etwas von diese» behaupteten Sorgangen bekannt ist. Was geschehen ist, ist einfach folgendes: Als ich zum ersten Male im Jahre 1905 in dem Kreise gewählt war, kamen einige Arbeiter, zumeist nicht Sozialdemokraten, in den Laden des Herrn Riesebcrg und machten ihm Borwürfe, daß er die Arberterschaft, von der er doch zum größten Teile lebt, in so gehässiger Weise bekämpft, wie er es tut. Das war alles.(Heiterkeit.) Ich wollte das nur richtig- stellen und im übrigen erklären, daß wir gegen das Gesetz stimmen. Abg. Lehmann-Wiesbaden(Soz.): Herr Nieseberg warf mir die Benutzung falscher Zahlen vor. Ich hatte angeführt, daß in Berlin auf 100 Gesellen 20 Lehrlinge bei den Bäckern kommen, in Bernburg dagegen aus 100 Gesellen 180 Lehrlinge. — Herr Rieseberg hat diese letztere Zahl für eine absolute angesehen, während sie natürlich nur eine Relativzahl ist, aus der deutlich hervorgeht, in wie üppiger Blüte die Lehrlingszüchterei im Bäckergewerbe steht. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Abg. Rieseberg(Wirtsch. Vg.): Was Herr Albrecht vortrug, hat mit dem Befähigungsnachweis der Handwerker nichts zu tun. Den Befähigungsnachweis im Ladenstürmen haben seine Genossen aller. dings in meinem Laden erbracht.— Herr Lehmann hat von Re» lativzahlen früher nichts gesagt.(Lachen bei den Sozialdemo- kraten.) Damit schließt die Diskussion. Der Gesetzentwurf wird mit dem Antrage Wagner angenommen. Es folgt die dritte Beratung des Gesetzentwurfs be- treffend den Schutz von Vögeln. Hierzu liegt zu§ 3 ein Antrag v. Maltzan(k.) vor, das Verbot des Fangens in Schlingen(Dohnenstieg) erstinKrafttretenzulassen, wenn Italien der Vogelschutzkonvention bei» getreten ist. Ohne Debatte wird dieser Antrag in na- m entlicher Abstimmung mit 250 gegen 08 Stimmen bei drei Stimmenthaltungen abgelehnt und das Gesetz in allen Teilen nach den Beschlüssen in zweiter Lesung debattelos an» genommen. Der Gesetzentwurf betreffend Abänderung der Ge- Werbeordnung(Handel mit lebenden, Vögepn) wird in dritter Lesung debattelos angenommen. Es folgt die dritte Beratung der Maß- und Ge» wichtsordung. Hierzu begründet zu Z 14 Abg. Delbrück(frs. Vg.) einen Antrag, die Worte„im Berg- Werksbetriebe" zu streichen, damit die Eichung auch auf die in den Fabriken und bei Erdarbeiten, Ausschachtungen usw. gebrauchten Fördergefäße ausgedehnt wird. Der Antrag wird angenommen. Abg. Sachse(Soz.): Unsere Anträge haben wir nicht wieder «Angebracht, weil sowohl der Block wie das Zentrum in der zweiten Lesung dagegen gestimmt haben. Ich habe lediglich das Wort er- griffen, um an die Regierung die Frage zu richten, ob die Be- stimmung, daß im BergwerkLbetriebe die Fördergefäße der Neu- «ichung bedürfen, so aufzufassen ist, daß alle bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhandenen Fördergefäße, die im Gebrauch sind, neu geeicht werden müssen. Geheimrat v. JonquiereS bejaht diese Frage. Der Gesetz- «Ntwurf wird ohne weitere Debatte angenommen. Letzter Punkt der Tagesordnung ist der Bericht der K o m- Mission zur Prüfung des Planes einer aus privaten Mitteln zu schaffenden Kanalverbindung der Eckernförder Bucht und eventuell der Schlei mit dem Kaiser-Wilhelm-Kanal unter Ab- schluß einer Tarifgemeinschaft zwischen der Baugesellschaft und dem Reich. Die Kommission beantragt, in einer Resolution die Ansicht auszusprechen, daß das Reich zur Uebernahme des Baues de: Kanalverbindung keine Veranlassung hat, und daß die landesgesetz- liche Genehmigung des Projektes eine preußische Angelegenheit ist. Das Haus st i m m t dem Kommissionsantrage z u. