Die SuSgekviesenen find Landarveiter, die sich lästig gemacht haben sollen. Dieses Lästigmachen erblickt die Behörde oft darin, wenn wegen Lohnverhältnissen Differenzen zwischen den Arbeitern und dem Gutsbesitzer entstehen. Ist es doch schon ein dielfach angewandtes Drohmittel der Gutsherren, in Streitfällen ihren ausländischen Arbeitern mit der Ausweisung, für die sie sorgen würden, zu drohen. Im Ei s ena ch er Bezirk betrifft die Ausweisung zwölf Personen, die in Elsenach ihren Wohnsitz hatten und als Arbeiter, Hansdiener und Handelsleute beschäftigt waren. Den Grunds der Lästigmacherei erfährt die Oeffentlichkeit in den seltensten Fällen. Daß es aber nicht schwer ist, jemand dessen zu beschuldigen, das wissen die Großagrarier genau. Wie machen wir unsere Kolonien rentabel? Die„National-Zeitung" verkündet, daß ihr Preisrichter- Kollegium nunmehr den Entscheid darüber gefällt hat, wem die drei von der„National-Zeitung" ausgesetzten Preise von 2000. 1000 und 500 M. für die beste Schrift über das Thema:„Wie machen wir unsere Kolonien rentabel?" zufallen solle. Ter erste Preis sei einem Bezirksamtmann in Daar-es-Salaam. der zweite Preis einem Bezirksamtmann a. D. in Köln , der dritte Herrn Norbertus Weber, Abt von Sankt Ottilien in Oberbayern , zuerkannt worden. Wir hoffen, daß bei diesem Preisausschreiben nicht nur die ja ohnehin mit irdischen Schätzen sehr wenig gesegnete„National- Zeitung" ihr Geld losgeworden sein wird, sondern daß nun endlich auch ein Mittel gefunden wird, unsere Kolonien wirklich rentabel zu machen. Nur fürchten wir, daß diese Rentabilität in den Kolonialetats absehbarer Zeiten noch nicht zum Ausdruck kommen wird!—_ Unter dem neuen Versammlungsrecht. DiebadischeRegierung gab in ihrer Vollzugsverordnung dem Vereins- und Versammlungsrecht eine liberale Grundlage. Des- halb erregl bercchtigles Aufsehen, was am Sonntag in der Stadt Bruchsal bei einem sozialdemokratischen Sängerfest(Fahnen- weihe des Arbeiter-Gesangvereins„Harmonie") geschah. Seitens des Stadtrates wurde dem Festkomitee und seinen Gästen der ab- geschlossene Raum des Stadtgartens„Reserve" als F e st p l a tz zur Verfügung gestellt. An den beiden Zugängen wurden Eintritts- karten abgegeben. Da erschien eine MiWtärpatrouille des gelben Dragoner -Regiments. verweigerte den Eintritts- obolus und erklärte den dadurch empörten Festteilnehmern, daß die Dragoner von ihrem Regiment kommandiert wurden, innerhalb des Festplatzes zu patrouillieren. Der Abg. Geck verbat sich für die Versammelten diese gesetz- und rechts- widrige Ueberwachung. Die Dragoner blieben und entfernten sich erst nach einiger Zeit, als der Widerspruch der Menge eine drohende Haltung bekam._ Schlagfertige Juuker. Hat der Junker gehauen? Um diese Frage, die ein Kenner mecklenburgischer Verhältnisse eher zu bejahen als zu der- neinen geneigt sein wird, drehte sich eine Verhandlung vor dem Landgericht Schwerin . Verhandelt wurde über die Berufung des Erbpachthofbesitzers Benno Brandt von Gut Gischow, welcher vom Schöffengericht Lindau wegen Körperverletzung zu 100 M. Geldstrafe verurteilt worden war. Dieses Gericht hätte den Herrn Benno Brandt„für überführt erachtet", den bei ihm bediensteten Knecht Mengrowttzsi mit einem eichenenSpazierstock traktiert zu haben. Ein Zeuge Gemelka, ein Kollege des mißhandelten Knechtes, konnte nicht mehr aufgefunden werden. Der schlagfertige Junker konnte nicht bestreiten, geschlagen zu haben. Er habe aber den Gemelka