daß er die Mottke und Eulendurg nach dieljährigem Zögern nur deshalb aufs Korn genommen habe, weil er dem Vater- lande einen politischen Dienst habe leisten wollen. Er habe eine Kamarilla stürzen wollen, die das Ohr des Kaisers umstrickt habe. Herr Harden verriet dann weiter, daß er die Eulenburg-Kamarilla deshalb so gehaßt habe, weil Eulen- bürg während des M a r o kk o k o n sli ktes eine der- söhnliche, Frankreich freundliche Politik vertreten habe! Herr v. H o l st e i n. der SDkann der schärferen Tonart, sei durch Eulenburg beseitigt worden. Um aber die unmännliche, unvaterländische Politik der Eulenburg-Kamarilla zu durchkreuzen, habe er zu dem Mittel greifen müssen, die normwidrigen sexuellen Vergehen des Eulenburg-Grüppchens ans Tageslicht zu zerren. So damals Herr Harden. Nun zirkulieren allerhand Ge- rüchte über Herrn v. Holstein, das angebliche Opfer Eulenburgs, in dem man andererseits wieder den nächsten Hintermann Haidens erkennen will. Nach der einen Meldung soll Herr v. Holstein seit vierzehn Tagen an Magen- und Darmblutungen erkrankt sein. Auf der anderen Seite behauptet im„Leipziger Tageblatt " ein angeblich Kundiger, daß der wirkliche Geheime Rat von Hol- stein in der letzten Zeit beim Fürsten Bülow wieder ein- und ausgegangen sei. Er sei heute wieder wie ehedem der Berater des Reichskanzlers, und auf seinen Einfluß sei es zurückzuführen, daß in der Marokkofrage abermals die schärfere Tonart angeschlagen worden sei. Das„Berliner Tageblatt" fügt hinzu, daß seines Wissens die Beziehungen zwischen dem Bülowschen Hause und Herrn von Holstein niemals völlig abgebrochen worden seien. Aber es sei sehr»oohl möglich— und verschiedene Symptome ließen es erkennen— daß der Einfluß des Herrn von Holstein gerade in der letzten Zeit noch gestiegen sei! Man weiß ja, daß infolge chauvinistischer Hetzereien gerade im Augenblick die internationale Lage eine recht gespannte ist. Holsteins Einfluß könnte daher gerade augenblicklich außerordentlich verhängnisvoll werden. Wir hoffen freilich, daß trotz aller Winkelzüge der Harden und seiner Hintermänner, trotz des Herrn v. Holstein usw. die Rücksicht der leitenden Kreise auf das Proletariat alle chauvinistischen Instinkte und Abenteuersüchteleien zügeln wird! Sticht die Rücksicht auf die Interessen, das Wohl und Wehe der Massen, sondern die Rücksicht auf die eigene Sicherheit. Denn die Herren dürften sich dessen sehr wohl bewußt sein, daß mit dem Kriegsfeuer spielen nichts anderes bedeutete, als um den eigenen Kopf zu würfeln! Sie Stsrnberger Zeugen. Der Mittwoch des Eulenburg- Prozesses war. wie die beiden borhergehenden Tage, ein Tag der Starnberger . Und wieder ein böser Tag für Eulenburg. Die Aussagen der Leumundszeugen haben die der Riedel und Ernst gestützt. Soweit sich nach dem vor» liegenden Material urteilen läßt, ist auch der Versuch mißglückt, die Vorstrafen Riedels gegen feine Glaubwürdigkeit auszuspielen. Nicht nur für Eulenburg ist der Mittwoch ein schwatzer Tag gewesen. Auch seinem einstigen Sekretär, dem Hostat Kistler, kann er zum Verderben werden. Ein Meineidsprozeß in Münchm kann sich dem Berliner Prozeß anschließen. Der Gefallene reißt seinett Getreuen mit in den Abgrund.... ' Die„Deutsche Tageszeitung" wütet. Sie nennt die Bericht- erstattung über den Prozeß eine Umgehung de« Gerichtsbeschlusses auf Ausschluß der Oeffentlichkeit. Das ist eine Verkehrung des Sachverhalts. Die Berichterstattung ist nicht eine Durch- brechung des Gerichtsbeschlusses. Der hindert niemanden daran, Mitteilungen über die Verhandlungen zu machen. Die Berichterstattung ist lediglich die Nichtbeachtung des