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Nr. 149. 29. Jahrgang. 1 KeilW drs Jotmntls" Knlim Sonntag. 28. Inn ! 1908. Hbgeordnetenbauö. s. Sitzung, Sonnabend den 27. Juni, nachmittags 2 Uhr. Am Ministertische: Holle , Freiherr v. Rheinbaben. Das Haus ist sehr stark besetzt. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Wahl deS Präsi- d i u m s und der Schriftführer. Auf Antrag Frhrn. v. Zedlitz(fk.) wird durch Akklamation der Abg. v. K r ö ch e r zum Präsidenten wiedergewählt. Auf Antrag Zedlitz werden weiter durch Akklamation wieder- gewählt: Abg. Dr. P o r s ch sF.) zum ersten und Abg. Dr. Krause (natl.) zum zweiten Vizepräsidenten. Zu Schriftführern werden gewählt die Abgg. v. Bockelberg (1), Holtschka(k.). E i ch st ä d t(fk.). Martin(fk.). Graf P r a s ch m a(Z.), v. d. Hagen (Z-). Jürgens e n(natl.) und B I e l l(frs. Vp). Zu Quästoren ernennt der Präsident die Abgg. Dr. Jung» h e n n und Henning(k.). Zu Mitgliedern der Statistischen Zentralkommission werden gewählt die Abgg. Graf Wartensleben (k.), Dr. Fried» b e r g (natl.), und v. L i s z t(frs. Vp.). Es folgt die erste Lesung des KirchenumlagengesetzeS. Kultusminister Holle begründet kurz die Vorlage. Abg. Dr. Wiemrr(frs. Vp.): Wir können uns nicht entschließen, die Vorlage ohne weiteres anzunehmen. Es sprechen ganz erheb- liche Bedenken gegen die Art und Weise, wie diese Vorlage in dieser Sommertagung erledigt werden soll. Wir halten es für mißlich, die Geistlichen in der Besoldungsfrage anders zu be- bandeln als andere Beamtenkategorien. Wir halten auch die Vor- läge nicht für so dringend, daß sie vor anderen gesetzgeberischen Matz- nahmen erledigt werden müßte. Bedenklich ist auch, daß der Ober- kirchenrat diese Vorlage verquickt mit der Frage des Pfarren- besetzungsrechtes. Wir wollen diese Gelegenheit nicht vorüber- gehen lassen, ohne gegen die Beeinträchtigung der Rechte der Kirchcngemeinden durch den Oberkirchenrat zu protestieren. liegt keine Veranlassung vor, auf Wunsch der Generalsynode die Klinke der staatlichen Gesetzgebung zu ergreifen. Einer Ueberhastung müssen wir entgegentreten und die Verantwortung für die Ver längerung der Tagung der Regierung zuschreiben, die dies« Vor läge eingebracht hat.(Beifall links.) Abg. Winkler(k.) stimmt namens seiner Freunde kurz der Borlage zu. Abg. StrSbel(Soz.): Wir Sozialdemokraten sind schon deshalb gegen den Entwurf weil wir auf dem prinzipiellen Standpunkt der völligen Trennung von Staat und Kirche stehen. Wir sind ferner gegen den Gesetzentwurf, weil wir zwar den sozialen Gedanken deS Christentums außerordentlich hochstellen vielleicht höher, als irgend ein« andere Partei(Lachen rechts) aber weil wir in der Staatskirche kein Instrument der sozialen werk tätigen Christenliebe erblicken, sondern ein Werkzeug der Klassenherrschaft, der Klassenvorrechte und der Klasscnsondervorteile. Sie(nach rechts) haben eben ge- lacht, als ich sagte, daß die sozialdemokratische Partei den Ge> danken der werktätigen christlichen Nächstenliebe höher stell« als irgend eine andere Partei. Nun. die Auffassung, daß an werk- tätiger Nächstenliebe in Preußen außerordentlich wenig geleistet wird, findet sich auch in einem christlich-sozialen Blatt, demVolk". das den Eintritt der sieben Sozialdemokraten mit den Worten kommentierte:Wir dürfen getrost unserem Gott danken, daß er uns nicht vergißt, sondern solche Hechte in unseren beschaulichen Karpfenteich schickt, um Leben und Besinnen, Christen- tum und Nächstenpflicht immer schärfer zu machen; denn das tut bitter not."