bewilligt haben. Unter diesen Besitzern befindet sich auch das Kloster der Salefianer. Die Forderungen, mit denen die Arbeitskammer auf den Kon- traktbruch der Besitzer geantwortet hat, sind durchaus nicht über- trieben, wie die Besitze? behaupten. In vielen Provinzen MittelitalienS , ja selbst in einigen Gegenden der Provinz Parma selbst find die Landarbeiter seit Jahren besser gestellt als sie es nach Annahme der heutigen Tarife sein werden. Gefordert wird folgendes: Für die Taglöhner Arbeitstag im Januar und Dezcinber S Stunden, im Februar und November 7 Stunden, im April, in der ersten Hälfte des Mai und zweiten Hälfte des August 9 Stunden, die übrigen Monate 19 Stunden. Stundenlohn für die gewöhnlichen Arbeiten 39 Centesimi, für Ueberstmiden 40. für Schnitterarbeit, Dreschen und alle Arbeiten an der Maschine 45, für Begießen und Arbeiten im Wasser 33, für Besprengen der Reben 32 Centesimi. Für die weiblichen Tagelöhner wird bei gleicher Arbeitszeit 20, 30, 42, 23 und 22 Centesimi verlangt. Für das Hofgesinde bei gleicher Arbeitszeit 660 Lire jährlich, von denen 60 Lire als Mietszins für ein Haus mit Küche, Stube, Boden, Keller, Schweinestall und Gcmüsegarbcn einbehalten werden. Für Arbeit an den Maschinen 1 Lire täglich Zuschlag. Soweit das Hofgesinde Bich zu versorgen hat. kann sein Arbeitstag um 2 Stunden verlängert werden, wofür eine Entschädigung von 30 Centesimi pro Stunde zu zahlen ist. Das Gesinde, das den Kuhstall und die Milchwirtschaft unter sich hat, fordert 760 Lire jährlich bei im übrigen gleichen Bedingungen. Die letzte Kategorie der Tagelöhner imJahreSverhrag fordert für September bis April 1,80 Tagelohn, für Mai, Juni, Juli, August 2,80, ausgenommen 30 Crntetage, die mit 100 Lire zu bezahlen sind. Bei Maschinenarbeit 1 Lire täglich extra. Außerdem entweder daZ HauS mit Gemüsegarten und Schweinestall oder L8 Scheffel Mais. Die Regierung hat erklärt, sich völlig neutral zu halten, aber tatsächlich wird die Neutralität schon dadurch verletzt, daß den Be- sitzern erlaubt wird, bew affnete Banden zu bilden, während den Arbeitern nicht einmal öffentliche Bersammlungen gestattet sind. Auch hat man am 8. d. M. einen Arbeiter, der einen Streikbrecher durch Stockschläge leicht verletzt hatte, zu der wahrhast barbarischen Strafe von zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Besitzer schueitenzur Exmrttie- rung des streikenden Hofgesindes, aber es werden normalerweise einige Wochen vergehen, ehe die Exmittierungsbefehle vollstrockt werden können. Die Arbeiter ihrerseits rechnen auf die Solidarität der Arbeiterschaft Italiens . Die nicht streikenden Gegenden der Provinz Parma zählen allein 8000 Organisierte, von denen sich 4000 bereit erklärt haben, 4000 Lire wöchentlich an Streikunterstützung zu zahlen. Die Organisationen der Provinz R e g g i o erbieten sich, alle Arbeiter- linder aus dem Streikgebiet zu verpflegen. Alle Landarbeiter- verbände Italiens verpflichten sich ferner, das Vieh zurück- zuweisen. In einigen Orten, wo die organisierten Grund- besitzer ihre Söhne als„freiwillige Arbeiter" in die Provinz Parma schicken wollten, haben sie diesen Plan aufgeben müssen, um nicht den Streik ihrer Arbeiter heraufzubeschwören. Das dicht- maschigo Netz der proletarischen Solidarität schnürt die Grund- besitzer von Tag zu Tag mehr ein. Ein Teil der Studenten der Universität Bologna hat sich in einer heftigen Tagesordnung gegen diejenigen ihrer Kollegen gewendet, die sich als„freiwillige Arbeiter" zum Schaden des Proletariats ver- wenden