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Staatssekretär v. Lethmann-Hollweg: Ueber die Frage, ob auch Verabredungen zur Erhaltung bestehender Arbeitsbedingungen unter den§ 3a fallen sollen, haben wir uns in der Kommission stundenlang unterhalten. Ich habe Erkenntnisse des Oberverwal- tungsgerichtS vorgelegt, die dahingehen, daß auch Verabredungen zur Erhaltung geltender Lohn- und Arbeitsbedingungen unter den § 1B2 der Gewerbeordnung fallen. Der andere Wunsch der Sozial- dcmokraten ist bereits erfüllt, was aus dem Wortlaut des§ 8a hervorgeht.(Hört? hört! bei der Dtehrheit.) Abg. Legten(Soz.): Die Erklärung des Staatssekretärs klingt recht einleuchtend. In der Praxis wird dieSache aber einen ganz anderen Verlauf nehmen. Wenn die Mehrheit auch das will, was unser Antrag verlangt, dann mag sie es, um allen Mißverständnissen vorzu- beugen, in das Gesetz hineinschreiben.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Diskussion. Der Antrag Preiß wird abgelehnt. Die Abstimmung über die beiden sozialdemo- kratischen Anträge ist eine namentliche. Der erste Antrag wird mit 205 gegen l67 Stimmen abgelehnt. Ebenso wird der zweite Antrag abgelehnt.§ 3a wird in der Kommissionsfassung an- genommen, desgleichen finden die§8 4 6 in der Kommissions­fassung debattelos Annahme. 8 7 bestimmt im Absatz 1: Die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen sind in deutscher Sprache zu führen." Die Abgg. Albrecht und Gen.(Soz.) beantragen, vorVer- sammlungen" einzufügen:politischen". Der Absatz 2 des Z 7 nimmt von der Vorschrift deS Absatz 1 aus internationale Kongresse, sowie Versammlungen der Wahl- berechtigten zum Betriebe der Wahlen. Die Abgg. Albrecht u. Gen.(Soz.) beantragen ferner, auch die Versammlungen zur Erörterung gewerkschaftlicher Angelegenheiten (Z 3a, Abs. 3) von der Vorschrift des Absatz 1 auszunehmen. Dasselbe beantragen auch die Abgg. Graf Hompesch und Gen. (Zentrum). Abg. Ledebour(Soz.): Da» Gesetz isteinAuSnahmegesetzschlimmsterArt, diesen Charakter erhält eS besonders durch den Z 7, der eine Neuerung für das Versammlungswesen in ganz Deutschland schafft. Angenommen ist dieses Gesetz von der Mehrheit der Volks- Vertreter, die aber nur eine Minderheit des deutschen Volkes ver» treten. Auf Grund der Abstimmung über ß 7 habe ich hierüber eine Zusammenstellung gemacht, wobei ich zu der Mehrheit dieses HauseS auch die Stimmen der unabhängigen Lothringischen Landes- Partei gezählt habe. Die Minderheit der Wähler, deren Abgeord- neten das Gesetz angenommen haben, beträgt 5 Millionen 189 326 Stimmen. Für das Zentrum, die Polen , die Sozialdemokraten und die vier vernünftigen freisinnigen Abgeordneten.(Große Heiterkeit.) Vizepräsident Dr. Paasche: Herr Abgeordneter, Sie dürfen keinen Abgeordneten unvernünftig nennen. Durchschnittlich sind alle Abgeordneten vernünftig.(Große Heiterkeit.) Abg. Ledebour (fortfahrend): Fch habe nicht behauptet, daß die anderen Abgeordneten nicht vernünftig sind. Das wäre nur eine Schlußfolgerung, die ich also nicht ziehen will.