tion der öffentlichen Versammlung kennt weder der Herr Staats-sekretär noch die Judikatur der preußischen Gerichte. Alle Per-sammlungen, die nicht auf einen ganz engen Personenkreis be»schränkt sind, werden von ihnen als öffentliche erklärt undwerden der Beschränkung des Z 7 unterliegen.(Sehr wahr! bei denSozialdemokraten.) Herr Hieber hat sich zum Verteidiger Preußen?aufgespielt, wie man es von einem süddeutschen Abgeordneten nichtbätte erwarten sollen. Besser als er konnte kein Junkerdie Polenpolitik Preußens verteidigen.(Lebhaftes Sehr richtig!bei den Sozialdemokraten.) Er sagt, die Polen wollten sich vonPreußen losreißen, und gegenteilige Aeußerungen der polnischenPresse hätten nicht beigebracht werden können. Er übersieht, daßdies in der Kommission verlangt wurde, als gerade die Eni-eignungSvorlage im preußischen Herrenhause angenommen wurde.Wenn man die Polen so behandelt, so kann man nicht verlangen,daß sie die Hand küssen, die sie mißhandelt. Die nationale Agitationwird der K 7 nicht unterbinden können; insofern man das zuerreichen hofft, wird er sich als Seifenblase erweisen. Denndie Wahlversammlungen sind von ihm ausgenommen, und fernerist diese yanze Agitation nicht bloß auf Versammlungenangewiesen. Bon 1878 bis 1890 durften in Hamburgkeine sozialdemokratischen Versammlungen statt-finden, trotzdem stiegen unsere Stimmen dort in dieserZeit von 29 629 aus 67 331. Also iüe nationale Agitation werdensie nicht unterbinden mit dem Z 7,wohl aber die gewerkschaftliche.(Sehr wahr! bei den Sozialdenwkraten.) Und baS ist auch dieAbsicht. Sie wollen die deutschen Arbeiter hindern, bessere Lohn-und Arbeitsbedingungen zu erringen.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten.) Als in der Kommission der Antrag ge-stellt war, auch solche Versammlungen vom Z 7 auszunehmen, indenen gewerkschaftliche Fragen besprochen werden, erklärtesich der Regierungsvertreter dagegen, und der Antragwurde mit 14 gegen 13 Stimmen abgelehnt. Damit haben Siezweifellos zum Ausdruck gebracht, daß Sie nichts anderes wollen,als die gewerkschaftliche Tätigkeit der deutschenArbeiter zu unterhinden; Sie wollen ihnen die Möglich-keit nehmen, mit vom Auslande herbeigezogenen Streikbrechern zuverhandeln und sie vom Streikbruchabzuhalten. Darausgeht schon hervor, daß die gegenwärtige Fassung des§ 7 vonGroßindustriellen stammt. Herr P a ye r begründete inder Kommission die Zustimmung der Liberalen zum§ 7 damit, daßsonst die preußische Regierung noch weit schärfere Bestimmungentreffen würde. Eine Regierung, welche Hunderte von Millionen fürihre Polenpolitik ausgibt, und auch vor der Enteignungsvorlage nichtzurückschrecke, würde, meinte er, auch vor vereinsgesetzlichenBestimmungen gegen die Polen nicht zurück-schrecken. Der kranke Herr G o t h e i n freilich erklärt, wenner hier sein und den Ausschlag geben könnte, so würde er selbst aufdie Gefahr einer schweren Schädigung seiner Gesundheit hingegen den§7 stimmen. Ich bin aber der Meinung, daß Preußengar nicht mehr in der Lage zu einer vereinsrecht-lichen Gesetzgebung ist, denn seit dem 11. Dez. 1899 habenwir ein Reichsvereinsgesetz, wenn es auch nur den einenParagraphen bezüglich des JnverbindungtretenS der Vereine Hai.Dadurch hat das Reich von dem Artikel 4 der Verfassung Gebrauchgemacht, und die Einzrlstaaten haben jetzt nicht mehr das Recht,Bestimmungen auf dem Gebiete