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nach den üblichen Danksagungen an das Präsioium für die Geschäftsführung verliest Staatssekretär v. Betlunanu-Hollweg die kaiserliche Verordnung, wonach der Reichstag bis zum 20. Oktober vertagt wird. Der Präsident erbittet und erhält die Ermächtigung, den Tag Und die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung festzusetzen. Mit dem üblichen Kaiserhoch, vor dem die Sozialdemokraten den Saal verlassen, schließt die Sitzung. Schluß W/j Uhr. � Sahlforgtn des Freisinns. Für die Neuwahlen zum preußischen Landtag, die im Juni borzunehmen sind, wird in Berlin zum ersten Male die neue Wahlkreiseinteilung gelten. Bisher zerfiel das ganze Stadtgebiet Berlin in vier Landtagswahlkreise mit neun Ab- geordneten, künstig zerfällt es in zwölf Landtagswahlkreise mit zwölf Abgeordneten. Die Freisinnigen, die unter dem alten Ein- teilungsshstem die Landeshauptstadt als ihre Domäne betrachten durften, sind von der neuen Einteilung nicht sonderlich erbaut. Sie wissen, daß siederMinderheitmehrAussichtalsbis- her bietet, den einen oder den anderen der zwölf Wahlkreise Berlins dem Freisinn abzunehmen. „Minderheit" war in Berlin bei den Landtagswahlen von 1903 die Sozialdemokratie, die bei den Reichstagswahlen von 1903 nahezu die Hälfte und bei den Rcichstagswahken 1907 mehr als die Hälfte der Wähler Berlins — nicht bloß der an der Wahl teilnehmenden, sondern der überhaupt zur Teilnahme berechtigten — hinter sich hatte.„Minderheit" waren wir bei den Landtags- wählen deshalb, weil„das elendeste aller Wahlsysteme" dem Ber - liner Freisinn nebst seinem konservativen Anhang die Mehrheit der Wahlmänner sicherte. So konnte unter dem alten Ein- teilungssystem mit seinen vier Wahlkreisen großen Umfanges der Liberalismus ganz Berlin als„Sieger" behaupten. Daß den Freisinnigen unter dem neuen Einteilungssystem mit seinen zwölf Wahlkreisen kleineren Ilmfanges das Geschäft weniger leicht ge- macht wird, ist klar. Unter den neuen Kreisen sind einige richtige Arbeiterviertel. Das Häuflein der Freisinnigen fällt dort so wenig ins Gewicht, daß sie kaum noch hoffen können, die Mehr- heit der Wahlmänner zu kriegen und so die Sozialdemokratie aus- zuschalten. Trotz dem Dreiklassenwahlshstem müssen sie in solchen Kreisen sich darauf gefaßt machen, daß wir Sozialdemo- kraten Sieger bleiben. Als der gefährdetste der Landtagswahlkreise Berlins gilt dem Freisinn der elfte Kreis, der den Hauptbestandteil des W e d d i n g s umfaßt. Am Mittwoch fand dort eine V c r s a m m- lung liberaler Wähler statt, in der man sich über den Ernst der Situation unterhielt. Abgeordneter W i e m e r, der eine einleitende Ansprache hielt. bemerkte mißmutig, der Freisinn sei„durch die Neueinteilung der Wahlkreise in diese Lage hineingekommen". Es gelte, alle Kraft zusammenzunehmen, damit„verhindert werde, daß die Sozial- demokratie hier ihren Einzug in