bedrückt werden, waZ thut's? Der Wunschzettel der Denk-schrist ist so reichhaltig, wie die Speisekarte eines fürstlichenBanketts.„Keine weitere Abbröckelung der Schutzzölle"',Fünfmarkzoll für russischen Roggen, keine Viehhandels-Konvention mit Rußland(die Flcischpreise sind den deutschenOchsengrafen noch immer nicht hoch genug), staatlicherSchutz für die„nationale Wollproduktion*, d. h. Wollzöllezu gunsten der Herren Viehzüchter, Ausfuhrprämien,Wiedereinführung der Erbpacht(lies: gesetzliche Ein-richtung einer neuen Hörigkeit), Maßregeln gegendie Differenzgeschäste der Produktenbörse und Mit-Wirkung der Produktion(lies: der Schnapsbrenner) beiFeststellung der Preisnotizen auf den Produktenbörsenu. s. w. u. f. w. Im preußischen Abgeordneten-hause, wo die„Edelsten und Besten* so recht unter sichsind, hatte vorige Woche der Arendt'sche Antrag zustürmischen Auseinandersetzungen geführt. Dr. Arendt, dasSchreckenskind der Frcikonscrvativen, derselbe, dem GrafMirbach-Sorquitten auf die Brüsseler Münzkonserenz einenEmpfehlungsbrief an seinen„Korpsbruder*, den deutschenGesandten in Brüssel, mitgegeben hat, verlangte bekanntlich,die preußische Regierung solle im Äundesrath dahin wirken,daß„bei den bevorstehenden Handelsvertrags-Verhandlungenmit Rußland... die Interessen von Landwirthschaft undIndustrie besser gewahrt werden, als dies bei denHandelsverträgen mit Oesterreich und der Schweiz der Fallgewesen ist*. Diese Tonart hat offenbar in den Kreisen,mit denen das Junkerthum zu rechnen hat, verstimmt,und so ist der Arendt'sche Antrag zurückgezogen worden.Dafür beantragen nun beide konservative Fraktionen desAbgeordnetenhauses, die preußische Regierung solle dafürsorgen, daß bei den Handelsvertrags- Verhandlungen„dieInteressen der Landwirthschaft und Industrie ausgiebiggewahrt werden*. Statt in Stulpenstiefeln marschiren dieAgrarier jetzt in Schnallenschuhen. Und ist es nicht diehöchste Zeit, angesichts der Lebensmittelzölle, der Holzzölle,der Zuckerprämie, der Liebesgabe ausgiebig die Junker-Profite in Acht zu nehmen? Daß Reichs angelegenheitenim preußischen Landtage munter erörtert werden, ist rechtund billig, da es sich um die Plusmacher mit dem Destillir-kolbeu im Wappenschilde handelt. Wenn aber dieArbeitervertreter soziale Uebelstände, wie sie etwa in preu-ßischen Staatsbetrieben zu Tage treten, kritisch beleuchten,oder die erbauliche Thätlgkeit des Staßsurtcr Bürgermeisterseindringlich kritisiren, so wird über diesen Eingriff in«preu-ßische Angelegenheiten' beweglich geklagt. Ja, wenn es sichum Agrarierschmerzen handelte!—Der Sozialismus in der Schweiz. Auch in derfranzösischen Schweiz macht die Arbeiterbewegung erfreulicheFortschritte. Bei der am 12. Februar stattgehabten Ersatz-wähl eines N a t i o n a l r a t h s für die Bezirke Vervey,Montreux am Genfer See erhielt der liberale KandidatOberst Ceresole 6612, der Arbeiterkandidat Fauquez, Re-dakteur des„Grütli*, des Organs der romanischen Sektionendes Grütlivereins, 4180 Stimmen. Fauquez ist Sozialistund trat in der Wahlagitation als solcher auf. Da dieArbeiterpartei zum e r st e n Male in diesem Bezirke selbständig vorgegangen ist, erscheint die hohe Stimmenzahl,die auf Fauquez siel, um so bcachtenswerther.