(Große Heiterkeit.) Also für die Abgeordneten der Minderheit sind über V Millionen Stimmen abgegeben worden. Daß diese nicht auch die Mehrheit de» Reichs» tages bestimmen, liegt daran, daß wir eine durchaus un- gerechte Wahlkreiseinteilung haben. DaS mögen sich namentlich die Herren vom Zentrum ad notam nehmen. Die Herren, welche den Z 7 angenommen haben, haben wohl keine richtige Vorstellung davon, wie außerordentlich schwierig eS ist, sich in einer fremden Sprache auszudrücken oder auch nur Verhand» lungen in einer fremden Sprache zu folgen. Die Herren Polen . welche hier zum Teil besser deutsch sprechen, als manche Herren auf der rechten Seite, werden mir bestätigen, mit wie großen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, wenn sie jeden Gedanken sprachlich lichtig ausdrücken wollen. Und nun denken Sie gar an die Bevölkerung, die in einer Gegend lebt, in der selbst der Deutsche nur zum geringsten Teile richtig deutsch sprechen kann. Die Sprachbildung, die sie später auf dem Kasernenhof genießen, ist auch nicht geeignet, die Mängel der Schulbildung zu heben. Indem Sie an diese Leute die Anforderung stellen, die Verhandlungen in Versammlungen in deutscher Sprache vorzunehmen, nehmen Sie ihnen tatsächlich die Möglichkeit, ampolitischen Leben überhaupt teilzunehmen, wenigstens soweit es sich in öffentlichen Versammlungen abspielt. Dieses KOprozentige Ausnahmegesetz teilt die polnische Bevölkerung in eine halb und in ein, ganz entrechtete. Gerade diejenigen Orte, in welchen die Polen ihre kulturellen Mittelpunkte haben, fallen schon jetzt unter das Ausnahmegesetz. Roch viel schärfer trifft die Ausnahmebestimmung die G e w e r k- schaftsbewegung, die deutsche sowohl, wie die der Polen . Auch diese konzentriert sich natürlich in den großen und kleinen Industrieorten, und ist fast gar nicht vorhanden in den kleinen Orten, die der Ausnahm« unterliegen. Das ganze rheinisch-west. fälische Industriegebiet, das ganze oberschlesische, fällt unter die- zenigen Orte, die weniger als S0 Proz. polnischer Bevölkerung haben. Schon dadurch zeigt sich dieser Paragraph als ein Ausnahmerecht gegen Polen , Sozialdemokraten und Gewerk- schaftlcr. Und da? entspricht auch den innigsten Herzenswünschen der Herren, die die Einbringung dieses Paragraphen betrieben, und die ihn dann eingebracht haben. Ich glaubte, wenn die Regierung in der Lage wäre, dem widersprechen zu können, was hierüber be- hauptet wurde, daß dann entweder der Reichskanzler, der ja hier verschiedentlich hospitiert hat, oder Herr v. Beth- mann-Hollweg auf Grund von Mitteilungen des Reichskanzlers ein Dementi geben würde. Wir haben aber die merkwürdige Erscheinung erlebt, daß Herr v. Bethmann-Hollweg . um einen angeblichen Ausspruch BülowS zu dementieren, sich nicht auf B ü I o w berief, sondern auf ein Dementi d e S?l bg. Ä eh re n S.(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Bei Herrn Behrens also werden wir künftig anfragen müssen, wenn die Regierung sich in Schweigen hüllt.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) DaS stimmt auch ganz gut zu der hohen Wertschätzung, welche die Regierung den Herren von der Wirtschaftlichen Vereinigung zuteil werden ließ. Berief sich doch Herr v. Bethmann-Hollweg bei der Auslegung dieses Gesetzes auf den A m t S r i ch t e r Graf, der zur selben Parteigruppe gehört, und hier den schönen Grundsatz. vertreten hat, daß Macht vor Recht geht. Das scheint Herrn v. Bethmann-Hollweg so im» paniert zu haben, daß er sich auch bei der anderen Anfrage auf Herrn Behrens berief. Die Ausführungen deS Herrn Staats» sekretärS darüber, wie die Regierung den Bearifi der