Vorsitzender OderlandeSgerichtSrat Mayer: Herr Trust, Wissen Sie, wo Fürst Eulenburg sein Gut hat? Zeuge: Freilich, Liebenderg heißt's. Zweimal war ich dort oder dreimal. Zuerst 1883. Der Graf hatte mich eingeladen. Ich sollte für ihn fischen. Vors.: Hatte er denn leinen Fischer dort? feuge: Freilich. Er meinte nur, ich verstehe mich besser und könne seinem Mann noch etwas lehren. Vors.: Die Reisen hat Graf Eulenburg bezahlt? Zeuge: Freilich, auch extra noch für die Fischerei. Ich hatte fll alle meine Netze mit und arbeitete für ihn. Vors.: Haben Sie sich mit dem Grafen geduzt? Zeuge: Das war' noch schöner l Er sagte zu mir Du, aber ich Nicht zu ihm. Vors.: Sie waren aber sehr vertraut miteinander. Hat er nicht zum Beispiel mit Ihnen am selben Tisch Kaffee getrunken? Zeuge: I wo denn! Das heißt: auf der Terrasse des Hotels »Bayrischer Hos" ist's vorgekommen; aber nicht im Zimmer deS Fürsten . Da grvt's nix! Vors.: Sie haben heute ein HauZ. DaS zum Kauf oder Bau nötige Geld hat Ihnen der Fürst gegeben? Zeuge: Nein, die zwölftausend Mark, die ich brauchte, hat mir die Mutter des Fürsten geliehen, nicht geschenkt. Als der Fürst dann vre Villa in Starnberg kaufte, wurde mir das Geld gekündigt und ich mußte es zurückzahlen. Nach der Kündigung Hab' ich's dann zurückgezahlt. Vors.: Sie haben mit dem Fürsten auch Reisen gemacht? Zeuge: Freilich. Wann er ms Gebirjj ist, bin ich mit ihm. Machte ihm, sozusagen, den Diener. Putzte seine Kleider und sorgte für ihn. Vors.: Damals lebte Ihr Vater noch. Sie waren Fischer- knecht. Hatten Sie denn Zeit und Schick zu solchem Dienst? Zeuge:'Mein Vater kam bei der Fischerei auch ohne mich aus, das war nicht so schlimm. Der Fürst konnte mich brauchen. Deshalb ging ich mit ihm. Das bißchen Kleiderputzen lernt sich schnell. Vors.: Haben Sie den Fürsten auf der Reise auch aus» und angekleidet? Zeuge: Freilich. Ich machte halt dm Kanunerdiener. Vors.: Hafte er denn keinen? Zeuge: Doch. Der wurde nach Hau? geschickt. Der Fürst fand mich brauchbarer. Vors.: Den Fischerknecht? Hat er Sie geküßt? Ist er zSrt- lich zu Ihnen gewesen? Wollte er Sie zu geschlechtlichen Sachen verführen? Zeuge: Nein. Die Starnberger Villa des Fürsten ist noch unter meiner Aufficht; ich bin der Verwalter. Ihn selbst habe ich in den letzten Jahren nicht mehr gesehen. Da gibt'S nix. WaS die Leute auch reden: der Fürst kann mir nichts nachsagen und ich kann dem Fürsten nichts nachsagen. Soweit schien in München aus dem Zeugen nichts Belastendes für den Fürsten herauszuholen gewesen zu sein, bis dann der große Augenblick kam, wo der Fischermeister Ernst den eindringlichen Vorhaltungen des Justizrats Bernstein und den väterlich ermahnenden Worten des Vorsitzenden Oberlandesgerichtsrats Mayer nicht mehr standhielt und er durch die Schlußsrage des Vorfitzenden:»Ich frage Sie nurdieseineMalnoch: Ist zwischen demFürsten Eulenburg und Ihnen niemals etwas Unsittliches vorgekommen?" den Zeugen zu dem stotternden Bekenntnis brachte: »Jetzt... garnie... daSkann ichnichtfagen." Vors.: Sprechen Sie, Ernst, was ist also vorgekommen? Ernst: Ich weiß gar nichts. Vors.: Zu spät, Ernst. Sie könne» keinm mehr retten. Der Stein ist im Rollen. Trachten Sie, daß er nicht auch Ihr