fchaftsordnung und für den Verband als nicht organisaiion'sfälng betrachten. Ferner erwähnte der Redner, daß sich zu Anfang dieses Jahres die Organisation der Cafeangestellten Berlins mit ihren Va0 Mitgliedern dem Verbände angeschlossen hat und spricht die Hoffnung aus, daß es auch in anderen Städten bald möglich sein werde, wie in Berlin besondere Fachabteilungen der Cafeangestellten zu bilden. Der Hauptlassierer Ströhlinger führte zu dem ge» druckten Kassenbericht unter anderem aus, dah während die Mit- gliederzahl des Verbandes in der Berichtszeit um über 71 Proz. zugenommen hat, die Summe der geleisteten Beiträge um über 81 Proz. stieg, was also beweist, daß die Organisation auch an innerer Kraft gewonnen hat. Für Unterstützungen ist in den letzten zwei Jahren mehr ausgegeben worden als in den acht vor- hergegangenen. Demgegenüber bemerkt der Redner, dah die Ver- Wendung der Verbandsmittel zu Untcrstützungszweckcn nicht allzusehr um sich greifen dürfe. Man müsse vielmehr dafür sorgen, dah der Verband für eventuelle Kämpfe gut gerüstet sei. Zum Bericht des Ausschusses erwähnt Reiter- Hamburg einige innere Verbandsangelegenheiten und bemerkt im übrigen, dah er sich kurz fassen könne, da Beschwerden nur in geringer Zahl dem Ausschuh vorgelegen haben.— I a b I o n s k i beantragt im Namen der Revisionskommission, dem Kassierer Ströhlinger Dccharge zu erteilen. Bücher und Belege sind geprüft und in bester Ordnung befunden worden. Bei der Diskussion über die Berichte werden verschiedene An- träge mit zur Beratung gestellt, darunter einer von Frau Nieder- meier-München, wonach, wenn die Errichtung von Verbands- bureauS an einzelnen Orten notwendig wird, die Hauptverwaltung die Hälfte der Kosten tragen soll. In der Diskussion werden die verschiedenen Punkte des Berichts sehr ausführlich besprochen und einzelne Vorgänge kritisiert. Man erklärte sich jedoch im allgemeinen mit der Tätigkeit der Hauptverwaltung durchaus einverstanden. Zur Kellnerinnenorganisation führt Frau Niedermeier auS, dah man doch in München verhältnismähig gute Fortschritte ge- macht habe. Vor zwei Jahren waren dort nur 102 Kellnerinnen organisiert, jetzt sind eS S(34. Die Rednerin bedauert, dah man sich ablehnend gegen die Organisierung der norddeutschen Kellnerinnen verhalte. Sie seien doch auch Arbeitsschwestern, die der Organi- fation dringend bedürfen.— Demgegenüber schildern einige nord- deutsche und auch ein Delegierter aus Frankfurt a. M. sehr schlechte Erfahrungen, die sie bei dem Versuch, Kellnerinnen zu organisieren, gemacht haben.—(Schluß des ersten Verhandlungs- tages.)_ Hud Induftrie und FtandeL Zum Kapitel von der„Berschuldnng" der Landwirtschaft lieferte die amtliche Statistik des Großherzogtums Baden soeben einen ebenso interessanten wie für die Agrarier und ihre Helfers- Helfer unangenehmen Beitrag. Unser badischer Korrespondent be» richtet uns darüber: »ES war natürlich auch bei uns im vorwiegend Weinbau treibenden Baden von jeher Usus, dah die konservativen und klerikalen Agrarier ihr« Bestrebungen auf Hebung der Grundrente, durch»Schutz der nationalen Landwirtschaft", mit dem Hinweis auf die»enorme Verschuldung" der Bauern begründeten. Neuer- Vings sucht man von dieser Seite auch in Baden die immer noch widerspenstige Negierung der Zustimmung zu den Strom« zöllen dadurch geneigter zu machen, indem