namentlich das Hineinbringen der heut debattirtcn ftragedurch Herrn von Mmiteuffel ist mir nicht ganz verständlich,wenn es sich nicht einfach um ein Vorspiel zu der Debatte überoen-Antrag Arendt morgen im Abgeordnetenhause handeln soll.piedner wendet sich dann gegen die Stellungnahme des Abgeord-51.? Manteuffel gegen den russischen Handelsvertrag und er-gegen freundschaftliche BeziehungenMit Rußland auch in wirthschaftlichem Gebiete Opposition zumachen. Die Behauptung, die Landwirthschaft werde schlecht be-hanoclt, wird immerfort wiederholt, aber nicht erwiesen. Derdurch die Landwirthschaft augenblicklich gehende Zug trage»inendemagogischen Charakter.Abg. v. Komierowski(Pole) schließt sich den Rednern an.welche verlangt haben, daß alles Thunliche gethan werde, umder Landwirthschaft zu helfen. Er empfiehlt die Aufhebungdes Identitätsnachweises, die für den Osten vollkommen gerecht-fertigt sei.Abg. v. Hammerstein(dk.): Je hestiaer von der linkenSeite gegen Landivirthschast, Groß- und Kleingrundbesitz vor«gegangen wird, desto lieber ist es uns. Die nächsten Tage werdenIhnen dort schon klarmachen, wie man in den Kleingrundbesitz-kreisen darüber denkt, und auch bei den eventuellen Neuwahlennach der Auflösung werden wir die Prob« darauf machen. DieFreisinnigen sind za auch schon jetzt nicht ohne Besorgniß für dieZahl ihrer Wahlkreise. Herr Barth vergißt ganz, daß der stan-clarck oi' life der landwirthfchaftlichen Arbeiter in den Gegenden,wo die alten patriarchalischen Verhältnisse noch in Blüthesind, so in Mecklenburg, besser ist als der der weithöher gelohnten Industriearbeiter(Rufe links: Warum gehensie denn weg?) Weil sie verlockt werden!(Lachen links)Die Herabsetzung des Zolles muß die Kaufkraft der Landwirth-schaft verrmgern und dahin führen, die Landwirthschaft allmäligzu Grunde zu richten, und wenn man dann Handelsverträge ab-schließt, die diese Konsequenz haben müssen, dann ist das einePolitik, welche mit sehenden Augen den Ruin der Landwirthschaftherbeiführt. Aeußerungen der.Kreuz-Zeitung" vertrete ich nichthier, sondern außerhalb des Hauses in jeder gewünschten Weise;auf die Angriffe des Herrn von Marschall gegen die.Kreuz-Zeitung" werde ich nicht, sondern wird diese antworten.Darauf wird die Debatte vertagt.Schluß-V«S Uhr.Nächste Sitzung: Mittwoch, 1 Uhr(Fortsetzung derEtatsberathung).zu der Ueberzeugung gedie Stadt Magdeburg sichAbgeordueteuhauS.30. Sitzung vom 14. Februar 1333. 11 Uhr.Am Ministertische: v. Berlepsch, Bosse und Kommissarien.Das Haus ehrt das Andenken des am 7. d. M. verstorbenenAbg. Tannen(ntl.) in der üblichen Weise.Auf der Tagesordnung steht zunächst die Verlesung derInterpellation des Abg. Seyffardt- Magdeburg(ntl.):„Istder Königlichen Staatsreaierung bekannt, daß die Verunreinigungde? Elbwassers in der Umgebung von Magdeburg auch nach derFiltrirnng desselben die Verwendung zu häuslichen und in-duftriellen Zwecken unmöglich macht, und ist sie geneigt,«ner-tische Maßregeln behufs Verhütung weiterer Schädigung derZtromanwohner in gesundheitlicher und geschäftlicher Beziehungzu ergreifen?"Minister von Berlepsch erklärt sich bereit, die Interpellationsofort zu beantworten.Abg. Seyffardt(ntl.) weist darauf hin, daß die Elbe