—Den Panama- Schwindel fortzusetzen, ist nach wievor das Ziel vieler industriellen Leute in Frankreich. EinIngenieur ist jetzt von der Familie Lesseps nach Panamageschickt worden, um zu erforschen, wie weit dort dieArbeiten gediehen sind, wie viel noch brauchbar ist, undwie viel zur Vollendung noch nöthig. Die Untersuchunghat ein blos theoretisches Interesse. Nach genauen englisch-amerikanischen Schätzungen, die schon vor 8 oder 4 Jahrengemacht wurden, bedürfte es eines Kapitals von mindestens700 Mill. Franks, um den Kanal fertig zu stellen. Inzwischenhaben aber die früheren Arbeiten so sehr Schaden gelitten,daß sie fast werthlos sind und alles von vorn angefangenwerden muß. Dann reicht aber eine Milliarde nicht aus.Ter Panama-Kanal gehört eben zu jenen Unternehmungen,die jenseits des Horizonts der Privatspekulation liegen. Erwird nur zu stände kommen, wenn die Vereinigten Staatenvon Amerika die Sache in die Hand nehmen.—Die französischen Arbeitsbörsen sind zu einem„Bunde*(irsdörertiov nationale des Bourses du Travaü)vereinigt. Dieser Bund hält jetzt in Toulouse seinenzweiten Kongreß. Vertreten sind u. a. die Börsen von Paris,Roanne, St. Etienne, Montpellier, Marseille, Lyon, Cognac,Algier, Nantes, Lille u. s. w. Der Bürgermeister undStadtrath von Toulouse bereiteten den Delegirten einenfestlichen Empfang. Wir werden das Ergebniß der Ver-Handlungen mittheilen, die eine größere Konzentrirung derArbeiterbestrebungen zum Ziel haben.—Homerule. Das Telegramm über die gestrige RedeGladstone'S und die Grundzüge der neuen Qome-rule-Vorlage ist unseren Lesern in der heutigenNummer noch mitgetheilt worden. Das Telegramm, ob«gleich ziemlich lang, ist sehr unvollständig, und auch die seit-dem eingelaufenen Telegramme ergänzen nicht alle Lücken,und klären nicht alles Unklare auf. Wir wollen deshalbmit unserer Kritik warten, bis wir morgen ausführlichenBericht haben. Nur so viel: einen demokratischenMaßstab darf man an die Bill nicht legen. Gladstone ist ge-zwunged, das Bestehende zu schonen und sich ihm anzupassen.Ob er in dieser Schonung zu weit oder nicht weit genug—nach englischen Verhältnissen— gegangen ist, läßt sich nochnicht übersehen. Die Opposition wird die Bill auf dasheftigste bekämpfen und ein großer Erfolg wäre es, gelängedie Durchführung— immer vom Standpunkt englischer Real-Politik aus betrachtet.lieber die Aufnahme der Bill meldet ein Telegrammvom heutigen Nachmittag:Ter(konservative)„Standard* hält Gladstone's Homerule-Projekt für unausführbar und unmöglich. Die„Morningpost",vie auch die(ministerielle)„Daily lllews" geben zu, daß diejetzige Bill derjenigen von 1886 gegenüber eine Verbesserungbedeute. Die„Morningpost* fügt hinzu, die jetzige Bill habeauch eine bessere Ausnahme erfahren. Das Blatt tadelt aberebenso wie die„TimeS* den Mangel jeder Klausel zum Schutzder Minorität der Protestanten und die Vertagung der Agrar-gesetzgebung. Die„Times* sprechen sich gegen die Bill aus,weil sie keine definitive Lösung enthalte. In der Provinz wirddie Homerule-Borlage ziemlich kühl aufgenommen. Die Glad-stone'schen Organe in Wales fordern als Vorbedingung für dieAnnahme der Bill die zu gleicher Zeit zu bewirkende Trennungder Kirche und des Staates tn Wales.—VavlsrmeukSListftes.Sitzung der Militär-Kommission. In langer Geschäfts-ordnungs-Debatte beschäftigt sich die Kommission mit der Frage,ob in die Diskussion über den in voriger Sitzung angekündigtenAntrag Richter, welcher in 16 Absätzen feststellen will, welcheResultate die Finanzberathung der Kommission und die Unter-suchungen der Subkommission ergeben haben, eingetreten werdensoll oder nicht. Während der Zeit, die auf diese unfruchtbareDebatte verwendet wurde, hätte man ganz gut den Antrags e l b st diekutiren können. Schließlich wird der Richter'sche Bor-schlag, in die materielle Würdigung seines Antrages nach Er-ledigung der Berathung über die