man auf die Pflicht hinweist, den heimischen Getreidebau gegen die Ueberschwemmung des Landes mit ausländischem Korn durch Verteuerung der Rhein- transporte zu Hülfe zu kommen. In diesem Augenblick ist es von hohem Interesse, was das Statistische Landesamt in Karlsruhe , also eine staatliche Behörde, die unter der Leitung eines Geh. OberregieningSratS steht, über die erwähnte»enorme Verschuldung" unserer Landwirtschaft festgestellt hat. Die Ueverleitung zum neuen Gnmdbuchrecht gab dem Amte die Möglichkeit zu einer genauen statistischen Ermittelung der land- wirtschaftlichen Verschuldung, als deren Ergebnis es vorläufig feststellt, dah von einer erheblichen Verschuldung der badischen Landwirtschaft keine Rede sein könne. Dabei wird in einer besonderen Tabelle nachgewiesen, dah unter den Geldgebern, von denen die hypothekarischen Dar- lehen herrühren, bemerkenswerterweise die Geldgeber aus der Landwirtschaft eine hervorragende Stelle einnehmen. Nicht weniger als 11 Prozent der gesamten Hypothekenkapitalien, etwa 219 Millionen, waren von Land« Wirten gegeben, das ist weit mehr wie ein Drittel der ganzen landwirtschaftlichen Verschuldung, die sich auf insgesamt 614 Millionen beläuft. Ueber« troffen wird diese Summe nur von Angehörigen von Gewerbe, Industrie und Handel mit 25,2 Proz., den Sparkassen mit 24,5 Proz. und den Rentnern mit 14,9 Proz. usw. Die konservative Presse des Landes sucht die ihre bauerndemagogischen Zirkel so empfindlich störenden Feststellungen der amtlichen Landesstatistik mit dem Hinweis auf die hohen Summen zu entkräften, d,e aus dem Industrie« und Handelskapital als Hypotheken der Landwirtschaft zuflrehen, muh sich dafür aber selbst von der sehr„gemäßigt liberalen" und mit Recht als Sprach« rohr der Karlsruher Regierung betrachteten„Strahburger Post" diese Abfuhr gefallen lassen: »Der Glaubenssatz von der»notleidenden Land» Wirtschaft" muß eben gerettet werden; einen solch vorzüg« lichen Agitationsstoff darf man doch nicht preisgeben, koste eS, was es wolle. Von dem fundamentalen Unterschied zwischen dem überwiegend beweglichen Kapital der Industrie und dem überwiegend unbeweglichen der Landwirtschaft hat der Verfasser dieser geistreichen Bemerkung doch wohl auch schon etwas gehört. Wenn trotzdem die Landwirtschaft mehr wie ern Drittel ihres HhpothekenbedarfS selbst aufbringt, so ist das eine hocherfteuliche Leistung, die dazu angetan ist, alle Redensarten von der Not der badischen Landwirtschaft mit einem Schlag so energisch Lügen zu strafen, daß derjenige, der jetzt noch mit ihnen fechten will, der politischen Moral ins Angesicht schlägt. Das müßte allmählich auch die konservative Presse einsehen!" In der gegenwärtigen Zettl der maßlosen Per« teuerung aller Agrarprodukte, in der das Geschrei der Junker nach„Schutz der nationalen Landwirtschaft" immer noch nicht aufhört, sind die Ergebnisse der erwähnten amtlichen Ver- schuldungsstatistik von großer Bedeutung. Sie stimmen durchaus überein mit der allerorts im badischen Lande zu beobachtenden Er- scheinung, daß die Grundrente im Laufe der letzten Jahre eine ganz bedeutende Steigerung erfahren hat, die es mit sich brachte, daß in weiten Landbezirken kaum noch ein landwirtschaftliches Grund stück verkäuflich ist. Wenn solches am dürren Holze der badischen Parzellenwirtschaft geschieht, was muß dann erst am saftig