de? Vereinsgesetzes zu treffen.Solche Bestimmungen würden aber auch der preußischen Verfassungwidersprechen, in der es heißt: Jeder Preütze hat das Recht, seineMeinung in Wort und Schrift frei zum Ausdrück zu bringen. DiePolen sind auch Preußen, und dieses Recht wird ihnen durch einesolche Bestimmung genommen. Auch hat die preußische Regierungbisher einen solchen Antrag gar nicht eingebracht, denn sie würde.m preußischen Abgeordnetenhause wohl kaum eineMehrheit dafür finden, dazu bedarf es vielmehr derUnterstüvung der Liberalen im deutschen Reichstage.(Sehr gut!»ei den Sozialdemokraten.) Dabei widerspricht sie allen liberalenGrundsätzen; die liberalen Hirsch-Dunckerschen Arbeiterhaben sich mit Entschiedenheit dagegen erklärt. Im bayerischenAbgeordnetenhause hat der Abg. Müller-Hof(Zuruf: Müller-Meiningen! Heiterkeit.)—. Nein, dort heißt er Müller-Hof(Heiterkeit), und das ist ja auch gerade der Unterschied zwischenMüller-Hof und Müller-Mciningen; Müller-Hof erklärte imAuftrage der gesamten Liheralen im Landtage:Für die Linksliberalen darf es in dieser Frage keinSchwankengeben;völlig unannehmbar(Hört! hört!) ist jede Fassung des§ 7, der der Verwaltungsbehördedas Recht gibt, Versammlungen wegen des Ge-brauches einer fremden Sprache zu verbieten.(Hört! hört!) Es handelt sich nicht um eine Nützlichkeitsfrage, auchnicht um nationale Interessen, deren Schutz einer solchen auf-reizenden Bestimmung nicht bedarf(Hört! hört!), sondern umeine der heiligsten Grundanfchauungen der Demokratie,um die nationale Gerechtigkeit und Würde, die wir nicht preisgebendürfen.(Hört! hört! im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.— Abg. Müller-Meiningen läßt sich vom Abg. Legten das Blattgeben, von dem er vorgelesen hat, und ruft: DaS ist eineF ä l fch u n gl) Abg. Legien: Dann ist es die„FrankfurterZeitung", welche gefälscht hat. Jedenfalls geben Sie mitdiesem Kompromiß Ihre jahrzehntelang vertretenen Grundsätze aus.Für uns aber ist natürlich nicht entscheidend, wie Sie sich entwickelthaben. Trotzdem möchte ich Sie in letzter Stunde noch mahnen, ent-sprechend den Grundsätzen zu handeln, die Sie bei der Einbringungder Vorlage aufgestellt haben, und zu erklären, wir können unterkeinen Umständen, wenn wir nicht alles, was Liberalismus ist,preisgeben wollen, für den Z 7 uns entscheiden.(Lebhafter Beifallbei den Sozialdemokraten.) Wir werden jedenfalls gegen den§ 7stimmen, jedoch werden wir dem Antrage zustimmen, der insoferneine Besserung enthält, als er das Sprachenverbot nur für politischeVersammlungen gelten lassen will.(Bravo! bei den Sozialdemo-kraten.)Abg. v. Patzer(Südd. Vp.):Wir sind zu der Ansicht gekommen, den ß 7 annehmen zumüssen, weil wir das ganze Gesetz nicht scheitern lassen wollen.(LehhafteS Bravo! bei der Mehrheit.) Der Entwarf ist so frei-sinnig, wie eS vor zwei Jahren noch kein Mensch für möglich ge-halten hätte.(Große Heiterkeit bei der Minderheit.) Insbesonderehat die Kommission außerordentlich wesentliche Verbesserungen ein-gefügt.(Stürmischer Widerspruch bei der Minderheit.) Auch fürSüddeutschland bedeutet der. Entwurf einen außer-ordentlichen Fortschritt, und zlvar für sämtlicheStaaten.(Stürmisches Oho! im Zentrum und bei den Sozialdemo.traten.) Es ist der Minderheit gar nicht so ernst mit der Opposi-tion.(Heftige Unruhe im Zentrum und hei den Sozialdemokraten.)Sie wären ja froh, wenn wir endlich das Gesetz unter Dach undFach gebracht hätten.