gtlmmnen(Stürmische Heiterkeit). Ohne den Fürsien BiZmarck und seine falsche Politik Ihnen gegenüber wciren Sie nie das geworden, was Sie heute sind. Die Sozialpolitik mit ihren Zwangsschablonen entspricht auch zum Theil Anschauungen. welche ein Nährboden für Ihre Ideen sind. Einen berechtigten Kern erkenne ich bei der Sozialdemokratie überhaupt nicht an. Je mehr man durch die dicke Schale durchdringt, um so mehr «rkeunt man, daß der Kern taub ist. Und das"dem Volke klar emacht zu haben, ist der Werth dieser viertägigen Debatte.(Leb- aster Beifall.) Auf Antrag des Abg, Singer wird die weitere Berathung Vm 53/4 Uhr auf Dienstag 1 Uhr, vertagt. Uoftsles. ©Ml Dr. Franz Mehring erhalten wir folgende Zu- fchnst: . Verehrter Herr Kollege! Zu meinem lebhasten Bedauern BUib ich nochmals Ihr« Unterstützung gegen Verunaliinpfungen der kapitaltnischen Presse beaiisprucheu. In einem am 3. d. M. stattgehabten Prozesse wurde ich als Zeuge vernommen, und der Rechtsanwalt Wreschner glaubte meine für seine Mandanten, namentlich den Herrn Julius Schweitzer, belastende Aussage da- durch entkräften zu sollen, daß er in verdächtigender Unterstellung behauptete, ich sei die Unterstützung-kass» des Vereins„Berliner Presse" bittweise angegangen. Ich stellte darauf fest, daß ich vor mehr als zwanzig Jahren als ganz junger Bursch vorüber- gehend Mitglied des genannten Vereins gewesen bin und damals gemäß meinem statutenmäßigen Rechte aus der von Mitgliederbeiirägen gespeiuen Darlehnskasse ein kleines Darlchn entnommen und zurückgezahlt habe. Der Rechtsanwalt Wreschner hatte darauf nichts zu sagen. In den Berichten der bürgerlichen Presse über den Prozeß war meine Aufklärung so ungenau wieder- gegeben, daß ich ihnen, soweit sie mir zu Gesicht kamen, eine lhatsnchliche Berichtigung einsandte. Jndesien nur die„Kreuz- Zeitung " entsprach Meinem Ersuchen in loyaler Weise; kapitalistisch- liberale Blätter haben meine Einsendung einfach unter den Tisch geworfen, was bei dieser Sorte ja auch weiter nicht zu ver- wundern ist; die„Vossische Zeitung" aber erklomm den Gipfel der Unanständigkeit, indem sie meine Berichtigung durch Streichen fälschte und mit Benutzung dieser Fälschungen, sowie mit Zuhilse- nähme der jetzigen Vereinsstaluten, die mich schlechterdings nichts angehen, de» Schein zu erwecken suchte, als hätte ich mit dem oben angeführten Thatbestande eine anfechtbare Handlung begangen. Ich erstaune darüber um so mehr, als Herr Stephany es doch so leicht gehabt hätte, mich durch einen wirklich nicht ganz so harmlosen Jugendpump, wie jenes Darlehen, öffent» lich bloszusiellen. Vor mehr als zwanzig Jahren hing ich auch einmal bei einem Wucherer, gemeinsam mit Herrn Stephany, nur daß ich ein Etudentlein von kaum zwanzig, er aber ein gereifter Staatsmann von vierzig Jahren war, und daß ich dem Wucherer weine öi) oder noch mehr Prozent richtig abgeladen habe, während Herr Stephany sich beeilte, in so enge Beziehungen zu dem Biedermann zu treten, daß er einmal im Erbgange besten rein- lichen Erwerb bis aus den letzten Heller erhalten mußt« und er- halten hat. Mir hierüber die Leviten zu lesen, vergißt Herr Stephany hoffentlich nicht ebenso, wie er die den Lesern der „Vossischen Zeitung" öffentlich versprochene Aufklärung über seinen in Sachen Marx geleisteten Folscheid bisher vergessen hat. Es