(Lacken rechts.) Aber abgesehen von diesen Gründen, liegen eine ganze Reihe ton Bedenken vor, die auch die Vertreter der bürgerlichen Par teien nötigen sollten, sich gegen den Entwurf zu wenden. Die Ausgaben für die Kirche sind schon beträchtlich hohe. Nach dem Etat für 1308 belaufen sie sich auf 6 8 00 0 00 Mark. Das ist aber nur einTcil der Aufwendungen; denn die Umlagen, die von der Kirchenbehörde erhoben werden, sind nicht im Etat aufgeführt. Wenn der Landtag die im Gesetzentwurf festgelegte Erhöhung be- kleines Feuilleton. El» staatSgefährllcher Ochse. Eine Pariser Zeitschrift.L'Jnter mödiaire des chercheurs et curieux', deren Mitarbeiter allerhand kulturhistorische Kuriosa aufstöbern, teilt nach den in den National- archiven aufgefundenen Akten ein Polizeigeschichtchen mit, daS den Geist der Restaurationsepoche in köstlicher Art illustriert. Als nach Napoleons Fall der dicke Ludwig XVIU. ans Ruder kam. nahm das Spitzelsystem, daS ja allerdings schon unter dem Kaisertum vom Ey-Jatobiner Foucho zu politischen Zwecken ins ungeheuerliche aus- gebaut worden war, geradezu groteske Züge an. Ueberall witterten die Polizeinasen unehrerbietige Anspielungen auf die neuen Herrn. freilich nicht immer ganz ohne Grund, da der kecke Volkswitz immer neue Sportworte und Anzüglichkeiten fand..(GrabbeSNapoleon "' gibt in der Einleitungsszene ein lebendiges Bild dieses Treibens). In dieser Zeit war es nun, daß ein noch heute be­stehendes Restaurant in der Nähe des PalaiS Royal seinen Namen Le Boeuf a la mode" durch ein Schild illustrierte, das einen Ochsen in modischer Tracht, mit Shawl und Strohhut zeigte. Der Name des neuen Gasthauses muß die Polizei stutzig gemacht haben. Ein Ochse, ein modischer Ochse dazu sollte da nicht eine Bosheit gegen die allerhöchste Person geplant sein? Und der von einem Polizeischnüffler an das Ministerium erstattete Bericht vom 13. Jum 1816 stellte eine erdrückende Menge von Verdachts Momenten zusammen. Es heißt da:Dieses Tier, daS Symbol der Gewalt, ruft schon durch die Art seines Aufputzes und seiner Kopfbedeckung, die sich aus einem roten Kaschmir und einem Stroh- Hut mit weißen Federn und blauem Band zusammensetzen, viel Gerede hervor. Ein anderes Band von gleicher Farbe ist um seinen Hals gelegt und trägt eine Art goldenen FließeS, wie es die Souveräne tragen. Der Hut, der die Krone darstellt, ist rückwärts gerutscht und im Begriff, zu fallen. Dieser Umstand und namentlich die Vereinigung der drei ver- botenen Farben(der von der Revolution geschaffenen Trikolore). zeigen offenbar eine schlechte Absicht an und bis in das gemeine Volk hinab sieht man in dieser Allegorie eine schmutzige Karikatur gegen seine Majestät.' Das Ministerium nahm die Anzeige ernst und beauftragte die Polizeipräfekwr, Nach forschungen zu Pflegen und die politffchen Gesinnungen der Inhaber der Restaurants zu erkunden, jedoch hierbei, wie bei der etwa zu veranlassenden Entfernung deS Schildes die angemessene Diskretion zu bewahren. Die Nachforschungen scheinen zugunsten der Restaurateure ausgefallen zu sein und erwiesen zu haben, daß diese keinen Hochverratim Schilde führen' und einen wirklichen, vier- beinigen Ochsen und nicht S. M. Ludwig XVlII. meinten. Denn demBoeuf a la mode' wurde da» Leben gelassen und er hat sogar die Bourbonen überlebt. Er hat allerdings daS Kostüm ge- wechselt und präsentiert sich heute als harmloser, jeglicher politischer Nebenbedeutung barer Faschingsochse. Die Wirkungen der tropischen Sonne. Der gesteigerte WirkungS- grab der Sonne in der heißen Zone infolge der senkrechten Einfalls- richtung läßt auch die Leistung der chemischen Sonnenstrahlen in er- höhtem Maße hervortreten. In der literarischen und philosophischen willigt, dann treten erhöhte Kirchensteuern ein, die von jedem, der nicht aus der Landeskirche ausgeschieden ist, gezahlt werden müssen. Nun wird ja allerdings, wenn dieser Gesetzentwurf angenommen wird, der Austritt aus der Landeskirche viel stärker werden, als er schon bisher gewesen ist.