(Erregter stürmischer Protest der Minderheit.)Wir Linksliberale nehmen das Gesetz an, weil es wichtig ist fürdie Weiterentwickelung des Linksliberalismus.(Lautes, anhaltendesLachen im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) Wir sehendiesen Entwurf als Verdienst des Liberalismus an.(Erneutes lautes Lachen bei der Minderheit.) Wir haben die Ab-ficht, auf der Bahn weiter zu gehen, auf der wiruns bisher bewegt haben.(Lautes Lachen und Zurufe beider Minderheit: Auf der abschüssigen Bahn!) Wir wollender 9icgierung weder Grund noch Borwand geben, uns auszu-schalten zugunsten anderer, die nur darauf warten...(StürmischerWiderspruch im Zentrum, unter dem die nächsten Worte des Rednersverloren gehen.) Wir haben so oft gehört, daß wir gefehlt habensollen.(Laute Zurufe bei den Sozialdemokraten und im Zentrum:Haußmann! Haußmann! Haußmann hat es gesagt!)Die reine logische Durchführung bestimmter Pro-grammsätze ist in der praktischen Politik unmög-l i ch.(Lebhafte Zustimmung bei den Freisinnigen.) Man darfnicht zu einseitig sein.(Lebhafte Zustimmung bei den Freisinnigen.)Eine Nation kann im Interesse ihrer Existenz gezwungensein, nicht diese schrankenlose Freiheit walten zu lassen.(Stür-Mischer Beifall beim Block.) Es gibt im Leben der Parteien Äugen.blicke, wo sie vor wichtigen Entscheidungen stehen.(Rufe bei derMinderheit: Vorm Kuhhandel!) Mir liegt nichts ferner, alsfür die preußische Polenpolitik einzutreten; wir haben mit derselbenGattseidank nichts zu tun.(Oho! rechts.) Ich habe aber auch nichtdie Absicht, kür die Polen eine Lanze zu brechen.(Bravo! beider Mehrheit.) Die Polen denken, daß sie nur Rechte und keinePflichten haben.(Wiederholtes Bravo! bei den Nationalliberalen;stürmische Unruhe bei den Polen und im Zentrum.) Die Polenmüssen sich als Deutsche fühlen.(Bravo! beim Block.) Wir könnender preußischen Regierung nicht bei der Lösung der Polenfragein den Arm fallen.(Bravo! rechts.) Wenn wir den§ 7 ablehnen.so ist die Konsequenz die landcsgesetzliche Regelung. Man sagenicht, daß Preußen nicht dazu schreiten wird, weil eS bisher nichtdazu geschritten ist. JnPreußenwehtjetzteinandererWind.(Zuruf: Der Blockwind! Große Heiterkeit.) WennPreußen die Sache in die Hand nimmt, dann kommt das radikaleVerbot der polnischen Sprache. Die, um die eS sich hier handelt.werden besser fahren, wenn die reichsgesetzliche Regelung eintritt.als wenn die Regelung auf dem Wege der Landesgesetzgebung ge-schieht. Der Rechten gehen die Ausnahmen, die wir ins Gesetzhineingebracht haben, schon zu weit.(Sehr richtig! rechts.) Undwenn eS uns nicht gelungen ist, auch den GewerkschaftSversamm-lungen eine Ausnahmestellung zu erringen, so ist zum Teil dieSozialdemokratie daran schuld, weil sie uns immer in den Rückenfällt.(Lautes anhaltendes Lachen bei den Sozialdemokraten.) ESist wahr, daß einige unserer Parteigenossenanderer Ansicht sind. Daraus folgt aber nicht, daß sie dierichtige Ansicht haben. Wir sind überzeugt, mit diesem Gesetz derfreiheitlichen Entwickclung einen Dienst erwiesen zu haben.(Leb-haftcr Beifall beim Block, heftiges anhaltendes Zischen bei derMinderheit.)Abg. Dr. Kolbe(Rp.): Auch wir sind wegen unserer Nach-giebigkeit stark angegriffen worden, weil dadurch die Regierungs-Vorlage stark abgeschwächt ist. Aber bei jedem Kompromiß mutz manvon beiden Seiten einander entgegenkommen.