die preußische Kammer halte". Gesorgt müsse dafür werden, daß„auch hier im elften Kreis des Freisinns Banner aufgepflanzt werde, schwarz-weiß-rot". Sehr gut gesagt, dieses„schwarz-weiß-rot"! Offenbar sollte diese „nationale" Drapierung Eindruck machen auf den„Mittelstand", den Herr Wiemer in seiner Rede mit heißem Bemühen umwarb. Womit auch sollte sonst der Freisinn den kleinen Handwerkern und den kleinen Beamten zu imponieren versuchen? Zweiter Redner war Herr Profesior D o h r m a n n. Er sprach die Hoffnung aus, daß der„Erfolg" der letzten Reichstagswahlcn auch auf die bevorstehenden LandtagSwahlen seine Wirkung aus- üben werde. Bitter beklagte«r, daß das liberale Bürger- tum nicht den Einfluß auf die Gesetzgebung habe, den es nach feiner Steuerkraft und nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung beanspruchen könne. Diese Betonung der Steuerkraft und des vermeintlichen Anrechtes auf entsprechenden Einfluß ist ein Lieb- lingSgedanke der Liberalen, den man immer wieder vortragen hört. Daß solche Ausführungen dort gemacht werden auch in einer Zeit des Kampfes der besitzlosen Klasse gegen das Dreiklassenwahlsystem, das gibt sehr zu denken. Am SÄ« ist t>M LkMe Wahlrecht, bei dem ja hie SleperlMyng ihre � Bedeutung verliert, bellt„liberalen Bürgerlüm' gar nicht so ek- wünscht, wie der„fordernde" Freisinn glauben mächen will. Als dritter sprach der F r e i s i n n s k a n d i d a t des elften Kreises, der Schriftsteller Schüler- Charlottenburg. Seine Freunde haben ihm gesagt, mit seiner Kandidatur sei es besonders wahrscheinlich, den elften Kreis gegenüber dem Ansturm der Sozial- demokratie für die„bürgerliche Demokratie" zu erhalten. Das meint auch Herr Schöler, und so hat er die Kandidatur an- genommen. Freiwillig werde, sagt er, der Freisinn nicht der Sozialdemokratie den Platz räumen. Schöler glaubt, daß„d i e nationalen Güter bedroht" seien, wenn er„gegenüber dem Ansturm von links das Banner sinken lasic". Gegen die Sozialdemokratie und ihren„Terrorismus" im Wirtschaftsleben wie in der Politik donnerte er mit der ganzen Kraft seiner Lungen. und die ist nicht gering. Bülows Silvesterbrief wurde von ihm zitiert, um zu zeigen, daß die Sozialdemokratie„nur der Reaktion in die Hände arbeite". Herr Schöler wünscht, daß die Sozial- demokratie den„Kampf" gegen die Reaktion so führen möge, wie der Freisinn ihn führt, will sagen: daß die Sozial- demokratie vor der Reaktion, um sie nicht zu„provozieren", s i ch gefügig ducken möge, wie der Freisinn es tut. Vom„Kampf" des Freisinns gegen die Reaktion wurden gleich in der Diskussion einige Proben mitgeteilt. Ein Lehrer Niethe(?) stellte fest, daß der Freisinn im Lande in mehreren Wahlkreisen— sogar unmittelbar vor den Toren Berlins in Teltow -Beeskow sowie in Ober- und Nieder-Barnim— mit Nationalliberalen, mit Kon- scrvativen, ja, mit dem Bund der Landwirte zusammenmarschiert. Zu dem Beschluß des Einigungsausschusses der Liberalen, der zu solchem Vorgehen schlecht passe, habe der Abgeordnete Müller- Sagau selber in Teltow -Beeskow erklärt:„Beschlossen haben wir, aber achtet nicht darauf!" Der Nörgler— wir meinen Herrn Niethe, nicht Herrn Müller-Sagan— fand mit seinen Bemänge- lungen wenig Anklang. Die Versammlung wurde