öffentlichen Versammlung auslegt, genügen nicht. Herr Schräder hat zwar eben noch versichert, daß bei Regierung alles aufbieten wird, den vielen Uebergrisfen der Beamten entgegenzutreten. Da halte ich eS für notwendig, daß der Staatssekretär endlich eine klipp und klare Antwort gibt, ob unter den§ 7_ des Gesetzes gewerkschaftlich« Versammlungen überhaupt fallen sollen. Der Abg. Graf hat in der zweiten Lesung an den Staatssekretär die Frage gerichtet, ob durch den Z 7 der christlichen Gewerkschaftsbewegung Nachteile erwachsen würden. Darauf hat der Staatssekretär nur geantwortet, daß die ch r i st. lich- nationale Arbeiterbewegung nicht schikaniert werden sollte. Auf. eine" spätere Anfrage deS Abg. M ü l l e r- M e i. ningen hat der Staatssekretär dann noch geantwortet, daß keineswegs nur die christlich. nationale Arbeiter- bewegung vom§ 7 verschont werden solle. Das kann natürlich ein so genügsames Gemüt, wie das des Abg. Heckschcr befriedigen. Uns genügt diese Antwort nicht. Als mein Fraktionsfreund Hue eine klipp und klare Antwort über das, wa» mit den freien GeWerk- schaften geschehen solle, verlangte, da hat sich der Staatssekretär «tplomatisch auSgeschwicaen. (Sehr richtig! beiden Sozialdemokraten.) Ich entnehme aus den Erklärungen des Staatssekretärs, daß die freien Gewerkschaften und die Gewerkschaften der Polen unter den Z 7 gestellt werden sollen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herr Bethmann-Hollweg , der nach dem, was wir in der letzten Zeit von ihm gehört haben, wohl ein Diplomat, aber kein Staats- mann zu sein scheint, hat die Methode der unklaren und ungenauen Beantwortung klarer Fragen gewählt, damit er später, lvenn er gefragt wird, antworten kann, daß er niemals sich für Befreiung der freien Gewerkschaften von den Fesseln des§ 7 ausgesprochen hat. Der Abg. Hansen, hat uns nachgewiesen, daß in Nordschlcswig sogar Hochzeiten und künstlerische Veranstal- tungen als politische Versammlungen angesehen sind.(Abg. K o r f a n t y ruft: Bei uns in Oberschlesien i st d a s a u ch s o!) Dann liegt eben nicht nur ein Uebergriff eines einzelnen Polizeibeamten in Schleswig oder Oberschlesien vor, son- dern dann besteht eine generelle Praxis. Ich richte die Frage an den Staatssekretär, wie er über diese Praxis denkt, und ob sie auch unter dem neuen Gesetz noch befolgt werden soll? Wie unerhört die gewerkschaftliche Bewegung drangsaliert wird, mag ein Brief vom 11. Februar aus Bochum beweisen, in dem dem Abg. Legten mitgeteilt wird, daß sich in Recklinghausen ausländische Bergarbeiter, die sich abmeldeten, auf dem Rathaus« melden mußten, wo ihnen eröffnet wurde, sie müßten binnen 24 Stunden Deutschland verlassen oder au» dem sozial- demokratischen vergarbeiterverband austreten. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) So sieht die Wirklichkeit auS, das ist das Wohlwollen, das Herr v. Bethmann-Hollweg für die Gewerkschaftsbewegung zu haben hier vorgibt. Ich möchte die freisinnigen Parteien bitten, den wenigen Herren zu folgen, die wie Herr Potthoff so einsichtsvoll waren, gegen die Schika- nierung der Gewerkschaftsbewegung zu stimmen. Nun hat der Abg. v. Payer eingewendet, man könne in Deutschland nicht jeder fremden Sprache dasselbe Recht einräumen wie der deutschen . Darum handelt es sich gar nicht. Es handelt sich um bestimmte