(Sehr wahr! beimBlock.)Abg. Graf(Weimar)(wirtsch. Vg.): Wir halten eS für ganzselbstverständlich, daß in Deutschland in den öffentlichen Bersamm-lungen deutsch gesprochen werden mutz. Ich wiederhole ungescheut.in nationalen Existenzfragen muß Macht vor Rechtgehen. Das befriedigt der§ 7 nicht, denn da» Prinzip deS Ge-brauchs der deutschen Sprache ist stark durchlöchert; wir werdenaber für'ihn stimmen und erhoffen von ihm eine Stärkung desDeutschtums.(Bravo! beim Block.)Abg. Dr. Gregoire(Elsässer): Der tz 7 muß bei uns eine umso tiefere Verbitterung hervorrufen, als die französisch-sprechende Bevölkerung sich stet» loyal gezeigt Hai. Die Kom.promihfassung des§ 7 bedeutet für uns eine erhebliche Verschlechte-rung, zumal nur ein einziger Bezirk über die erforderlichen 60 Proz.französisch sprechender Bevölkerung verfügt.Zur Wahrung unserer Rechte haben wir unsere Resolution ein-gebracht, durch welche der Mitgebrauch der französischen Spracheun französischen Sprachgebiet gesichert werden soll. Durch die An-nähme dieser Resolution werden Sie zur�eruhigung unserer Be-völkerung wesentlich beitragen.— Weiter habe ich zu erklären.auch im Austrage der Abgeordneten Labrois« und de Wendel.daß wir dem Zustandekommen des Gesetzes, das wir für einengroßen Fortschrtt halten, keine Schwierigkeiten be-r e> t en w r r de n.(Bravo! beim Block.)Staatssekretär des Innern v. Bethmana-Hollweg: Ich habe inder ersten Lesung bereits die Gründe dargelegt, aus welchen dieverbündeten Regierungen bei diesem Gesetz an der Regelung derSprachenfrage nicht Vorbeigehen konnten. Da? Deutsche muß beiuns vorangehen, und das Fremde hat sich ihm anzupassen.(Sehrgut! bei der Mehrheit.) Die Kommission hat nun noch schärferdie Notwendigkeit der Bewilligung von Ausnahmen anerkannt, alses schon der Entwurf tat. Ich habe bereits in der ersten Lesungausdrücklich anerkannt, daß Dispense da erteilt werden sollen, woabsolute Unkenntnis der deutschen Sprache eine Verhandlung istdieser zur Unmöglichkeit macht, und wo der Gebrauch des fremdenIdioms nicht zu dem ausdrücklichen Zwecke stattfindet, die Abkehrvom deutschen Vaterlande zu vertiefen oder dem Deutschen Reichefeindliche Bestrebungen zu fördern. Nun bin ich gefragt worden,wie es mit den Bevölkerungsteilen gehalten werden soll, bei denendiese Voraussetzungen zutreffert. Ich kann dazu erklären, daß dieLandesregierungen, in deren Gebieten diese Bevölkerungsteile vor-handen sind, entschlossen sind, ihrerseits, sei eS im Wege der Landes»gesetzgebung, sei es durch eigene Anordnungen das Nötige zu ver-anlassen, um den vorgebrachten Wünschen derart zu entsprechen,daß jede Störung eingebürgerter Sitten und Gebräuche loyaler Be-Völkerungsteile vermieden wird.(Bravo! bei der Mehrheit.) HerrGräf hat dann auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die der christ-lich-nationalen Arbeiterbewegung aus dem Z 7 erwachsen könnten.Auch hier halte ich mich zu der bestimmten Annahme für be-rechtigt, daß die Landesregierungen ihre Maßnahmen so treffenwerden, daß, soweit diese Teile der Arbeiterschaft in Betrachtkommen,(hört! hört! bei den Sozialdemokraten) sie durch un-geeignete Anwendung des§ 7 in Verfolg gesetzlicher Bestrebungenauf dem Gebiete der Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältmssenicht beeinträchtigt werden.