unberechtigten indirekten Schweigegebots, das die Herren Jsenbiel und Kanzow— nicht das Gericht, den Prozeßbeteiligten aufzuerlegen versuchten. Daß diese Berichterstattung nicht unbedenklich ist, haben wir selbst mehrfach betont. Aber das ist nicht die Schuld des Berichterstattenden, sondern die des Gerichts, daS ihnen zweifelsfreie Information ab- geschnitten hat. Wir wollen die Stimmungsmache, die die„B. Z. am Mittag", ein Blatt, das sich immer mehr zum offenen Organ HardenS ent- wickelt, damit keineswegs rechtfertigen. DaS einzige Gegenmittel aber gegen die Machenschaften von dieser Seite wäre die Zulassung der Presse zu den Verhandlungen. Der„Deutschen Tageszeitung" wäre damit steilich nicht gedient. Sie möchte einen hermetischen Verschluß des Schwurgerichtssaales hergestellt wissen. Sie appelliert an die„nationale", an die „ernste" Presse, einen Konzern des Totschweigens zu bilden. Durch Totschweigen soll das öffentliche Leben„von den Schmutzbazillen" gereinigt werden. Es ist die alte verderbliche Methode des Zudeckens, des VertuschenS, die von jeher die der Reaktionäre gewesen ist. Aber die Sorge um die Reinigung des öffentlichen Lebens ist zudem gänzlich überflüssig. Nicht das öffentliche Leben Deutschlands ist verseucht. Die Schmutz- bazillen touchern in kleinem Kreise, und nichts kann sie besser töten als die Sonne der Oeffentlichkeit. als die Lauge der öffentlichen Kritik. Die rührende Sorge für die Sittlichkeit des deutschen Volkes ist ganz unnötig. Und ist auch gar nicht ehrlich gemeint. Es verbirgt sich dahinter lediglich die Sorge um— das Ansehen der Junker- k a st e. Diese Sorge ist's, die dem Junkerorgan den Ruf nach dem Gesetzgeber erpreßt. Bei der Reform der Strafprozeßordnung soll das Schweigegebot ausgedehnt werden auf alle Prozesse, die unter Ausschluß der Oeffentlich- keit stattfinden. Die geringe Möglichkeit öffentlicher Konttolle, die heute noch gegeben ist, soll zunichte gemacht werden. So soll der Fall Eulenburg, der dem Ansehen derHerrschenden so sehr geschadet hat. ihnen doch noch zum Besten dienen. Er soll den Vorwand liefern für die weitste Bcschneidung des öffentlichen Gerichtsverfahrens. Die Ziviljustiz soll der Militärjusttz angenähert werden, die für die herrschende Klasse, für die Offiziere heute schon daS geheime Ver- fahren hat. Hinter verschlossenen Türen, unter dem Schutz des Schweige- geboteö soll künftig der Schmutz der oberen Zehntausend vor den Blicken des Volkes geborgen sein. Nieder mit der Oeffentlichkeit. das ist der Reaktionäre letzter Schluß. Durch die Abschließung der stischen Luft glaubt diese Gesellschaft der Edelsten und Besten den eigenen Verwesungsprozeß aufhalten zu können. v!e Schütter des Friedens. Während der kapitalistische Drang nach Expansion, nach neuen Märkten, die in die umfassenden Mauern des Hoch- schutzzolles einbezogen werden sollen, die Gegensätze zwischen den Bourgeoisien der kapitalistischen Nationen immer mehr verschärft und zu friedensgefährdender Stärke anwachsen läßt, führt das Proletariat, international verbrüdert und geeint, seinen entschlossenen Kampf gegen die gefährlichste Ursache eines europäischen Krieges, gegen die kapitalistische Kolonialpolittk.. Unerschrocken und unermüdlich bekriegt das stanzösische Proletariat die Gefahren des Marokko - abenteuers, und es darf sicher sein, daß das deutsche Proletariat nicht mit geringerer Aufmerksamkeit die abscheu - lichen Treibereien der deutschen Chauvinisten beachtet, um ihnen im geeigneten Moment mit gleicher Energie entgegen- zutreten. Und diese Aufgabe scheint immer dringender zu werden. Denn seit einigerZeit sind die