thut mir leid, verehrter Herr Kollege, Ihren Raum mit einer solchen Lappalie zu beanspruchen, aber ich habe Besseres zu thun, als mich mit der Unanständigkeit des kaprtalistischen Packs, das auf jener TarlehnSgcschichte herumreitet, weiter herum- zuschlagen, und ich weiß aus Erfahrung, daß seine summarische Züchtigung im„Vorwärts" zur Erledigung der Sache genügt. Mit kollegialem Gruß F. Mehring. Die Arbeitslose« vo» Steglitz haben auf ihre Resolution, welche in der Versammlung vom 9. Januar angenommen und der Gemeindevertretung unterbreitet wurde, in welcher Re- solution sie von der Gemeindeverwaltung Arbeit resp. schleunige Inangriffnahme der Kanalisation verlangten, vom Amtsvorsteher Herrn Zimmermann folgende Antwort erhalten: „Sieglitz, den 26. Januar lSK3. Auf die am 9. Januar von der Bersaminlung arbeilsloser Männer im Kurhaus zu Friedenau gefaßte und der hiesigen Gemeindevertretung unterbreitete Re- solulion benachrichtige ich Sie, daß die Gemeindevertretung vo» der durch die harte Kälte dieses Winters eingetretenen Erwerbs- losigkeil vieler Arbeiter theilnehmend Kenntniß genommen hat und gern bereit sein würde, die dadurch in vielen Familien hervor- gerufene Bedrängniß durch Inangriffnahme der Ausführung der Kanalisation zu mildern. Leider sind aber die nöthigen Vorarbeiten hfllrzu noch nicht soweit gediehen, um schon hiermit beginnen zu können, namentlich steht die landespolizeiliche Genehmigung zur Ausführung des Projektes noch aus. So weil die kommunalen Aufgaben es ermöglichen, werden die durch die Witterungs- Verhältnisse gebotenen Arbeilen zur Ausführung gelangen, um Bedürftigen durch Gelegenheit zur Arbeil Verdienst zu schaffen." Von kommunalen Ausgaben im Interesse Arbeilsloser haben diese, wie uns geschrieben wird, bis jetzt leider wenig verspürt. Als der starke Schneefall war, da wurden ja einmal aus ein paar Tage ca. 199 Mann beschäftigt. Wie viele waren aber arbeitslos'i Ter„Steglitzer Anzeiger" schrieb in seiner Nummer vom 31. Januar: Wie wir aus sicherer Quelle entnehmen, war der dritte Theil unserer für Tagelohn arbeitenden Einwohner ohne Arbeit. 1409 Geiiieindemiiglieder befanden sich demnach in bitterster Nolh. Die Gemeindeverwaltung hat sich nach Kräften bemüht, diesen Nothstand zu lindern. In den der Gemeinde gehörigen Straßen wurden limfaffende Reinigungsarbeiten vorgenommen, wohl an 200(?) Arbeiter sind hier beschäftigt ec. Von solchen umfassenden Reinigungsarbeiten haben aber, wie schon oben angeführt, die Arbeitslosen sehr wenig gesehen. Wenn Petrus nicht durch Thauwelter den Schnee beseitigt Härle, läge derselbe nach deren Meinung noch jetzt bergehoch. Auch sind diefelbe» der Ansicht, daß die landespolizeiliche Genehmigung zur Ausführung der Kanalifalion schon längst zur Stelle sein könnte und daß diese Angelegenheit nicht bis zum Sommer ver- zögert zu werden brauchte,' wo dann schließlich polnische und andere Arbeiter, die billiger arbeilen als die ortsansässigen Steuerzahler, angenoinmen werden. Ais übrigens der Amlsvorsteher die erwähnte Resolution der Gemeindevertretung in öffentlicher Sitzung vorlegte, stellte, wie uns weiter berichtet wird, der deulschireisinnige Gemeinde- Vertreter Hintze den Autrag, diese Resolurion in geheimer(!) Sitzung zu beralhen. Sein"Fraktionskollege Dr. Rnge und mit ihm andere Genieindevertreter