geschlossen mit der Erklärung, auf den elften Berliner Landtagswahlkreis blicke ganz Berlin , ja, ganz Preußen. Das klang sehr stolz, aber dahinter birgt sich die Sorge um den Ausgang des bevorstehenden Wahlkampfes. Der Freisinn weiß, was er da zu erwarten hat, wo die Arbeiterklasse den Ausschlag geben darf»_ ßacker-Innangs- und Gelbe-Clebe für die Innungsftranlsenhaite hat am Montag die Bäckerinnungsmeister und deren„getreue" Gesellen gewaltig auf die Beine gebracht. Es galt, Delegierte für die zweite, größere Berliner Bäckerinnungskrankcnkasse zu wählen. Vorausgesagt soll werden, daß durch das Aufgebot der Bäckermeisterssöhne und-Töchter, durch Ver- käuferinnen, Dienstmädchen und Hausdiener, die meist unter sicherer Begleitung ihr Wahlrecht ausübten, die Liste der„Mcistertreucn", der Gelben ,.g e s i e g t" hat. Welches Freuden- geheul von den zahlreich im Wahllokal befindlichen Bäckermeistern darob angestimmt wurde, läßt sich nicht wiedergeben. Das muß man selbst gehört haben! Vor den scharfen Augen der Organisierten müssen die Jnnungsführer eine heillose Angst gehabt haben. Da muß wohl manches zu verbergen gewesen sein, wenn solche Kraft- anstrengungen nötig waren. Hier einige Proben der Jnnungskampfesweise: Am Sonnabend erhielten die Bäckermeister zugleich mit der Post ein Meisterflugblatt und ein gelbes Flugblatt. In letzterem wird der handwerksfeindliche Verband und die rote Sozialdemo- kratie in allen Tonarten heruntergerissen. Der Verfasser, der dem Stile nach dem Reichslügenvcrband sehr nahe zu stehen scheint, hat auch die„Mißwirtschaft" in„sozialdemokratisch geleiteten" Kranken- lassen(Chemnitzer Ortskrankenkasse) nicht vergessen. Er fordert zuletzt pflichtschuldigst auf, nur Handwerks- und meistertreue Ver» treter jju wählen, was die gelben Interessenten ja den Geldgebern und Forderern ihrer Interessen schuldig sein mögen. Das Jnnungs- flugblatt aber müssen wir um seiner selbst willen vollinhaltfich ab- drucken. Es lautet: Bäcker-Innung zu Berlin . Werter Kollege! Wie Sie wohl aus unserer„Bäcker-Zeitung" ersehen haben, finden die Delegiertenwahlen zu unserer neuen Jnnungökranken- kaffe seitens der Arbeitnehmer am Montag, den 4. Mai, um 4 Uhr und seitens der Meister am Dienstag, den 5. Mai, um 5 Uhr im großen Saal unseres Jnnungshauses. Chaussee st r. 110, statt. Für diese Wahl senden wir Ihnen anbei eine Anzahl von Ausweiskarten fiir Ihre Arbeitnehmer. Wir ersuchen Sie nun, jedem Ihrer Arbeitnehmer, der 21 Jahr und darüber ist, eine solche auszuhändigen, nachdem Sie diese mit seinem Namen und dem Geburtsdatum sowie mit Ihrer Unterschrift und Wohnung versehen haben. Ohne diese Eintragungen ist die Karte un- gültig, Ein Minderjähriger darf auf keinen Fall eine Karte erhalten. Etwa übrig bleibende Karten sind zu vernichten. Sollten welche fehlen, so wenden Sie sich bitte sofort an das Jnnungsbureau. Da der Hamburger Gesellenverband mit seinem ganzen Hasse unsere neue Jnnungskrankenkasse schon im Keime zu ersticken sucht, und ein Zusammenarbeiten mit Delegierten aus seinen Reihen ein ganz unleidliches werden würde, so bitten wir Sie dringlichst, Ihre uns wohlgesinnten volljährigen Ge- sellen ganz besonders anzuhalten, am Montag, den 4. Mai, zur Wahl zu kommen. Auf