geschlagen. Von diesem sei jedoch der Stock abgeprallt und habe den Mengrowitzki berührt. Dem Gericht schien dies plausibel, eS gab der Berufung statt und sprach den Angeklagten frei. Wie das Gericht wohl entschieden hätte, wenn der Stock de» Knechts von einem gehauenen Junker»abgeprallt wäre und einen zweiten Junker getroffen hätte? Mit einem zweiten schiagfertigen Junker hatte sich auch das Schöffengericht Wismar zu befassen. Beim Gutspächter Petersen i» Hoppenrade war jemandem ein Portemonnaie mit 13 M. Inhalt weggekommen. Petersen hielt die polnischen Knechte Marsen und BaranowSki für die Täter. Erst hielt er ihnen abtvechselnd einen Revolver vor die Stirn, indem er jedem zurief:»Du ver- fluchter Pollak, gib das Geld her oder ich schieß' Dich tot!" Als die beiden darauf mit keinem Geständnis reagierten, gab eS eine gehörige Tracht Stockprügel. In der Verhandlung beantragte der Amtsanwalt, dem Angeklagten mildernde Umstände zuzubilligen. Der Angeklagte habe aus edlen Motiven(!!) gehandelt. Antrag: 30 M. Geldstrafe. Das Gericht entschied dem- gemäß. Die beiden Knechte haben jetzt einen süßen Trost: Die Stockprügel, die ihnen der Agrarier Petersen appliziert hat, haben ye aus edlen Motiven bekommen I Ein Kulturdokument. Zirka 1°/« Jahre wohnte eine Witwe mit einem erwachsenen Sohne und einer 14jährigen Tochter in Zehista , als sie von ihrem Hauswirt folgende absonderliche Kündigung erhielt: „Wie Ihnen bekannt, muß ich mich vonseiten der Gemeinde bor Unzuträglichkeiten schützen. Ich sehe mich deshalb genötigt, die von Ihnen bewohnten Räumlichkeiten am 1. Oktober anderweit beziehen zu lassen." Dieses eigenartige Kündigungsschreiben ist ein Beweis dafür, wie die Gemeinden versuchen, sich vor den A r m e n l a st e n zu schützen. Die 14jährige Tochter leidet nämlich an Krämpfen und die Gemeinde hat offenbar in der Furcht, die Familie könnte einmal der Gemeinde zur Last fallen, den Hauswirt„bewogen", die Kündigung auszu- sprechen, um sie noch vor der Erwerbung deS UnterstützungSwohn- sitzes(2 Jahre) wieder los zu werden. Eine herrliche Gesellschaftsordnung!— Oesterreich. Eine Schulaffäre. Wien , 6. Juli. (Eigener Bericht.)' Eine lächerlich unbeträchtliche Entscheidung in einer Schulan- gelegcnheit. die zu einer politischen Krise ersten Ranges führen kann: zeigt das nicht wieder einmal, wie der nationale Chauvinis» mus Vernunft und Besonnenheit bis zum letzten Rest austreibt? Es handelt sich um folgendes: Von einem Vereine, der nach dem großen tschechischen Pädagogen C o m e n i u s sich nennt, wird in Wien , in dem bekannten Arbeiterbezirk Favoriten, eine Volksschule mit tschechischer Unterrichtssprache unterhalten. Das ist nicht er- staunlich, da in Wien selbst nach der nicht mit besonderer Un- Parteilichkeit durchgeführten Volkszählung mehr als hunderttausend Tschechen wohnen. Dennoch ist es nur eine p r i va t e Schule, nach- dem. nach einer Entscheidung des Reichsgerichtes, der tschechische Volksstamm als in Niederösterrcich nicht bodenständig, die tschechische Sprache also als nicht landesüblich anzusehen ist, die Gemeinde Wien demnach nicht verpflichtet werden kann, tschechische Schulen zu gründen und zu unterhalten. Aus demselben Grunde ist der tschechischen Schule bisher das Oeffentlichkeitsrecht versagt worden(natürlich wirken bei der Versagung auch politische Gründe mit), weshalb sich die Schüller, die die Komenskyschule'be- suchen, bei ihrem Abgang einer Entlässungsprüfung an einer