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Massendemonstration die Ankommenden zur Abfahrt zu bewegen. In der Tat waren über bOOO Arbeiter auf dem Platz dar dem Bahnhof. Als die von den Soldaten flankierten Streikbrecher herausgeführt wurden, traten zwei Genossen, die Arbeitskammer» sekretäre von Spezia und Genua  , an sie heran und riefen ihnen zu: «Denket daran, daß cS Eure Brüder sind, denen Ihr in den Rücken fallt!" Sofort beschimpften die bürgerlichen«freien Arbeiter" die beiden Sekretäre und drohten mit dem Revolver. Das gab der Menge das Signal, sich mit Gewalt dem Vordrängen der Streik- brecher zu widersetzen. Hunderte von Frauen haben mit ihrem Körper der Kavallerie den Durchgang verwehrt. Die Konflikte haben bis zum Abend gedauert. Die ersten Schüsse sind nicht von den Soldaten, sondern von denfreien Arbeitern" ausgegangen. ES ist auch nicht wahr, daß viele Soldaten verwundet wurden; auch haben sich zum Glück die ersten Nachrichten, die von 8 Toten unter den Arbeitern sprachen, nicht bestätigt. Immerhin hat bis in die späte Nacht die Stadt von Schüssen widergehallt und es hat unter der Menge einige fünfzig Verwundete gegeben. Kaum war es zum ersten Zusammenstoß gekommen, so pro- klamierte die Arbeitskammer den Generalstreik in der Stadt. Nur für die Krankenwärter und die Eisenbahner wurde die Fortsetzung des Dienstes verfügt. Gleichzeitig setzte dieKonterrevolution" in ministure ein, von der sich die Agrarier so großen Nutzen ver- sprachen hatten. Nach langer Gegenwehr wurde das Lokal der Arbeitskammer von den Truppen besetzt, die Streikkasse beschlag- nabmt. Alle Mitglieder des Streikkomitees, deren man habhaft Werden konnte, wurden verhaftet. Der Sekretär der Arbeits- kammer, de A m b r i S, entkam der Polizei, da die Menge die Carabinicri, die sich seiner bemächtigen wollten, durch Steinwürfe einen Moment zurücktrieben, lange genug, um die Flucht zu er- möglichen. Sofort übernahm ein neues Komitee die Streikleitung und beschloß die Fortdauer des Generalstreiks, bis die Behörden die Arbeitskammer wieder zurückgegeben hätten. Der Generalstreik hatte, den einleitenden Umständen entsprechend, Formen ange- uommcn, die an den V o l k s a u f st a n d grenzten. Trotzdem man nicht telegraphieren durfte, ist es doch wahr, daß da? Stadt- viertel jenseits des Stromes drei Tage in Händen der Streikend en war, ohne Beleuchtung nachts und von der streikenden Menge derart verteidigt, daß man keine Verhaftungen vornehmen konnte. Der Versuch, von einem Turm aus durch einen großen elektrischen Reflektor dieses Viertel, das älteste der Stadt, zu beleuchten, scheiterte daran, daß die JnstallierungSarbeiten von den Streikenden verhindert wurden. Infolge des Streiks hat in der Stadt Brot und Fleisch gefehlt. Die r�zialistischen Abgeordneten, die im Streik- gebiet tätig waren, leiteten sofort Unterhandlungen mit den politi- schen Behörden ein, um die Rückgabe der Arbeitskammer zu er- langen. Da die militärische Besetzung des Lokals und die faktische Auflösung der Organisation gesetzwidrig war, und auch der Generalstreik die Regierung beunruhigte, beschloß sie, nach- zugeben, wie seinerzeit der Minister Saracco nachgegeben hatte, als das Proletariat von Genua   durch den Generalstreik die Wiederherstellung der Arbeitskammer gefordert hatte, die wider- rechtlich aufgelöst worden war. Nun zeigte sich erst die wirkliche Absicht der Agrarier. Die Freigabe der Arbeitskammer paßte nicht in ihr Programm. Und so erklärte die vorwiegend auS Agrariern gebildete Stadt- Verwaltung von Parma  , sie würde demissionieren, sobald