grünen des ostelbifchen Groß gnindbesttzes geschehen? l Rentabilität der Geflügelzucht. Die Zeitschrift„Nutzgeflügelzucht" enthält außerordentlich interessante Mitteilungen des größten Entenzüchters Amerikas , James Rankin. South Caston, Mass., dessen Farm, Mahlewood, ausschließlich der Entenzucht dient. Es sind dort zwanzig Brut- Maschinen in Betrieb, die zu gleicher Zeit 12000 Eier bebrüten. Jährlich werden 30 000 Stück Schlachtenten gezüchtet, die mit zusammen 180 000 Pfund Schlachtgewicht dem Farmer jähr- lich 75 000 M. Reinertrag einbringen.— Eine andere Enten- farm, die der Gebrüder Weber bei Boston , produziert auf 40 Hektar jährlich 45 000 Stück Schlachtenten und er- zielt dabei einen Reingewinn von 100000 M. jährlich. Das Anlagekapital einschließlich Grunderwerb beträgt 150000 M. Rankin weist nach, daß die Produktion von einem Pfund Entenfleisch 42,5 Pf. kostet, der Erlös im Jahresdurchschnitt beträgt dagegen 84,5 Pf.; daS ergibt einen Reingewinn von 42 Pf. pro Pfund. Die Möglichkeit, auch in Deutschland mit Peking-Enten in 10 Wochen ein Schlachtgewicht von 10 Pfund und damit einen sehr guten Rein- ertrag zu erzielen, ist von verschiedenen Geflügelzüchtern— unter anderen von dem Landwirtschastsinspeltor Schneider-Dieslau(Saal- kreis)— nachgewiesen worden. Ebenso sind durch rationelle Hühnerhaltung große Reinerträge zu erzielen. Von dem Berein für Nutzgeflügelzucht wurden im Kreise Hörde unter wissenschaftlicher Leitung durch drei Jahre in 11 Stationen Ermittelungen angestellt, die ergeben haben, daß bei dem nötigen Interesse pro Huhn und Jahr Reinerträge von 10. 12. ja 14 Mark erzielt werden können. Zu dem nötigen Interesse gehört natürlich auch einiges Wissen und Selbsttätigkeit. Wenn das nicht wäre, würden sich wohl unsere Junker auch mehr mit der so rentablen Geflügelzucht befassen. Sie erhöhen' die Rentabilität ihrer Güter auf leichtere Weise— durch Zölle und Grenzsperren. Für etwa 120 Millionen Mark werden jährlich an Eiern und Schlachtgeflügel nach Deutschland eingeführt. Das eingeführte Eier- quantum und das Schlachtgeflügel könnte in Deutschland produziert werden. Die dazu erforderlichen Arbeiter werden sich auch finden, wenn die Agrarier die Arbeiter als Menschen behandeln und ihnen die Löhne zahlen, die in der Industrie verdient werden. Und Ober- förster Sieber stellt im„Forstwissenschaftlichen Zentralblatt' in einem Artikel„Waldarbeiter-Mangel und-Löhne" die Behauptung auf, die Junker seien in der Lage, noch höhere Löhne zu zahlen, als manche Industrie aufbringen muß._ Vom Sicgrrliinder Roheisenmarkt wird gemeldet, daß die Lage deS Marktes geradezu trostlos ist. Die beiden Hochofenwerken vor- liegenden Aufträge erreichen kaum 30 Proz. der Leistungsfähigkeit. Auf den einzelnen Werken ist kaum mehr als ein Ofen in Tätigkeit; trotzdem haben die Vorräte einen Umfang angenommen, der ein weiteres Anschwellen schon auS Platzmangel ausschließt. Besonders verschlimmert wird die Lage durch das gänzliche Fehlen von AuS- landSaufträgen, die früher etwas über die schlechten Zeiten hinweg- helfen konnten. WaS Belgien in den Stand fetzt, die deutsche Kon- kurrenz auf dem internationalen Markte aus dem Feld zu schlagen. sind die um etwa 2 Franks billigeren Koks- beziehungsweise Kohlen- preise. Unter den heimischen hohen Brrnnmaterialienpr eisen leidet besonders das Siegerland. _ £3encbt9- Zeitung. DaS Ende eines polizeiliche« Sozialistcntöters. In Unterbach bei Düsseldorf waltete mit Strenge seines Amtes der Polizist Hellwig, ein Feind der modernen Arveiterbewegung. Nichts gereichte ihm mehr zur Freude, als wenn er die verhaßten Sozis beim Flugblattverbreiten erwischen konnte. Obwohl er bei dem Kampfe gegen unsere Genossen stets den kürzeren zog, so hielt ihn dieses nicht ab, die Hetze fortzusetzen. Diesen Ordnungswächter hat nun da» Geschick ereilt: er fitzt wegen Meineids in Untersuchungs- Haft. DaS kam so: EineS TageS hatte Hellwig bei einem Arbeiter Schwarz eine Haussuchung vorgenommen und zwar in Abwesen- heit des letzteren. DaS wurmte den Schwarz und als er den Polizisten in der Kneipe traf, geriet er sofort mit ihm aneinander. Schwarz warf dem Polizeibeamten vor, daß er, obwohl verheiratet und Vater von fünf Kindern, noch mit anderen Frauen geschlecht- lichen Verkehr unterhalte. Außerdem stecke er sich Gelder, die er als Beamter vereinnahme, in feine Tasche. Die Rechtfertigung des Hellwig bestand darin, daß er den Schwarz mißhandelte. Diese Rechtfertigung genügte dem Borgesetzten des Polizisten nicht. Er strengte die Klag« gegen den Schwarz an. Das Schöffengericht in Gerresheim beschäftigte sich mit dieser Sache in zwei Sitzungen. Die erste mußte vertagt werden, weil der Angeklagte noch eine Anzahl Zeugen laden ließ. Hellwig hatte nämlich beschworen, daß die Behauptungen des Schwarz alle aus der Luft gegriffen seien. In der zweiten Verhandlung wurde aber einwandfrei festgestellt, daß der Musterpolizist mit zwei Frauen stets geschlechtlichen Verkehr unterhalten; er hatte sogar gute Freunde mitgenommen, welche ihn bei dem schweren Dienst unterstützten. Außerdem wurde ihm bewiesen, daß er Schul- strafgeld in seine Tasche gesteckt, ebenfalls daß er Mietsunterstützungen unterschlagen. Der Polizist erklärte, er sei vom Bürgermeister beauftragt worden, die in Rede stehenden Frauen zu kontrollieren, weil sie keinen einwandfreien Lebenswandel führten. Tatsächlich hatte Hellwig, wenn er nächtlicherweile zu den Frauen kam, gesagt:»I ch komme im Auftrage deS Bürgermeisters". Festgestellt wurde aber auch, daß der Polizist noch mit anderen Frauen an- gebändelt oder anzubändeln versucht hatte. Der Angeklagte wurde wegen formaler Beleidigung zu 10 M. Geldstrafe verurteilt, im übrigen freigesprochen, weil der Wahrheitsbeweis erbracht sei. Der Polizeibeamte wurde sofort verhaftet und hat eine Anklag« wegen Mißbrauch der Dienstgewalt, Unterschlagung, Mißhandlung und Meineid zu er- warten. Eine der Frauen, in deren Wohnung die Orgien gefeiert wurden, hat sich wegen Kuppelei zu verantworten. Die Folgen der Polizeiaussicht. Furchtbare Folgen der Polizeiaufsicht kamen in einem Straf- Prozeß vor der 3. Strafkammer des Dresdener Landgerichts zur Erörterung, die lebhast aü die Lebensschicksale des Hauptmanns von Köpenick erinnert. Der jetzt 50 Jahre alte Malergehülse Ernst Hugo Heidrich aus Plauen i. V. Verl , eh im November 19V5 nach Ver- büßung einer b'/zjährigen Strafe das Zuchthaus zu Waldheim. Seine Ersparnisse während der Strafzeit betrugen 59 M. Seine Arbeitskraft aber war zum Teil gebrochen, denn er hatte bei einem Unfälle in der Strafanstalt mehrere Finger der linken Hand verloren. Er er- hielt aber trotz dieses schweren Unglücks keine Unfallrente, sondern nur zweimal aus