öffcnt- lichon Volksschule unterziehen müssen. Diese Prüfung fand bisher in dun mährischen Städtchen Lundenburg statt, und zwar mußten die Schüler und Lehrer die Reise zweimal im Jahre unter- nehmen, was für die Schüler pädagogisch ganz unzweckmäßig und für die größtenteils dem Proletariat entstammenden Eltern mit fühlbaren Kosten verbunden war. Auf Ersuchen des die Schule erhaltenden Vereines hat nun der Unterrichtsminister eine Ver- fügung getroffen, daß fortan die Schüler nicht nach Lundenburg fahren, vielmehr die prüfendes Lehrer aus Luvd.en, bütg nach Wien k o Ni me n sollen,=- kvas Ebenfalls einfacher und vernünftiger ist, als daß an hundertsechzig Schüler nach Lundenburg fahren. Wohlgemerkt, durch diese Verfügung ist an dem rechtlichen Charakter der tschechischen Privatschule gar nichts geändert worden, sie bleibt eine Privatschule, erhielt das Oeffentlich- keitsrecht nicht und die Abgangszeugnisse stellt nicht sie, sondern die Lundenburger Schule aus. Es hat sich gar nichts geändert, als daß statt der Reise der Schüler nach Lundenburg , die Reise der Lehrer nach Wien erfolgt; das ist alles. Und dennoch ist über die, wie jeder begreift, rein technische, ganz unbeträchtliche Ver- fügung ein Riesenspektakel entbrannt, und es fehlte nicht viel, daß man die Demission des sie verantwortenden Unterrichtsministers verlangt! In nationalen Dingen haben die bürgerlichen Parteien jedes Augenmaß verloren. Hervn Dr. Marchet ist nur zu Hilfe gekommen, daß erstens der niederösterreichische Landesschulrat der Verfügung vor ihrer Erlassung zugestimmt hat, und daß zweitens die Sache in die Oeffentlichkeit von den Christlichsozialen gebracht worden ist. Da- mit war der Spektakel allerdings sogleich als dreiste Intrige er» kannt. Die Christlichsozialen haben nämlich im Landesschulrat die Mehrheit; in dieser Körperschaft unterließen sie aber jeden Wider- spruch. Nachdem nun die Entscheidung erlassen war. ließ sich Lueger im Gemeinderat interpellieren und gefiel sich in seiner Antwort in der heftigsten Verurteilung des Erlasses, den eigentlich seine Partei auf dem Gewissen hat. Der Zweck des feingesponnenen Planes ist klar; es sollte der freisinnige Unterrichtsminister, der sich in der Sache des Professors Wahrmund für die Forderungen der Kleri- kalen so unempfänglich gezeigt hat, im Nerv getroffen werden, in- dem auf ihn seine eigenen Parteigenossen, die nationalen Chauvi- nisten, gehetzt werden. Aber der Plan war so verflucht gescheit, daß er herzlich dumm ausfiel. Ihre affektierte nationale Leiden- schaftlichkeit glaubt den Christlichsozialen kein Mensch, und weil sie die Denunzianten waren, fällt die Denunziation ins Wasser. Man kennt Luegers Ausspruch, als man von ihm ein schärferes Vorgehen gegen die eingewanderten Tschechen begehrte:„Laßt mir meine Böhm in Ruh!" Dazu stimmt die deutschnationale Pose schlecht, und so wird die christlichsoziale Mine Marchets Sturz nicht herbei- führen. Aber daß eine solche Harmlosigkeit, deren Zweckmäßigkeit und Berechtigung überdies unbestreitbar, zu Beschwerden überhaupt Anlaß geben konnte, ist ein Beweis, wie verwirrt die Gepnüter jn Oesterreich durch den nationalen Krieg geworden sind, follUand. Sieg in Finnland . HelfingforS, 8. Juli. (Privatdepesche des„Vorwärts".) Die Wahlen haben sich zu einem glänzenden Siege unserer Genossen gestaltet, der zugleich einen eindrucks- vollen Protest des finnländischen Volkes gegen die Attentate des Zaren auf die Verfassung