(Unruhe rechts.) Aber davon abgesehen. Es kann nicht jeder aus der Landeskirche ausscheiden, der aus- scheiden will. Wir haben in Preußen allein 800 000 Beamte und Staatsarbeiter, die sich allerlei Unannehmlichkeiten aussetzen wür- den, wenn sie aus der Landeskirche ausschieden. Sie wissen ja, daß von gewisser Seite ein Terror ausgeübt wird....(Sehr richtig I und Heiterkeit rechts und bei den Liberalen.) Sie lachen, weil Sie das Wort Terror hören. Da möchte ich Ihnen doch sagen: Sie sind die Altmeister des Terrors und wir sind die ganz unwürdigen Schülerund Zög- linge!(Lebhafter Widerspruch bei der Mehrheit, Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Also es ist nicht jedermann möglich, aus der Landeskirche auszuscheiden, und es ist deshalb ein Unrecht diesen Steuernzahlern gegenüber, die sich der Verpflichtung der Zahlung nicht entziehen können, wenn man die Vorlage annimmt. Außerdem sind doch aber die Geistlichen gerade eine Beamten- kategorie, die relativ am wenigsten Not leidet.(Widerspruch rechts.) Gewiß, an dem Einkommen der besitzenden Klassen, an den Ministergehältern(Lärm rechts), an den Einnahmen der Bankdirektoren gemessen, sind die Einkommen der Geistlichen recht niedrig. Aber wenn man sie vergleicht mit den Gehältern unserer Auffassung nach wichtigerer Beamtenkategorien, so sind sie recht beträchtlich. Die Geistlichen erhalten ein Grundgehalt von 2 7 0 0 Mark, das in 24 Jahren auf 6000 Mark steigt. Wie sehen demgegenüber die Lehrergehälter aus!(Sehr gutl links.) Nach der geplanten Beamtenbesoldung soll das Grundgehalt für die Lehrer 1350 1650 M. betragen, das für die Lehrerinnen noch weni- ger. Die Alterszulage soll nach vier Klassen je 150 bis 250 Mark betragen und neunmal nach je drei Jahren eintreten. Es be- stünde dann also die Tatsache, daß sehr viele Landlehrer nach 27 Jahren aufreibender Berufstätigkeit gerade so gestellt wären, wie ein junger Geistlicher, der eben anfängt. Wenn man schon eine Verbesserung der Besoldung einer Be- amtenkategorie per Dampf betreiben will, dann sollte man zunächst an die Verbesserung der Lehrergehälter denken. Es ist kein Wunder, daß bei der heutigen Bezahlung mehr a l s 3000 Lehrerstellen unbesetzt sind. Für alle die- jenigen, denen die Volksbildung ein klein wenig am Herzen liegt, sollte das doch ein Ansporn sein, zunächst für die Verbesserung der Lehrergehälter einzutreten, nicht aber für die Verbesserung der Gehälter der Geistlichen. Auch die Gehälter anderer Unterbeamten- kategorien lassen zu wünschen übrig. Bon den staatlichen Arbeitern will ich gar nicht reden.(Rufe rechts: Zur Sache!) Ich will auch aus die«rbärmlichen Löhne der Arbeiter in den staatlichen Werkstätten nicht eingehen. Präsidet von Kröcher: Ich bitte auch, da? nicht zu tun, sondern nur von den Beamten zu sprechen. Abg. Ströbel(fortfahrend): Ich will aber auf die außer- ordentlich geringen Gehälter der unteren Eisen- bahnbeamten verweisen, die dringend einer Aufbesserung be- dürfen. Anderen Beamten geht eS also viel schlechter wie den Geistlichen und wir können deshalb nicht einsehen, warum die Geistlichen herausgenommen werden. Weshalb sollen die Geist- lichen nicht ebenso wie die anderen Beamten bis zur allgemeinen Besoldungsvorlage warten? Dann möchte ich noch darauf hinweisen, daß diese Vorlage außerordentlich weitgehende finanzielle Kon- sequenzen hat. In den Verhandlungen der Generalsynode ist ausgerechnet worden, daß die Vorlage beinahe 17 Millionen Mark an dauernden Ausgaben fordert, wozu noch die ein- maligen