der Anstaltskasse eine Unterstützung von 15 M. Der Gefangene trat mit den besten Absichten in die Welt zurück und erhielt auch durch Vermittelung seines früheren Meisters Beschäf- tigung als Maler. Er war fleißig und nüchtem, arbeitete Sonntags und Alltags und schaffte trotz seiner verstümmelten Hand in red- lichster Weise. Doch daS Gespenst der noch ihm anhaftenden drei- jährigen Polizeiaufsicht verließ ihn weder bei Tag noch Nacht und wurde schließlich Wirklichkeit. Eines Tages erschien bei seinem Met st er ein Polizetbeamter, erkundigte sich nach dem ehenmligen„Zuchthäusler" und machte Mitteilung von der dem Manne noch anhaftenden Polizeiaufsicht. Die Folge dieser Mit- teilung war die sofortige Entlassung Heidrichs auS seinem Arbeitsverhältnis. Er suchte weiter nach Arbeit und fand solche auch bei einem M a l e r m e i st e r in der Vorstadt Striesen. Nach wenigen Wochen wiederholte sich dasselbe Spiel. Auch hier erschien wieder ein Polizeibeamter und der Arbeiter flog aufs neue auf die Straße. Nun trat er in einer Fabrik in Niedersedlitz in Arbeit, mietete, um vor polizeilichen Nachforschungen in der Fabrik sicher zu sein, eine Wohnung in Niedersedlitz , eine zweite in Dresden und meldete sich fortab allwöchentlich vorschriftsmäßig zur Kontrolle bei der Polizei. Das ging vier Monate. Dann machten sich die Folgen der Polizeiaufsicht zum dritten Male bemerkbar und der»Zuchthäusler Heidrich" wurde wieder entlassen. Kurz darauf zum vierten Male aus einer Stellung in Radeberg. »Sie haben überhaupt kein Anrecht auf die Arbeit. die Sie sich gesucht haben; Sie müssen arbetten, wo wir wollen." soll nach Heidrichs Behauptung ein Aufsichtsbeamter zu ihm gesagt haben. Trotz dieser Hetzjagd hielt sich Heidrich noch l'/a Jahre tadellos. Im Juli 1907 fand er Arbeit in Rade- berg und machte hier die Bekanntschast einer älteren Frau mit einige» Ersparnissen. Beide beschlossen, sich zu heiraten. Aber zum fünften Make drohtön ihm die Folgen der Polizeiaufsicht. Abermals war ein Polizeibeamter an seiner Arbeitsstelle er- schienen, und seine Entlassung stand bevor. Nun war es mit der Kraft des Gehetzten vorbei. Auch seine bis- herigen guten Grundsätze waren dahin. Er nahm die Er- sparmsse seiner Braut— einige hundert Mark-» und flüchtete, um endlich Ruhe zu finden, nach Warschau , kehrte nach Deutschland zurück und arbeitete in Posen, Schlesien und Brandenburg , aber überall wurde er wegen der Polizeiaufficht wieder entlassen. In Leipzig wurde er schließlich festgenommen, weil er sich zum Zwecke des besseren Fortkommens einen Einwohner- schein gefälscht hatte. Dann kam auch der an seiner Braut verübte Gelddiebstahl heraus. Für diese Straftat erhielt er jetzt von, Dresdener Landgericht drei Jahr Zuchthaus, zehn Jahr Ehrverlust und Zulässigkeil von Polizeiaufsicht. DaS nennt das Reich Gerechtigkeit! Wann endlich wird die Polizeiaufsicht in ihrer ehrliche Arbeit hindernden oder erschwerenden Form beseitigt werden l_ Ein Sauitätsrat als Wein- und Urkundcnfälscher. Wegen Weinfälschung, Uebertretung nach K 367, 7 und Urkundenfälschung ist an, 25. Januar vom Landgericht Mainz der Sanitätsrat Dr, med. Adam Polly zu einem Monat Gefängnis und 1500 Mark Geld st rase verurteilt worden. Außerdem wurde auf Einziehung der Fässer in den Kellern deS Angeklagten und der Gebr. Schmitz in Mainz erkannt. Ende Juni 1907 hat