Schürer und Hetzer sehr eifrig an der Arbeit. Die Panzerplattenpatrioten unddieKolonialinteressenten, ehrgeizige Militärs und unverantwortliche Journalisten, zuletzt. aber nicht an letzter Stelle diejenigen, die die Aufmerksamkeit des deutschen Volkes von dem Verrat abzulenken suchen, die sie durch die Bewilligung der halben Milliarde in- direkter Steuern zu begehen im Begriffe sind, sie alle führen eine Sprache von solch herausfordernder Frech- Heft, daß sie bereits zu einer Gefahr für die Interessen des Friedens und damit des deutschen Volkes zu werden droht. Die jüngsten Vorgänge in Marokko haben diesen Leuten neuen Stoff für ihre Hetze gegeben. Die stanzösische Re- gierung hat zwar den General d'Amade desavouiert und Azemur ist von den Franzosen geräumt. Aber das hindert unsere Chauvinisten nicht, durch Verbreitung aller Lügen- Meldungen aus Tanger das Feuer immer wieder anzu- fachen. Da ist es denn besonders nöttg, zu zeigen, daß der Kampf gegen die kapitalistische Kriegspolittk eine Sache des ganzen Proletariats ist. Nie noch war das Gefühl internationaler Solidarität st ä r k e r a l s jetzt, nie aber auch war es notwendiger. Während die Bourgeoisie immer neue Gegensätze zwischen den Nattonen zu schaffen sucht, eint das Proletariat der ganzen Welt immer mehr der Kampf gegen die Kriegsgefahr. In der französischen Kammer hat gestern Jaurös noch- mals die französische Regierung vor den Gefahren gewarnt, die Marokko in sich birgt. Und nicht ohne Erfolg. Pichon hat in seiner Antwort das Festhalten an den jüngsten Ent- schließungen der französischen Regierung betont. die eine Einschränkung der Operationen bedeuten. Gewiß hätten seine Erklärungen noch entschiedener lauten können, gewiß müssen unsere französischen Genoffen ihr Miß- trauen wach erhalten. Aber das ist die Angelegenheit des französischen Proletariats. Unsere Aufgabe dagegen ist es, unsere Chauvinisten zu beaufsichtigen und uns mit allen Kräften dagegen zu wehren, daß ihre Hetze unsere Re» gierung zu irgend welchen Schritten verleitet, die die Be- Ziehungen zwischen den beiden großen 5bulturnationen der- schlechtern könnten. Nachstehend geben wir die Kritik Jaurös und die Antwort Pichons wieder: In seiner Anfrage an den Minister des Seußern fübrte JauröS aus, die Besetzung von Azemur widerspreche den Weisungen, die dem General d'Amade erteilt worden seien, und der Ver- pflichwng, die Frankreich vor ganz Europa übernommen habe, sich auf das Schaujagebiet zu beschränken. Jaures erinnert an die Note der„Agence Havas", durch welche sich die Regierung aus freien Stücken an seine Seite gestellt habe. Im weiteren Verlauf seiner Rede setzte Jaurös auseinander, daß die Regierung durch daS Bor « gehen des Generals d'Amade in die G e f a h r komme, in eine falsche Situation zu geraten und den Anschein zu erwecken. als ob sie die Operationen des Abdul AstS unterstütze. Diese Bloßstellung Frankreichs muffe durchaus vermieden werden. Jaurss schloß, indem er eine neue umfassende Heimsendung von französischen Truppen auS Marokko auf daS entschiedenste befürwortete. sBeifall auf der äußersten Linken.) Minister Pichon erklärte, der Zwischeusall von Azemur sei durch die Kommentare in der Presse, besonders der auS- wärtigen, e n t st e l l t und übertrieben worden. Sobald die Re- gierung das Telegramm d'AmadeS erhalten habe, habe sie genaue Nachrichten verlangt und die Instruktion, daß zwischen den beiden Sultanen nicht interveniert werden dürfe, erneuert. Die Antwort d'Amades sei heute vormittag eingetroffen. d'Amade erklärt, sein Rekognoszicrungsinarsch hätte die Sicherung der Ruhe des Schaujagebietes zum