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1. Beilage zum ,, Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Nr. 38.

Parlamentsberichte.

Abgeordnetenhaus.

29. Sigung vom 13. Februar 1893. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Staats- Haushaltsetats für 1893-94, und zwar die Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal angelegenheiten.

Beim ersten Titel der Einnahmen: Evangelischer Rultus, in welchem sich auch Einnahmen aus dem hannover­schen Klosterfonds befinden, fragt

Abg. v. Minnigerode( 3.), wie es mit der Verwaltung der Liegenschaften dieses Fonds steht. Es wäre doch zu überlegen, ob die Verwaltung nicht der landwirthschaftlichen Berwaltung zu übertragen wäre. Kultusminister Bosse: Diese Frage ist in Erwägung ge­tommen, aber die Unterrichtsverwaltung ist nicht geneigt, die Landwirthschaftliche Verwaltung abzugeben, weil dadurch mehr Schreibereien entstehen würden und eine Zersplitterung der Ver­waltung.

Abg. Sattler( natl.) bedauert diese Abneigung des Kultus ministers. Kultusminister Boffe: Ich weiß doch nicht, ob ich eine Er wägung der Sache in Aussicht stellen kann. Die Klosterkammer ist eine fo gut organisirte, daß ich nicht an eine Umgestaltung derselben gehen möchte.

Abg. Ludowieg( natl.) spricht sich im Gegensaße zu den Abgg. v. Minnigerode und Sattler für die Beibehaltung der jezigen Verwaltung aus.

Abg. Sattler( natlib.): Von der Aufhebung der eigenen Verwaltung habe ich garnicht gesprochen.

Abg. Brandenburg( Bentr.) spricht sich ebenfalls für die Aufrechthaltung der besonderen Verwaltung des hannoverschen Klosterfonds aus.

Der Titel wird bewilligt, ebenso die weiteren Einnahmetitel. Beim Kapitel 109, Ministerium und zwar beim Titel Ge­halt des Ministers bringt

Dienstag, den 14. Februar 1893.