lassen. Rom , 11. Mai. Die shudizierien Sozialisten hielten gestern ein Meeting ab, um ihre Solidarität mit den ausständigen Landarbeitern der Provinz Parma zer bekräftigen. � Zwei Redner befürworteten in längeren Ansprachen eine direkte Aktion zugunsten der Streikenden. Das Meeting verlief ohne Zwischenfall. Die Lage im AuSstandZ- gebiet selbst ist unverändert. Die Eigentümer beschlossen, die ein- gelaufenen Vorschläge der Stre iie n d en betreffend Wiederaufnahme der Arbeit von neuem abzulehnen. Parma , 11. Mai. Die a u S st ä n d i g e n Landarbeiter, die sich heute früh zur Wiederaufnahme der Arbeit stellten, wurden von den Besitzern nicht angenommen, da Arbeiter aus anderen Provinzen eingetroffen sind und weitere erwartet werden. Die Gerichtsbehörde erließ eine Vorladung an die Sekretäre der Arbeitskammern von Parma und San Donnino. Huö dem Makikampf. Ter Mandatsschacher in Ober- und Niederbarnim . Das Organ des Herrn Wiemer, die„Freisinnige Zeitung", die nächst der ihr g e's i n n u n g s v e r w a n d t e n„ P o st" den Kampf gegen die Sozialdemokratie in der schäbigsten Weise führt, hilft sich mit dem alten Trick, ihr unbequeme Dinge einfach abzuleugnen. Anstatt klipp und klar zu erklären, daß die Leitung der Freisinnigen Partei dem schändlichen Handel in Ober- und Niederbarnim voll- kommen fern stehe und ihn mißbillige, hat man sich ein- fach mit der faulen Ausrede zu drücken versucht, daß die ganze Sache tendenziös entstellt sei. Das ist eine bewußte Un- Wahrheit gewesen, denn in einer von einem Teil der Freisinnigen in Ober- und Niederbarnim abgehaltenen Protest- Versammlung ist übereinstimmend festgestellt worden, daß der freisinnigeGünstling der Konservativen, Dr. S ch e p p aus Wuhlgarten, ausdrücklich erklärt hat:„Ich habe mich so- fort an die Zcntrallcitung gewandt, nnd diese hat das Bündnis gebilligt." Wer hat nun gelogen? Dr. Schopp oder die „Freisinnige Zeitung"? Uebrigens ist, wie das„Berliner Tageblatt" vorgestern berichtet, in der erwähnten Protestversammlung folgende Re- folution einstimmig angenommen worden: „Die heutige Versammlung freisinniger Wähler aus Nieder- und Oberbarnim erklärt, daß sie wegen der ordnungswidrig ein- berufenen Vertrauensmännerversammlung vom 30. April das konscrvativ-freisinnige Bündnis nicht anerkennt, den Rücktritt des Herrn Schepp und die Aufstellung von drei freisinnigen Kandidaten fordert." Die Praktiken des freisinnigen Dr. Schepp. der unter allen Umständen ein Mandat haben will, sind bei dieser Ge- legenheit in ein hoch st bedenkliches Licht gerückt worden. Er hat, um das Bündnis mit den Konservativen perfekt zu machen, nur solche„Vertrauensmänner" rechtzeitig eingeladen, auf die er unter allen Umständen rechnen zu können glaubte. Mittlerweile haben die vom Freisinn hinterS Licht geführten Nationallibcralen ebenfalls eigene Kandidaten aufgestellt. Um die drei Mandate kämpfen also jetzt: zwei Konservative, ein konservativer Freisinniger, drei„echt" Freisinnige und drei National- liberale. Aber vorläufig halten die Mugdan-Wiemer-Kopsch noch segnend die Hände über das konservativ-frcisinnige Wahl- bündnis. Solche Blüten können nur aus dem stinkenden Sumpf des Dreiklassenwahlsystems sprießen I Herr Gerschel will sich„reinigen". Man schreibt uns: Der ehemalige Rechtsanwalt Hugo Gerschel, jetzt Direktor der Aktiengesellschaft W. Hagelberg» soll am IS. Mai in einer freisinnigen Wählerbersammlung, die nach Wikhelmfir. 