Glück noch begräbt I Dann erklärte der Zeuge Emst unter dm«nzeichm größter seelischer Erregung: Wenn ich'S dann sagen muß:»ie die Leute reden, so»«'S. Wie man'S nennt, weiß ich nicht. Er hat mich'S gelehrt. Die Gaudi. Die Lumperei. Ja, keinm richngen Namen weiß ich nicht. Wenn wir so hingefahren find im Kahn, haben wir's gemacht. Er hat an- gefangen. Wie hätte ich'S wohl gewagt! Einem so seinen Herrn! Zuerst fragte er, ob ich ein Mädel habe. Da ging'S dann weiter. Einleitung und Verlauf der weiteren Geschehnisse gab fast daS» selbe Bild wieder, welches aus Riedels Aussage zu bilden war. So sagte Ernst seinerzeit in München aus und wie wir hören, ist er in seiner gestrigen Vernehmung bei seiner Schlußdarfiellung geblieben. Er ist 44 Jahre alt, katholischer Religion und unbestraft. Er ist im seinem bayrischen Dialekt noch viel schwerer zu verstehen wie Riedel und mußte die verschiedensten Standorte im Saale einnehmen, da bald von dem Oberstaatsanwalt Dr. Jsenbiel, bald von den Geschworenen erklärt wurde, daß fie den Zeugen nicht verstehen. Es soll, wie wir hören. Dr. HanS Fischer- KarlShorst gewissermaßen als Dolmetsch der deutschen Sprache ge- laden werden, der die Aussagen dieses Zeugen ins Hoch- deutsche übertragen soll. Während der Aussage des Ernst soll es wiederholt zu hochdramatlschm Szene» gekommen sein. Er wurde von dem Borsitzenden in zu Herzen gehender, fast väterlicher Art ermahnt, nichts als die reine Wahrheit zu sagen. Er solle an seine Kinder und an seine kürzlich verstorbene Frau denken, er solle sich auch vergegenwärtigen, wieviel Wohltaten er von dem Fürsten genossen. Aver er dürfe sich auch dadurch nicht beeinflussen lassen, sondern nur die reine Wahrheit sagen. Gott lasse sich nicht spotten und der irdische Richter auch nicht. Wenn er damals in München die Unwahrheit gesagt habe, so soll er eS heute sagen.— Jakob Ernst, der einen sehr aufgeregten Eindruck macht, seine Aussagen aber ziemlich ruhig gemacht haben soll, ist, wie wir hören, trotz aller Vorhaltungen und Einwendungm bei seiner belastenden Aussage geblieben und hat sie durch viele Spezialia illustriert. Schließ« lich ersuchte ihn der Borfitzende, bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden dem Angeklagten inS Gesicht zu sagen, daß das alles tvahr ist. Zeuge Ernst: Bei Gott dem Allmächtigen, Durchlaucht, döS könncns nrt leugnen, daß wir zwoa dös gemacht haben! Jscht'S net woahr, Durchlaucht? Als Antwort soll der Angeklagte, kreidebleich, mit der Faust auf den Tisch geschlagen haben, daß Selter« Wasserflasche und Gläser klirrten, und soll eine Bewegung gemacht haben, als ob er sich erheben und auf den Zeugen stürzen wolle. Zeuge Ernst: Durchlaucht,«« isch wahr! Mir zwoa san verloren auf der Welt! Hierauf wurde eine Pause gemacht. Als Ernst aus dem Saale trat, war er kreidebleich und wurde von seinem Schwager in Empfang genommen und auf kurze Zeit in die Luft geführt. Auch während der Vernehmung des Zeugen Ernst, die fast die ganz« gestrige Sitzung ausfüllte, durfte Justizrat Bern» stein nicht im Saale anwesend sein. Ernst sagte, wie wir hören, augenscheinlich nur mit größtem Widerstreben aus und soll erklärt haben, daß er die ganze Lumperei ja schon dem LandgerichtSrat