S

10. Jahrg.

freiheit, wenn es alt genug geworden ist. Das Kind in der gemäß darbietet. Der biblische Geschichtsunterricht ist historisch. Schule soll erzogen und religiös beeinflußt werden. Wenn man Dazu Dissidentenkinder anzuhalten, würde ich nicht das geringste die Gewissensfreiheit der Kinder anerkennen wollte, dann hört Bedenken haben. Aber für meinen religiösen Standpunkt ist es jeder Schulzwang auf, dann geben wir das Beste auf, was wir gänzlich unmöglich, das Kind eines Atheisten dazu zu veranlassen, haben. Mit dem Gewissenszwange ist hier garnichts anzufangen. Den lutherischen oder römischen Katechismus zu lernen, denn der Es handelt sich nur darum, ob der Wunsch und das Recht des Katechismus enthält zugleich Bekenntnisse. Diese einem Kinde Baters, die Erziehung seines Kindes zu beeinflussen, soweit geben eines Dissidenten aufzuzwingen, wäre fogar pädagogisch bedenk darf. daß er dem Kinde jeden Religionsunterricht fernhalten kann. lich. Welchem Unterricht sollen die Dissidentenkinder denn bei­Hätten wir das Volksschul Gesetz nicht berathen, dann könnten wohnen: dem katholischen oder evangelischen? Ebenso dringend wir eine Form suchen, um den berechtigten Wünschen der Eltern wie bei den Dissidentenkindern müßte die Regierung einmal die nachzukommen. Aber es ist außerordentlich schwierig, ganz Frage untersuchen, wie viel Kinder jüdischer Eltern entbehren irreligiösen Eltern gegenüber eine solche Formulirung zu finden. jedes Religionsunterrichts. Auch ich wünsche, daß Klarheit darüber Was entstehen denn wirklich für große Nachtheile, wenn die Ver- geschaffen wird, ob in den religiösen Unterrichtsbüchern der fügung durchgeführt wird? Wenn wirklich ein Kind, von dem es Juden Unsittlichkeiten enthalten sind. Ich freue mich, daß feststeht, daß es einen Religionsunterricht durch die Eltern nicht die Regierung diese Sache untersuchen läßt. Auf jeden Angriff empfangen fann, angehalten wird, in den Religionsunterricht gegen die jüdische Religion tann die Regierung doch nicht der Volksschule zu gehen? Der Unterricht wird große Schwierig eingehen; oder soll sie auch auf jeden Angriff gegen das Christen feiten haben wegen der Gegenwirkung des Hauses. Aber ist es thum eingehen, welcher in der jüdischen Presse steht? Ueber den denn so schlimm, wenn das Kind einmal sieht, wie es diejenigen Talmud hat der Sachverständige Ecfer fein Gutachten abgegeben, Leute halten, die noch an der Religion hängen? Sollten die Ge- daß in den 100 Säßen des Judenspiegels sehr viel Unfittliches richte in letter Instanz konstant dabei bleiben, wie das bisher enthalten ist.( Buruf: Strack!) Darüber hätte Herr Rickert sich auf Grund irrthümlicher Grundlage geschehen ist, so werde ich erst unterrichten sollen. Es wird ja über die ungeheuren Geld­mich dem Ausspruche der Gerichte fügen. So lange das nicht mittel geflagt, die der Antisemitismus zur Verfügung habe und der Fall ist, balte ich mich für verpflichtet, verfassungsmäßig zu die den Juden fehlen. Aber daß ein ausgewachsener Mensch handeln und ich muß die Verfügung aufrecht erhalten. folche Dinge glaubt, könnte ich doch eigentlich nicht annehmen. Abg. v. Wackerbarth ( tons.): Bei der vorjährigen Etat. Vielleicht wäre es besser, wenn Herr Rickert seine Judenschutz­berathung habe ich an die Regierung die Frage gerichtet, ob die truppe umwandelt in einen Verein gegen Verarmung und Schulaufficht sich auch auf den jüdischen Religionsunterricht be- Bettelei, er fommt dann vielleicht besser zu seinem Ziele. zieht. Eine Antwort ist darauf noch nicht ertheilt worden. 800( Heiterfeit rechts.) jüdische Gemeinden besitzen teine Persönlichkeit, welche im stande ist, den Religionsunterricht zu ertheilen. Wie ist dieser Zustand mit den Ausführungen des Ministers in Einklang zu bringen? Minister Boffe: Wenn die Kinder den jüdischen Religions unterricht nicht in der Schule empfangen, so wird dafür ein Er sat nachgewiesen werden müssen. Der jüdische Unterricht, auch der Religionsunterricht, untersteht der Aufsicht des Staates; es sind aber keine Beschwerden an mich gelangt.

Nachdem Abg. v. Jazdzewski dagegen protestirt hat, daß die Polen irgendwie aggressiv gegen die Evangelischen, gegen die Deutschen vorgegangen feien, spricht sich

Abg. Friedberg( natl.) gegen den Erlaß des Ministers, be treffend die Kinder der Dissidenten, aus.

Abg. Rickert: Ich hoffe, daß ich den Minister dahin richtig verstanden habe, daß er das Ergebniß der Untersuchung sofort in irgend einer Weise bekannt giebt.( Nicken des Ministers.) Daß Herr Stöcker zu leugnen wagt, daß die Antisemiten mit großen Geldmitteln arbeiten, ist doch seltsam. Der antisemitische Bauernbund hat 20 Wanderredner, das antisemitische Bureau hat Millionen von Flugblättern verbreiten lassen. Ich kenne feine Organisation, die so mächtig arbeitet.

Abg. von Wackerbarth ( fons.) weist darauf hin, daß die Regierung darauf verzichtet, bei jüdischen Schülern bei der Reife­prüfung den Nachweis der religiösen Bildung zu verlangen, während dies bei christlichen Schülern verlangt wird.

Darauf wird die weitere Debatte um 31/2 Uhr bis Diens tag 11 Uhr vertagt. Außerdem Verlesung der Interpellation Seyffardt wegen Verunreinigung der Elbe bei Magdeburg .

Parlamentarisches.