beiMagdeburg verunreinigt sei durch die Abwässer der Soda- undKaliwerke an den Ufern der Saale, und der Kupfer bauendenMansfelder Gesellschaft. Die Minister haben 1330 erklärt auf grundeines Gutachtens des Reichs- Gesundheitsamtes, daß die Elbenicht so verunreinigt sei, daß dem Verlangen, die Werkesollten ihre Abwässer nicht mehr in die Elbe und ihreNebenflüsse leiten, stattzugeben wäre. Inzwischen ist eine solcheVerschlechterung eingetreten, daß man das Elbwasser nickt mehrfür den menschlichen Genuß gebrauchen kann. Man hat Brunnenwieder eröffnet, die man aus Gesundheitsrücksichten geschlossen.Die Aufregung in Magdeburg ist eine große, namentlich auchunter den Frauen. Eine Besserung ist in absehbarer Zeit nichtzu erwarten. Seit zwölf Jahren haben die Untersuchungen er-geben«ine Steigerung der Beimischung von Magnesia von 2,8auf 7,20 und von Chlor von 11,2 auf Iö9,4 auf Hunderttausend.Die Magdeburger Industrie, namentlich die Zuckerindustrie,könne ein solches Wasser nicht mehr gebrauchen. Besondersleiden aber die unteren Klassen darunter, die sich besseres Wassernicht beschaffen können. Die Aerzte führen die größere Kinder-sterblichkeit an Diarrhöe, die sich in Magdeburg in den letztenJahren gezeigt hat, aus dieses stark salzhaltige Wasser zurück.Der Kommabazillus soll sich auf sodaballiger Gelatine schnellervermehren, als auf anderer. DaS ist eine schlimme Aussichtfür die Stadt Magdeburg. Besonders die Abwässer der Mans-selber Werke bringen die Verunreinigung hervor. DieStädte werden gezwungen, bei ihren eigenen Abwässern gewisseVorsichtsmaßregeln anzuwenden, trotzdem diese Abwässer doch nurbedingt schädlich sind. Der Minister meinte einer DeputationauS Magdeburg gegenüber: Magdeburg solle selbst ein« bessereWasserleitung mit Entnahm« des Wassers aus Tiesbrunnen her-stellen lassen, dann wolle er die betheiligten Jndustrieen zur Er-statwng eines Theilcs der Kosten veranlassen. Damit wird denMagdeburgern das Recht auf die Elbe abgesprochen, während diezuständigen Instanzen, namentlich das Bezirksverwaltunasgerichtbei Konzessionirung der Werke an der Saale festgestellt hat, daßdie Abwässer erst unterhalb Magdeburgs in die Elbe geleitetwerden sollen. Davon ist aber bisher keine Rede; die Aussichts-behörden haben sich aber durchaus passiv verhalten. Das Land-recht und verschiedene Kabinetsordres, deren Gesetzeskraft an-erkannt ist, schützen die Elbanwohner gegen solche gesundheits-schädlichen Einflüsse.Minister von Berlepsch: Die Größe der Kalamität mußanerkannt werden, aber es stellen sich der Beseitigungderselben erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Bereits inden siebziger Jahren bestand die Verunreinigung derElbe namentlich von den Zuckerfabriken und Braunkohlengruben.Als die Kaliwerke von Staßfurt hinzutraten, stellte man sie unterdie Konzesstonspfiicht und kam auch auf den Plan, alle Abwässerdurch einen Kanal unterhalb Magdeburgs in die Elbe zu leiten.Die Kosten stellten sich auf 25 Millionen Mark. Dieser Betragwar zu hoch, ebenso die Kosten der Reinigung der Abwässer, dienur durch die Destillation zu ermöglichen war. Die Abwässervon Mansfeld kommen namentlich aus dem sogenannten„salzigenSee", sie durchflössen unterirdische Salzlager