zweijährige Dienstzeit«inzu-treten, angenommen.vlachdem auf diese Weise eine Stunde vertrödelt worden,plaidirt Herr von Bennigsen für Annahme seines Antrages, diezweijährige Dienstzeit für die Fußtruppen nicht versassungs-mäßig, sondern nur auf so lange gesetzlich festzulegen, als diedurch die gegenwärtige Vorlage festzusetzende Friedenspräsenz-stärke nicht vermindert werde.Rickert wendet sich in längerer Rede gegen Bennigsen,dessen Vorschläge einfach auf das Aeternat hinausliefen. Bei sogroße» Bewilligungen, die man dem Volk» zumuthet, müßteng» s e tz l i ch e Grundlagen gegeben werden, dürfte nickt dieRegelung militärischen Verwaltungsmaßregeln überlassen bleiben.Er wendet sich auch gegen das Zentrum, dessen Redner im Plenumsick merkwürdiger Weise auf den Bennigsen'schen Standpunkt ge-stellt habe.Bebel erklärt sich namens seiner Parteigenossen entschiedenfür verfassungsmäßige Festsetzung verkürzter Dienstzeit.Sodann begründet er den sozialdemokratischen Antrag, nichtblos für die Fußtruppen, sondern für alle Waffengattungendie zweijährige Dienstzeit einzuführen, wobei er jedoch zugleich Ver-wahrung dagegen einlegt, als ob damit seitens der Sozialdemo-kratie die zweijährige Dienstzeit grundsätzlich anerkanntwürde. Er beruft sich für die Möglichkeit, die kürzereDienstzeit auch bei der Kavallerie, reitenden Artillerie w. durchzu-führen, u. a. auf Aeußerungen des Generals v. Boguslawsky, aufdie thatsächlichen Verhältnisse in der Schweiz und darauf, daßauch bei den Einjährigen kein Unterschied zwischenFußtruppen und Kavallerie besteht. Man beschränke sich bei derAusbildung der Truppen lediglich auf das, was zur Kriegs-t ü ch t i g m a ch u n g derselben gehört, unter Hinweglassung allesParademäßigen und sonstiger überflüssiger Dinge, dann sei eineeinschneidende Verkürzung der Dienstzeit recht wohl durchführbar.Stumm wendet sich gegen Bebel und unterstützt dieBennigsen'schen Kompromißvorschläge. Bennigsen bestreitet,daß seine Vorschläge zum Aeternat führen würden. Richterbegründet ausführlich den freisinnigen Standpunkt. Die Debattebewegt sich fast durchweg im Rahmen der schon im Plenum ge-pflogenen Verhandlungen.Der Reichskanzler antwortet auf die Frage Richters,welche Absichten die Regierung denn eigentlich mit dieser Vor-läge verfolge: Die Regierung habe eingesehen, daß aus politischenGründen eine erhebliche Verstärkung des Heeres nöthig fei. Umeine solche zu ermöglichen, habe man sich zur Einführung derzweijährigen Dienstzeit entschlossen, müsse aber dafürunbedingt die vorgeschlagene Kompensation haben, ohnesolche bedeute die verkürzte Dienstzeit den„Ruin derArmee*. Der nach zweijährigem Dienst entlassene Mannsolle nicht wieder einberufen werden, wenn nicht„eine zwingende Rothwendigkeit* dasür vorhanden sei.Was die gesetzliche Seite der Frage betreffe,>o müsse dieRegierung Garantien dafür haben, daß an der für die Durch-sührung der Dienstzeitverkürzung nöthigen Friedenspräsenzstärkenicht gerüttelt werde, daß der Reichstag nicht die Regierungeinmal sitzen lasse.