Abg. Rickert( dfr.): bittet den Präsidenten, die einzelnen Materien nach einander und nicht durcheinander behandeln zu Abg. Träger( dfr.) die Frage des Religionsunterrichts der lassen. Kinder von Diffidenten vor. Der Vorgänger des Ministers habe Präsident v. Köller: Ich würde das gern thun; aber bei eine Verfügung darüber erlassen, wonach ein Unterricht in der uns besteht die Reduerliste, an die ich mich zu halten habe. Religion für diese Kinder nachgewiesen werden soll. Diese Ver- Abg. Langerhaus( dfr.): Die Berufung des Ministers auf fügung war in dem Volksschulgesetz des Ministers aus der Region Artikel 12 der Verfassung, wonach den bürgerlichen und staats­der Verfügung in die Region des Gesezes hineingetragen worden. bürgerlichen Pflichten durch die Ausübung der Religionsfreiheit Das Haus hat aber diese Bestimmung des Gefeßentwurfes ge- tein Abbruch geschehen darf, ist unrichtig. Die ursprüngliche ftrichen. Der Gefeßentwurf ist allerdings nicht weiter berathen Fassung dieses Artitels in der Vorlage des Jahres 1848 spricht worden. Redner weist nach, daß eine solche Verfügung nicht nur davon, daß aus religiösen Gründen nicht die Verlegung von nur dem Urtheile der Gerichtshöfe widerspreche, sondern auch Strafgesetzen und der öffentlichen Ordnung berechtigt ist. Mit dem verfaffungsmäßigen und geseglichen Zustand, denn es sei die dem Religionsunterricht hat das aber durchaus nichts zu thun. Freiheit des Religionsbekenntnisses garantirt, und es steht auch Der Minister sagt, der Atheismus sei keine Religion; aber die jedem frei, aus den Landeskirchen auszuscheiden durch eine meisten Dissidenten huldigen gar nicht dem Atheismus, sondern furze Erklärung. Demgegenüber ist es unbegreiflich, wie dem Pantheismus. Was soll es nügen, wenn die Kinder in der die Kinder eines solchen Dissidenten in einen Religions- Schule etwas anderes lernen, als ihnen die Eltern sagen. Wenn unterricht gezwungen werden sollen, welcher den Absichten der Minister sagt, de lege ferenda würde er es anders machen, der Eltern nicht entspricht. Wenn der Minister einige so erkennt er damit an, daß der jetzige Zustand ein unhaltbarer Berhandlung der Kommission für Arbeiterstatistik. Betenten auf den Rechtsweg verwiesen hat, so ist das doch be- ist.( Widerspruch des Ministers.) Jedenfalls sollte der Minister In der Sigung am Freitag den 10. Februar wurde zunächst der denklich, da doch der Minister die Erkenntnisse des Rammer- es auf die Entscheidung der höchsten gerichtlichen Instanzen Inhalt der Fragebogen zur Ermittelung der Arbeitszeit im gerichts fennt. Rechtsunkundige Leute sollte man doch auf diesen nicht erst ankommen lassen. Die Dissidenten sind meist arme Müllereigewerbe endgiltig festgestellt. Ein Ausschuß, der aus Weg nicht verweisen. Es sollte immer vermieden werden, die Leute, die unter ihrer Ueberzeugung leiden, und sie sollen sich dem Direktor des statistischen Amts von Scheel, dem badischen Verwaltung mit der Rechtsprechung in Gegensatz zu bringen. ihr Recht nun durch kostspielige Prozesse erft erkämpfen. Ober- Regierungsrath Dr. Wörishoffer, den Reichstags- Abgeord Der Minister hat hier die Erklärung abgegeben, daß ihm nichts Die Humanität sollte es uns gebieten, in diefer Sache anders zu neten Dr. Hirsch und Molkenbuhr bestand, hatte eine Ver weniger wünschenswerth wäre, als Gewissenszwang. Gerade in entscheiden, als die Regierung es gethan hat. Soll denn die vollständigung der Fragebogen vorgenommen und wurden die dieser Verfügung wird aber allgemein ein schwerwiegender Ge- Entscheidung dessen, was ich für Religion halte, allein der Re- sämmtlichen Abänderungsvorschläge des Ausschusses angenommen. wiffenszwang erblickt. Der Vortheil, der durch dieselbe erzielt gierung überlassen bleiben? Solche Verfügungen des Ministers Nicht angenommen wurde der Vorschlag, den Fragebogen Brief­werden soll, ist ein außerordentlich geringer gegenüber dem Nach- fönnen fein neues Gesetz schaffen; es bleibt immer bei den umschläge mit der aufgedruckten Adresse des statistischen Amtes theil, der die Folge derselben ist. Die Kinder können in den früheren Gesetzen. Die Verfügung, um die es sich hier handelt, beizulegen. Religionsunterricht gezwungen werden, aber es kann nicht ver- halte ich für verfassungs- und gesetzwidrig. Für diesen Vorschlag war geltend gemacht worden, daß wenn hindert werden, daß ihnen im Hause wieder das ausgeredet wird, Minister Bosse: Ich kann doch nicht mehr thun, als die Arbeitnehmer den Fragebogen ausgefüllt und in demselben was