Finnlands darstellt. Bis jetzt wurden für die Sozialdemokratie gezählt 231 072 Stimmen, die damit die anderen Parteien weit hinter sich läßt. Die Swestomancn(Schweden ) erhielten 80 048, die Jungfinnen 82 760, die Altfinnen 136803 Stimmen. Die Sozialdemokraten behaupteten ihre früheren 80 Mandate und gewinnen wahrscheinlich noch einige Sitze dazu. Die Stimmung des Proletariats ist siegesfroh und begeistert. Die Altfinnen haben 53, Anhänger der Schwedenpartei 30, Jungfinnen 29. Agrarier 8 und die christliche Partei 4 Sitze erhalten. IMarohko. Ein letzter Versuch Abdul Ajis'. Paris . 8. Juli. Aus Rabat wird vom 4. Juli gemeldet, daß Tazi Omar Tazi sich nach Mogador einschiffen werde, um sich von dort nach Marrakesch zu begeben und die Vorbereitungen für die Ankunft von Abdul AsiS zu treffen. Am 7. Juli werde Abdul Asis aufbrechen und die hervorragendsten Persönlichkeiten von Rabat und Sale als Geiseln mitnehmen, damit sie für etwaige Unruhen, die nach seinem Abmärsche entstehen könnten. mit ihren Köpfen haften. Die marokkanische Staatsbank habe 500 000 Pesetas für die Expeditionskostcn vorgestreckt. Jn Mogador habe der französische Dampfer Meurthe 400 Soldaten und 100 Maultiere für die nach Marrakesch bestimmte Mahalla gelandet. Die Kostenrechnung. Paris . 8. Juli. Im Bericht DoumerS über die Nachtrags- kredite werden die Ausgaben für die marokkanische Ex- pedjtion seit Jaguar 1908 auf ungefähr 30 MillioMS beziffert. Hmmka. Die Wahlkampagne. Denver, 7. Juli. Der demokratische National» k o n v e n t ist heute zusammengetreten, um die Kandidaten für die Präsidentschaft l und Vizepräsidentschaft zu nominieren. Für die Tagung des Konvents sind drei Tage in Aussicht genommen. Denver. 7. Juli. Zwölftausend Personen harrten heute gegen Mittag der Eröffnung des demokratischen Konvents. Als Banner mit dem Bilde B r y a n s erschienen, wurden sie mit lauten Hochrufen emvfangen. Der stellvertretende Vorsitzende der demokratischen Organisation in Kalifornien , Bill, wies in heiterer Rede auf die Unfähigkeit der Republikaner hin, die von ihnen befürwortete Politik zu verwirklichen. Sie lieferten dadurch die Interessen der Allgemeinheit in die Hände der Feinde einer guten Re- gierung. Bezüglich der Zolltarife erklärte er, die demokratische Idee sei, daß in Fällen, in denen die Zollsätze die Trusts befähigen, das System der Ausbeutung aufrechtzuerhalten, der Zoll, der die Erzeugnisse der Trusts begünstige, beseitigt werden müsse, damit der Wettbewerb des Auslandes den Markt zu vernünftiger Preisbildung im Interesse der Bevölkerung zu zwingen vermöge. Nach einigen Fomalitäten wurde hierauf der Konvent zum Gedächtnis Grover Clevelands bis morgen ver- tagt. Die Nominierung Brhans zum Präsidentschaftskandidaten ist zweifellos.—____ Huö der Partei. Gcmeinderatswahlerfolg. Jena , 8. Juli. (Privatdepesche des„Vorwärts".)) Die heutige Gemeinderatsersatzwahl endete mit einem Siege der Arbeiterschaft. Genosse Harzer wurde gewählt. Bon der Parteipresse. Die„Volks st imme" zu Frank- f u r t a. M. wird ihren Redaktions st ab von fünf auf sieben Mitglieder verstärken. Zu diesem Zwecke werden zum 1. Oktober eine durchaus selbständige Kraft als politischer Redakteur, womöglich mit Sprachkenntnissen, sowie ein weiterer Redakteur mit gewerkschaftlicher und kommunal- politischer Schulung gesucht. Bewerbungen mit Angabe der bisherigen Tätigkeit sind bis 15. Juli au den Vorsitzenden der Preßkommission, M. Bernhardt, Frankfurt