und mußten, wennder Mansfelder Bergbau nicht ersaufen sollte, gehoben und ab-geleitet werden. Der Mißstand ist«m vorübergehender, daMagdeburg selten einen so niedrigen Wasserstand gehabt hatwie in der letzten Zeit, wobei eine Verminderung des bei Magde-bürg vorüberfltehenden Wassers um«in Drittel eingetreten ist,was den Salzgehalt steigern mußte. Den schlechten Geschmackbringt der Magnesiagehalt mit sich, an dem der MansfelderBergbau nicht schuld ist. Mit dem höheren Wasserstande wirdder Salzgehalt sich vermindern. Ob der Mißstand dauernd seinwird, hängt davon ab, ob der Mansfelder Bergbau den salzigenSee ableitet, der nur dadurch noch salzhaltiger wird, daß dasWasser unterirdisch noch mehr Salz aufnimmt. DieAbleitung des salzigen Sees wird 8— 6 Millionen Mar! kosten.Aber bei niedrigem Wasserstande kann eine Abhilfe nur geschaffenwerden, wenn das Wasser aus Tiefbrunnen genommen wird.Denn die Abwässer der Kaliwerke können nicht anders abgeführtwerden als in die Elbe. Di« Kaliwerk« haben eine ungeheureBedeutung für die Landwirthschaft, namentlich für den Zucker-rübe»bau und dt» Zuckerfabnkation, denen Magdeburg feineBlüthe verdankt. Deshalb muß man einen anderen Auswegsuchen als daS verbot d« Lblettnug dir Abwässer in die Elb«.Das Staatsministerinm ist mit mirkommen, daß es am Besten ist, wennentschließen würde, ihr Wasser aus Tiefbrunnen zu entnehmen;noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn Magdeburg sichschon früher dazu entschlossen hätte als jetzt, wo die Abhilfeso schwierig ist. Ein absolutes Recht einer Stadtdarauf, daß ein Fluß so rein gehalten wird, daßman Trinkwasser daraus entnehmen kann, besteht unterunseren heutigen Verhältnissen nicht mehr. Bei derMagdeburger Deputation habe ich mit meiner Antwortwohl keine Befriedigung hervorgerufen. Ich habe ihnenangerathen, sich nach einer Stelle umzusehen, woher sie besseresWasser bekommen; ich werde sie dabei unterstützen. Ich hoffe,daß die betheiligten anderen Industriestädte einen Beitrag ge-währen werden, eventuell wird den betreffenden Ortschaften an-gedroht werden, daß sie ohne Klärung ihre Abwässer nicht mehrin die Elbe und ihre Nebenflüsse ablassen dürfen; das wird nichtohne Wirkung sein, und es können auf diese Weis« die sicheinander«ntgegenstehendea Interessen ausgeglichen werden.(Beifall.)Auf Antrag des Abg. Dr. Zlrcndt(Vertreter des KreisesMans'eld) tritt das Haus in die Besprechung der Jnter-pellation ein.Abg. Graf Douglas(fk.) dankt dem Minister für seine, ihmallerdings aus manchen Privatunterhaltuiigen schon bekannteHaltung in dieser Frage und weist darauf hin, daß eine baldigeExpropriation des salzigen Sees herbeigeführt werden müsse, da-mit derselbe ausgepumpt werde» könne, sonst würden sich durchseine Abflüsse Hohlräume bilden, die Einstürze herbeiführenkönnten. Choleragesahr drohe aus diesen Abwässern der StadtMagdeburg nicht.Abg. Arendt(fk.): Selbst wenn die Mansfelder Werke dieHauptschuld tragen sollten, müsse man doch mit Rücksicht aufdie hohe wirthschaftliche Bedeutung des Mansfelder Bergbaueseinen Ausweg finde», der den» Bergbau nicht solche Kosten auf-erlegt, die ihn ruiniren würden. Aber die salzigen Abwässerkommen nicht von Mansfeld, sondern von den anderen