fie in der Schule gelernt haben. Die wahre Religiosität Sache auf den rechtlichen Fuß bringen und sagen: Ich werde Mittheilungen gemacht haben, über besondere Mißstände fann nur auf dem Boden der Gewissensfreiheit gefordert werden. mich der gerichtlichen Entscheidung fügen. Um die Prozeßkosten in dem Betrieb, dann der Arbeitgeber nicht erst in der Lage sein Bedenklich ist es, dem Volfe die Religion aufzuzwingen. brauchen wir uns nicht zu fümmern; die freie Gemeinde hat ja folle, Kenntniß von dem Inhalt zu nehmen. Wenn dieser Weg Minister Bosse: Ich kann dem Vorredner nur dankbar sein, die Prozeßtosten zu tragen. Daß die Sache zweifelhaft ist, zeigen auch allgemein als praktisch anerkannt wurde, so ist er doch nur daß er diese Sache, die mich vielfach eingehend beschäftigt hat, die Erkenntnisse der ersten Instanz, welche die Leute verurtheilt ausführbar, wenn man voraussetzt, daß der größte Theil der angeregt hat. Ueber die Vorgänge ist der Borredner aber doch nicht haben. Daß ich de legé ferenda anders verfahren würde, ist Befragten in der Lage ist, den Bogen so auszufüllen, daß er zur ganz richtig unterrichtet. Die Berfügung befagt feineswegs, daß jedes richtig. Ich kann einen anderen Zustand wünschen, fühle mich statistischen Bearbeitung zu gebrauchen ist. Aber sowohl bei der Rind an dem Religionsunterricht der Boltsschule theilnehmen aber doch in meinem Gewissen gedrungen, den bestehenden recht- Enquete im Bäckergewerbe, als bei der Umfrage im Handels­müsse, sondern nur dann soll das der Fall sein, wenn für den lichen Zustand aufrecht zu erhalten. Ueber die Frage des gewerbe hat sich herausgestellt, daß ein sehr großer Theil der Religionsunterricht nicht anderweitig gesorgt ist. Dieser Zustand Pantheismus fann ich mich heute nicht auslassen. Ich bleibe Fragebogen erst durch Nacherhebungen der Ortsbehörden in einen hat feit 1859 beftanden, mit Ausnahme zweier oder dreier Ent- dabei, eine Religion ohne Religion ist keine Religion.( Heiter für statistische Zwecke brauchbaren Zustand gebracht worden sind. scheidungen des Ministers Falt. Daß es unerwünscht ist, Ver- feit.) Beispielsweise hätten von den 9000 Fragebogen der Kaufleute waltung und Rechtsprechung in Gegensatz zu bringen, damit bin 1000 von der Bearbeitung ausgeschlossen werden müssen, weil sie auch ich einverstanden. Ich würde mich einer abweichenden statistisch absolut nicht zu verwerthen waren. Die Nacherhebungen Rechtsprechung sofort fügen. Das Rammergericht hat sich aber sind aber ausgeschlossen, wenn die Bogen direkt an das statistische in den Erwägungsgründen seines Urtheils aus dem Jahre 1886 Amt zurückgehen. Es wurde deshalb beschlossen, die Orts­auf Vorschriften bezogen, die sich auf die höheren Schulen, nicht behörden nach wie vor zur Ausfüllung heranzuziehen. auf die Volksschulen bezogen. Ich habe wohlweißlich, da ich ge­Die Umfrage soll so eingerichtet werden, daß aus dem Katafter wiffe Zweifel anerkennen mußte, die Parteien auf den Rechtsweg der Berufsgenossenschaft 10 Prozent der Adressen herausgezogen verwiesen und damit bekundet, daß ich die Frage nicht auf den werden, von welchen abwechselnd an die Arbeitgeber und an die Gesichtspunkt der schultechnischen Zweckmäßigteit stellen, sondern Arbeiter die Fragebogen gesandt werden. Von Seiten der ausschließlich als eine Rechtsfrage betrachten wollte. Könnte ich Kommission wurde der Reichstags- Abgeordnete Moltenbuhr dazu mich davon überzeugen, daß der Art. 12 der Verfassung verletzt bestimmt, zu überwachen, daß die Adressen in der Art, wie die würde, dann würde ich die Verfügung noch heute aufheben, denn Kommission es beschlossen hat, aus dem Kataster ausgezogen ich bin ein Gegner jedes Gewissenszwanges, weil durch denselben werden. niemals das erreicht wird, was man erreichen will. In Glaubenssachen giebt es teinen Zwang. Ich hätte lieber den erhobenen Beschwerden Rechnung getragen, aber ich glaube durch eine flare Rechtsdeduktion genöthigt zu sein, den Erlaß aufrecht zu erhalten. Alle Kinder sollen den Unterricht erhalten, der für die Volksschulen vorgeschrieben ist. Für die Volksschulen ist der Religionsunterricht vorgeschrieben, folglich müssen die Eltern ihren Kindern auch den Religionsunterricht gewähren. Eine Dispensation fann also nur ertheilt werden, wenn der Nachweis eines anderweitigen Religionsunterrichts erbracht ist. Man hat gesagt, dieses Ergebniß kann nicht richtig sein, weil es gegen den Grundfaß der Verfassung verstößt und sich auf alte landrechtliche Vorschriften stüßt.