Ausgaben von 8 200 000 Mark kommen. Der Staat allein soll einen JahreSzuschuß von 10 Millionen Mark leisten. Wir können nicht einsehen, warum eine so schwerwiegende und finanziell 1o vedrutiame Frage hier im Handumdreyen erledigt werden soU. Weshalb kann die Angelegenheit nicht bis zum Herbst warten? WeS- halb kann die Angelegenheit nicht bis zum Herbst warten? WeS- halb soll den Geistlichen ein« Extrawurst gebraten, weshalb sollen sie besser behandelt werden als die anderen Beamten? Die Vor- läge kann nur den Sinn haben, den Gei st lichen auf alle Fälle die Gehaltserhöhung sicher zu stellen Gesellschaft in Manchester hat Dr. G. Fowler Mitteilungen über die von ihm beobachteten Höchstwirkungen dieser Art gemacht. Den Rekord der photochemischen Kraft erzielt die Sonne des Arabischen MeereS unter 16 Grad 31' nördlicher Breite und 64 Grad 8 östlicher Länge in der Nähe der arabischen Küste. Die chemische Intensität war dort zweiundvierzigmal größer als der an klaren Wintertagen in Manchester beobachtete Höchst betrag und dreimal größer als ebendaselbst der Höchstbetrag im Sommer. Kalkutta erwies sich gegen Manchester als zweifach über legen. Irgend ein Zusammenhang zwischen der Stärke der photo- chemischen Wirkung und dem Sonnenstich scheint nicht zu bestehen, da dessen Häufigkeit im Mittelmeer nicht geringer ist als in Kalkutta und eine Angabe von Dr. Baileh sogar Ponttefina im Engadin in dieser Hinficht vor Kalkutta kommt. ES scheint übrigens auch ficher, daß der Sonnenstich nicht allein durch die itzewirkung zustande kommt. Andererseits scheint aber der Sonnenbrand. daSVerbrennen m der Sonne', weder allein von der photochemischen,»och von der Hitzewirkung der Sonnenstrahlen abzuhängen. Es fehlt noch an einer völlig befriedigenden und erschöpfenden Erklärung deS physiologischen Zusammenhanges. Aus allen Beobachtungen geht hervor, daß die photochemischen Wirkungen der Sonne unter den Tropen sich qualitattv in keiner Weise von den in Europa beobachteten unter- scheiden. Auch quantttativ findet eine starke Annäherung statt. Es fei daran erinnert, daß in südspanischen Städten, also weit außer halb des Gebietes zwischen den Wendekreisen. Temperaturen bis zu 48 Grad Celsius im Schatten beobachtet worden sind. Die Sonne solcher Gegenden ist in jeder Hinsicht eine ebenbürtige Rivalin der Tropensonne. Konfekt und Konfektion. Konfekt und Konfektton--- wie der- schiedene Dinge bezeichnet dasselbe Wort! DaS eine heißt Zu bereitetes, daS andere Zubereitung, obgleich dieses zweite heute auch fast nur Zubereitetes bezeichnet und gerade nicht die Zubereitung, nämlich zumeist ferttge Kleidungsstücke, viel seltener aber daS Her- stellen unv Anfertigen von Kleidungsstücken. Das lateinische oonficoro heißt fertig-, zurechtmachen, bereiten, verarbeiten u. v. a. Konfett ist also eigentlich nur ganz allgemein.Verfertigtes', dessen Begriff sich verengt hat zu Zuckerwerk. Die zur Faschingszeit seit einigen Jahren auch in Deutschland so beliebten.Konfettt' find eigentlich im Italienischen oonksttuooi", alsoschlechte oder nachgemachteccrnksUi'' nämlich GipS- kügelchen: wenn man bei uns jetzt auch Papierschnitzel so bezeichnet, so hat sich da der Begriff wieder verallgemeinert. Aber auch die Konfitüren' gehören noch hierher; auch dieses Wort bezeichnet natürlich nur Zubereitetes, im engsten Sinne aber eingemachte ' uckerfrüchte._ Konfektion ist die Zubereitung, Anfertigung; >amenkonfektion also bedeutet genau genommen Damenverfertigung. und man sagt wohl scherzhaft, das stimme ja zu dem alten Spruche Kleider machen Leute.' In Wirklichkeit wird ja aber das fertige Kleidungsstück jetzt als Konfektion bezeichnet, und Damenkonfektton 'oll