WerkenWeshalb diese Werke einen Beitrag für die Magdeburger Wasserleiluug leisten sollen, ist nicht abzusehen; ebenso könnte auchHamburg, das mit seinem Elbwasser nicht mehr fertig werdenkann, einen Beitrag verlangen.Abg. Stengel(sk.) ist ebenfalls mit der Haltung desMinisters einverstanden und schiebt die Schuld auf den niedrigenWasserstand. Magdeburg wird sich eine andere Wasserleitungbauen müssen; daß die anderen Jndustrieen dazu einen Beitragzahlen sollen, sei gesetzlich garnicht begründet.Abg. vo» Jagow(k.) stellt sich auf den Standpunkt desInterpellanten und macht Bedenken gegen die Auspumpung dessalzigen Sees geltend.Minister Dr. Bosse: Die Choleragefahr ist durch denSalzgehalt nicht verstärkt, sonder» eher vermindert, denndie Cholerabazillen leben, wie behauptet wird, im Salzwasser wenigerlange als in anderem Wasser; die Versuche darüber sind allerdingsnoch nicht abgeschlossen. Da bei dem niedrigen Wasserstande dasElb- und Saalewasser überhaupt nicht getrunkm wird, so ist dieCholeragefahr nicht besonders bedenklich.Abg. Graf- Elberfeld(ntl.) hält auch eine gesundheitlicheGefahr für vorliegend und bittet den Minister, auf die Rein-Haltung der Flußläufe als Slrompolizei zu achten. Das Schicksalvon Hamburg im Verhältniß von Altona zeigt, wie viel dieWasserversorgung ausmacht. Der Gebrauch des ungekochten Elb-wassers ist nicht zu unterdrücken gewesen. Man sollte deshalbbei Zeiten dafür sorgen, daß Magdeburg nicht ein neuer Seuchen-heerd werde.Damit ist die Interpellation erledigt.Darauf wird die Berathung des Kultusetats fortgesetztbeim Gehalt des Ministers.Abg. Porsch(Zentr.) hält eine lange Kulturkampfrede, inder er die früheren Sünden der Regierung gegen die katholischeKirche Revue passiren läßt. Schließlich macht er die Regierungmit dem von Bebel neulich zitirten Heine'schen Wort:„den Himmelüberlassen wir den Engeln und den Spatzen" graulich und ver-langt, daß die Regierung bei der Trennung der Konfessionennicht bei den Volksschulen stehen bleibe, sondern auch diehöheren Lehranstalten nach dem Glaubensbekenntniß herrichte.Minister Dr. Bosse sucht den Vorredner nach Möglichkeitzu beschwichtigen und detheuert, daß die Schlingen der noch be-stehenden Kulturkampf-Paragraphen nicht wieder angezogen werdensollen.Nach Bosse betheiligen sich die Nbgg. Heereman(Z.) undDasbach(Z.) an der für unsere Leser bedeutungslosen Debatte.Letzterer macht zum Schluß seiner Rede erklecklich in Anti-semitismuS.Darauf wird um 4 Uhr die weitere Debatte abgebrochen.Nächste Sitzung Mittwoch ll Uhr.(Petition gegen denrussischen Handelsvertrag und andere Petitionen.)Uoksles.Die sozialdemokratischen Stadtverordneten haben denschleunigen Antrag gestellt, daß bei den am 20. Februar statt-findenden Wahlen zum Gewerbegericht im ll. und l2. Wahl-bezirk nicht nur in der Turnhall« sondern auch in der Aula derSchulen gewählt wird.Der Grund zu diesem Antrage liegt darin, daß im ll. Bezirk2000 und im 12. Bezirk 3700 eingetragene Wähler sind, so daßin diesen Bezirken 300 bezw. 400 Wähler in der Stunde ab-gefertigt werden müßten.Außerdem drängt sich ersahrungsgemäß daS Wahlgeschäftauf die letzten Stunden— hier von 6—9 Uhr Abends— zusammen, so daß ein Wahllokal sür diese großen Bezirke