— Was die Zunahme der Ungleichheit in derArmee betreffe, wenn man den Infanteristen zwei, denKavalleristen drei Jahre dienen lasse, von welcher Bebel ge-fprochen, so solle eben einer solchen Vermehrung der Ungleichheitdadurch vorgebeugt werden, daß der Infanterist nichtschon nach dem zweiten Jahre in die Reserve über-trete, sondern„Dispositionsurlauber* bleibe! Der Kavalleristaber müsse drei Jahre bei der Truppe behaltenwerden, mit einer Schwadron Einjähriger könne man keinesolche Attacke wagen, wie mit dreijährig-gedienten Reitern. Miteiner enthusiastischen Vertheidigung des Paradedrills fchließt derKanzler seine sonst in recht elegischem Tone gehaltene Rede.General von Goßler beantwortet verschiedene FragenRichter's. Für die Oekonomiehandwerker und den Train sei diezweijährige Dienstzeit beabsichtigt. Das Nachdienen für Be-strafte solle n t ch t stattfinden. Während des ersten Jahres derUebergangsperiode müßten die Dienstpflichtigen das dritte Jahrnoch abdienen, so weit es zur Komplettirung der Friedenspräsenz-stärke nöthig sei.Um 1 Uhr wird die Sitzung aus morgen Vormittag'/,l1 Uhrvertagt.VsrkeinaivviSiksn.Protest-Versammlnngen gegen die Militärvorlage sindweiter abgehalten worden in H o ch h e i m(Ref. ReißhauS«Erfurt), Roßlau in Anhalt(Ref. Reickstags-Abgeordneter§0 f f m a n n aus Chemnitz), Elberfeld(Ref. Reichstags-bgeordneter H arm), M e m m ingen(Referent Renner-Augsburg), Tangermünde(Ref. G e ri s ch- Berlin).Die erwähnte Elberfelder Versammlung nahm außer einerResolution gegen die Militärvorlage noch einen Antrag an, inwelchem unter Berufung auf die jetzt vorliegende Arbeitslosen-statistik die Stadtverwaltung ersucht wird, sofort Arbeiten inAngriff zu nehmen, um dem herrschenden Elend wenigstens zumTheil abzuhelfen.— Keine neue» Soldaten, Arbeit und Brodfürs Volk— d a s ist die Meinung der Mehrheit der Elberselder.Betheiligung an den Gemeindewahlen beschlossen dieParteigenossen von Seesen am Harz. Im braunschweigischenDorfe W o l fs h a g en sind die Genossen in der dritten Klassediesmal zum ersten Male mit einigen Kandidaten auf den Plangetreten und haben diese— drei an der Zahl— auch siegreichdurchgebracht. Ebenso sind im Dorfe A st s e l d trotz erstmaligerBethettigung unserer Genoffen die in derselben Klasse aufgestelltgewesenen drei sozialdemokratischen ktandidaten gewählt worden.Unsere Bewegung macht in den ländlichen Orten Braunschweigsbesonders gute Fortschritte, seitdem die Bauern durch den„Land-boten*, eine besondere Ausgabe des„Braunschw. Volkssreunds",über den Sozialismus unterrichtet werden.ReichStagSkandidatur. Für den 17. w ü r t t e m b e r g i«f ch e n Wahlkreis(Ravensburg-Tettnang) ist von einerKonferenz, die am 12. Februar in Aulendorf stattfand,Genosse Tauscher in Stuttgart zum Kandidaten bestimmtworden. � �I« Schleiz findet am 16. Februar eine Wahl zum r e ußi-schen Landtage statt, zu welcher von unserer Partei HugoR ö d i g e r aus Gera als Kandidat aufgestellt ist. Am Sonntagist in allen Ortm des Wahlkreises ein sozialdemokratisches Flug-blatt vertheill worden, wobei die Beobachtung gemacht wurde,daß die Landbevölkerung diesmal für unsere Bestrebungen regeresInteresse hat als sonst. Auf alle Fälle können wir«ine beträcht-liche Steigerung unserer jStimmenzahl erhoffen.Parteifimmze«. Der Sozialdeuiokratische Berein für denS. Hamburger Wahlkreis erzielte im vorigen Jahr« a» Mit-gliederbeiträgen und sonstigen ordentliche» Einnahme» l6141,l0M jan außerordentlichen Einnahmen 18 482,26 M., insgesamm29 573,36 M. Die Ausgaben betrugen, eingerechnet 6060 M,die auf der Sparkasse und der Bank angelegt sind, insgesamm�29 187,57 M., sodaß, einschließlich des vorvorjährigen Kassen'bcstandes von 3572,31 M., ein Kassenbestand von 3953,10 M. ver-blieb. Unter den Ausgaben befinden sich g304,33M. fürAgitations-ic.Kosten, 2496,10 M. für das Nothstandskomitee und die Roth-standsstatistik, und 2000 M., die dem Vertrauensmann überwiesenwurden. Ter Wahlverein umiaßt die zum Theil dicht bevölkerten.nachfolgöl.d verzeichneten Distrikte, aus welchen die Mitglieds-beitrüge a 30 Pfg. der Zahl nach so eingingen: Eimsbüttel6031 Beiträge, Barmbeck 11 050. Uhlenhorst 4236. Eilbeck 3390,Hamm 6365, Rothenburgsort 5762. Hohenfelde 2300. Harvestehude 2588, Eppendorf 4207, Bergcdorf 1804, Geesthacht 1033,Billwärder 1596, Kirchwärder 196, Finkenwärder 130, Moorburg 91, Fuhlsbüttel 526, Neuengamme 104, Cuxhaven 28 Beiträge.