natürlich bedeuten«fertige Kleider für Damen.' Humor und Satire. Die Topfgucker. Ein Militär und eine Hofcharge(in Eulenburgs Topf guckend): Wo zum Teufel ist das Prestige des Reiches hmgekonunen? auch für den Fall, daß die allgemeine Gehaltsreform am Finanzjammer scheitert. Es ist nicht anSge- schlössen, daß eine derartige Situation eintritt. Herr v. Beth- niann-Hollweg hat klipp und klar ausgesprochen, daß eine Er- höhung der Dienstbezüge der Beamten gleichmäßig und gleichzeitig mit den Bezügen der(Staats) Reichsbeamten erfolgen soll._ Die Erhöhung der Gehälter der Reichsbeamten aber wird abhängig gemacht von einer gründlichen Reichsfinanzreform. Daß unter diesen Umständen die Erhöhung der Gehälter der Reichsbeamten gefährdet ist, brauche ich Ihnen als erfahrenen Politikern nicht zu sagen. Wir Sozialdemokraten stehen auf dem Standpunkt, daß die Besoldungsreform leicht durch- geführt werden könnte, wenn man die besitzenden Klassen mehr zu direkten Steuern heranziehen würde. Nur ist die Meinung von uns Sieben hier ja nicht maßgebend, und wir müssen mit den nun einmal vorhandenen Verhältnissen rechnen. Wenn wir das aber tun. dann entsteht die Frage, ob die Verhältnisse im Herbst so günstig sein werden, daß die Be- amtenbefoldungsreform tatsächlich durchgeführt werden kann. Wir halten eine Erhöhung der Beamtengehälter für dringend notwendig, wenden uns aber gegen die BevorzugungeinerBeamtenklasse.die doch am aller- wenigsten Not leidet. Selbst dasP r o t e st a n t e n b l a t t' hat anerkannt, daß die Gehälter der Geistlichen hoch genug sind. Pfründen von 10- bis 12 000 M. in Gemeinden mit kaum tausend Seelen kommen vor. Wenn das selbst im Protestantenblatt" steht, dann können wir wahrhaftig nicht die Notwendigkett einsehen, den Geistlichen jetzt eine Aufbesserung zu sichern. Nimmt das Haus trotzdem die Vorlage an, so begeht eS eine große Ungerechtigkeit gegen die übrigen Beamtenkategorien. Warum legt die Regierung übrigens uns die Besoldungsvorlage nicht schon jetzt vor? Es ist vorhin davon die Rede gewesen, daß man durch eine längere Tagung jetzt keine Diäten vergeuden sollte. Nun, wenn jetzt die Bcamtenbesoldungsvorlage eingebracht würde, und wenn wir monatelang über sie beraten würden, ich glaube, kein Mensch würde uns den Vorwurf der Diätenvergeüdung machen. Das wäre viel- mehr positive Arbeit, die man uns hoch anrechnen würde. Ter Ab- geordnete Wiemer hat schon davon gesprochen, daß die Geistlichen von der Leistung der Kirchensteuern befreit sind. Gewiß ist in einer Reihe von Synoden der Antrag angenommen worden, dieses Steuerprivilegium zu beseitigen. Aber es gibt noch eine ganze An- zahl von Synoden, die an dem Privilegium festhalten.(Redner verliest einige Beschlüsse von Synoden, die sich gegen die Aufhebung deS Privilegiums wenden.) Präsident v. Kröcher: Herr Abgeordneter, ich möchte Sie in Ihrem eigenen Jntetesse ersuchen, nicht so viel vorzulesen, denn das Haus hört dann nicht zu.(Heiterkeit.) Abg. Ströbel: Ich würde dann schlimmstenfalls daS LoS des Herrn Kultusministers teilen.(Heiterkeit.) Ich bin übrigens auch am Schluß. Während des Wahlkampfes, der hinter uns liegt, ist das Lob der Beamten von allen Parteien in den verschiedensten Tonarten gesungen worden. Heute haben Sie Gelegenheit, durch die Tat zu beweisen, wie es mit Ihrer Beamtenfreundlichkeit bestellt ist.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten, Lärm rechts und im Zentrum.) Finanzminister Freiherr v. Rheinbaben: Die werktätige Christenliebe der Sozialdemokratte versagt allemal da, wo der Be- treffende sich nicht einfach dem Despotismus der Sozialdemokratie fügt.