entschiedennicht ausreicht.Die neun Bersammluuge« der Wähler zum Gewerbe-geeicht, welche am Montag Abend in den verschiedenen Stadt-theilen abgehalten wurden, waren durchweg sehr gut besucht. Inallen Versammlungen wurden Ansprachen gehalten, welche dieBedeutung der Gewerbegerichte für die Arbeiterschaft darlegtenund die Pflicht der Wähler, am 20. Februar auf dem Platz zusein, hervorhoben. In den Diskussionen fiel selbstredend manchesWort beißenden Spottes aus die paar Gewerkoereinler, welche be-kanntlich bei Gelegenheit der Wahlen zeigen wollen, daß sie nochin altbekannter Knechtseligkeit in diesem und jenem Winkel herum-krebsen. Nuu, selbstredend werde» die klassenbewußten Arbeiter Berlinsam Tage der Wahl ihrePflichtthunund die ganz« Bedeutungslosigkeitdieser paar versteinerten Zeugen einerfürimmer entschwundenen Zeit-«poche durch erdrückende Majoritäten vor aller Augen offenbaren.Aus den Versammlungen ist im Einzelnen noch nutzutheilen, daßdie in der Urania Versammelten das Bureau beauftragten, beimMagistrat dahin vorstellig zn werden, daß für den 11. und12. Wahlbezirk je zwei Wahllokale eingerichtet werden und zwarderart, daß die Wähler, deren Namen die AnfangsbuchstabenA bis M. haben, in der Turnhalle und jene mit denAnfangsbuchstaben N. bis Z. in der Aula ihrWahlrecht ausüben können. Würde diese Einrichtungnicht getroffen, dann sei an ein Abfertigen von 300 bis400 Wählern innerhalb einer Stunde nicht im entferntestenzu denken. Z u b« i l versprach innerhalb der sozialdemokratischenStadtverordneten-Fraktion dafür einzutreten, daß von ihr bereitszur nächsten Sitzung am Donnerstag ein dringliche, Antrag ein-gebracht werde, diesem gemeinsamen Drängen würde hoffenUich derMagistrat wohl Rechnung tragen.Auch wurde bekannt gegeben, daß sich daS Zentral-Wahldüreau vom Sonnabend ab A n n e n st r a ß e 16 beiEhrenberg befindet. Daselbst wird jede gewünscht« AuS«kiinft ertheilt. Ferner wurde die Mittheilung gemacht, daß amTage der Wahl in Volksversammlungen das Wahlresultat bekanntgegeben wird.In Sachen der Sonntaasrnhe empfing der Dezernent fürdiese Angelegenheiten beim Polizei-Präsidium, Herr Regierung--rath Messerschmidt, am Sonnabend, de» 11. d.M., eine in eineröffentlichen Versammlung von Angestellten im Handelsgewerbegewählte Deputation, bestehend aus den HaudlungsgehilfeuH i n tz e und Blum, den Handlungsgehilfinnen Duhms undBlum und den Hausdienern Grauer und P l a t h. DieMitglieder der Deputation wiesen auf die Gefahr hin, die denAngestellten im Handelsgewerbe durch den Ministerial-Erlaß vom15. Dezember a. v. drohe. Der Herr Regicrungsrath sprach sichdahin aus, daß für Kolonialwaaren-Geschäfte Berlins eine Ver-legung der Verkaufszeit auf den Nachmittag als ausgeschlossengelten könne, da nach seinen Informationen Beschwerden von dieserSeite nicht erfolgt seien, dagegen werde von Seite» der Zigarren-Händler über die bisherige Handhabung der Bestimmungenüber die Sonntagsruhe Klage geführt. Ein Mitglied derDeputation machte demgegenüber geltend, daß die Mehrzahl dieserJnlereffenten sich an diesen Bestrebungen nicht betheilige, eineaus diesen Kreisen einberufene Versammlung im Januar d. I.,in welcher Herr Reichslags-Abgeordneter Möller referirte, wärenur