Ihr persönliches Erscheinen am Dienstag, den 5, Mai, rechnen wir bestimmt.» Wir bitten Sie ferner folgendes zu beachten. Am 11. Mai tritt die Jnnungskrankenkasse in Kraft. Wollen Sie nicht doppelte Beiträge bezahlen, so teilen Sie mit beiliegender Karte der Ortskrankenkasse mit, daß Sie unser Jnnungsmitglied sind und somit Ihr gesamtes Arbeitspersonal von ihr abmelden. Etwaige kranke Arbeitnehmer, denen Ihrerseits das Arbeits- Verhältnis nicht gekündigt ist, würden der Jnnungs- trankenkasse überwiesen und dieser sogleich zur Last fallen. Wir bitten Tie daher in Ihrem eigenen Jntercffe wie in dem unserer Kasse, ein solches Arbeitsverhältnis spätestens den 10. Mai zu löse»! dann kann die Orts- Krankenkasse diese Kranken nicht von sich ab- schieben. Wir machen Sie ferner darauf aufmerksam, daß Sie alle bei Ihnen beschäftigten Personen am 11. Mai unter Angabe des Namens, Geburtsdatums, Geburtsortes und täglichen Barlohn sowie mit oder ohne Station bei unserer neuen Jnnungskranken- lasse, Chausseestr. 110 angemeldet haben. Eine Ausnahme bilden nur die Gesellen, welche der Hülfskasse angehören. Ein For- mular hierzu haben wir beigelegt. Später in Arbeit sowie aus - Arbeit tretende Personen sind binnen 3 Tagen ebenfalls dorthin an rcsp. abzumelden. Die Kassenstunden sind im Kassenlokal, Chausseestr. 110, vorn I, von 9— 4 Uhr. Sonntags und Feiertags geschlossen. Mit kollegialem Gruß Der Borstand der Bäcker.Jnnung zu Berli» I. A. G. Milleville. Also, selbst den Kranken, die ohne die Jnnungskrankenkasse bielleicht noch lange bei dem betreffenden Meister in Arbeit ge» blieben wären(die meisten Arbeiter und erst recht die Bäckergesellen sind ja krank), soll nach obigem Jnnungsmusterflugblatt ge- kündigt werden! Das ist der„Segen" der JnnungSkrankenkasscn! Da ist es natürlich erklärlich, daß nur„Wohlgesinnte" die Jnnungspraktitcn überwachen sollen. Wie krampfhaft die Innung sich nach ihren Gelben sehnte, zeigt die am Sonntag erschienene Nummer der Jnnungszeitung, wo die Jnnungsmeister folgender- maßen wild, gruselig und scharf getygcht werden. Sie fchrxibti Ein MahttSörk in leffker vftStK.> Morgen, am 4. Mai, nachmittags 4 Uhr, finden im großen Saale unseres Jnnungshauses, Chausseestr. 110, die Delegierten- Wahlen für unsere Jnnungskrankenkasse seitens unserer Gesellen- schaft statt. Bon dem Ausfall dieser Wahl wird es auf Jahre hinaus abhängen, ob wir im Frieden mit unserer Gescllenschaft das große Werk zum Segen des Handwerks ausbauen könne». Die Delcgiertenwahl ergibt auch die Vorstandsbesetzung. Und finster müssen wir in die Zukunft sehen, wenn es dem Hamburger Verband gelingen sollte, die Mandate an sich zu reißen. Ruft er doch schon jetzt zur Zertrümmerung der Jnnungskasse mit seiner Aufforderung, alle sollen in die von ihm verwaltete Hülfskasse eintreten, bedient er sich doch schon jetzt der größten Schmähungen und Verleumdungen, um die Kasse in seine Gewalt zu be- kommen.