hatten indessen doch das unbestimmte Gefühl, daß es nicht ganz richiig sei, hinter verschlossenen Thürs» über die Roth und das Elend der Arbeiter zu deralhen, und so fand denn dieser Antrag keine Annahme. Da hies aber nicht immer der Fall sein dürfte, so wäre es sehr angebracht, wenn auch einige Vertreter unserer Partei in der Gemeindevertrelüng säßen, um dem„Teutsch-Freisinn" bei ähnlichen Gelegenheiten gehörig die Wege zu weisen. Uebcr die Arbeitseinstellung beim Töpfermeister Peest in Spandau halte der dortige„Anzeiger für das Havelland" einen Artikel gebracht, welcher nicht in allem den lhaisächlichen Verhältnissen entsprach. Da das genannte Blatt die Ausnahme einer Berichtigung seitens der streikenden Töpsergesellen ablehnte, so ersuchen dieselben uns um Veröffentlichung folgender Mit- theilung: Ter Töpfermeister Peest zahlte bisher für einen Ofen ohne Me- daillon denselben Preis, wie für eiuen Ofen mit Medaillon. Es entspricht diese Zahlung genau dem bestehende» Lohnlarise- in- dem beide Oese» gleiche Arbeit beanspruchen. Es kann folglich von einer nicht geleisteten Arbeit, wie es in dem Artikel des „A. f. d. H." hieß, keine Rede sein. Ueberdies hat Herr Peest einem großen Theile der bei ihm beschäftigten Gesellen erst Mit- theilung von dem Abzug gemacht, nachdem dieselben schon die ganze Woche gearbeitet hatten. Bezüglich der Be- Häuptling, daß die Gesellen trotz des Abzuges wöchentlich 36 M. verdienen können, ist Herr Peest nicht im stände, den Beweis da- für zu erbringen. Das Gegeutheil können die Gesellen durch ihre Lohnlisten beweisen, welche einen wöchentlichen Durchschnitts- verdienst von 15—16 M. ergeben. Es liegt den Gesellen fern, bei der jetzigen Arbeitsnoth übertriebene Forderungen zu stellen und die Arbeit muthwillig niederzulegen. Sie verlangen nur die Jnnehaltung bezw. Bezahlung des bislang bestandenen Lohn- tarifs und sind der Meinung, daß Herr Peest hierzu sehr wohl im stände ist. Kein Nothstand. Gestern Morgen um 6 Uhr sammelten lich am Dom etwa SOv Arbeiter, welche nach Arbeit fragten. Die Unternehmer hatten nämlich in voriger Woche Aussicht aus Arbeit eröffnet. AlS den Leuten bedeutet wurde, es könnten keine Arbeiter angenommen werden, entstand natürlich berechligter Unwille. Nach dem bei uns giltigen sozialen Rezept wurden die Arbeitslosen schließlich von der Polizei zerstreut, wodurch selbstverständlich Nothstand und Arbeitslosigkeit beseitigt wurde. Ein barmherziger Samariter. Am 31. Januar betrat ein junger Mann in den Abendstunden das Haus Hussitenstr. 13, um in diesem Hause wohnende Verwandte zu besuchen. Auf dem Hofe des Hauses wurde dieser Mann plötzlich von Krämpfen be- fallen, fiel um und wand sich auf dem nassen, kalten Erdboden hilflos umher. Zufällig den Hof betretende Zeitungsfrauen fanden den Bedauernswerthen und benachrichtigten sofort vcn Verwalter des Hauses, den pensionirten Polizeibeamten Lüdcke, damit der- selbe für den Erkrankten Sorge trage. Die Fürsorge, welche der Herr Verwalter dem Erkrankten zu Theil werden ließ, bestand nun darin, daß er diesen auf den kalten Hausflur des Neben- Hauses Nr. 14 schaffte und dort einfach liegen ließ. Hier wurde der Betreffende wiederum gesunden. Die benachrichtigte Ver- walterin dieses Hauses requirirte schleunigst Polizei, und zwei Schutzleute schafften den Unglücklichen mittelst