von 80—100 Personen besucht gewesen, und eine frühereVersammlung vom 7. Juli v. I., die von 1200 Zigarrenhändlernbesucht gewesen fei, hätte sogar eine Forderung, die Geschäfts-zeit bis 4 Uhr Nachmittags auszudehnen, abgelehnt. Die vonder Deputation geäußerten Befürchtungen, daß konform deSMinisterial-Erlaffes für die kleineren Städte auch für Berlin einOrtsstatut eingeführt wird, welches die Verkaufszeit theilweise aufden Nachmittag verlegen würde, hielt der Herr Reglerungsrathfür unbegründet, da nach seinen Informationen eine derartigeAbsicht beim Magistrat in Berlin nicht bestände. Die Mitgliederder Deputation betonen ferner, daß von einer Sonntagsruhe von10—12 Uhr Vormittags, ailf welche die Regierung wegen deSKirchganges ganz besonderes Gewicht lege, größtentheils nicht dieRede sein könne, und nachweisbar die Engros-Geschäfte, z. B.in der Konfektion, sich überhaupt nicht an diese Vestimmungenkehrten. Ja die Hausdiener würden sogar angehalten, noch amSonntag Nachmittag Packet« zur Post und andere Gänge zu be-sorgen. Herr Regierungsrath Messerschmidl drückte sein Er-staunen darüber aus, und erklärte, daß er über diese offenbareVerletzung des Gesetzes Erhebungen anstellen werde, und beab-sichtige, einige Mitglieder der Deputation nochmals«ingehend indieser Angelegenheit zu vernehmen.—Gegen die Sonntagsruhe agitirt der„Verein aller Jnter-essenten ver Zigarren- und Tabakbranche von Berlin und Um-gegend von 1892". Derselbe wünscht die Geschästsstunden bis5 Uhr Nachmittags auszudehnen. Er versendet an alle„Kollegen"ein Zirkular, in welchem er um Beitritts-Erklärungen nachsucht.Die Arbeiter, welche sür die Sonntagsruhe einzutreten gewilltsind, werden wohl auch Notiz nehmen von den Geschästsleuten,welche dieselbe bekämpfen.Für die Militärvorlage soll heute, Mittwoch, Abends8 Uhr, im großen Saale der Viktoria- Brauerei, LützowstraßeNr. lll/112, eine Kundgebung unter Vorsitz des Landes-Oekonomie-rathS Nobbe stattfinden. Als Referent dient Prof. Hans Delbrück.Die Einladnng zur Versammlung ist von einer großen AnzahlNotabler, Professoren, Bankiers, Kommerzienräthe und Beamteunterzeichnet. Stöcker bezweifelt, daß diese Kundgebung, obwohlsein Freund, Prof. Ad. Wagner, sie mitunterzeichnet hat, dieAussichten der Militärvorlage verbessern wird, zumal unter demAufrufe zu der Kundgebung Namen, wie die des BuchhändlerLuckhardt, Bankier Meyer Cohn, Kommerzienratholdberger und Sanitätsrath S. Guttmann stehen.Für die Rohheit gewisser Schichte« der Bevölkerunggiebt folgende Inschrift, die wir aus einem Plakat an de. Thüreines in der Uorkstraße belegenen„hochherrschasllichen" Hauses lasen,ein sprechendes Zeugniß.Für die Bettler!„Untersteht sich ein solcher, hier zu stören, so wird der-selbe sofert der Polizei übergeben, ganz abgesehen von derTracht empfindlichster Hiebe.Dies erfrischende Bckenntniß einer schönen Seele steht keines-wegs so vereinzelt da, wie man angesichts des herzzerreißendenElends, das sich Tag für Tag dem Auge darbietet, denken sollte.Der satte Durchschmttsbourgeois, der selber keine Borstellungdavon hat, wie weh der Hunger thut, sieht eben in dem schüch-kernen, um ein Stückchen Brot anklopfenden Armen nur denStörenfried, der sich frech erdreistet, ihn aus feinem Mittagsschlafoder was noch ärgerlicher, gar aus seinen Profitkalkulationenunsanft aufzurütteln.