113 einberufen ist, als Kandidat für den zweiten Berliner Landtags- Wahlkreis aufgestellt werden. Wie den freisinnigen Wählern unter der Hand mitgeteilt wird, sollen in dieser Versammlung von Herrn Gerschel die„befriedigendsten" Aufklärungen über die g e s ch ä f t- lichen Beziehungen zwischen ihm bezüglich seiner Aktiengesellschaft und dem Abgeordneten Müller- Sagau(alias: Müller-Berlin ) gegeben, auch die„ganz harm- losen" Umstände klargestellt werden, die den Abgeordneten Müller-Sagan seinerzeit bestimmt haben, die Aufstellung des vorher ganz unbekannten ehemaligen Rechtsanwalts durch seinen Adjutanten F a s q u e l bei den widerstrebenden Wählern durchzudrücken. Derartige Aufklärungen sind von den Wählern um so dringender gewünscht worden, als neuerdings gerade eine Persönlichkeit— auf Empfehlung desselben Abgeordneren Müller- Spgan!— im 11. Landtagswahlkreise als offizieller Kandidat der Freisinnigen aufgestellt wurde, die seinerzeit die heftigsten Angriffe gegen lvküller-Sagan wegen der finan- ziellen Seite seiner politischen Tätigkeit gerichtet hatte. Dem Schriftsteller Schöler, so heißt bekanntlich der Kandidat des 11. Wahlkreises, ist offenbar durch seine Kandidatur der Mund verschlossen worden I Die Rache der evangelischen Arbeiter. Eine starkbesuchte Vertreterversammlung der evangelischen Arbeitervereine des Ruhrgebietes hat für die LandtagSwahl Stimmenthaltung beschlossen und diesen Beschluß noch da- durch verschärft, daß eine Agitation eingeleitet werden soll mit dem Ziele: Keine Arbeiter stimme für einen National« liberalen! Man darf diese Haltung nicht etwa überschätzen, denn die erste Wählerklasse ist den Nationalliberalen sicher, und die Grubenbeamten sowohl als auch die höheren Staatsbeamten bilden einen wesent- lichen Bestandteil der zweiten Wählerklaffe, so daß die National- liberalen bei der Landtagswahl nicht so sehr auf Arbeiterstimmen angewiesen sind wie bei einer ReichStagswahl. Immerhin ist es symptomatisch, daß die evangelischen Arbeiter, die seither ohne weiteres für die Kandidaten der nationalliberalon Scharfmacher eingetreten sind, den Mut des Widerstandes gefunden haben. Zeutrumsbauern gegen das allgemeine gleiche Wahlrecht. Der Westfälische Bauernverein, eine Gründung des Zentrumsführers Freiherrn v. Echorlemer-Alst. hielt am Diens» tag in Münster eine Vorstands- und Ausschußsitzung ad. Den Vor- sitz führte Freiherr von Twickel, der dem Essener Katholikentag (1006) als erster Vizepräsident borsaß, wie denn überhaupt der Westfälische Bauernverein fast durchweg aus guten Katholiken und treuen Zentrumsparteigängern besteht. In Münster redete Freiherr v. Korkering-Borg über den Anteil d e S Grundbesitzes an den Gemeindelasten und führte dabei nach dem Bericht der„Kölnischen Volkszeitung" am Schlüsse seiner Rede aus: „So ungünstig die steuerliche Lage des Grundbesitzes gegen- über den kapitalistischen Interessen sich darstelle, so habe der Bauer heute wenigstens noch ein Korrelat: die S e l b st v e r w a l t u n g. Der Bauer sei also in diesem Falle noch Herr in seinem Hause. Nun seien aber dem Grundbesitz feindliche Kräfte an der Arbeit, den Bauer aus dieser seiner Stellung zu verdrängen. Von sozialistischer Seite werde die Forderung aufgc- stellt, daß die kommunalen Verwaltungsorgane aus Grund des allgemeinen und gleichen S t i m m rechts gebildet werden sollten. Damit würde die Herrschast des ländlichen Mittelstandes durch die Herrschaft der Massen ersetzt werden— eine Forderung, die, i» die Wirklichkeit übertragen, für die Landgemeinden von unabsehbaren Folgen begleitet sein müsse. Das möge man bedenken