Droschke nach einem jirankenhause. Diese Handlungsweise des pensionirten Polizeibcamten und Hausverwalters Lüdcke erregt unter den Be- wohnern sowie unter den Anwohnern des Hauses berechtigter Weise große Entrüstung, da sie im krassesten Widerspruche mit den einfachsten Pflichten der Menschlichkeit steht. Die Bemühungen der Kriminakpolizeft den Mörder der Frau Leschonska und ihres Sohnes zu ermitteln, haben leider noch nicht zu einem bestimmten Ergebniß geführt. Es ist weder geglückt, den etwa 36 Jahre alten Mann mit starkem blonden Schnurrbart ausfindig zu machen, der sich am Tage des Mordes zwischen 5 und 6 Uhr Abends in verdächtiger Weise vor dem Hause Gerichtftr. 43 herumgetrieben hat, noch den etwa 20 Jahre alten Mann mit blassem Gesicht und dunklem Winterüberzieher, der ungefähr eine Stunde nach Verübung des MordrS von dem Uhrmacher Wenig in der Pankstraße einen Schlüssel für eine goldene Damen-Remontoiruhr verlangt hat. Die Be- bvrden beschäftigen sich mit einer neuen Spur, auf die deren Aufmerksamkeit durch folgenden bemerkenswerthen Umstand gelenkt worden ist. Am Tage nach dem Morde, vor 8 Uhr Morgens, erschien in dem Uhrengeschäft Oraniensiraße 13a ein junger etwa 20 Jahre alter Mann mit dunkelblondem Haar und blassem länglichem Gesicht. Er trug einen dunklen Wrnterüber- ziehet und unter dem Arm ein Packet, das in ein Zeitungsblatt gewickelt war. Dieser Mann hat zunächst eine Zylinder-Remontoir- uhr(Nr. 28 333) mit einer Doubleekette gekauft und darauf dem Uhrmacher eine goldene Damen-Remontoiruhr mit Messing- kuvette und Kette gezeigt und für diese Uhr«inen Schlüssel verlangt. Im Laufe des Gesprächs erzählte der Mann, daß ihm seine Tante die goldene Uhr leihweise überlassen habe, bis er in der Lage sein werde, sich selbst eine Uhr zu kaufen. Dieser Mann hat sich in dem Uhren- gcschäft Schmidt genannt und bei Bezahlung der von ihm erstandenen Uhr eine neue Börse gezeigt, in der sich viel Silber- gelb befand. Dieser Mann ist kurz vorher im Nebenhause in zwei Geschäften gewesen und hat dort Handschuhe und Wäsche- stücke gekauft. Im Laufe der Gespräche, die er dort mit den ihn bedienenden Handlungsgehilfen führte, hat der Mann geäußert, daß er seit drei Jahren Kutscher sei, seine Eltern hätten ihn als Spitzbuben bezeichnet, aber jetzt wolle er ihnen doch zeigen, daß aus ihm ein nobler Mann geworden ist. Ob der Mann, der in der Pankstraße für eine goldene Damen-Remontoiruhr einen Schlüssel gesucht hat, mit dem Mann identisch ist, der in der Oraniensiraße die Einkäufe gemacht und gleichfalls einen Schlüssel verlangt hat, ist noch nicht festgestellt. Wahrscheinlich erscheint es ja, und daher wäre die Ermittelung deS angeblichen Schmidt sehr erwünscht. Der verschwundene Gerichtsassessor Raehmek hat sich alS der irrsinnige, der Kriminalpolizei bekannte KemmiS Eberhard Birk entpuppt, der aus Dalldorf entwichen war. Polizeibericht. Am 4. d. M. Morgens fiel vor dem Hause Müllerstr. 55 ein Arbeiler von dem von ihm geführten Müll- wagen, wurde überfahren und an der Brust und beiden Unter- schenkeln so bedeutend verletzt, daß seine Ueberführung nach dem Krankenhause des Paul Gerhardt -Stifts erforderlich wurde.— Beim Aufstellen eines Leitergerüsts vor dem Hause Leipziger- straße 19 fiel Nachmittags aus dem zweiten Stock ein Brett herab, wodurch eine vorübergehende Dame am Kopfe getroffen und schwer verletzt wurde. Sie wurde nach der Universitäts- Klinik gebracht.