„Eine Beute der Gesellcnknechtung, die wir in unsere Höhle schleppen wollen", ein Maßregelungsinstitut, das wir „durch Wahlfälschungen" an uns bringen wollen, so lauten die Kraftstellen in seinen beiden Flugblättern. Werte Kollegen, da darf keiner hintenan stehen. Der Vorstand hat einem jeden Jnnungsmitglicde seine Weisungen zu- gehen lassen und ihm seine Pflicht so leicht wie möglich gemacht. Nun tue sie auch jeder. Es gilt die Gleichgültigen unter unseren Gesellen aufzurütteln, sie auf die Folgen der Unterlassung auf- merksam zu machen, damit sie zur Wahl erscheinen. Wie wir hören, ist ein Flugblatt des Bundes der Hand- werkstreuen Gesellen erschienen; sorget, daß es an Eure Gesellen kommt. Die Euch zugesendeten Ausweiskarten füllet richtig mit dem Namen Eurer Gesellen und ihrem Geburtsdatum aus und vergesset Eure Unterschrift nicht. Wo die Legitimationskarten nicht auslangen, fordert rechtzeitig noch mehr. Gebt auch Euren Tagesbäckern Zeit, ihr Wählrecht auszuüben. Zur Beteiligung an der Wahl sind nicht nur die Gesellen unserer hiesigen Berliner Mitglieder berechtigt, sondern auch die unserer Mitglieder in den Vororten. Auch diese haben das An- schreiben des Borstandes erhalten, auch diese werden ihre Pflicht tun. Wohlauf denn zur Wahl, und die Anschläge des Hamburger Verbandes auf unsere Jnnungskrankenkasse werden zufchanden werden. Das hat gezogen! Der letzte Mann wurde auf die Beine ge- bracht. In der gelben Versammlung, die(natürlich im Jnnungs. hause) noch vor der Wahl stattfand, wurden, mit halben Worten selbstverständlich, die gemeinsten Verleumdungen verzapft. Zu sagen haben in dieser Kässe auch die gelben Herrchens (unter denen auch der bezahlte Agitator und Zigarren- Händler Wischnövski sich befindet, der wieder mal an- geblich in der Bäckerei arbeitet) nicht das geringste, da sich durch Halbierung der Beiträge die Meister immer die Mehrheit in der Verwaltung gesichert haben. Der Machtkitzel feiert Orgien. Wenn nicht die Versicherten und die armen Kranken die Leidtragenden sein würden, könnte die Organisation der Bäcker spöttisch lächelnd der weiteren EntWickelung dieses Dramas zuschauen, denn Hunderte von Gesellen sind in den letzten Wochen in die freie Hülfskasse ein- getreten, viele werden noch folgen, und dem letzten Bäckergesellen werden, wenn nicht schon durch diese Machinationen, durch die weitere EntWickelung dieser„Jnnungs- WoblkahrtL.?iyrich- tung" die Augen geöffnet werden. Ltadtverördneten- Versammlung. 19. Sitzung vom Donnerstag, den 7. Mai, nachmittags 5 Uhr. Der Borsteher M i ch e l e t eröffnet die Sitzung nach ö'/z Uhr. Stodtv. Dr. Arons(Soz.) hat bis zum 1. Oktober d. I. Urlaub genommen. Es wird beschlossen, die Ferien der Versammlung auch dieses Jahr in die Monate Juli und August fallen zu lasten. Auf der Tagesordnung steht lediglich dte Beratung der Bor - läge wegen Gründung eines BerkehrSverdandeS mit den Lsrortgemeinden auf Grund der Ansschußverhandlungen. über welche Stadtv. Dr. L e v h(Fr. Fr.) schriftlichen Bericht erstattet hat. Die umfangreiche Vorlage hat im Ausschuß zu sehr ausgedehnten Erörterungen Anlaß gegeben. Nach§ 1 soll der Verband die Interessen der angeschloffenen Kommunen, Kreis- und Kommunolvcrbände gegenüber der Großen Berliner Straßenbahn, der Berlin -Charlottenburger Straßenbahn, der Westlichen und Südlichen Vorortbahn oder einzelnen dieser Ge- sellschaften gemeinsam wahrnehmen und eventuell die ihnen nach ihren Zustimmungsverträgen über den Betrieb von Straßenbahnen zustehenden Rechte auf Ueberlassung der Bahnen