a. M., Franken-Allee 42, zu richten. Ueber das Befinden des Genossen Ehrhart- Ludwigshafen werden von der bürgerlichen Presse alarmierende Nachrichten ver- breitet. Wie wir zu unserer Freude aus unserem Ludwigshafener Parteiorgan, der„Pfälz . Post" ersehen, sind diese Meldungen un- begründet. Die Besserung im Befinden des Genossen E h r h a r t, die schon vom Genossen Segitz auf dem Parteitags der bayerischen Sozialdemokratie gemeldet wurde, hat weiteren erfreulichen Fortgang genommen. poli-eilickes, ßericbtlicbea ulw. Der verklagte BrcSlaucr Bcreinsrechtskommentator. Herr Dr. B i e n k o, Polizeipräsident von Breslau , hat, wie eriimerlich, die Mitgliederversammlungen desBres- lauer sozialdemokratischen Vereins durch eine geniale Auslegungskunst zu öffentlich- politischen gestempelt, für welche die Anmeldungspflicht und das Ueberwachungsrecht der Polizei besteht. Und er hat gegen den Parteisekretär Genossen Neukirch als Einbcrufer einer solchen Versammlung Straf- antra g gestellt, weil dieser die betreffende Mitgliederversamm- lung nicht angemeldet hatte und die Anwesenheit der Polizeibeamten nicht dulden wol Ist e. Genosse Neu- k i r ch hat nun den Spieß umgedreht und gegen den Präsi- deuten KlageimVerwaltungsstreitversahren erhoben mit dem Antrage, ihn zur Aufhebung seines betreffenden Bescheides als eines ungesetzlichen zu verurteilen. Werden die preußischen Ver- waltungsrichter dem klaren Wortlaut des Gesetzes und die unzwei- deutigen Versicherungen der Minister nun auch in Breslau Anerkennung verschaffen oder werden sie zulassen, daß das Reichs- Vereinsgesetz ebenso wie die alte preußische Vereinsverordnung ein Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokraten wird? Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Aus Halle a./S. berichtet man uns: Bekanntlich hatte der hiesige Rechtsanwalt Suchsland, früher Bürgermeister in Luckenwalde. gegen den Genossen Thiele vom„Volksblatt" einen Privatbeleidigungsprozeß anhängig gemacht und dabei allerhand Zwangsmittel versucht, um den Verfasser zu ermitteln. Obwohl Genosse Redakteur Molkenbuhr für die inkriminierten Artikel verantwortlich gezeichnet hatte, ließ er diesen, den Kollegen Däumig, den Berichterstalter. Verleger, Metteur usw. als Zeugen laden, um Thiele als Verfasser herauszukriegen. Das Snchs- landsche Manöver mißlang aber; er fiel mit seiner Pcivatklage in allen Instanzen hinein und mußte die Kosten tragen. Um nun die Kosten wieder herauszuschlagen, klagte Suchsland im Zivilwege gegen den Genossen Thiele und verlangte auf Grund der Paragraphen 823 und 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches zunächst 160 M., weil der Beklagte ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt habe. Und zwar sollte der Schaden dadurch entstanden sein, daß Thiele sich in dem Beleid i- gungsprozeß nicht als Verfasser bekannte. Genosse Thiele und sein Rechtsbeistand wiesen darauf hin, daß der Prozeß eine juristische Ungeheuerlichkeit sei. Mit demselben Rechte wie Herr Suchsland könnte jeder Staatsanwalt von einem fteigesprochenen Angeklagten die Kosten des Verfahrens einklagen. Suchsland verlangte aber noch ein weiteres und beantragte, daß Thiele in dem Zivilprozeß be- schwöre, ob er die damals inkriminiert gewesenen Artikel geschrieben habe oder nicht. Auch das Landgericht als höchste Instanz ging auf diesen merkwürdigen Antrag nicht ein, da man sonst von jedem freigesprochenen Angeklagten einen Eid be- züglich der Täterschaft verlangen könnte. Suchs« land wurde daher mit seiner Klage endgültig ab- gewiesen, und anstatt 160 M. zu bekommen, mutz er die nicht unerheblichen Kosten tragen.