die Arbeitskammer den Streikenden zurückgegeben würde, und forderte alle Gemeindevertrcter der Provinz auf. ein gleiches zu tun. Dieser Erpressungsversuch der Agrarier, der beweist, wie sehr sie den Kampf als einen Kampf gegen die Organisation auffassen, hat die Beilegung des Generalstreiks um volle 24 Stunden ver­zögert. Angesichts der Drohung der Agrarier hat der Re- gierungspräsidcnt es nicht gewagt, die Arbeitskammer auS- zuliefcrn. ES bedurfte erst einer ausdrücklichen Verfügung GiolittiS, um der Gewaltaktion der Behörden ein Ende zu machen. Die Rückgabe des Lokals ist gestern erfolgt: aber wie sah eS in den Räumen aus! Als ob eine Horde TollhäuSler oder Ver- brecher dort gehaust hätte. Dem bürgerlichenMessaggero" wird darüber geschrieben: Wenn daS Publikum ein Regierungslokal in diesen Zu- stand gebracht hätte, so würde man Hunderte von Verhaftungen vornehmen und Hunderte von Prozessen wegen Sachbeschädigung einleiten. Keine Horde des schlimmsten GrohstadtpöbelS hätte je eine vollständigere Verwüstung ausdenken tönnen, als die, die in der Arbeitskammer von Parma   angerichtet worden ist.... Alles ist zerstört, zerfetzt, verdorben, besudelt. Die Fahne, der die Soldaten doch Achtung hätten bezeugen müssen, da sie den Wert des Shmbols kennen, ist in der Stange an drei Stellen zer- brachen, und das Tuch ist in ganz kleine Fetzen gerissen. In einer kleinen Vorratskammer für Lebensmittel sind 80 Flaschen Wein und 2 Fässer ausgetrunken, die Kisten mit Makkaroni sind eingetrieben und ihr Inhalt ist auf dem Boden ausgeschüttet. Die Türen sind eingeschlagen, ebenso die Schränk«, die Schub- lüden und Fächer, und zwar nicht nur die, die verschlossen waren, sondern auch die offengebliebenen, aus bloßer brutaler Zer- störungswut. Papiere, Briefe, Quittungen, alle» ist zerrissen und besudelt. Gegen alles hat man gewütet, sogar gegen einen unschuldigen Strohhut, der eingetrieben wurde, gegen Schirme, die über dem Knie zerbrochen wurden, gegen die Büste und das Bild von Marx, die zertrümmert sind... So haben die Ordnungselement« in der Arbeitskammer ge. haust. Wird sich ein Richter für diese Vandalen finden? Wir glauben nicht. Der Agrar streik dauert weiter nunmehr seit B6 Tagen. Die Situation ist hier unverändert, nur ist das Korn fast schnittreif und die Hände fehlen, es zu schneiden. Es werden viele Maschinen herbeigeschafft, aber jedenfalls geht ein großer Teil der Ernte verloren. Einen politischen Rückschlag dürste die Haltung der Re- gierung nicht provozieren. Dazu ist das politische Leben des Landes jetzt viel zu schläfrig, die Mehrheit viel zu dienstbeflissen und knechtisch. Als Saracco die Arbeitskammer von Genua   hatte auf- lösen lassen, um dann ihre Wiedereröffnung zu autorisieren, kam über die Sache daS Ministerium zu Fall und im Senat lümmelte Giolitti den greisen Saracco an, er würde sich schämen, ähnliches zu tun. Jetzt hat Giolitti das gleiche getan, weil es ihm in den Kram paßte; aber keiner im Parlament denkt daran, dem Mini- sterium daraus einen Strick zu drehen. An GiolittiS politische Logik stellt die Kammermehrheit geringe Ansprüche und er re- vanchicrt sich dafür, indem er geringe Ansprüche cm die politische Rkchtschaffcnhcit seiner Leute stellt. politifcbc ücberlicbt. Berlin  , den 27. Juni 1908. Landtag hinter Hoftheater. Wir erhalten folgende Zuschrift: Wie leicht man in preußischen Landen einem FestungS- gefangenen Urlaub gibt, falls er nicht, wie Herr Dr. Liebknecht, sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter ist, inag thnen die vor einiger Zeit von Wiesbadener   