Schmidt erzählt habe und er sich schäme, nun das alle» vor so vielen Leuten noch einmal zu sagen. Auf einen Vorhalt des Landgerichtsdirektors K a n z o w soll er zugegeben haben, in München zunächst willens gewesen zu sein, nichts gegen de» Fürsten Eulenburg auszusagen, weil er sich bor seinen Kindern schämte und er auch nicht wollte, baß der Fürst, der viel Gutes an ihm getan, zu schänden ginge. Der Zeuge hat, wie seine wittere Ver» nehmung ergab, außer der Hypothek von 12 000 M-, die ihm die Mutter des Fürsten gegeben, von dem Fürsten noch zweimal die Zinsen extra erhalten, dann noch einmal 1000 Mark geschenkt bekommen und soll noch Ende vorigen Jahres ein Darlehn von 2000 Mark erhalten haben, welches er dem Fürsten jetzt noch schuldet. Da der Zeuge andauernd sehr schwer zu verstehen ist, soll von einem Geschworenen angeregt worden sein, ob denn Ernst nicht hoch- deutsch sprechen könne, da am Starnberger See doch viele Nord- deutsche im Sommer verkehren. Ein nach dieser Richtung hin angestellter Versuch scheiterte aber. Eine längere Erörterung knüpfte sich dann, wie man hört, an den B r i e f, den der Fürst an den Zeugen geschrieben hat und der als Verleitung zum Meineide ausgefaßt wird. Zeuge Ernst soll auch an den Fürsten einen Brief geschrieben haben, in welchem er schrieb, daß zwischen ihnen nichts vorgefallen sei. Dieser Brief ist bei dem Angeklagten beschlagnahmt worden. Zeuge Ernst soll auch auf Vorhalt bestritten haben, daß dies eine Antwort auf einen vielleicht vorher geschriebenen Brief des Fürsten sei; er habe dies vielmehr aus' eigenem An- triebe geschrieben, um dem Fürsten behilflich zu sein. Wie ver- lautet, soll der Zeuge bei dieser Gelegenheit auch die Behauptung aufgestellt haben, daß ein Hoftat in München versucht habe, auf ihn einzuwirken, daß er über den unsittlichen Verkehr mit dem Fürsten Eulenburg nichts aussagen sollte. Der Fürst selbst habe nichts Derartiges zu ihm gesagt. Zur Sprache soll noch gekommen sein, daß Ernst schon früher in seiner Heimat wegen seines innigen Verhältnisses zum Fürsten Eulen bürg verulkt worden sei. Er hatte das immer in Abrede gestellt und einmal im WirtShause einen Menschen, der solche Dinge behauptete, mit einem Maßkruge bedroht. Die Verteidigung soll alsdann versucht haben, von dem Zeugen zu erfahren, ob er denn seinem Beichtvater seinerzeit Mitteilung von den angeblichen Ver» sehlungen mit dem Fürsten Eulenburg gemacht habe. Der Zeuge lehnte es aber ab, Mitteilung davon zu machen, was er seinem Pfarrer gesagt habe. Weiter hören wir, daß sich der Zeuge mit Entschiedenheit gegen die Unter st eilung deS Angeklagten verwahrte, daß er bei Abgabe seiner Aussage in München entweder betrunken gewesen oder bestochen sein müsse. tierüber kam eS dann zu der schon mitgeteilten erregten Szene, wo euge Ernst auf Aufsordern des Vorsitzenden dem Angeklagten seine belastende Behauptung ins Gesicht sagte und Fürst Eulenburg erregt mit der Faust auf den Tisch schlug. Bei seiner Schilderung von den Vorgängen im Staedele-Prozeß in München soll dann der Zeuge so aufgeregt geworden sein, daß er sich vorüber- gehend setzen und ihm ein GlaS Wasser gereicht werden mußte. Als ihm Justizrat Bernstein vorgehalten, daß er