(Beifall bei der Mehrheit, Lachen bei den Sozialoemokratcn.X Für die Sozialdemokratie gilt das Wort: Willst Du nicht nieia Bruder sein, schlag ich Dir den Schädel ein!(Bravo ! rechts.» Wenn der Vorredner, ich will sagen, den Mut gehabt hat, von Terrorismus zu sprechen, so rufe ich alle Parteien zum Zeugen auf, wer bei den Wahlen den TerroriSmus geübt hat. (Lebhafte Zustimmung, Protestrufe bei den Sozialdemokraten. Ab- geordneter Hirsch(Soz.): Der preußische Staat übt berufsmäßig den schlimmsten Terror!) Die kleinen Geschäftsleute in Moabit und Rixdorf wissen ein Lied davon zu singen. Sowohl in bezug auf christliche Nächstenliebe als auf Terrorismus mögen die Sozial. demokraten gefälligst vor ihrer eigenen Tür fegen.(Bravo !) Die Löhne der Staatsarbeiter sind von Jahr zu Jahr gestiegen. Wer das leugnet, kennt die Dinge nicht. Es handelt sich hier nicht darum, den Geistlichen eine Extrawurst zu braten, sondern lediglich S ä n �e r S Lohn. Der Fischer: Ihre Schillersche |t ja sehr schön... aber krieg ich auch meine De» Ballade. Herr Phili. zehn Mark? Die StaatSaffäre. Die Sachverständigen(Philis Leibwäsche untersuchend): Pst! Hier handelt sich's um eine Staats- affäre I Neue Kriegstaktik. Der militärische Chef(zu den Offizieren): Lasse ich solche Sitten in der deutschen Armee ein- reißen, dann wird man sie ja im Kriegsfalle nur von hinten zu sehen bekommen. Der verführte Soldat(zu seiner Braut): Sei mir des- wegen nicht böse, Gleichen I Er hatte mir doch die Tressen ver- sprochen. (L'Assiette an beurre : Harden-Eulenvurg.) Notizen. -»Schlechte MuseumSgeschafte. Der Besuch deS Kaifer-Friedrich-MuseumS an den Montagnachmittagen, den Reinigungstagen deS Museums, die seit Juni 1907 gegen ein Eintrittsgeld von 1 M. dem Publikum freigegeben waren, ist nach derVoss. Ztg.' so überaus spärlich geblieben, daß der Vorteil für daS Publikum nicht in Betracht kommt gegen die Unzuträglichkeiten, die sich für die Reinigungsarbeiten, besonders aber für die Vorträge von Dozenten ergeben haben. Die MuseumSverwaltung sieht sich daher genötigt, vom 1. Juli ab die frühere Schließung für den öffentlichen Besuch an den Montagen wieder einzuführen. Dafür wäre aber die Wiederaufhebung der kleinlichen, lästigen und für ein Kulturinstitut durchaus zu verwerfenden Eintrittsgelder an den zwei anderen Tagen zu fordern. Jetzt da die Kulturinteressen im preußischen Landtag endlich eine Vertretung gefunden haben, wird dieser und mancher andere Museumsmißstand dort zur Sprache ge- bracht werden können. Eine musikalische Handschriftensammlung von bedeutendem Wert, die aus dem Besitze der Familie Mendelssohn- Bartholdy stammte und von dieser dem Kaiser gestiftet wurde, ist in der Musikabteilung der königlichen Bibliotheken aufgestellt worden. Es befinden sich darunter eine Kantate und ein Heft Choralvorspiele von Bach, vier Sinfonien, eine Konzertante für Violine und eine Messe von Havdn, die ganze Partitur derEni- führung' von Mozart und ein Skizzenbuch des jugendlichen Meisters, endlich von Beethoven drei Sinfonien, die vierte, fünfte und siebente. in vollständigen eigenhändigen Partituren sowie eine Reihe von einen Streichquartetten und anderes. Felix Mendelssohn ist durch das Original des Violinkonzerts vertreten. Gräbertrost. Der neue, radikale Bürgermeister von Rom , E. Nathan , hat auf dem römischen Zentralsriedhof in dem Bezirk der Armengräber eine Marmorsäule aufstellen lassen, die jede Woche frisch bekränzt wird. Auf ihr ist zu lesen:Ueber ihre Kinder die hier namenlos von ihrem harten niedrigen Leben ausruhen wacht die Stadt, die durch ihrer Hände Fleiß blüht mit teilnehmender Liebe und schmückt die öde Scholle init immer- grünen Girlanden'. Im Italienischen klingt das noch viel schöner als im Deutschen .