die Weinfirma Gebr. Schmitz 1950 Liter gezuckerten Wein vom Angeklagten gelaust. Dieser hat schrist- lich garantiert, daß der Wein dem Gesetze cntspreche. Er verschwieg, daß er dem Wein gezuckerten Wein zugesetzt Hai. Die Firma bc- zahlte 5177 M. für diesen Wein. Bei Schmitz wurde der Wein in zwei Fässer umgefüllt und das eine mit 900 Liter gezuckerten Wcseler Wein nachgefüllt. Bei der bei Schmitz vorgenommenen Revision wurde eine Probe aus beiden Fässern entnommen und cheniisch untersucht. Der Wein wurde verdächtig befunden, Trester- wein zu enthalten. Der Kontroleur entnahm nun auch von den Fässern beim Angeklagten drei Proben. Die beiden ersten kamen ihm strafllerdächtig vor. Er versiegelte die drei Flaschen mit seinem Amtssiegel. Um den Angeklagten zu schonen, war er ohne den Bürgermeister gekommen und über- gab die Flaschen auch nicht dem Vürgernreister zur Uebersendung an die Uutersuchuiigsanstalt, sondern ersuchte den Angeklagten, sie selbst dahin zu senden. Der Angeklagte reifte mit den Flaschen nach WorinS und ging dort zun, Vorstand des chemischen Untersuchungsamtes. Die Flaschen wurden ihm abgenommen und in das Laboratorium gestellt. Verdächtig kam es dem Vorsteher P. vor. daß der Angeklagte ihn erregt ersuchte, die Flaschen sogleich zu öffnen. Die Besichtigung der Siegel durch P. ergab, daß die dritte Flasche ein unversehrtes Siegel zeigte. Auf der einen anderen Flasche war aber gar kein Siegel und auf der anderen war durch Ueberdrücken einer alten Scheide- münze daß Siegel nachgeahmt. Hätte P. nicht die Veränderung des Siegels bemerkt, so würde er nur eine Flasche beanstandet haben, die kein Siegel hatte. Aus der mit dem nachgen, achten Siegel hatte der Angeklagte den Inhalt entfernt und durch guten Wein ersetzt. Schon längere Zeit, sagt das Urteil, betreibt der Angeklagte die Weinpantscherei. Die Weine des Au- gekagten wurden nun auf die Anzeige P.s versiegelt. Nur zwei Fässer erwiesen sich als unverdächtig. Sehr hoher Aschengehalt und sehr niedriger Extraltgehalt ist charakteristisch für die Weine des Angeklagten wie für Tresterwein. Alle sechs Nummern waren niit Tresterwein verschnitten und zum Teil überstreckt. Die beiden Rotweine des Angeklagten mögen ohne Tresterwein hergestellt sein, aber sie sind so ungenießbar und gesundheitsschädlich, daß sie nicht mehr hätten feilgeboten werden dürfen. DaS Siegel des staat- lichen Weinkontrolleur» ist zwar keine öffentliche, toohl aber eine Privaturkunde; der Siegelabdruck ist beweis- erheblich. Der Angeklagte wollte sich durch seine Handlungs- weise vor Strafe schützen und seinen Vermvgcnsstand erhalten. Bei der Strasabmessung kam in Betracht, daß er die öffentliche Autorität durch Nachmachen des Siegels mißachtet hat.— Die Revision des Angeklagten wurde vom Reichsgericht am Dienstag verworfen, soiveU die Verurteilung wegen Urkundenfälschung auSgesprockeu war. ES hob daS Urteil aber auf. so weit eS wegen Vergehens gegen daS W e i n g e s e tz ergangen ist. Auf die 1895 er Weine konnte das neue Weingesetz nicht angewendet werden; nach den, alten war die Herstellung solcher Weine nicht strafbar. Auch ist nicht geprüft, ob fahrlässiges Feilhalten vorlag. Berechtigte Kritik. Die Umwandlung berechtigter Kritik in eine Beleidigung ist bei Gerichtsurteilen, die sich mir der Reparatur vermeintlich durch Arbeiter verletzter Ehre eines