die reine Wahrheit sagen müsse, da er sonst ins Zuchthaus käme, habe er geantwortet, daß er als christlicher Mensch keinen Meineid leisten werde. Er sei dann bei seiner Aussage in München bald blaß und bald rot geworden, weil ihm der Fürst s, leid tat, und ihm deshalb angst und bange geworden sei. Zeuge Ernst hat dann noch, über seine wetteren Zusammenkünfte mit dem Angeklagten Auskunft gegeben und eine Szene in einer Badeanstalt des näheren geschildert. Oberstaatsanwalt Dr. Jsenbiel soll dann noch eine Reihe von Fragen an Ernst gerichtet haben. Unter anderem soll Ernst an den Angeklagten in einem Briefe geschrieben haben, daß er ihn für.normal" halte. Er wurde nun befragt. was er denn unter.normal" verstehe und wieso er bei seinem Bildungsgrade ein solches Wort anwende. Der Zeuge soll erklärt haben, daß jemand normal ist, wenn er nichts mit dem K 176 zu tun gekriegt hat. Das Wort normal kenne er aus den Zeitungen.— Ernst, der ebenso wie gestern Riedel vereidigt ist, wurde hierauf vorläufig entlassen. Der inzwischen erschienene pralttsche Arzt Dr. HanS Fischer auS KarlShorst wurde als Sachverständiger vereidigt, um den Sinn bestimmter bayerischer Dialektworre dem Gerichte aufzuklären. Die Verhandlung dauerte bis nach S Uhr. Der Zeuge Riedel wurde noch einmal in den Saal gerufen, um der Verteidigung Rede zu stehen über folgenden Punkt: Er gab zu, daß er sich auö seiner bisherigen Wohnung in einem hiesigen Ga st hose entfernt habe, ohne seine Mietsschuld in Höhe von 22 Mark zu begleichen. Dies sei jedoch nicht zu dem Zwecke geschehen, um den Gastwirt zu prellen, sondem weil e S ihm in seinem Logis nicht gefiel und weil e r s» i n eigenes Geld verbraucht und von der Gerichtskasse noch nicht» erhalten hatte. Es wird auch noch zur Sprache gebracht, daß Riedel gestern von einem ftemden Herrn im Automobil vom Gericht abgeholt und in eine Wirtschaft gefahren sei. Die hieraus bezüglichen Fragen an Riedel hatten das Ergebnis. daß der Heq:. der ihn eingeladen hatte, mit ihm das Automobil zu be- steigen, ein Journalist gewesen ist, der vorher von ihm etwas über feine Aussage erfahren wollte. Auf Einladung de» Journalisten ist Justizrat B e r n st« i n mit in da« Automobil gestiegen und eine Strecke mitgefahren. Auf diesen Zwischenfall ist wohl die An« ordnung zurückzuführen, möglichst zu vermeiden, daß Riedel draußen vor dem' Saale mit fremden Personen spricht. Nach der Pause wurde dann der wieder an Gerichtsstelle er- schienene Justizrat Bernstein noch einmal kurz vernommen und über seine Unterhaltungen mit Riedel befragt. Ein an- scheinender Widerspruch wurde bald aufgeklärt. Auch über die A u t o f a h r t. von der die Rede gewesen, wurde Riedel noch einmal befragt. Er soll erklärt haben, der Herr, den er nicht kenne und der ihn mitgenommen, sei mit ihm in« Tucherbräu gefahren und habe dort Kaffee und Esten für ihn bezahlt und ihn nach verschiedenen Dingen geftagt. Der Herr sei auf dem Korridor draußen und wolle ihn heute nachmittag wieder in» Automobil nehmen. Der Zeuge Riedel soll dann aber auf den Rat des Vorsitzenden den Vorsatz bekundet haben, nicht mehr Automobil au fahren. Er will sich auch nicht mehr von den Zeitungsleuten ausfragen lassen, Schließlich wurde