— Ein Agent fiel vor dem Hause Holzmarkt- straße 53 infolge eines Fehltritts zur Erde und brach den Fuß, so daß er nach der Dr. Hadra'schen Klinik, Markusslraße l, ge- bracht werden mußte.— Auf der Treppe des Hauses Alte Schon- hauserstraße 33/34 wurde Abends ein Kaufmann mit einer an- scheinend von einem Falle herrührenden Verletzung am Kopfe bewußtlos aufgefunden und noch der Charilee gebracht.— In der Nacht zum 5. d. M. fanden die Arbeiter Wilhelmi'schen Eheleute bei der Rückkehr von einer Festlichkeit in ihrer Woh- nung, Müllerstr. 4. ihren sechsjährigen Sohn im Bette liegend erstickt vor. Der Knabe hat anscheinend ein brennendes Streich- holz auf die neben dem Ofen liegenden Preßkohlen geworfen, so daß diese in Brand geriethen, und der Knabe durch den ent- stehenden Kohlendunst getödtet wurde.— Beim Schlittschuhlaufen an der Roussean-Jnsel fiel ein Kaufmann und erlitt einen Bruch des Unterschenkels. Er wurde nach der Universitäts -Kliink ge- bracht.— Bor dem Hause Alexanderstr. 40 fiel ei» Mädchen beim Besteigen eines in der Fahrt befindlichen Pferdebahnwagens zur Erde, wurde überfahren und erlitt einen Bruch des Unter- schenkels, so daß ihre Ueberführung nach der Universitäts-Klinik erforderlich wurde.— Während der Abend-Vorstellung im Zirkus Renz erlitt ein Requisiteur durch unvorsichtige Handhabung einer Patrone eine schwere Verletzung an der Hand. — Am 5. und 6. d. M. fanden 9 Brände statt.. Geriil, ks-�eikung. Ein Zigaretten- Stummel und das Zeugniß eines zwölf- jährigen Mädchens bildelen die Belastungsmomente in einer An- klage wegen schweren Diebstahls, welche gestern den bis dahin gänzlich unbescholtenen Photographen Hans Graetz vor die I. Strafkammer des hiesigen Landgerichts I führte. Die Ver- Handlung übte eine solche Anziehungskraft aus die Hausgenossen des Angeklagten aus. daß der größte Theil der Bewohn« des Hauses'Lehrterstraße 4Sa sich im Gerichtssaale eingefunden hatte. Auf dem dritten Hofe dieses Hauses' hatte der Angeklagte ein aus Segeltuch hergerichtetes Atelier, nicht weit von demselben in einem Quergebäude befand sich die Parterrewohnung eines gewissen Kunich. Am 23. Juni war die Ehefrau des letzteren ausgegangen und hatte aus Jrrthum wohl den Schlüssel in ihrer Stubenthür stecken lassen. Als sie nach Haüse kam, merkte sie, daß ihr Schlüffel fehlte, glaubte aber, daß sie denselben verloren habe und ging zur Arbeitsstätte ihres Mannes, um sich dessen Schlüffel zu holen. Als sie siie Thür geöffnet hatte, bemerkte sie sofort, daß in der Zwischenzeit ein Dieb det Wohnung«neu Besuch ab- gestattet hatte, und unter Weinen und Thränen stellte sie fest, daß«ine Kommode erbrochen und aus einer im Schubkasten der letzteren aufbewahrten Sparbüchse die Stitnine von 27 M. 50 Pf. gestohlen worden sei. Die Haus- bewuhner steckten die Köpfe zusammen, man stellt« allerlei Muth- maßungen über den Spitzbuben an, ohne zu einem Ergebniß zu kommen. Spät Abends glaubte Frau Kunich«inen Wink des Himmels erkalten zu haben, denn sie sah iu ihrer Stube einen Zigaretten-Stummel an der Erde liegen. Da ihr Mann niemals Zigaretten raucht, der Angeklagte dagegen ein Liebhaber derselben ist, so dämmerte in ihr der Verdacht auf, daß der Photograph der Dieb sein könnte. Dieser