Gegenstande gehabt. Kriegs- munition sei über Azemur in jene Gegend gelangt und Azemur habe sich geweigert, nach Mazagan bestimmte Kuriere passieren zu lassen. Der Minister fügte hinzu, Azemur werde von seinen eigenen Bürgern verwaltet, die Ruhe dort sei nie so vollkommen gewesen wie jetzt. d'Amade habe Genugtuung bekommen, ohne einen Kanonen- oder Flintenschuß abfeuern zu müssen. Er sei ohne Waffen und ohne Bedeckung nach Azemur zurückgekehrt. Zurzeit befinde sich kein französisch erSoldat in Azemur und es herrsche vollkommene Ruhe dort. d'Amade habe sich nicht nur daS Vertrauen der Regierung bewahrt, sondern auch ihre Anerkennung und ihre Dankbarkeit für seine glänzende Kampagne verdient.(Beifall ans allen Bänken, außer auf denen der äußersten Linket».) Pichon schloß mit der Bemerkung, die Reg,erung bleibe der von ihr mehrfach in der Kanimer dargelegten, der Würde Frankreich ? entsprechenden Politik und dem von ihr bisher für die Erhaltung des europäischen Friedens betätigten Eifer tteu.(Beifall auf allen Seiten des Hauses, abgesehen von der äußersten Linken.) JauröS äußerte darauf seine Verwunderung, warum d'Amade nichts von der viel wichtigeren Tatsache gesagt habe, daß ihm die Truppen Abdul Asis in Azemur zuvorgekommen seien. Clemenceau unterbricht hier mit dem Einwurf, die Regierung habe davon keine Nachricht erhalten. Jaures äußerte darüber sein Bedauern. Es sei schlimm, daß die Regierung absichtlich vor einem Teil der Wahr- heit die Augen verschließe. Es nütze nichts, die Auf- merksamkeit dadurch abzulenken, daß man von der Tapferkeit der Truppen spreche.„Wir wollen, daß man sagen soll, d'Amade ist nur der Diener des Vaterlandes. Wir wollen, daß man unsere Entschlossenheit erkenne, das Vertrauen, daS man dem Wort Frankreichs entgegenbringt, zu bewahren und keinem Menschen zu gestatten, uns gegen unseren Willen in Berwicke- l u n g e n hineinzuziehen, für die das Vaterland die Verantwortung zu tragen hat."(Beifall aus der äußersten Linken.) Da Pichon nicht weiter hieraus antwortete, war der Zwischenfall erledigt und man ging zur Weiterberawng dsS Einkommensteuergesetzes über. politische deberlicdt. Berlin , den 8. Juli 1908. Das Programm H olles. Bei der Einweihung eines Denkmals für seinen Amtsvorgänger Bosse hat der derzeitige Kultusminister Dr. Holle am vorigen Sonntag eine Rede gehalten, in der er ein P r o g r a m m seiner beabsichtigten Tätigkeit entrollte. Herr Holle versprach den Lehrern. daß er sich ernsthaft mit der Frage befassen werde,„wie der äußeren Lage der Volksschule und der Volksschullehrer aufzuhelfen sei". Er wolle dafür sorgen, daß alles Bureaukratifche aus der Schule verschwinde. Ein Versprechen, das sich im Munde eines so korretten Durchschnitts- bureauttaten besonders wunderlich ausnimmt I Aber dann stellte Herr Holle die Bedingungen für seine Tätigkeit, den Volks- schullehrern„aufzuhelfen". Er verlangte von den Lehrern„Selbst- zucht" und„tteue Pflichterfüllung". Wenn die Lehrer diese tteue Pflichterfüllung übten, dann werde es»zu einer Ent- wickekung kommen, wo Staat«nd Kirche za yre» Rechte komme» könnten". Herr Holle wurde dann noch deutlicher in der Bezeichnung dessen, was er unter dieser Redensart verstand. Er erklärte, daß eS für die Schulpolitik„unabänderlich fest stehende Grund- s ä tz e" gebe. Zu diesen Grundsätzen gehöre in erster Linie die „Erziehung auf christlicher Grundlage", gehöre die Erziehung „eines christlichen, königstreuen und vater- ländischen Geschlechts"! Die„Kreuz-Zeiwng" ist selbst- verständlich von diesem Programm, daSselbst von einem Studt kaum je so rücksichtslos vertreten worden ist, äußerst