Volksbestandteile, die entweder bei uns heimatsberechtigt geworden sind, oder die von den Unternehmern in Massen nach Deutschland geschleppt werden. Diesen Leuten muß man die Möglickikeit geben, sich über ihre Lage in der Muttersprache zu unterhalten. Darüber kommt man mit advokatorischen Einwänden, wie sie der Abg. v. Payer gemacht hat, nicht hinweg. Wenn daS Bedürfnis dastr vorhanden ist, in Versammlungen die Muttersprache zu ge- brauchen, dann muß auch das Recht gelten, sich ihrer zu bedienen. (Sehr wahrt bei den Sozialdemokraten.) Wenn die Freisinnigen daS bestreiten, so beweisen sie nur, daß sie allmählich auf den Standpunkt der polizeilichen Bevormundung angelangt sind, auf den Standpunkt, daß die Beamten nicht der Bewohner wegen, sondern die Bewohner der Polizei wegen da sind. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Hat doch der Abg. von Payer selbst zugegeben, daß daS ganze Gesetz auf dem Grundsatz der polizeilichen Uebcrwachung aufgebaut sei. Damit hat er den Polizeistaat in jeder Beziehung anerkannt. Nun hat sich der Abg. tieber auf den Demokraten Jordan berufen. DieFrankfurter eitung" hat bereits darauf hingewiesen, daß Jordan nach heutigen Begriffen ein Nationallibcraler genannt werden müsse. Wilhelm Jordan als Demokraten zu bezeichnen lväre ebenso falsch, als wenn ein Geschichtsschreiber den Abg. v. Payer, weil er sich Demokrat nennt, als einen Gewährsmann für die jetzt geltende demokratische Auffassung bezeichnen würde.(Sehr gut! bei den Sozialdemo- kraten.) Ich vermag mit dem besten Willen einen ernstlichen Unter- schied zwischen der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft und den Herren Nationalliberalen nicht mehr finden. Ich gebe den Herren den Rat, ihre Fraktionsgemeinschaft zu erweitern zu einer G e» meinschaftderervonPayerbisBassermann. Erst diese Gemeinschaft würde der jetzigen Lage vollkommen entsprechen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) ES liegt in der histo- rischcn Entwickelung begründet, daß daS Bürgertum immer mehr kapitalistischer geworden ist, daß die Arbeiter sich vom Liberalismus völlig abwenden.(Inzwischen hat sich der Abg. Bassermann zum Abg. v. Payer begeben und sich neben ihn gesetzt. Heiterkeit.) Ich sehe schon, daß mein Rat befolgt wird.(Heiterkeit.) Also ich wiederhole: DaS Bürgertum verliert mit der Zeit jedes Selbst­vertrauen, es wagt gar nicht mehr, eine Volksbewegung zu ent­fesseln. es macht Konzessionen, aiistatt die Empörung im Bolte über die Reaktion wachzurufen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Darum erschien während der Beratung des Vereinsgesetzes wiederholt Herr v. Sröcher auf der Treppe deS Bundesrats. Er brauchte sich nur hinzustellen als lebendiges Symbol des preußischen Landtages, um die Freisinnigen zu veranlassen, selbst zu tun, was sonst der preußische Landtag getan hätte. ES ging den Freisinnigen da, wie den Buttlerschen Dragonern, die den Wallenstein meucheln sollten. Erst ging es ihnen gegen das Ge- wissen, als ihnen dann aber der Bülow-Buttler mit dem Pestalutz- Krocher drohte, da sagte der Mac Donald-Müller:N a, wenn eS sein muß und soll, dann mag i ch's diesem Pestalutz nicht gönnen."(Große Heiterkeit.) Durch diese elende Haltung der freisinnigen Erwählten des ReichStagSwahlrechtS hat der Frei- sinn seine Forderung nach einer Reform de» LandtagswahlrechtS rettungslos diskreditiert.