Verdacht wurde dann durch das Schulmädchen Anna PardeS in überraschender Weise bekräftigt. Das Mädchen hatte schon am Abende des Diebstahlstages ihrer Mutter folgende Geschichte erzählt: Sie habe mit ihrem jüngeren Bruder Versteck gespielt, sei in das offenstehende Atelier des Angeklagten hinein gerannt und habe von einem Fenster desselben aus gerade in das Fenster der Künich'schen Wohnung blicken können und in der letzteren deut- lich die Person des Angeklagten wahrgenommen, welcher sich an der Kommode zu schaffen machte und auS einem kleinen Be- hältniß Geld heraus nahm. Di« Mutter warnte das Mädchen, etwas von ihren Wahrnehmungen ver- lauten zu lassen, da sie sich am Ende doch irren könne. Das Mädchen konnte sich aber doch nicht halten und erzählte am nächsten Tage der Frau Kunich ihre Beobachtungen. Es wurde nunmehr Anzeige«stattet und durch die Polizei festgestellt, daß man von dem Standvunkte des Mädchens aus allerdings das betr. Zimmer genau übersehen konnte. Der Angeklagte war ganz entrüstet über die Beschuldigung, bei welcher das kleine Mädchen trotz alledem auch im gestrigen Termin verblieb. Er versuchte durch seinen Vater einen Alibibeweis, wonach er Nachmittags in Gesellschaft des letzteren außerhalb des Hauses gewesen fein wollte. Er behauptet« ferner, daß das Mädchen gar nicht in seinem Atelier gewesen sein könne, da dieses geschlossen gewesen fei und trat einen umfangreichen Beweis für die angebliche Lügenhaftigkeit des Mädchens an. Schließlich be- hauptete er, daß er das Opfer eines antisemitischen Komplotts sei. Die sehr eingehende Beweisaufnahme ergab aber für all« diese Behauptungen keine Anhaltspunkte, vielmehr wurden die ganze sicheren Aussagen de? Mädchens in gewissem Sinn auch dadurch unterstützt, daß sich dn Angeklagte gerade an jenem Nachmittag« ein neues Jackei getaust hatte. Der Gerichtshof hielt die Schuld des Angeklagte« für erwiesen. verurlhettt« ihn zu eine« Jahr Gestngntß und ordnete sein sofortig» Verhaftung an. Der Bock als Gärtner. Der bereits drei Mal wegen Diebstahls, zuletzt mit«in« noch nicht völlig verbüßten fünf- jährigen Zuchthausstrafe vorbestrafte ehemalige Privatdetektiv Friedrich Wilhelm K a r p e wurde gestern der ersten Straf- tammer des Landgerichts l vorgeführt, um sich wegen eines schweren Diebstahls zu»«antworten, dessen Thäterschaft Karpe nachträglich von einem früheren Diebsgenossen bezichtigt worden ist. In der Nacht zum 20. September 1891 wurde bei dem Kaufmann Heymann in der Oranienburgerstraße eingebrochen und von den Dieben«hebliche Beute gemacht. Nachdem der Angeklagte wegen eines iu Landsberg a. W. begangenen Ein- bruchs verurtheilt worden war. wurde dem Kriminal- kommifsar Keßmann mttgetheilt, daß Karpe auch den vorerwähnten Diebstahl begangen. Bei einer Haus- suchung wurden drei Schlüssel gefunden, die von den Dieben in der Heymann'schen Wohnung gestohlen und zur(ueffnung der dortigen Behälter benutzt worden waren. Kriminalkommissar Keßmann erklärte im gestrigen T«mine, daß auch der schlaueste Verbrecher irgend eine Dummheit zu begehen pflege, die ihn dem Gerichte überliefere, im vorliegenden Falle müsse Karpe die Dummheit begangen haben, die verräthwischen Schlüssel mitzunehmen. Dieser bestritt mit Entschiedenheit seine Schuld. Die Schlüssel habe der Drechslermeiiler R. bei ihm liegen