erbaut. Aber die„Kreuz- Zeitung ' kann auch darauf hinweisen, daß bis jetzt die freisinnige Presse nichts gegen das Hollesche Programm einzuwenden gehabt habe! Das ist ebenso richtig wie bezeichnend für die völlige Korruptton unseres Freisinns, der selbst in Schulfragen mit dem Junkertum durch Dick und Dünn geht! Nur das unoffiziell freisinnige „Berliner Tageblatt" meint, daß die Ausführungen HolleS echt Schwartzkopffschc» Geist trügen. In der Tat: Halles Programm ist das Bekenntnis zur rücksichtslosesten Schulreaktion! ES fordert, daß die Schule mehr noch als bisher der Verpfaffung, dem Byzantinismus und Chauvinismus ausgeliefert werde! So sieht der Manu aus, dessen Ernennung zum Kultusminister der Blockfreisinn noch als eine Konzession an den liberalen Geist auszulegen versucht hatte I— Das Reichsgericht für den Terrorismus gegen Arbeiter. Die Schubert-Strafkammer fällte, wie unseren Lesern erinnerlich sein wird, gegen die Mitglieder des Zenttalverbandes der Maurer Plotzki.Podszus, Pofhlke und K r i e s e am 31. März ein Aufsehen erregendes Urteil. Es erkannte die Angeklagten der schweren Urkundenfälschung für schuldig und belegte Plotzki mit einem Jahre, Kriese mit zwei Monaten, PodSzuS und Pohlke mit je zwei Wochen Gefängnis. Und das ans Grund folgenden Tatbestandes. Im Jahre 1904 fand in Königsberg ein Lohnkampf im Baugewerbe statt, welcher mit der Gründung eines Streikbrechervereins endete, der sich im Jahre 190ö dem christlichen Verbände anschloß. Der christliche Verband schloß dann mit dem Arbeitgebervcrband einen Tarif ab, in welchem unter andern auch bestimmt wurde, daß das Zu- sammenarbeiten mit anders oder nicht Organisierten nicht ver- weigert werden dürfe. Trotzdem trafen beide Verbände nebenbei die Abmachung, daß nur Mitglieder des christlichen Verbandes be- schästigt werden sollten. Infolgedessen wurde den Mitgliedern des Zenttalverbandes jede Arbeit verweigert. Um nun notleidenden Kollegen zu helfen, hat Plotzki alte Bücher des christlichen Verbandes durch Einbringen neuer Titelblätter gefälscht, um den Kollegen zu Arbeit zu verhelfen. Podszus und Pohlke haben von solchen Büchern Gebrauch gemacht, Kriese soll Beihilfe geleistet haben. Das Gericht nahm nun nicht etwa an, eö liege straflose Notwehr gegen dcn Terrorismus, Wort- und Vertragsbruch der christlichen Gewerkschaft vor. ES nahm auch nicht an, 8 363 Sttafgesctzbuchs liege vor, der Fälschung zum Zwecke besseren Fortkommens mit Geldstrafe oder Hast bedroht, sondern nahm schwere Urkundenfälschung(vor- genommen, um sich oder anderen einen rechtswidrigen Ver- »lögcnsvorteil zu verschaffen) an. Und daS auf Grund folgender Deduktion: Die Angeklagten hatten— trotz Tarifvertrages I— als NichtMitglieder des christlichen Verbandes keinen Anspruch auf Arbeit. Demgemäß war der Vorteil, den sie erlangten oder er- strebten, nämlich die Beschäftigung gegen Lohn und der Lohn selbst als rechtswidriger Vermögensvorteil anzusehen. Dies ungeheuerliche Urteil hat daS Reichs- gerichtamDienStagbestätigt. Nach der bisherigen Judikatur des Reichsgerichts hätten die Mitglieder des christlichen Verbands wegen Erpressung oder versuchter Erpressung angeklagt werden müssen, weil die Vertragsbrüchige Ab- rede zwischen den Uiuernehmern und dem christlichen Verband offensichtlich darauf abzielte, die Mitglieder der steien Gewerk- schaften durch die Sperre oder Drohung mit der Sperre zum Beitritt zum Verband zu bewegen. Hier ist umgekehrt, den rechtswidrig von der Arbeitsgelegenheit AuSgeschloffenen — statt ihrer sind Italiener und Polen eingestellt— der Prozeß gemacht. Die Verurteilung beruht auf der von