— Das ist etwas bitter für einen Juristen, der es den Sozis einmal gründlich besorgen wollte. Klus Industrie und Kandel . Der Außenhandel PersienS im Jahre 1906/1907. Die„Times" brachten kürzlich einen interessanten und ausführ- lichen Artikel über den Außenhandel Persieus, dem wir folgendes entnehmen: Der Außenhandel PersienS zeigt einen starken Fortschritt. Die Einfuhr nahm gegen daS Vorjahr um 11 Proz. zu, die Ausfuhr um 20 Proz. In den letzten drei Jahren stellten sich Ein- und Ausfuhr, die in Millionen von Krdn(ein Kran---- SS Pf.) berechnet sind, wie folgt: Jahr;;; 1904/08 1905/06 1906/07 Einfuhr. f, 349,9 886,5 431,0 Ausfuhr.... 248,9 293,1 353,4 Gefamtaußenhandel 597,9 679,6 784,4 Im einzelnen stellten sich Ein« und Ausfuhr im Jahre 1906/07 wie folgt: Einfuhr(in Millionen Kran) Banmivollfabrikate Zucker Tee........ Wollwaren..... Garn Eisen- und Eisenfabrikate Petroleum...... 7,4 Ausfuhr(in Millionen Kran) 143,7 Früchte und Nüsse... 55,0 128,4 Teppiche....... 48,4 17,0 Rohbaumwolle..... 46,7 16,8 Fische........ 32,2 8,2 Reis........ 25,5 8,1 Gold und Silber.... 17,3 Häute........ 17.1 Reis........ 6,4 Seide........ 17,0 Mehl........ 6,4 Gummi....... 15,0 Gold und Silber.... 6,1 Wolle........ 14,9 Rohwolle....... 5,1 Opium....... 14,8 Verschiedene»..... 77,4 Wollwaren...... 7,2 Verschiedenes...,, 41,4 Am Außenhandel sind folgende Länder beteiligt: Einfuhr Ausfuhr Länder nach Persien aus Persten in Millionen Kran Rußland Britisches Reich. Türkei ..... Frankreich ... Oesterreich-Ungarn Afghanistan... Deutschland ... China ..... Andere Länder 222,4 132,3 13,0 23,9 14,9 6,3 8,3 1,2 8,7 225,4 86,7 59,0 14,0 4,6 1,5 6,5 5,7 Die Hauptansfuhrartikel Rußlands »ach Persien sind Textil- waren und Zucker. England und Rußland sind am persischen Außen- Handel mit ungefähr 30 Proz. beteiligt. Rußland beherrscht den nordpersischen Handel durch die Schiffahrt am Kaspischen Meer und durch die Straße von Kaukasien nach Teheran . England ist durch seine Schiffahrt im Persischen Golf vorherrschend. ES verkehren dort viel britische Dampfcrlinien. 6o2ia!es. Die Beteiligung der Arbeiterinnen bei den Bertrctcrwahle» zur Ortskrankenkasse. Bekanntlich hat die Frau in Deutschland nur bei der Kranken- Versicherung das Wahlrecht. Man sollte daher annehmen, daß auch von diesem Rechte weitgehender Gebrauch gemacht werden würde. Leider ist dies nicht der Fall. So brachte z. B. die im Mai 1908 stattgefundene Wahl der Generalversammlungsvertreter der Allgemeinen Ortskrankenkasse zu Frankfurt a. M. folgendes trübe Bild: Versichert sind über 25 000 weibliche Personen, von denen sicher 12 000 das 21. Lebensjahr erreicht hatten, also wahlberechtigt waren. Das Gewerkschastskartell hatte sich in seinem Aufrufe ganz besonders an die Frauen gewandt und eine zahlreiche Wahlbeteiligung erwartet. Außerdem wurden entgegenkommend dem Verein werblicher kaufmännischer Angestellten eine Anzahl Vertretersitze eingeräumt und auch von dieser Seite eine lebhafte Agitation eingeleitet. Ber« sammlungen fanden statt, Aufrufe ergingen. Jn fünf Wahllokalen der Stadt konnten die Stimmen abgegeben werden. Und das Resultat? ES wurden abgegeben 8500 Stimmen, wovon nur— sage und schreibe 450 auf weibliche Mitglieder entfielen.
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