(Bravo! rechts.) Herr Gregoire hatbereits erklärt, daß die Landesverwaltung Elsatz-Lothringen für denFall des Zustandekommens des 8 7 beabsichtigt durch Erlaß einesLandesgesetzes den bisherigen Rechtszustand hinsichtlich des Ge-brauchs der französischen Sprache in Versammlungen aufrecht zuerhalten. Ich kann erklären, daß die Reichregierung diesem Bor-haben nichts in den Weg legen wird.(Bravo! bei der Mehrheit.)Bis zum Zustandekommen eines solchen Landesgesetzes kann dieLandeszentralbehörde ja Ausnahmen bewilligen. Ich hoffe, daßmeine Erklärungen zum baldigen Zustandekommen des Gesetzes bei-tragen werden.(Lebhaftes Bravo l bei der Mehrheit.)Abg. Dr. Bonderscheer(Z.): Den liberalen AbgeordnetenBayerns rufe ich zu: qui e'excuee, s'oceuse.(Wer sich entschuldigt,klagt sich an.) Der Liberalismus ist gerichtet vor der Geschichte!Die Resolution Gregoire ist nach den Erklärungen deS Staatssekretärs ja ziemlich gegenstandslos. Tief geschmerzt aber hat michin den Ausführungen GregoireS. daß er für das Gesetz sich aus-sprach. DaS gesamte elsässische Zentrum ist in der Verwerfung desGesetzes solidarisch. Der Schlag des§ 7 richtet sich gegen diePolen, er trifft aber auch unsere französisch sprechende Bevölkerung.Die Unterdrückung der Muttersprache von Reichs wegen hemmtjede Versöhnungspolitik und verletzt das Rechts-empfinden unseres Volkes aufs schwerste. Unterder französischen Herrschaft konnte die deutsche Mutter-spräche sich frei betätigen und wurde soyar staatlichgefördert.(Hört! hört!) Diese Erinnerung lst nicht geeignet,Zufriedenheit mit den bestehenden Zuständen zu schaffen. Nach denErklärungen des Staatssekretärs kann es ja scheinen, als ob fürElsaß-Lothringen die Gefahr des Z 7 nicht besteht. Aber solche Er-klärungen sind unverbindlich und die Erfahrung lehrt, daßsolche Verjprechungen später zuweilen nicht erfülltsind. Aber wenn eS auch sicher wäre, daß für Elsatz-Lothringendie Nachteile deS Z 7 beseitigt würden, so müssen wir doch dagegenstimmen, weil wir ein solche? ungeheuerliches Verbot der Mutter-spräche ganz allgemein mißbilligen und auch gegen unsere polnischeBevölkerung nicht ergehen lassen wollen.(Bravo! beim Antiblock.)Es ist das eine Gewaltmaßregel, zu der wir nie die Hand bietenwerden.(Anhaltendes Bravo! beim Antiblock.) Schließlich willich den Liberalen einen Mie? der Redaktion des„Generalanzeigersfür das Judentum" übermitteln, worin ausgeführt wird, daß dieLiberalen wie jetzt gegenüber den Polen auch einmal den Judengegenüber den Grundsatz verletzen könnten, der ein Fundamentder liberalen Weltanschauung ist. Ich warne sie noch ein-mal. die Kette des ß 7 unserem Volke um den HalSzu legen.(Bravo! beun Antiblock.)Abg. Dr. Müller-Meiningen(fts. Vp.): Der Abg. Legienverlas hier vorher a n g e b l i ch e A u s f üh r u n g en, die ich alsLandtagsabgeordncter Müller-Hof im bayerischen Land-tage gemacht haben sollte. Legien ist ehrlich genug, seinen Irr-tum einzugestehen, und ist nur durch einen Zufall verhindert, daßer nicht vor mir zum Worte kam. Er hatte beabsichtigt, seinen Irr-tum unter dem Ausdruck des Bedauerns zurückzunehmen. Nichtgegen Legien erhebe ich den Vorwurf, daß er hier gegen mich Stim-mung machen wollte, sondern in erster Reihe gegen das Zentrum.das seine Ausführungen mit dauerndem Hört! hört! begleitete.