Blättern berichtete atsache beweisen, daß der Wiesbadener   Hofschauspieler Leffler, welcher wegtk» Dvcllsachetk alls EhtKlbreitstein seine Strafe der- büßte, Urlaub erhielt, um im Wiesbadener Hof- theater aufzutreten. In der preußischen Rangordnung rangiert offenbar die gesetz- gebende Körperschaft weit hinter dem Hoftheater. Eine offiziöse Polemik gegen den Kaiser. Bor mehr als einer Woche veröffentlichte die französische   ZeitschriftOpinion  " einen Artikel überWilhelm II.  als Muwaltsten". Dazu schreibt jetzt dieSüddeutsche Korrespondenz", das Organ Bülows: «In einem Leitartikel der Pariser Wochenschrist.L'Opinion" war von Kaiser Wilhelm   gesagt, er erträume die Vereinigten Staaten   von Europa   unter der Hegemonie Deutsch- l a n d s. Damit würde dem Oberhaupt de-5 Deutschen Reiches ein ihm fremder Gedanke zugeschrieben. Die Zeiten, wo Jahre hindurch eine einzelne Großmacht in Europa   die unbestrittene Führerschaft ausüben konnte, gehören der Vergangenheit an. Eine Politik, die sich unter den gegebenen Weltverhältnissen um diese Führerschaft bemühen wollte, würde einem Phantom nachjagen. Die Vorstellung einer künftigen Hegemonie Deutschlands   isp auch gar nicht deutschen Ursprungs. Sie stammt ans dem Jdeenkreis von Leuten, die dannt antideutsche Koalitionsgelüste fördern und weniger verfänglich erscheinen lassen wollen. Solche Gelüste zeigen, von allem anderen abgesehen, zur Genüge, wie weit wir noch von den Vereinigten Staaten   von Europa   entfernt sind. In demselben Artikel wurde mitgeteilt, Kaiser Wilhelm   habe bei Erwähnung Elsaß  -Lothringens   bemerkt, Frankreich  könne Kompensationen erhalten, die auf der Karte von Europa   in zwanzig Jahren sicher möglich sein würden. Auch diese Bemerkung kann nicht als authentisch anerkannt werden. Wir wünschen keine Lenderungen in der politischen Geographie Europas   und können nicht ver- sprechen oder verschenken, was anderen gehört. UebrigenS liegt der Gedanke, Frankreich   habe im Verhältnis zu Deutschland   noch ein Anrecht ans Entschädigung für den Verlust Elsaß  -Lothringens  , der deutschen   Auffassung fern." Man wird zugeben: diese Ausführungen sind weniger ein Dementi als eine Polemik. Die Verleugnungen von Acußerungen deS Kaisers in offiziösen Blättern nehmen in letzter Zeit erfreulicherweise stark zu. Zur Rcichsfitmnzreform. Am Montag sollen nach demB. T." im Reichsschatz- a m t Besprechungen über die Reichssinanzreformfragen stattfinden, zu denen auch die einzel st aatlichen Finanz- minister in Berlin   erwartet werden. Die Fraktioueu deS preußischen Abgeordnetenhauses. Nach der offiziellen Fraktionsliste ist die Stärke der Parteien des Abgeordnetenhauses folgende: Konservative 149(darunter 24 Doppelmandatare und 4 Hospitanten): Dr. Gaigelat(1. Königsberg  ), Karow  (2. Danzig  ), Rahardt(ö. Magdeburg), v. Wulften  (3. Magdeburg  ). Freikonservarive 80(7 Doppelmandatare, 2 Hospitanten): V. Oertzen(8. Potsdam  ), Peters(11. Schleswig-Holstein  ). Nationalliberale 65(5 Doppelmandatare, 2 Hospitanten): v. Schubert(5. Trier  ), Just(7. Lüneburg). Freisinnige Vol.kspartei 23(7 Doppelmandatare, 3 Hospitanten): Dr. Flesch(11. Wiesbaden  ), Dr. v. LiSzt(16. Pols- dam), Lorentz(2. Minden  ). Freisinnige Bereinigung«(1 Doppelmandatar, ein Hospitant: Lippmann(3. Stettin  ). entrum 164(24 Doppelmandatare). olen 16(3 Doppelmandatare). Sozialdemokraten 7. Fraktionslos 6(1 Doppelmandatar: TÜrcke sS. Kassels hat sich die Entschließung über die Parteizugehörigkeit noch vorbehalten, v. Kloeden s7. Wiesbadens, Otto s5. Hildesheims, Kölle sO