Riedel noch einmal vorgerufen und über seine Beziehungen zu« Zeugen Ernst beftagt. Er kennt ihn schon von Jugend auf, habe nie mit ihm gerauft und sei ihm nicht feind. Als er auf dem Münchener Ge- richt im Warteraum mit ihm zusammengetroffen sei, habe er den Ernst nur gefragt, wa« er denn über den Fürsten aussage» könne. und da habe Ernst ausweichend geantwortet. Irgendwelchen Groll habe er gegen den Fürsten Eulenbura nicht. Riedel soll dann nochmal« über die Szene in der Wohnung des Grafen Eulenburg vernommen worden sein. wo der »ander« Graf mit de» weißen Geficht' sich an ihm vergangen habe. Aber seinen Kameraden bei den ChevaulegerS hat er, wie er auf Befragen erklärt», von diesen Dingen nicht» erzählt, ebenso niemand ander«. Erst al« er gehört, daß der Für st Eulenburg im Bülow-Vrandt-Prozeß so geschworen, habe er erzählt, daß Brandt zu hohe Strafe bekommen habe, da Eulenburg doch so etwa« gemacht habe. Riedel soll im Laufe der Vernehmung zeitweise recht un- gemütlich geworden sein; das viele Fragen scheint ihm sehr unsympathisch zu sein. Auch Riedel soll dem Angeklagten in« Gesicht gesagt haben, daß er seine Angaben aufrecht- halte. Er habe auch den Angeklagten»duzen� dürfen, natürlich nur dann, wenn eS kein Dritter hörte. Em der f rauenbcwegimg. Die„Gleichheit" über den Gewerkschaftskongreß. Die letzte Nummer der.Gleichheit" bringt eine Würdigung des Hamburger Gewerkschaftskongresses, die Genossinnen und Ge- werkschaftlerinnen gleicherweise interessieren wird. Wir lassen des- wegen einige Auszüge aus dem Artikel folgen. Der Gesamteindruck des Kongresses faßt die»Gleichheit" wie folgt zusammen: „Bei aller Einfachheit des Tones und der Gebärde war es ein imposantes Parlament der Arbeit, das in Hamburg getagt hat. Fast zwei Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen stehen geschlossen in den zentralisierten Gewerkschaften, die ihre Vertreter nach der alten Hansastadt entsendet hatten. Die Tatsache allein genügt, um den Verhandlungen und Entscheidungen des Kongresses eine Be- deutung zu geben, an welche die gar mancher Monarchenbegnungen und Parlamentsbeschlüsse bei weitem nicht heranreicht.... Der Atem ruhigem, sicheren Selbstbewußtseins der eigenen Kraft hat seine Verhandlungen durchweht, des' Selbstbewußtseins einer Kraft, die in geduldiger, mühereicher und kluger Organisationsarbeit in der sozialen Atmosphäre herangewachsen ist, welche geschaffen wird von der kapitalistischen Ausbeutungswirtschaft und dem in ihr ge- borenen, die Köpfe der Massen revolutionierenden sozialistischen Gedanken. Gegen den Willen der bürgerlichen Gesellschaft und in stetem Kampfe mit ihr und ihrem Staate sind die deutschen Gewerk- schaften als eine notwendige Lebensäußerung des kämpfenden Proletariats zur Macht erstarkt. Ihr Werdegang ist daher jeder- zeit aufs innigste mit dem Geschick der sozialdemokratischen Be- wegung verknüpft gewesen, und die Erkenntnis von der organischen Zusammengehörigkeit der verschiedenen Formen des proletarischen KlassenlebenS, das als bewußt geführter Klassenkampf in Erfchei- nung treten muß, ist einer ihrer wesenseigentümlichen Züge und eine Quelle ihrer inneren wie äußeren Stärke. Die prächtigen Reden der Genossen Legten und