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Abg. Graf- Elberfeld( natl.) weist auf die bedauerliche Thatsache hin, daß die Gelder, welche für die Durchführung des Normaletats bewilligt sind, zum großen Theil erspart sind.

Geheimer Oberfinanzrath Germar: Der Normaletat konnte erst für die staatlichen Lehranstalten durchgeführt werden. Das Gesetz, welches den Normaletat bei den übrigen Lehranstalten einführte, ist erst im vorigen Jahre erlassen; es ist unmöglich gewesen, dieses Gesetz ganz durchzuführen. Das wird erst im nächsten Etatsjahre vollständig geschehen.

Abg. von Jazdzewski( Pole) tommt auf den polnischen Sprachunterricht zurück und bedauert, daß der Minister die Sache mit dem Gottesdienst in Zusammenhang gebracht hat.

Minister Boffe sucht in längeren Ausführungen die Beschwerden des Vorredners, die auch firchliche Angelegenheiten berührten, zu widerlegen.

Abg. Rickert( dfr.) tabelt gleichfalls in längerer Nede das Verfahren des Ministers betr. den Religionsunterricht der Dissi denten und nimmt ferner die jüdischen Religionslehrbücher gegen die bekannten antisemitischen Verdächtigungen in Schuh.

Ueber die weitere Behandlung der Erhebungen über die Bäckereien und Konditoreien wurde beschlossen:

I. Den Reichskanzler zu ersuchen, den Landesregierungen zu empfehlen, über nachstehend aufgeführte Punkte Erhebungen vor nehmen zu lassen und soweit thunlich dieselben durch die Gewerbe­Inspektionsbeamten vornehmen zu lassen

1. von denjenigen Arbeitgebern und Arbeitern in Bäckereien, welche bei den bisherigen Erbebungen Arbeitszeiten inklusive der Nebenarbeiten und Pausen über 12 Stunden angegeben haben und zwar bezüglich der Betriebe mit 12-14 Stunden ungefähr 10 pCt. 14-16 mehr als 16" Stunden".

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a) bezüglich der Einrichtung des Betriebes, b) bezüglich der Ansprüche des Publikums,

der Beschränkung der Arbeitszeit auf 12 Stunden einschließlich der Pausen und Nebenarbeiten entgegenstehen. In den hinauszugebenden Formularen zu Vernehmungs­protokollen ist auch zu fragen, ob nicht durch eine Verkürzung der Pausen eine Verkürzung der Gesammt- Beschäftigungsdauer zu erreichen wäre.