••Die Sozialdemokratie NordböhmenS hielt am 5. Februarin Reichenberg eine Landeskonferenz ab, auf der die OrteReichenberg, Gablonz, Josefsthal, Kratzau, Warnsdorf, Proschwitz,Bodenbach, Teplitz, Reichena», Aussig, Grollau, Haindors, Riemes,Gabel, Wolfsberg, Rumburg, Schönlinde, Steinschönau,Maffersdors, Neustadtl, Friedland, Eichwald, Rosenthal,Tannwald, Rochlitz, Ehrenberg, Georgswalde, Nixdorf,Karblinsfeld, Retzborf, Ruppersdorf, Johannesberg, Morche. istern,Wiesenthal, Polane, Antoniwald, Paulsdorf, Ratschcndorf,Habendors und Dörfel vertreten waren. Die Konferenz beschloßdie Maifeier gemäß den Beschlüssen der Wiener Reichskonferenzabzuhalten, wonach als würdigste Form der Feier die Arbeits-ruhe anzustreben ist. Ueberall sollen am Vormittag des 1. MaiVolksversammlungen, am Abend Feste stattfinden, die der Beden-tung des Tages entsprechen. Den BczirkSorganisationen ist es.jedoch überlassen, die Art und Weise der Feier nach den gegebenenVerhältnissen durchzuführen. Die übrigen Verhandlungen betrafenVerwaltungsangelegenheiten. Ueber den Stand der Presse wurdemitgetheilt, daß sich die finanzielle Lage der in Reichenberg er-scheinenden Zeitung„Der Freigeist* gebessert habe. Ende Januar1892 halte er 318 fl. Schulden, Ende Januar 1393 nur 126 fl.37 kr. Die Summe der Außenstände bcläuft sich auf nicht wenigerals 1635 fl. Die Auflage des„Freigeist* beträgt gegenwärtig4200 Exemplare.Fortschritte der Organlsatio« i« Oesterreich. ImMonat Januar sind in Oesterreich folgende neue Organisationengegründet worden: In Wien: Lese- und Diskutir- Verein„Karl Marx* im XVI. Bezirk. In Oberösterreich: All-gemeiner Arbeiterverein tn Schärding. In Böhmen: Fach-verband der Textilarbeiter in Asch; politischer Verein„Eintracht"in Böhmisch-Leipa; Bergarbeiter-Fackverband in Grottau; Ar-beiter-Bildungsverein in Kunnersdorf. In Mähren: All-gemeiner Fortbildungs- und Unterstützungsverew für beide Ge«schiechter in Deutsch-Liebau.Polizeiliches, gerichtliches:c.— Ueber die Ursache der Verhaftung des GenossenEmmel in St. Johann theilt die Frankfurter„Volksstimme*folgendes nähere mit: Im Jnserarcnthcil der Nr. 24 der„St. Johanner Zeitung* vom 23. Januar befand sich folgendeAnnonce:„Erklärung. Hiermit gebe ich die Erklärung ab, daßich vor etwa 3 Wochen aus der sozialdemokratischen Partei aus-getreten bin. Den Grund dazu gab der Vertrauensmann derPartei, Herr Emmel. Derselbe chilanirte und schädigte mich, alsmeine Frau den an sie gestellten Anerbietungen aus dein Wegeging. Eine derartige Handlungsweise vermag ich nicht mitnieincn Begriffen von Recht und Ehre in Einklang zubringen. H. Bach, Schuhmachermeister. St. Johann.* Emmelließ diese Erklärung im dortigen Parteiblatt abdruckenund fügte folgendes hinzu:„Es unterliegt keinem Zweifel,daß bei der Anstrengung einer Klage die„Ehrenmänner* Bach,Schade und Zimmer wegen öffentlicher Beleidigung verurtheiltwürden. Doch habe ich keme Lust dazu, gutes Geld an schlechteKerle zu hängen, und erkläre daher: die obenstehende Erklärungdes Herrn Bach ist eine gemeine Lüge.