Bömelburg, mit denen der Kon- groß eröffnet und geschlossen wurde, waren vom Geiste dieser Er» kenntnis getragen." Aus der Maifeierdebatte klang nach der„Gleichheit" der Wunsch heraus, das Entstehen und die Vergrößerung von Reibungsflächen mit der Partei zu verhindern. „Wenn uns trotzdem der Verlauf der Debatten über diesen Punkt der Tagesordnung nicht befriedigt, so liegt der Grund dafür in der Stimmung, von der sie beherrscht wurden. ES war ein Gemisch von unverhohlenen starken Wünschen, die ArbeitSruhe, die würdigste Form der Maifeier und damit diese selbst ganz zu beseitigen, und von müder Resignation, gegen die betreffenden Strömungen noch länger anzukämpfen. Ter auf dem Proletariat lastenden Krise, deren Wellenkreise selbstverständlich in der Gewerkschaftsbewegung empfindlich nachzittern, kommt sicherlich ihr gut Teil an dieser Stimmung zu. Jedoch ebenso un- zweifelhaft dünkt uns, daß sie nicht allein dafür verantwortlich ist, daß sie vielmehr nur eine Situation verschärst, die aus tiefer liegenden Ursachen heraus erwachsen ist, welche dem Charakter und den Aufgaben der Gewerkschaften entsprechend, sich diesen besonders fühlbar machen. Die Frage der Maifeier selbst ist daher auch durch die Stellungnahme des Kongresses nichts weniger als endgültig entschieden. Sie wird aber unseres Dafürhaltens ihren weiteren AuStrag nicht finden als Streitfrage zwischen Partei und Gewerk- schaften. Wenngleich bei den entstehenden Erörterungen darüber manche Späne nach hüben wie drüben fliegen dürften, wird eS doch liier wie da Anhänger und Gegner der Maidemonstration geben. Wir zählen zu denen, die nach wie vor einer Durchführung der Maifeier das Wort reden, wie die Beschlüsse der internationalen Kongresse und unserer Parteitage sie vorgesehen haben. Auch unseres Dafürhaltens müssen dabei die ideellen vor den materiellen Rücksichten in den Vordergrund gestellt werden. Was uns als wichtigste Grundlage dafür erscheint, können wir leider heute im Rahmen dieses Artikel« nicht erörtern, wir werden es vor dem Parteitage nachholen, auf dem ja voraussichtlich die Behandlung der Maifeier einen breiten Raum einnehmen wird." Zur Frage der Jugenderziehung meint die.Gleichheit": „Robert Schmidts Referat enthielt unbestritten treffliche Einzelheiten. So zur Begründung der Notwendigleit, daß Gewerk- schaften und Sozialdemokratie sich den Zusammenschluß und die Durchbildung der Jugend angelegen sein lassen müssen, so seine Ausführungen über die sittlichen Pflichten der erwachsenen klaffen» bewußten Arbeiter dem Nachwuchs gegenüber und manches andere noch. Dagegen vermögen wir uns weder seine Verurteilung selbständiger Jugendorganisationen zu eigen machen, noch seine Auffassung, daß Partei- und Gewerkschafteorganisationen allein die materiellen Opfer für die Bildungsinstitutionen der jungen Proletarier zu bringen hoben, und diese sich lieber»für ihre zehn Pfennige eine Wurst kaufen sollen". Der Standpunkt in der einen und anderen Frage steht in schroffem Widerspruch zu allem, was un» die Pädagogik lehrt über die Erziehung der Jugend zum Ge- brauch der Freiheit, zur Arbeit— das Wort Arbeit hier im Sinne weitester sozialer Betätigung genommen—, zur Selbständigkeit des Denkens und