der Arbeiterklasse und auch von bürgerlichen Parteien seit Jahrzehnten bekämpften Auffassung des Reichsgerichts, das Erstreben nach Arbeits- gelegenheit könne das Erstreben eines rechtswidrigen Vermögens- Vorteils sein. Diese Ansicht schlägt gesundem Rechtsempfinden ins Gesicht. Es wird der wiederholt gemachte Versuch einer gesctzlichcii authentischen Interpretation, daß die Ersttebung einer Beschäftigung keine Ersttebung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils ist, immer dringender. Aber tiefer noch als die in dem Prozeß wiedenim bc- leuchtete deutsche Justiz gegen Arbeiter sieht der Terrorismus der christlichen Gewerkschaften, der im Bunde mit Arbeitgebern gegen Hunderte von Familien getrieben ist. Dieser schamlose Terrorismus ist gerichtet und sollte jedem auf Ehre und Menschenwürde haltenden Arbeiter vor dem Bleiben in einer Orgaui- sation abhalten, die dcn Arbeiter knechten, ihm in dcn Rücken fallen und arbeitslos machen will, weil der Arbeiter die Interessen seiner Klasse und seiner Familie wahrnimmt. Wodurch unterscheidet sich diese Sorte christlicher Gewerkschaftler von den Gelben? Junker-Terrorismns. „ D e r P o m m e r", das in Stettin erscheinende sozialdemo- kratische Organ für die ländliche Bevölkerung der Provinz Pommern, erzählt in einem Artikel, worin er die verlogene Entrüstung der Kon- servativen über sozialdemokratischen Terrorismus geißelt, aus der Terrorismus-PraxiS der pommerschen Junker: Wir wollen nur darauf hinweisen, in welch, erheblichem Maße Landarbeiter und Knechte nach der letzten Reichstagswahl zu uns kamen, indem sie erklärten: die Gutsbesitzer und andere Arbeitgeber hätten Grund gesucht und selbstverständlich auch gefunden, um sie. weil sie sür die Sozialdemokratie gestimmt haben, sofort zu entlassen. Andererseits hat man den u n e r h ö r- testen Terrorismus gegen sozialdemokratische Wähler ausgeübt: Auf dem Gute I e s e r i tz, Kreis Belgard. hatten von 32 eingeschriebenen Wählern 22 für die sozialdemokratische Partei gestimmt, während 10 Stimmen für den konservativen Kandidaten abgegeben waren. Darüber selbst- verständlich große Entrüstung bei der Gutsvcrioaltung. Die Guts- arbeiter hatten durch freie Vereinbarung Fuhrwerke zum Holz holen usw. sich gesichert. Als nun der Deputant Karl P i r ch beim Administrator Lübke wegen Stellung eines Fuhrwerks zum Holen von Briketts vom Bahnhof bat, erwiderte Herr Lübke, er solle sich von Wiesenhütter das war der sozial- demokratische Kandidat— ein Fuhrwerk geben lassen. DaS Fuhr- werk wurde einfach verweigert. Und alö etwas später der Arbeiter Wilhelm Mertens schwer erkrankte, die Frau des- selben am 10. Februar zum Administrator ging und ein Fuhr- werk erbat, um den Arzt aus der Stadt zu holen, erklärte der- selbe, ohne mir der Wimper zu zucken, auch hier, sie möge doch von Wiesenhütter den Arzt für ihren Mann holen lassen. Auch die Vorstellung eines Freunde» von Mertens, des Kuhfütterers August W o l S, bei Lübke, änderte an der grausamen Beharrlichkeit des Rücksichtslosen nichts. Die Genesung des M. war durch das Fehlen des ArzteS bedcnllich in Frage gestellt, und so sandte die AgitatioiiSkommission für Pommern sofort einen ausreichenden Betrag, um dem armen Gutsarbeiter zu ermöglichen, den ihm notwendigen Arzt auf eigene Kosten holen zu lasten, obgleich frei Arzt und Medizin vereinbart war. Solche und ähnliche Fälle könnten wir Dutzende aufzählen... Zwanzig Llnstvcisungcn in einem Monat sind im Großherzogtum Sachsen im Juni aufzuzeichnen. Davon eutfalleit acht auf den ersten Verwaltungsbezirl Weimar .
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