(Abg. Müller-Meiningen verliest diese� Ausführungen und wirdvom Zentrum mit ironischen Rufen: Hört! hört! begleitet.) WasLegien vorgetragen hat. ist ein Artikel der„Frankfürter Zeitung",unterschrieben L. Quidde. LegfensguterGlaubeistganzzweifellos. Aber er wird mir doch zugestehen müssen, daß eseine bodenlosere Leichtfertigkeit nicht gibt gegen-über einem politischen Gegner.Präsident Graf Stolberg: Ich nehme an. daß Sie nicht einender Herren Abgeordneten gemeint haben.(Große Heiterkeit.)Abjj. Dr. Müller-Meiningen: I ch habe Herrn Legiengemeint.Präsident Graf Stolberg: Der von Ihnen gebrauchte Ausdruckist nicht zulässig.Abg. Dr. Müller-Meiningen: Der geradezu fanati,che Haßgegen uns hat sich hier wieder gezeigt. Es ist das die Folge einerseit Wochen fortgesetzten Preßhetze.(Hört! hört! Die folgendenAusführungen des Redners werden von demonstrativen Hört!hörtURufcn im Zentrum begleitet.) Was hat die Presse nicht allesgegen uns gesagt? Geradezu Orgien des Fanatismus sind ge-feiert worden. So sagt der„Vorwärts": Der Freisinnleidet an galoppierender Korruption.(Sehrrichtig! bei den Sozialdemokraten.) Er spricht von„politischerSchurkerei", er nennt die Freisinnigen die„AuSgehaltenen derBörse", er spricht von ihren„politischen Geldgebern", von„poli-tischcm Gesindel", und nun die schönste Stelle(Lebhaftes Hört!hört! Präsident Graf Stolberg: Ich bitte um Ruhe. StürmischeHeiterkeit):„Vom Kopf bis zur Zehe korrumpiert, Verrat schwitzendaus allen Poren, zu verächtlich, um noch ein Gegenstand des Haffessein zu können". Wenn ich alle diese Schmutzereien gegen meinePerson lese, da muß man so abgebrüht werden.(Zuruf bei denSozialdmokraten: S i n d S»e a u ch! Heiterkeit.) Vorhin erfolgtehier auch ein Zuruf, der das stärkste andeutete, was hier gegeneine politische Partei vorgebracht wurde. Der Zuruf: DasBörsengesetzl DaS deutet eine infame Verleumdung an.'Wie können wir noch mit einem politischen Gegner reden, wenn inderartiger Weise vorgegangen wird. DaS ist der Ton eines sozial-demokratischen Flugblattes, in welchem gesagt wird:„An demmoralischen Bankerott ist dieser Sippschaft nichts gelegen, aberseinen finanziellen Zusammenbruch fürchtetder Freisinn, und deshalb verschachern diese Söldlinge desKapitalismus die Volksrcchte."(Lebhafte Pfuirufe bei den Frei-sinnigen.) Das ist eine Infamie.� und in diesem Tone geht eSweiter. Hier wird zum Beispiel in einer sozialdemokratischen Zei-tung ausgeführt, daß der Reichskanzler den Helden von der frei-sinnigen Volkspartei seine nachdrückliche materielle Unterstützungim Wahlkampf zugesichert hat.(Zustimmung bei den Sozial-dcmokraten.— Eickhoff!) Weiter sagt der Artikelschreiber, erwolle der Welt erzählen, wie der Freisinn Regierungspartei wurde.Das können wir Ihnen ganz offen sagen, das geschah am 13. De-zember 1906, weil die damaligen Mehrheitsparteien ihre Pflichtund Schuldigkeit nicht getan haben.(Große Unruhe im Zentrum.)Mit dem bayerischen Gesandten habe ich Mitleid.(Lachen imZentrum.) I» Bayern gibt es ja nichts Gefährlicheres, als in Ver-bindung mit Liberalen zu stehen, und ich verstehe sehr wohl dieRüge deS Dr. Schädler. Wie konnte der Gesandte auch nur hier-her gehen und die Blockfrucht loben.(Abg. Singer(Soz.): Das �ist auch wunderbar.— Stürmische Heiterkeit.) Die Herrenvon der äußersten Linken haben am wenigsten Grund, unS Vor-würfe beim s 7 zu machen. Sie waren in der Kommission pol-nischer als die Polen selbst.Präsident Graf Stolberg: Ich bitte, nicht unter Nennung derParteien auf die Kommissionsverhandlungen einzugchen.