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Polen germanisieren wird dieser§ 7 nicht. Er muß sie ja in die entschiedenste Opposition treiben und muß sie in den revo- lutionären Kämpfen der Zukunft auf unsere Seite führen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Bisher war die Gutmütigkeit und Autoritätsduselei der Polen ihr Nationalfehler, jetzt aber müssen sie immer revolutionärer werden.(Erneute Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Das Deutschtum im Aus- lande wird durch dieses Gesetz aufs schwerste(je- schädigt, nicht nur unsere auswärtige Politik wird diskreditiert, auch die 20 Millionen Deutscher im Auslände werden dadurch auf« schwerste getroffen. Sie schießen nach den Polen und treffe« die Deutschen im Auslände in» Herz. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) In Ungarn , wo die Magharen gegen das Deutsch tu m einen ganz ähn- lichen Kampf führen, wie Sie hier gegen die Polen , wurde ein Deutscher wegen Verherrlichung der Muttersprache zu langer Gefängnisstrafe verurteilt. In dem Gedicht hieß eS: Die Sprache, da» Köstlichste, was wir besitzen, Müßt Ihr schirmen, müßt Ihr schützen, Unsere Sprache, das Erbe der Ahnen, Soll auch noch den Enkel ermahnen, Daß im Leben er niemals vergißt, Stolz zu sein, daß er ein Deutscher ist. Wer deS Vater» Namen nicht ehrt» War der Liebe der Mutter nicht wert. Wer da» Deutschtum verleugnen kann, Der ist ein Wicht und ist kein Mann! Hör' meine Mahnung, so schlicht sie ist: Bedenke, daß Du ein Deutscher bist.(Bewegung.) Genau so könnte hier ein polnischer Dichter sprechen. Schon treibt der Zar, dem Deutschland Liebesdienste über Liebesdienst« erweist, die Deutschen au» Polen heraus und russifiziert weiter die Ostseepro. vinzen. All diese Maßnahmen können sich zu ihrer Recht- fertigung berufen auf die Barbarei der deutschen Regierung und de» deutschen Reichstags, auf die Zustimmung auch der Freisinnigen i» diesem Hausc.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Durch den Z 7 wird die Gewerkschaftsbewegung aufs schwerste geschädigt, durch den§ 7 wird der deutschen Sozialdemokratie die Propaganda unter den Polen in öffentlichen Versammlungen un- möglich, durch diesen Paragraphen wird da» Ansehen de» Deutschen Reiches schwer geschädigt, und die Deutschen im Auslande tverden die Folgen am eigenen Leibe verspüren. Qciickquid delirant reges, plectuntur Achivi.(WaS immre die Herrschenden an Wahnsinns - taten sündigen, müssen die Völker büßen.) Auch dieses Gesetz, das den Eindruck macht, als sei es von Leuten gemacht, die nicht mehr ihre fünf Sinne hatten, wird das deutsche Boll büßen müssen. (Lebhafter, anhaltender Beifall bei den Sozialdemokraten und Polen .) Abg. Sehda(Pole): Die Kritik der Oppositionsparteien an diesem Gesetzentwurf war vernichtend.(Sehr wahr I) Die Mehrheitsparteien antworten nicht erst, weil sie keine Argumente mehr haben und weil sie sich nicht auf Gründe, sonder» auf ihre Macht st si tz e n. Die Behauptung, daß eS uns mit der Opposition nicht ernst ist. ist eine unerhörte Beleidigung.(Sehr lvahr! bei der Minder« heit.) Dieses Attentat gegen die EntwickellingSmöglichkeit deS polni­schen Volkes muß uns ja zum äußersten Widerstand reizen.(Sehr wahr I bei der Minderheit.) Die Haltung des Frei- sinns kann nicht ernst genug verurteilt werden.