Hildes- heims, Kloppenborg- KrumSager sl. SchleswigHolstein  ], Nissen [2. Schleswig-Holsteins  ). Erledigt ist das Mandat von 6. Breslau   durch den am 26. Juni erfolgten Tod des Abgeordneten Hirt(kons.). Während bisher 166 Doppelmandaiare vorhanden waren, sind e» jetzt nur 72._ Noch einige Glückwünsche zu den Wahlsiegen. Genf  , 25. Juni. Die russische sozialdemokratische Arbeiter- Partei beglückwünscht durch ihr ausländisches Zentralbureau die deutsche Bruderpartei zum glänzenden Siege bei den Wahlen zum preußischen Landtage. Nieder mit dem Dreiklassenwahlsystem I Für das ausländische Zentralbureau der russischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei: Petroff. Ornatzky. Budapest  , 23. Juni. Den Moabiter   Genossen diele Glückwünsche zum Wahlstege l » Die Arbeiter der ersten ungarischen Stahlplatten-Fabrik Budapest  . Außerdem haben die Genossen der HeilstätteHohenelse zu RheinSberg   und Patienten der Dr. B r e h m e r schen Heil- n st alt zur Krone in GörberSdorf in Schlesien   Glück- »wünsche gesandt._ Der Prozeß Eulenburg. Bei den am Montag vor dem Schwurgericht des Landgericht» I beginnenden Verhandlungen gegen den Fürsten   Philipp zu Eulenburg   und Hertefeld wird, so meldet die Gerichts. korrespondenz Thiele, ziemlich sicherem Vernehmen nach, die Oesfrntlichteit nicht nur bei einzelnen Punkten, sondern im ganzen Umsange ausgeschlossen werden... Fürst Eulenburg   hat bis jetzt beharrlich bestritten, seine Eidespflicht verletzt zu haben. ES wäre wahrlich zu wünschen, wenn die Oeffcntlichteit Gelegenheit fände. zu erfahren, wie er gegenüber den geschilderten Tatsachen den auf ihm lastenden Verdacht zu beseitigen gedenkt. Was die P e r s o- n a l i e n des Fürsten   betrifft, so ist dieser am 12. Februar 1847 in Königsberg   i. P. geboren und evangelischer Konfession. Nach Ab- solvierung des GymnafiumS in Königsberg   trat er in das Regiment Garde du Corps in Potsdam   ein und wurde bald Leutnant. Als solcher hat er den deutsch  -französtschen Krieg mitgemacht. Nach dessen Beendigung hat er«ine Orientreise unternommen und von 1872 bis 1875 in Leipzig   und Straßburg   Jura und Kameralia studiert. Im Jahre 1877 ist er in den diplomatischen Dienst ein- getreten, zwei Jahre später wurde er Botschaftssekretär bei der deutschen   Botsctjast in Paris  , wieder zwei Jahre später war er Legationsrat bei der Preußischen Gesandtschaft in München  . Im Jahre 1388 war er preußischer Gesandter in Oldenburg   und Braun- schtveig, 1396 preußischer Gesandter in Stuttgart  . 1891 ging er in derselben Eigenschaft nach München  . Im Jahre 1894 wurde er vom Kaiser als Botschafter des deutschen Reiches nach Wien   gesandt. Im Jahre 1900 ist er in den Fürstenstand erhoben und zum erb- lichen Mitglied des preußischen Herrenhauses ernannt worden. Er ist Ritter deS Schwarzen Adlerordens und einer ganzen Anzahl anderer hoher Orden. In dem Verzeichnis der HerrcnhauSmit- glieder steht er wie folgt aufgeführt: Philipp. Fürst zu Eulen- ourg und Hertefeld, Graf von Sandels, Durchlaucht, Kaiserl. Wirkt. Geh. Rat, Botschafter a. D., Doktor der Rechte, wohnhaft auf Licbenberg(Mark) und Hertefeld bei Weeze  . Fürst Eulenburg   ist verheiratet und Vater von sechs zum Teil schon ver- heirateten Kindern. Die Verhandlung wird am Montagvormittag 11 Uhr im großen Schwurgerichtssaale de» alten Kriminalgerichtsgebäudes in der Rathenotverstraße beginnen. Den Vorsitz führt LanvgcneylSmvJter K Q n z o tv, die Anklage wird Oberstaatsanwalt Geh. Oberjustizrat Dr. jur. I senbiel unter Assistenz des Staatsanwalts Rasch vertreten. Die Verteidigung