Handeln», zum Rechtsgefühl und Pflichtbewußt- sein, zum hingebungsvollen, opferfreudigen Idealismus." Zum Bericht der gewerkschaftlichen Arbeiterinnen-Kommission führt die„Gleichheit" auS: „Die Mittel, die Genossin Altmann zur Förderung der gewerk- schaftlichen Organisierung der Arbeiterinnen und ihrer Erziehung zu richtigen Gewerkschaftlerinnen empfahl, sind die gleichen, die in den Spalten dieses Blattes seit Jahren wieder und wieder befür- wortet worden sind, und die Genossin Hoppe kürzlich in ihrem Referat über die Organisierung der Textilarbeiterinnen vertreten hat. Wir stimmen Genossin Altmann auch durchaus in der grund- sätzlichen Auffassung zu, daß die Proletarierinnen wirtschaftlich wie politisch dem Heere ihrer kämpfenden Klassengenossen eingereiht werden müssen, daß ihre Bewegung nach Ziel und Taktik nicht wesensverschieden von der der gesamten modernen Arbeiterbewegung sein darf. Dagegen können wir dem Verdammungsurteil nicht bei- treten, das sie auS der grundsätzlichen Auffassung gegen alle beson- deren„Frauenrubriken" in Organen der klassenbewußten Arbeiter. wie gegen eine besondere Frauenzeitung herleitet. An ihrer Schluß- folgerung hindert uns die Wertung der geschichtlich bedingten ZivcckmätzigkcitSrücksichten. welche unter bestimmten Umständen die Einrichtung einer„Frauenecke", die Herausgabe einer besonderen Frauenzeitung nötig machen, wie sie die Gründung einer gewerk. schaftlichen Arbeiterinnenkommission, gewerkschaftlicher Unterrichtskurse für Arbeiterinnen veranlaßt haben und in Zukunft vielleicht zum Erscheinen eines gewerkschaftlichen Frauendlattes führen, welches Genosse Legten für zweckmäßig hält. Ueber ihre eigene Aufgab« führt die.Gleichheit" bei dieser Gelegenheit folgendes auS: „Die„Gleichheit" ist vor allem ein sozialistische» Organ. Sie hat es in dieser ihrer Eigenschaft vom ersten Tage ihre» Erscheinens an bi» heute für ihre Pflicht erachtet, ebensowobl der politischen wie der gewerkschaftlichen Bewegung de» gesamten Proletariats dadurch zu dienen, daß sie sich bemühte, der einen wie der anderen die Proletarierinnen al« organisierte und geschulte Mitkämpfe- rinnen zuzuführen. Wenn sie dabei manche rein sachgewerkschast- liche Fragen weniger eingehend behandelt hat, als ein Nur-Gewerk- lchaftsblatt die» getan hätte, so war in erster Linie ein Grund maßgebend dafür. Die„Gleichheit" sollte da» eigentliche Gewerk« schaftSorgan für die Arbeiterinnen nicht ersetzen, sondern nur er« gänzeii. In Anbetracht dessen hat sie da» Gebiet de» Arbeiterinnen- schuyeS und die Frage der weiblichen Fabrtlinspeltion-- und zwar immer mit Berücksichtigung der Bedeutung für die Gewerkschafts- bewegung— mit einer Ausführlichkeit behandelt, wie kein anderes Blatt. Wie immer die Entscheidung betreff» Gründung eine» FrauengewerkschastSblatte» ausfallen möge: die„Gleichheit" wird an den bisherigen Richtlinien ihrer Haltung nicht» ändern. Sie wird insbesondere nach wie vor ihr« besondere Aufmerksamkeit allen 8 ragen de» Gewerkschaftslebens zuwenden, die von wesentlicher edeutung für die Arbeiterinnen, für die gesamte Arbeiterklasse sind. Nicht vermindert, sondern verbessert sollen ihre diesbezüglichen
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