(Lebhafte Zustinimung bei den Sozialdemokraten und den Polen .) Wenn die Regierung aber glaubt, eine Ueberwindung der polnischen Nationalität erreichen zu können, so irrt sie. Die Mehrheilsparteicn haben den Sinn für Recht und Unrecht verloren; aber die polnische Sprache und Eigen- ort werden Sie nicht unterdrücken.(Bravo I bei den Polen .) Abg. Behrens(wirtsch. Vg.): Bezüglich der angeblichen Er» klärung deS Reichskanzlers über den Ursprung d e S Z 7 erwidere ich Herrn Hue, daß eS bei der Erklärung bleibt, die ich am 25. Dezember 1907 im Einver- ständni» mit allen Mitgliedern der Deputation veröffentlicht habe. Auch Herr Medeberg hat mir sein Einverständnis ausgedrückt. Herr Korfanty sollte doch die Namen derjenigen nennen, zu denen der Reichskanzler die Aeußernng getan haben soll. Staatssekretär v. Bethmaun- Hvllweg: Im Namen des Reichskanzlers habe ich zu erklären, daß er zu den Mit- gliedern der Deputation geäußert hat, der§? entspreche der von ihm stets befolgten Ostmarkenpolitik und werde seines Wissens auch von großen Parteien gewünscht. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Eine Einwirkung industrieller Kreise auf den Reichskanzler hat weder direkt noch indirekt stattgefunden. Seitens der Blockparteien wird ein Antrag auf Schluß der Debatte gestellt. Abg. Singer(Soz.. zur GeschäftSordnimg): Zum Wort ge- meldet war jetzt der Abgeordnete Hue. Wir habe» eS für selbst­verständlich gehalten, daß ihm nach den Angriffen auf ihn daS Wort ver stattet würde; deshalb beantragen wir über den Tchlußantrag namentliche A b st i m m u n g. Der Antrag wird von den Polen und Sozialdemokraten unter- stützt. Die Uiiterstütziliig reicht aus. Der Schlußantrag wird mit 201 gegen 132 Stimmen bei fünf SUininentbaltuiigen angciionime». Abg. Korfanty (Pole, zur persönlichen Bemerkinig): Die Er« klärung' des S r a a t§ s e k r e t ä r s hat meine Behaupt niig nur bestätigt. Abg. Hue(Soz.): Den Beweis für meine Behauptung kann ich weder im Rabnien einer persönlichen Bemerkung, noch zur Ge- scbäsisordillmg gebe». Ich stelle fest, daß rr mir durch den Schluß- antrng abgeschnitten ist. Der erste sozialdemokratische Antrag wird in namentlicher Ab- stimiiiuiig mit 199 gegen 170 Stiniinen abgelehnt. Der zweite sozialdemokratische Antrag ivird abgelehnt(für ihn stimmen die freisiiiiiigen Abgeordneten Naumann, Dr. Neu« in a n n- H o f e r, P o t l h o f f). Der Antrag des Zentrilms ivird in namentlicher Abstimmung mit 197 gegen 169 Stimmen abgelehnt. Darauf wird der§ 7 in der Fassung der Kommisston an» genommen. Die§§ 8, 9, 9a, 10 werden debattelos angenommen. § 10a enthält das Verbot der Teilnahme an politischen Ver­einen und Versammlungen für Personen unler 18 Jahren. Hierzu beantragen die Abgg. A l b r e ch t und Genossen(Soz.), vie Ausnahme von den, Verbot für Vereine lind Versammlungen mit gewerkschaftlichen Bestrebungen direkt auszusprechen. Abg. Dr. Frank(Soz.): In diesem§ 10a zeigt sich die Mehrheit polizei­licher als die Polizei, preußischer als die preußische Regierung. Freilich sagen Sie, Sie werde» nicht von politischen, sondern von pädagogischen Gründen geleitet. Diese selben Gedankengänge haben vor Jahren zur Verfolgung der studentischen Jugend, zu den be- rüchtigten Demugogenverfolgungen geführt. Die freisinnige Partei befindet sich jetzt auch im Stadium der Demagogcu- verfolguiigcn.