sowie einzelner Teile, Bestandteile oder Rechte derselben gemeinschaftlich ausüben. Außerdem soll der Verband berechtigt sein: a) andere in Berlin oder zwischen Berlin und den Vororten oder in den umliegenden Ortschaften betriebene Straßenbahnen zu erwerben, zu betreiben, betreiben zu lassen und auszubauen; d) neue Straßenbahnen zu bauen, zu betreiben, betreiben zu lasten und auszubauen. Der Ausschuß hat einen dritten Absatz hinzugefügt, wonach Kleinbahnen, welche in ihren wesentlichen Bestandteilen Hoch- oder Untergrundbahnen sind, nicht zu den Slraßen- bahnen im Sinne des Vertrages gehören, selbst wenn sie mit Flach- bahnen in Verbindung stehen. Der Referent führt auS, daß alle Ausschußmitglieder sich der ungemeinen Bedeutung und Tragweite der Vorlage voll bewußt gewesen seien. Der Urgrund der Bestrebungen auf Begründung eines Berkehrsverbandes Groß-Berlin sei in ß 36 des BetriebsumwandlungSvertrogeS von 1896 zu suchen, welcher die event. Uebernahme nicht nur de? Bestandes, sondern auch des Betriebes der Strabeubahiien durch Berlin bezw. durch die Gesamt- heit der Wegeunterhaltungspflichtigeu zur VorauSseyung habe. was aber jetzt von der„Großen" bestritte» werde. Es fei der früheste Termin des Hein, falls an Berlin auf den 31. Dezember 1919 vertraglich festgesetzt worden. Inzwischen habe die„Große" mit zahlreichen anderen Vorort- gemeinden Verträge über 1919 hinaus abgeschlossen und auch hinter dem Rücken der Stadt Berlin eine Konzessionsverlängerung bis 1949 erwirkt. Die Bewertung der Uebernohmerechte der Stadt und der Vorortgemcinden sei nach vielen Millionen zu veranschlagen und ihre Wahrnehmung mit Erfolg nur durch einen VerkehrSvcrband zu erreichen. Der Ausschuß habe mit 3 gegen 4 Stimmen den Eni- wurf mit mehreren Modifikationen angenommen. Die Minderheit habe den Plan als verspälet verworfen und eine Betriebs- Pflicht der betr. Bahngesellschaften behauptet. Das letztere fei unzutreffend. Die Zustimmung der Stadt zu den Ansprüchen der „Großen" sei nicht erteilt, die.Ergänzung' der Zustimmung durch die Aufsichtsbehörde, über den Kopf der Stadt hinweg, stehe noch aus, und ob sie erfolge, das sei um so zweifelhafter, als in der Konzesstonsverlängerungsurkunde selbst vom Minister v. Thielen 1901 ausgesprochen sei, daß die Rechte der Stadt nicht berührt werden. Nun seien die Tunnelprojekte der.Großen' hinzugekommen, deren Genehmigung durch die Regierung die Minderheit bestimmt voraussetze. Doch sei vom Projekt bis zur Tat noch ein weiter Weg. Gerade zur Verhinderung des Ergänzungsverfahrens fei die Bildung eines Verkehrsverbandes nicht verspätet, sondern zeit- und zweckgemäß. In dem Verbände selbst, wie seine Zusaminensetzung und die Stimmenverteiluug beabsichtigt sei, hätten die Vororte Berlin gegenüber manche Vorteile und eventuell ein Uebergewicht; aber Berlin habe um des großen Zieles willen dies und manches andere hingenommen. ES fei der gütlichen Verständigung mit der„Großen" eifrig das Wort geredet worden. Die Mehrheit fei keineswegs gewillt. einen guten Vergleich abzuweisen. Einstweilen aber sei es müßig, die Friedensschalmei zu blasen; denn der Streit habe fich ja neuerdings erheblich verschärft und der
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