und einem systematischen Angriff eine systematische Llb wehr entgegensetzen. Dann dürfe man vertrauen, daß die Wogen einer ungesunden Entwickeluntz an dem Bauern» stände heute wie einst den Dam-m finden, an dem sie sich brechen." Der Redner, dessen Ausführungen von lebhaftem Beifall be- gleitet waren, wies hin auf die Gefahr, daß bei dem Vordringen der Industrie auf das Land der Fall eintreten könne, daß unter dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht eine„sozialistisch g e» färbte, landfremde Arbeiterbevölkerung" durch ihre Kopfzahlstärke den„alteingesessenen Bauernstand" aus den kommunalen Körperschaften verdränge. Was der junker- liche Wahlrechtsfeind den„alteingesessenen Bauernstand" nennt, sind die Inhaber des großen und mittleren Besitzes, im übrigen ist auf dem Lande die Masse der wenig oder nichts Besitzenden genau so rechtlos wie in den Städten. Nach den Anschauungen der groß- katholischen Bauern ist es aber offenbar in der Ordnung, daß ein« Handvoll Leute mit dem Geld sack über die große Masseherrscht, anstatt daß dem Volke gleichesRechtfür alle und damit eine wirkliche Selbstverwaltung gegeben wird! Im übrigen zeigt auch dieser Fall wieder einmal, daß, wen« man das Zentrum— außerhalb seiner Wahlreden kratzt, über- all der Wahlrechtsfeind zum Borschein kommt! politische(lebersicbt. .. Berlin , den 11. Mai 1908. Landtagswahl und Wahlrechtsreform. Fürst B ü l o tv hat eine Reform des Wahlrechtes zum Landtag versprochen, aber mit keinem Wort angedeutet, wie er sich diese Reform vorstelle; nur darüber ließ er keinen Zweifel, daß an ein geheimes Wahlrecht nicht zu d e n k c n ist. Die„Frankfurter Zeitung " kommt in ihrer Nummer vom 10. Mai auf diese Zusage zurück und erklärt, daß der Umfang und die Art der Wahlreform ganz von dem Ausfall der Neuwahlen abhänge. Das Blatt hält es für angebracht, „daran zu erinnern, daß der Ausfall dieser Wahlen von ent- scheidender Bedeutung für die Wa h I r e f o r m und im Zusammenhang damit und darüber hinaus für die Geltung des freisinnigen und liberalen Bürgertums ist, das zurzeit innerhalb des Blockes auf die Erfüllung einiger seiner Forderungen im Reiche und in Preußen rechnet. Zusagen der gegenwärtigen Regierung. auch wenn sie ganz ehrlich gemeint sein mögen, bedeuten nickt viel, wenn nicht die Parteiverhältnisie im Abgeordneten- Hause durch die Wahlen einigermaßen so gebessert werden, daß Blllow seine Versprechungen und Absichten ohne allzu große Schwierigkeiten und ohne die Gefahr eines Konfliktes mit den Konservativen verwirklichen kann."-. Darin liegt eine glatte Verurteilung des Freisinns, der nur Wahlrechtsgegncr unterstützt. Oder meinen die Frei- sinnigen, daß eine Vermehrung der freisinnigen Mandate auf Bülow einen Eindruck macht? Diese Opposition frißt a u S der Hand und mit ein paar Orden ist unter Umständen viel getan!_ Wer sich nicht fügt, fliegt. Vor wenigen Tagen hielt uns das Bündlerblatt, die„Deutsche Tageszeitung", eine geharnischte Philippika, ob des angeblich von der Sozialdemokratie betriebenen TerroriSmuS. Vielleicht entschließt sich das Bündlerblatt dazu, nunmehr seinen eigenen Freunden eine Vorlesung über dieses Thema zu halten. Das Mitglied beS Bundes der Landwirte, Gemeindevorsteher D u s ch e- Isernhagen hat sich von den Nationalliberalen als Kandidat gegen den freikonservativen Hof- besitzer B l a n ck e- Rethmar aufstellen lassen. Die Leitung dcS Bundes der Landwirte forderte Herrn Dusche unter An- droh.ung des Ausschlusses auf,' seine Kandld'anir niederzulegen. Dieser