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Als jüngst der Aufruf eines Gymnasiasten zur Gründung eines nationalen Schülervereins durch die Presse ging, sind Sie nicht dagegen ausgetreten. Die politischen Organisalionen des Bürgertiiins nenne» Sie national und wollen sie erhalten, die nationalen Organisationen der Arbeiter nennen Sie politisch und verbieten sie. Durch die Annahme deS Antrages werden aber die Schmutzwellen der Politik nicht von der Jugend serngehalten. Acht Jahre lang in der Volköschiu'e und da»» auf der Fortbildungsschule wird Politik gctricbcil. Es wird dort ein Zerrbild der sogenaiiuteii Umsturzpartei entworfen und Haß eingepflanzt in die Herzen der Jugend gegen die Partei, der ihre Eltern angehören. Nicht die Politik schlechthin wolle» Sie fernhalten von der Jugend, sondern die proletarische und demokratische Politik.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Herr Müller-Meiningen meinte, daß gerade wegen de» Vorgehens unreifer Burschen bis tief. in die Reihen der Frelstiinigen Neigung für diesen Paragraphen bestanden Hab». Aber die Fähigkeit. einen politischen Gegner ruhig anzuhören, hängt nicht vom Alter ab, ich erinnere nur daran, wie unangenehm Ihne» vor einige» Tagen der Abgeordnete v. Dziembowski war; es warendoch nicht Minderjährige, die ihn unterbrachen.(Große Heiterkeit bei den Sozial- demokraten und im Zentrum.) Die Ausführungen Müller- Meiningens über das Benehmen Minderjähriger in den Versanim- lungen sind wohl eine Folge der Erfahrlmgen, die seine Partei­genossen init Blockbrüdern gemacht haben, vielleicht mit den temperamentvollen Herren von den deutsch - nationalen HandlungSgehülfen.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Aber gerade gegen diese hilft ihnen daS Gesetz nicht. Denn diese, das ist seit der Wahlnacht ja oft konstatiert worden, stehen über de», Gesetz. Sie nehme» lediglich 200000 jugendlichen Arbeitern daS Koalitionsrecht. Sie sagen, das Gesetz soll gleichmäßig für alle Schichten gelten. Aber einen Arbeiter von 16 Jahren dürfen Sie nicht mit einem Gymnasiasten von 16 Jahren vergleichen. Die Not, die Annut, die wirtschaftliche Selbständigkeit reifen den Mensche» sehr früh.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Der für sich selber sorgt, ist sehr früh ge- zwungen. über die Welt und die Gründe der wirtschaftlichen Not nachzudenken.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie auch formell gleiches Recht schaffen, tun Sie der Arbeiter» llasse unrecht, schaffen Sie in W a h r h e i t ein AnSnahmerecht. (Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten.) Sie»lachen«S den jugendlichen Arbeitern unmöglich, sich politisch zu bilden, verlangen aber, daß sie sich über schwierige politische Begriffe Aar sind. Wenn die jugendlichen Arbeiter in den Versammlungen bleiben, werden sie bestraft; zuerst mit Geld, und da sie gewöhnlich kein Geld haben, sperrt man sie ein. Dabei hat in derNational-Zeitung" der RechtSlehrer Heintze einen Aufsatz veröffentlicht, in de», er verlangt, daß man mit den zahl« reichen kleinen Freiheitsstrafen aufhöre. Hier schaffen Sie ein neues Gesetz nur gegen Jugendliche, das ist Ihre Straftechtöreform. Sie wollen mit den, Gesetze es der Sozialdemokratie unmöglich machen, sich einen Nachwuchs zu sichern. Wer bilden