„Empfindliche Hiebe", für den Bettler—wahrlich, yt es da nicht zu verzeihen, wenn man in Zweifeldarüber kommt, ob gewisse Bestimmungen der lex Heinze dennoch bestimmten Prachtexemplaren unserer Bourgeoisie gegenübernicht ganz gut angebracht wären 1 Größere Rohheit, als sich indem betreffenden Plakat offenbart, ist auch kaum einem Zuhältereigen.„Eine allgemeiue größere Roth, welche ganz besondereMittel zu ihrer Beseitigung erheische", soll in diesem Winter„vor-läufig nicht«ingetreten sein". Das sei, so meldet das von derArmendirektion veröffentlicht« Protokoll der Armenkommissions-Vorsteher- Versammlung vom 20. Januar 1393, auf eine vomMagistratsassessor Cuno als Vertreter der Direktion gestellte An»srage„allseitig hervorgehoben worden". Dann liegt nickt einedirekte Ableugnung eines Nothstandes durch die Armenkommissions-Vorsteher, sondern nur die Erklärung, daß er ihnen„vorläufig"noch nicht so groß und so allgemein erscheine, wie er sein muß,wenn Magistrat und Stadtverordneten- Versammlung sich zu be-sonderen Maßnahmen bequemen sollen. In demselben Protokollsteht, daß von den Armenkommissionen mehrfache Beschwerdenüber Mangel an Suppenmarken eingelau'en seien. Andererseitshätten jedoch verschiedene Vorsteher festgestellt, daß sie noch nichtalle Suppenmarken verbraucht hätten. Liegt in der starken Nach-frage nach Armensuppen kein Zeichen für«inen Nothstand?Oder soll etwa der Umstand, daß in gewissen Bezirkendie Nachfrage hinter dem Angebot zurückgeblieben ist, ein Beweisfür das Gegentheil sein? Das wollen wir gern glauben, daß dieNoth nicht in gleicher Weise über alle Theile der Stadt odergar auf die einzelnen Armenlommissionsbezlrke vertheitt ist. ImThiergartenviertel wird das Verlangen nach Suppenmarkcn ver-muthlich geringer sein, als auf dem Gesundbrunnen oder amGörlitzer Bahnhof. Wie groß die Unterfchiede sind, beweist derUmstand, daß im Verwaltungsjahr 1891/92 beispielsweise anAlmosengeld in einem Bezirk nnr 825, in einem anderen da-gegen 2016 Portionen, an Pflegeaeld in einem Bezirk 33, ineinem anderen 1669 Portionen vertheilt worden sind. Bei denExtra-Untcrstützungen schwankt» die Zahl der vertheilten Portionenin den einzelnen Bezirken zwischen 8 und 246 bei den Al-mosenempfängem, zwischen 0 und 106 bei dm Pflege-geldempfängern, zwischen 4 und 535 bei den nicht sort-lausend unterstützte» Personen. Es ist möglich, daß beider Bertheilung von Suppenmarken auf diese Unterschiede nichtgenügend Rückficht genommen worden ist. Bei der Zerfahren-heit, die im Berliner Armenwesen herrscht,— die Protokolle derBorsteherversammlnngen haben wiederholt Belege dafür gebrachtin den dort niedergelegte» Beschwerden und Klagm der Direktionüber die Vorsteher und der Vorsteher über die Direktion--- wäredas auch kaum- l verwundern. Im übrigen ist der Umfang, inwelchem von einer Bevölkern j die Hilfe der städtischen Armen-pflege in Anspruch genor nen jird, noch lange kein zutreffmderMaßstab sür die Größe eines vorhandenen Nothstandes. Mankann daraus, daß die städtische Armenpflege in Anspruch ge-uommeu wird, höchstens den Schluß ziehen, daß die Ableugnung