Minister Boffe: Die Unterrichtsverwaltung mußte fraft ihres Schulaufsichtsrechts aus der erhobenen Anklage die Ver­anlassung entnehmen, den Ungrund derselben nachzuweisen. Geheimer Oberfinanzrath German: Die Lehrer an den ftaatlichen höheren Lehranstalten erhalten das Gehalt nach dem neuen Normaletat vom 1. April 1892 an, die Lehrer au den Gerade aus dem Landrecht nichtstaatlichen Lehranstalten erhalten dieses Gehalt vom Tann ein Grund gegen die Verfügung entnommen werden, weil 1. April o. J. ab, wo die Bereinbarung zwischen den betreffenden befragen zu lassen, ob und welche Hindernisse § 75 Titel 2 Theil II des Landrechts das Recht der Eltern, auf Anfialten und dem Staate getroffen wird. die Erziehung der Kinder einzuwirken, dahin ausgelegt werden Abg. v. Heede ( natl.) hält diese Ausführung des Normaletats fönnte, daß die Gewissensfreiheit des Vaters verlegt wird, wenn nicht für vereinbar mit dem, was bei der Berathung desselben sein Kind in den Religionsunterricht gezwungen wird. Die von seiten des Finanzministers und des Unterrichtsministers aus Freiheit des Religionsbekenntnisses des Vaters wird aber nicht geführt wurde. eingeschränkt, er wird nur zur Erfüllung der Pflicht veranlaßt, Abg. Stöcker: Meine Freunde stellen sich in bezug auf die feinem Rinde den vorgeschriebenen Religionsunterricht zu ge- polnische Frage vollständig auf den Standpunkt des Ministers. währen. Ebenso wenig wie er das Kind von der Schule fern- Die Kinder müssen zu guten, deutschen Staatsbürgern erzogen halten kann, weil ihm der Geschichtsunterricht oder etwas werden und deshalb deutsch lernen. Etwas abweichend stehe ich Anderes nicht gefällt, ebenso wenig darf er wegen des Religions- in bezug auf den religiösen Bwangsunterricht der Dissidenten unterrichts das Kind fernhalten von der Schule. Der Religions- finder. Ich kann dem Standpunkt nicht beitreten, daß der Minister unterricht muß nachgewiesen werden; dabei wird nicht die sich dem Urtheil der Judikatur unterwerfen will. Ein Religions Ronfeffion geprüft; es wird die Unterrichtsertheilung fogar dem unterricht muß stattfinden; ein Lehrbuch, welches Gott verwirft, Bater allein überlassen; aber Religionsunterricht muß sein. Es ist tein religiöses Lehrbuch. Trotzdem würde ich nicht so weit gehen, giebt keine atheistische Religion; eine Religion ohne Gott, das Kinder von Dissidenten in den gesammten christlichen Religions ist ein Nonsens. Einen Unterricht, der auf diesem Satze beruht, unterricht hineinzuzwingen. Es muß eine Kenntniß des Christen- 2. Ungefähr 20 pŒt. ber gewöhnlichen Bäckereien mit fann ich nicht als einen Erfaß für den Volksschul- Unterricht be- thums in der Schule erzielt werden, weil sonst eine Bildung im längerer Arbeitszeit der Lehrlinge als der Gesellen über die trachten. Die Verfassung kann die Gewissensfreiheit der Kinder modernen Sinne nicht denkbar ist. Weshalb ist die Schulver- Gründe der Verlängerung zu befragen, und ungefähr 20 pet. garnicht gemeint haben. Das Kind hat Anspruch auf Gewissens. I waltung nicht auf einen Ausweg gekommen, der sich mir natur. I der gewönlichen Bäckereien mit türgerer Arbeitszeit der Lehr­

Wenn solche Hindernisse vorhanden sind, welche Aenderungen haben in der Einrichtung des Betriebes und welche Einschrän fungen hat sich das Publikum aufzuerlegen, die Hindernisse zu beseitigen? In Altona wäre speziell zu erheben, wodurch die Ver fürzung der Pausen in der Zeit vom Sonnabend auf Sonntag möglich gemacht wird.