haben Justizrat W r o n k e r und dessen Sozius Rechtsanwalt Ludwig Chodziesner   übernommen. Unter den geladenen Zeugen befindet sich Maximilian H a r d c n nicht. U. a. sind als Zeugen geladen: Fischer Jakob Ernst- Starnberg. Milchhändler Georg Riedel, Obcrlandesgerichtsrat Wilhelm Mayer- München  , Justizrat Bernstein und Rechts- anwalt Dr. P r a g e r- München, Frhr. v. W e n d e I st a d t- Neu- bcuren, Johann Schöner  - München  , Kriminalkommissar Stein- Hauer- Potsdam und dessen Ehefrau, Frau Bauerreiß und Hofrat Schacht- München  , Hofrat K i st l e r und Ehefrau, geb. Schcnker, Amtsdorsteher G c e ritz-i- Liebenberg. Frau Gebs fitat Pierson, die Witwe des JntendanturdireitorS der königlichen Hofoper, Opcrettensängcr Friedrich P a g i e. Hamburg   und Land­gerichtsrat Schmidt, der die Voruntersuchung geführt hat. A l s medizinische Sachverständige sind die Medizinalräle Dr. H o f f m a n n und Dr. Le p p m a n n geladen. Dr. Alexander Meyer, langjähriger Vertreter des Wahlkreises Halle im Reichstage, bis ihn 1890 Genosse Kunert verdrängte (von 1893 bis 1896 hat Meyer noch einmal das Mandat innegehabt, die Wahl wurde aber 1896 für ungültig erklärt), ist im Alier von 76 Jahre» in Friedenau   gestorben. Ursprünglich Nationatliberaler, machte er 1830 die Sezession mit, 1884 die Fusion der Sezessionistcu zur Freisinnigen Partei mit, trat 1893 bei der Spaltung des Frei­sinns zur Freisinnigen Vereinigung. Meyer war einer der mit Rede- latent begabten Reichsboten und verstand seine Reden mit Berliner  Witz er war ein Berliner Kind zu würzen. Am bekanntesleu ist seine.Bierrede" geworden, in der er das geflügelte Wort prägte: «Das Bier, das nicht getrunken wird, hat seinen Beruf verfehlt". Wieder einer. vor einigen Tagen verschwand in Posen dorn dortigen Regiment Jäger zu Pferde der Rittmeister der 4. ESkadron d e S A r t S, nachdem er vorher einen Brief in seiner Wohnung hmterlassen hatte, über dessen Inhalt strengstes Stillschweigen beobachtet wurde. Am Tage vorher hatte der Rittmeister auf dem Truppenübungsplatz Lawitza Exerzieren abgehalten und dort die Eskadron arg geschliffen. Später ließ er die Eskadron noch einmal zum Dienst antreten, wobei er es ganz besonders auf die Unteroffiziere abgesehen hatte. Samt- liche Unteroffiziere mit dem Wachtmeister an der Spitze ersuchten nun den Oberleutnant von Wedel   gegen den Rittmeister Anzeige zu erstatten. Wedel   nahm eine persönliche Unterredung mir des Arts vor, und am anderen Morgen erschien dieser nicht zum Dienst. Spurlos war er verschwunden, nur der Brief an den Bataillonskommandeur lag auf dem Tisch. ES lag also direkte Fahnenflucht vor. Es wurde allgemein angenommen, daß sich der Rittmeister wegen der dienstlichen Vergehen auS dem Staube gemacht hatte. Da er sehr vermögend war und sich eine prächtige Junggesellenwohnung sowie vier wertvolle Reitpferde hielt, hielt man einen Selbstmord für ausgeschlossen. Bis heute ist des Arts noch nicht zurückgekehrt. Jetzt melden nun die hiesigen Zeitungen, daß die Flucht des Herrn Rittmeisters in homosexuellen Vergehungen mit Untergebenen seinen Grund hat. Also ein neuer Bube in Uniform und noch dazu einer von altem Adel.  _ Aus Byzanz. In Barmen hat neuerlich das Kronprlnzenpaar an einem Festmahl teilgenommen. Zwei Gläser wurden dabei vom Krön- Prinzen und seiner Frau benutzt. Diese beiden Gläser zieren jetzt die Sammlungen des Bergischen   GeschicktSvereins I Die Direktion der GesellschaftConcordia", in deren Räumen das Mahl statt­fand, hat dem Verein die beiden«historischen" Gläser geschenkt. Der GeschichtSberein hat die Reliquie angenommen und zur Erbauung aller Patrioten öffentlich ausgestellt!! Beinahe Ivären ihm übrigen? die beiden jedem königStteuen Preußen so werten Stücke entgangen. Unserem Elberfelder Partei- blatt, der«Freien Presse", wird darüber berichtet: ,... Nachdem daS Kronprinzenpaar nach dem Festmahle die .Concordia" verlassen hatte, bot der amerikanische   Konsul dem Oekonomen für die Gläser, woraus das kronprinzliche Paar getrunlen hatte, sofort pro Stück 2V M. Dies hörte zufällig der in der Nähe stehende Kommerzienrat W., der nun sofort dem Bank- direktor Hinsberg vom Barm er Bankverein, dem Vorsitzenden der«Concordia", hiervon Mitteilung machte. Dieser rettete(unter welchen Opfern ist nicht bekannt) die beiden Gläser vor der späteren Mitnah nre nach Amerika   indem er sie sofort in die sichere Obhut des Oekonomen_ D.   brachte. Herrn Bankdirektor H. gebührt für diese hochherzige Tat der innigste Dank der Stadt Barmen...." Wir zerdrücken eine Träne der Rührung und Bewunderung. In der»Jugend" aber schreibt der böse Spötter Strido: «Dem Verein kann nicht genug dafür gedankt werden, baß er die verehrten Gläser dem größeren Publikum zugänglich gemacht hat. Es ist ja selbstverständlich und nicht weiter'wunderbar, daß ihr Anblick in dem Herzen eines jeden Patrioten die heiligsten Gefühle entflammt: aber die Wirkung der Reliquie geht noch weiter, sie schafft Wunder, indem fie Kranke heilt, die bis dahin für unheilbar galten: Ein eifriger Sozialliberaler, der nur einen Blick auf die Gläser geworfen hatte, hielt am Tage darauf eine begeisterte Rede für den Block; ein wütender Agitator und Führer der Sozialdemokratie, der die Gläser am 2. Juni betrachtet hatte, wählte am 3. Juni zwei konservative Wahlmänner; ein Kämpe des jüngsten literarischen Deutschlands  , der sich, wie er sich respekt- loS ausdrückte,den Quark" einmal angesehen hatte, ließ sich am nächsten Tage die Haare schneiden und begann ein Festspiel für den nächsten Geburtstag Seiner Majestät; ein berühmter Sezessionist meldete sich nach dem Anblick der Gläser für die Konkurrenz zur Ausmalung der HohkönigSburg. Der Staats- sekrctär Svdow will den NeichSetat in Berührung mit den ge- weihten Gläsern bringen, er hofft, daß der Etat dann endlich ge- sunden werde."---_ Ein Loblied auf die öffentliche Stimmabgabe. stimmt die.R h e i n i s ch- W e st f ä l i s ch e Zeitung" an. Ihr Schlußvers ist:G e h e i m e W a h l führt das Bolk zur Sklavenmoral, zur Gesinnungslosigkeit und Gemeinheit, öffentliche Wahl erzieht das Volk zur Männlichkeit und Mitverantwortun g." Das Blatt meint, die öffentliche Wahl werde von selber dahin führen, daß die Wahlbeeinflussung aufhöre, man brauche nur gegen jeden Terrorismus einen Gegenterrorismus zu richten, die Gesetzgebung werde dann schon eingreifen und eine den, politischen Empfinden widersprechende Beeinflussung besei- tigen. Es wäre interessant, zu wissen, wie das Blatt sich z. B. denGegenterrorismus" der Arbeiter auf den Wahltcrro- rismus der Unternehmer denkt. Sollen die Arbeiter streiken, und würde das den Beifall derRheinisch-Westfälischen Zei- tung" finden? Sehr lustig ist zu lesen, wie das Unternehmerblatt an der Ruhr die verderblichen Wirkungen der geheimen Stimmabgabe ausmalt: Da ist der Staatsbeamte, der devotest um eine Grati- fikation einkommt und den Patrioten heuchelt, wenn er gleichzeitig einen roten Wahlzettel in die Urne wirft, um seinemhochverehrten Chef" eins auszuwischen; da ist der Unternehmer oder Gewerbetreibende, der öffeni- {ich sich mit großer Begeisterung einer Partei anschließt, im