lassen, durch seine Verhaftung sei er verhindert worden, dieselben an R. zurückzugeben. Der Gerichtshof folgte dem An- trag« deS Angeklagten und vertagte die Verhandlung, um ZU versuche», den vorgeschlageneu Zeugen zu«mittel». Breslau , 5. Februar. Dn Telegraph hat schon den AuS- gang des Sensationsprozesses Schwand gemeldet. D« Haupt« angeklagte, so berichtet d»„Volks- Zlg/', d« dem ganzen Pro- zcffe den Namen gab, der 7Sjährige vr. med. Schwand, muß seine Verbrechen gegen das keimend« Leben mit 10 Jahren Zucht- Haus, d« Lieutenant und Rittngutsbefitzer Georg Tietze mit 1 Jahr Zuchthaus und d« Bauunternehmer Leberecht Scholz (wegen Aufforderung zur Verübung des Verbrechens) mit 3 Monaten Gesängniß büßen. Die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen. In dies« Freisprechung liegt dl« Ueberraschung, aus die hier das sensationsluftige Publlkum, welches den 14 Tage unter strengem Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelten Prozeß bei allen paffenden und unpassenden Gelegenheiten «rörlerte, allerdings nicht gefaßt war. Angehörigen dieser Serie von Angeklagten und diesen selbst konnte solcher Ausgang natürlich nur«wünscht sein. Wären doch sonst zahlreiche Familien verschiedener Gesellschaftsklassen in Mitleidenschaft gezogen worden. Unter den weiblichen Angeklagten waren vier Wirthschaslerinnen, drei Gastwirthinnen, eine Brennereibesitzerin. die Tochter einer Hausbesitzerin und Braut des verurtheilten Lieutenants Tietze, eine Erzieherin aus Breslau , eine VerkäuferiO aus Breslau , eine Mühlenbesitzerin aus Oberschlesien , eine Kauf- mannssrau aus Berlin . Und die männlichen Angeklagten, soweit sie frei ausgingen, waren ein Lotterie-Einnehmer, ein Redakteur, ein Gasthauspüchter, Kaufleute und Eisenbahnbeamte. Gegen eine Person, und zwar gegen die flüchtig gewordene Schneiderin Hermine Nielschke, die inzwischen Amerika erreicht hat, schwebt das Verfahren noch. Ein Angeklagter hat sich vor der Verhandlung entleibt. Bem«kenswerth ist, daß auch mehrfach Eheleute auf der Anklagebank saßen. Viel erörtert wurde hier auch die V«anlassung zu diesem weit über die Bannmeile unserer Stadt hinaus Aussehe»«regender Prozesse. Sie ist in Berlin zu suchen. Gegen die dortige Hoch- staplerin Teuchert in B«lin, welche ihre 14jährige Tochter reichen Wüstlingen verkuppelt hatte, war von d« Bertiner Staats- anwaltschast die strafrechtliche Untersuchung eingeleitet worden. Bei einer im Verlauf derselben«folgten Haus- suchung wurde ein Brief vom hiesigen Dr. Schwand vorgefunden, worin sich derselbe bereit erklärte, die Tochter der Frau Teuchert in Behandlung zu nehmen, doch müsse sie nach Breslau kommen. Zur Behandlung kam est» diesem Falle ab« nicht mehr und Dr. Schwand wurde hier und aus Grund des ß 49a deS Str.-G.-B. angeklagt. Ab« gerade dieser Brief war Dr. Schivand's verderben. Die Staatsanwaltschaft in Berlin veranlaßt« die Untersuchung der Breslau « Wohnung Dr. Schwand's und hierbei wurden Geschäftsbüch« und Karre- spondenzen beschlagnahmt, aus denen die Namen der Angeklagten hervorgingen. In einem Briefe des Lieutenants Tietze hieß es: «Ich muß Sie bitten, abermals die Behandlung meiner Braut zu übernehmen, da unsere Hochzeit wieder in unbestimmte Ferne gerückt ist." T.««»ach de» vimülelu»g»« d« Staats au»aU-
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