* Bach denunzirte nunEmmel bei der Staatsanwaltschaft wegen Vergehens gegenS 176 des Reichs-Strafgesetzbuches, begangen an der Frau desBach. Diese machte sich zur Eideshelferrn ihres Mannes undbeschwor, wie wir vernehmen, daß Emmel sich des bc-zichtigten Verbrechens schuldig gemacht habe. Infolgedeisen wurde Emmel am Montag Morgen verhafte! undgeschlossen in das Justiz- Arresthaus abgeführt. Wirbrauchen wohl nicht weiter zu erklären, daß die Beschuldigungauch nicht einen Schein von Berechtigung hat, sonderndaß Emmel das Opfer rachsüchtiger Verleumdung geworden.Der Ehemann Bach ging Emmel- um Vermittlung zur?lus-bringung ern es Darlehens an, und als dieser die Vermittlungverweigerte, drohte er schon damals, er werde es Emmel nocheintränken. Jetzt hat er seine Drohung ausgeführt. Sie wirddem sauberen Herrn noch bitter aufstoßen. Denn bereits amMittwoch Nachmittag wurde, wie wir berichtet, Emmel ohnejegliche Kaution aus der Haft entlassen. Seine Unschuld scheint,demnach sich vollständig herausgestellt zu haben. Dagegen istdem Vernehmen nach die Ehefrau Bach, welche tn der Denun-ziatton Bach, Schäde, Zimmer als Zeugin fungirte, wegen Ver-dachtS des Meineids verhaftet worden. Die gegnerischenBlätter nützten natürlich die schuldlose Verhaftung Emmel'Inach Kräften aus, wir wollen abwarten, ob sie so vielAnstandsgefühl haben, ihre Mittheilungen richtig zu stellen.— Westfälisches. In einer Dortmunder Arbeitslosen-Versammlung hatte der Pottzei-Jnspektor Richard dem RednerNüchtern das Kritistren der Geistlickkeit verboten, und diesenverhaftet, als er sich die polizeiliche Einmischung nicht gefallenließ. Der Polizei-Jnspektor ließ ihn dann wieder mit der Be-merkung frei, er habe die Verhaftung nur angeordnet, um denRedner am Weitersprechen zu hindern. Nüchtern stellte nun beider Dortmunder Staatsanwaltschaft gegen den Beamten wegenwiderrechtlicher Freiheitsberaubung Strafantrag. Der ErsteStaatsanwalt Haarmann hat den Antrag abgelehnt. Der Polizei-Inspektor sei„keineswegs nur zur Ausübung der im 8 4 ff. derVerordnung betr. das Vcrsammlungs- und Bereinsrecht vomIi. März 1850 ihm speziell beigelegten, sondern auch zur Geltend-machung der der Polize» und deren Organen durch die ander-weiten gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die SS 10 ff. Allgemeinen Landrechts Theil II Titel 17, das Gesetz über die Polizei-Verwaltung vom 1l. März 1850 und das Gesetz zum Schutze derpersönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850, generellübertragenen Befugnisse berechtigt und verpflichtet. Zumgenerellen Berufe der Polizei gehört es aber, nichtnur gegen bereits erfolgte Störungen der öffentlichenOrdnung einzuschreiten, sondern auch drohenden Störungenrechtzeitig vorzubeugen. Ob solche zu befürchten sind, hat derPolizeibeamte in jedem einzelnen Falle nach pflichtmäßigem Er-messen zu prüfen und zu beurtheilen. Wenn daher der Polizei-Inspektor der pflichtmäßigen Ansicht war, daß durch die vonIhnen ausgesprochenen beleidigenden Aeußerungen über die Geist-lichkeit und Ihr weiteres Verhalten die öffentliche Ruhe undOrdnung gefährdet war. so war er nicht nur berechtigt, sondernauch verpflichtet— in Gemäßheit des§ 6 des Gesetzes vom12. Februar 1850 zum Schutze der persönlichen Freiheit, IhrePerson in polizeiliche Verwahrung zu nehmen. Von einer rechts-widrigen Freiheitsentziehung(8 341 des Slr.-G.-B.) kann sonachim vorliegenden Falle keine Rede sein.* Der Abgewiesen�, ivirdnun an die Oberstaatsanwaltschaft und von da an die(»richtegehen. Die Auffassung des Obcr-VerwaltungSgerichts und desfrüheren preußischen Obertribunals über die Befugnisse und„Pflichten* von Polizeibeamten weicht von der des Staatsanwaltserheblich ab, so daß die Beschwerde wohl von Erfolg sein wird