Fabrikanten oder Arbeitswilligen zu befassen haben, recht häufig anzutreffen. Diese Unterbindung der Kritik von Mißständen geht selbst dem Reichsgericht zu weit. Wegen Beleidigung eines Fabrikanten und zweier Arbeiter ist am 25. November vorigen Jahres vom Landgericht I in Berlin der Redakteur des„Töpfer", Ärtur Schmit, zu Geldstrafen von hundert und fünfzig Mark ver- urteilt werden. Ueber seine Revision»erhandelte am 28. April da» Reichsgericht. Das Urteil wurde am Dienstag verkündet. Es lautete auf Aufhebung des landgerichtlichsn Ur- teils, solveit eS wegen Beleidigung deS Fabrikanten ergangen ist, und Zurückverweifung der Sache an das Landgericht in dem bc- zeichneten Umfange. Nach den Feststellungen des Landgerichts bc- stand die in dem Artikel vom 31. August 1907 enthaltene Beleidigung darin, daß behauptet worden ist, der Fabrikant habe gekündigt. ohne nach de», Gesetz dazu berechtigt gewesen zu sein. Inwiefern darin eine Tatsache liegen soll, die geeignet ist, den Fabrikanten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Achtung herabzusetzen, ist, wie daS Reichsgericht ausführt, im Urteile des Landgerichts nicht dargelegt, versteht sich auch nicht ohne weiteres von selbst. Wenn von einem»brutalen Gewaltschlag" die Rede ist, so liegt darin nur eine Kritik über das Verhalten des Fabrikanten, also ein Urteil, das an sich unter den§ 185 fallen würde. Deshalb war die Verurteilung nach 8 186 nicht auftecht zu erhalten. An das Schwurgericht verwiesen wurde die gegen den Bankier August Philipsborn schwebende Straffache, mit welcher sich gestern unter Vorsitz deS Landgerichtsdirektors Splektstößer die 7. Strafkammer des Landgerichts I zu beschäftigen hatte. ES handelte sich um die Veruntreuungen und Depotunterschlagungen deS 57jährigen Bankiers Philipsborn, die seinerzeit großes Aussehen erregt hatten. Der Angeklagte, welcher in guten Vermögensverhältnissci, lebt und u. a. auch' Schatzmeister einer bekannten Loge ist, tvar Inhaber eines Bankgeschäfts, welches hauptsächlich von kleineren Kapitalisten in Anspruch genommen wurde. Wie die Anklage be- hauptet, soll P., als er in finanzielle Schwierigkeiten geriet, sich an dem Depot feiner Kunden vergriffen haben. Eine 63jKhrige Frau Wilhelmine H. , die dem Angeklagten 6500 M. in Wertpapieren über- geben hatte, hat diese Summe, die ihre gesantten Ersparnisse und ihre« Notgroschen darstellten. bis auf den letzten Pfennig verloren. Zwei andere Frauen, die ihr geringes Kapital dem Angeklagten an- vertraut hatten, sind ebeiifalls in empfindlichster Weise geschädigt worden. Vor Gericht bestritt Philipsborn, sich ,rgendwie strafbar gemacht zu haben. Nach längerer Beweisaufnahme kau, das Gericht zu einer Ueberweisung der Sache an das Schwurgericht. Es wurde angenommen, daß P. nicht nur der Untreue und des KonkursvergehenS, sondern auch eines Verbrechens gegen§ 11. betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere vom 5. Juli 1896 verdächtig sei. Zur Aburteilung hierüber ist aber nicht die Straflammer, sondern das Schwurgericht zuständig. Eingegangene DmcKfclmften. Monatsschrift für den deutschen Kaufmann lHerausgeber Busch. mann). Verlag Georg D. W. Callwcy, München . Vierteljahrspreis 1,5« M. S. Jahresbericht 1S07 deS ArbeiterftkretariatS Altenburg S.-A. 47 Seiten. Selbstverlag.
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