lehnte die Zumutung ab. mit der Folge. daß er vom Bund der Landwirte ausgeschlossen wurde. Bc- kanutlich behauptet der Bund, daß er keine politische Partei seil In Wirklichkeit besorgt er die Geschäfte der Konserva« tiven. Was meint die„Deutsche Tageszeitung" zu diesem TerroriSmuS'i— Interessengegensätze im Zentrum. Die rheiilischeil Zeutrumsbauern sind nicht zu- frieden mit dem geringen Entgegenkommen, das ihnen das Zentrum in Sachen der Landtagskandidaturen erweist. Im Wahlkreise Köln-La nd-Berghei in-Euskirchen , wo drei Abgeordnete zu wählen sind, ist der bisherige Ab- geordnete Pingen zurückgetreten; die Erwartung der Zentruinsbauern, daß ait Stelle Pingens wieder ein Agrarier aufgestellt werde, ist nicht erfüllt worden; der Nach- folger Pingeiis soll ein Kreisschulinspektor werden. Dazu schreibt die„Rheinische V o l k s st i m m e": „Gerade in diesem ländlichen Wahlkreise ist«ine derartige Wahl einer der gröbsten Mißgriffe und folgen- schwersten taktischen Fehler, die daL Zentrum ausgerechnet jetzt begehen konnte. Zusammengehalten mit dem Vcr- sprechen einer größeren Berücksichtigung des bäuerlichen Ein- flusses in der Zentrumspartei wirkt eine solche Entscheiduiig wie ein F a u st s ch l a g i n s Gesicht. Eine solche tlnklugheit des Zentrums haben die Stürmer und Dränger der D o u t s ch e u Vereinigung in ihren kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt; das ist Wasser auf ihre Mühlen, die jetzt lustig klappern." Auf der anderen Seite beginnen die Bergarbeiter im rheinisch-westfälischen Industriegebiet aufzumucken. Der „Bergknappe", das Blatt des Gewerkvereins christlicher Bergleute, legt klar, welches Interesse die Bergarbeiterschast an einer vernünftigen Zusammensetzung des preußischen Landtages habe, namentlich auch die 80000 preußischen Bergleute, deren Arbeitgeber der Staat sei. Dann heißt es: „Bei der großen Bedeutung, die das Abgeordnetenhaus für die Bergarbeiter hat, sollte man annehmen, alle politischen Par- teien würden es als Ehrenpflicht ansehen, den Bergarbeitern «ine ihren Interessen entsprechende Vertretung zu sichern. Schon die politische Klugheit müßte die Parteien hierzu veranlassen. Soweit wir bisher die Aufftellung der Kandidaten in den ver- schiedenen Parteien beobachtet haben, besteht aber keine Aus- ficht, daß den Bergleuten gutwillig eine ent- sprechende Vertretung gewährt wird. Es sind die Angehörigen der verschiedensten Bcrufsstände in der Regel in sicheren Wahlkreisen aufgestellt. Für eine ausreichende Ber g ar be it e r v e r t r etung scheint man keinen Platz zu haben." Der„Bergknappe" gibt sich der Hoffnung hin, daß die Bergleute nicht nur immer anderen die Kastanien aus den: Feuer holen, sondern auch einmal für sich sorgen. „Im schlimmsten Falle— so schließt das Blatt—?r- zwingen wir uns Entgegenkommen; wenn man unseren berechtigten Forderungen nicht gutwillig entsprechen will, dann zwingt man uns, auch einmal unsere Ellbogen zu gebrauche n." Die christlichen Arbeiter verstehen sich besser aufs Drohen als auf die Tat! Warum kommt der„Bergknappe" drei Wochen vor der Wahl mit seinen Wünschen: warum hat er nicht schon längst den bürgerlichen Parteien, namentlich dem Zentrum, den Standpunkt klar gemacht?— Der bliude HÄ>ur. Von einem Handwerker wird uns geschrieben: Nicht ohne komischen Beigeschmack ist ein Malheur, daS der deutschen Mittelstands- Vereinigung zugestoßen ist. Genannte Organisation hatte aus ihrer letzten Tagung neben dem bekannten Krimskrams mittelstandSretterischer Forderungen auch die Frage der preußischen Wahlrechtsreform scküchern gestreift und eine Reso- lution angenommen, in der sie eine bessere Berücksichtigung dcS Mittelstandes verlangte. Obgleich man sich nicht gut zag.,aftcr ausdrücken konnte, genügte der Beschluß doch, den schweren Zorn der rechtsstehenden Presse herauszubeichwören. Die„Deuiscke Tageszeitung" erklärte sogar mit giftigem Hohne, die Mittelstands- leute wären anscheinend gewillt, ewig in der Rolle des blinden Hödur zu verharr cn. Solche Grobheit ist von dieser Seite eigentlich unverdient, aber sie ist bezeichnend für den Grad der Hochachtung, die die Mittelständler bei den Herren der Reckten genießen. Wenn eine Bevölterungsklasse freilich, in solch unfähiger Weise ihre Jnteresscu vertritt, wie es der Mittelstand bisher getan hat, dann braucht sie sich darüber nicht zu tmmdern. Immer willig hat sie den rechts- stehenden Parteien willig Gefolgschaft geleistet, obgleich diese eine Politik betreiben, die den wichtigsten LcbcnSinteressen deS Mittelstandes direkt widerspricht. Die Hochschutzzollgesetzgebung hat den kleinen und mittleren Gewerbetreibenden die schwersten Schädigungen zugefügt, nicht zuletzt' in> ihrer Eigenschaft als Konsu» menten, vor allem aber in ihren Erwerbsinteressen. Si« hat zahl- losen Handwerkern die Rohmaterialien verteuert und ihnen da- durch den Konkurrenzkampf mit der Großindustrie noch mehr er- schwert. Ebenso beträchtlich sind die Nachteile, die die Handeltreibenden erlitten haben. Von der Steuergesetzgcbyng des letzten Jahrzehnts' kann man auch nicht behaupten, daß sie von besonderer Rücksichtnahme auf den Mittelstand diktiert war. Und welches bc- sondercs Interesse dieser an unseren„werwollen" Kolonien hoben soll, dürfte ebenfalls kaum erfindlich sein. Aber dessenungeachtet erblicken die braven Djittelstandsleute ihren Hauptfeind außer in den Juden in der Sozialdemokratie, in der modernen Arbeiter- bcwcgung. Man muß. es selbst mit angehört haben, wie ein. Hand- werkSweiiter. der selbst gar keinen Gchülfen beschäftigte, über ein« Lohnerhöhung zeterte, die die Arbeiter seines BeruteS durchgesetzt hatten. Er kam nicht auf den Gedanken, daß er selbst dock nur Vorteil davon haben konnte, weil der Werl seiner eigenen Arbeit dadurch mit erhöht wenden mußte. Solch geringes Maß'von Einsicht kann man nur bei einem echten Mittelstandsmann antreffen. Daß die Herren Reaktonärc von solcher Gefolgschaft keine hohe Meinung haben, kann man ihnen nicht übel nehmen. Ist eS ein Wunder, wenn sie übermütig geworden sind und den Mittelständlern alles bieten zu können glauben?_ Worte und Taten! „ES würde gar nichts schaden, wenn wir einige Sozialdemokraten indenLandtag h ineinbekämen." So hat sick nach bürgerlichen ZeitungSmeldungen Herr Naumann in einer Wählerversammlung deS ersten Berliner Wahlkreises gc- äußert, nachdem, vor ihm Abg. Traeger für die Uebertragung deS ReichStagSwahlrechteS auf Preußen eingetreten war. Herr- Naumann hat von jeher versucht, sich und seine Zuhörer durch schön gedrechselte, radikal klingende Redensarten zu berauschen. Sobald man aber Taten sehen will, hat Herr Nau- mann regelmäßig versagtl In seiner„Hilfe" wettert er gegen d i e I u n k e r, mit denen er noch vor wenigen Wochen im Reichs- tag bei der Beratung des VereinSgesctzes gemeinsame Sache gemacht hat. Herr.Naumann scheint der volksverräterische» Tätigkeit seiner freisinnigen Block- und FraktionSgenossen nicht die mindeste vnfmerlsamleit geschenkt zu haben, sonst
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