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Ein Zusammenstoß. Paris , S. August. Während eines Auflaufes bewarfen Gäste eines an der Place de la Nepublique gelegenen Cafes Polizei und Militär mit Stühlen, Tischen und Flaschen. Mehrere Personen wurden verletzt. Die Polizei nahm einige Verhaftungen bor. Auch vor der Arbeitsbörse kam es zu wiederholten Ruhestörungen. Auf einen Polizeibeamten, der einen Verhafteten abführen wollte, wurde ein Revolberschust ab- gegeben. Der Schuß traf einen Polizeikommissar und verwundete ihn am Bein. Der Täter wurde verhaftet. Auch Verhaftungen weiterer Personen wurden in großer Zahl auf der Place de la Röpublique vorgenommen. Um 8 Uhr abends war dort d i e Ruhe wiederhergestellt, und die herbeigerufenen Truppen konnten in ihre Kasernen zurückkehren. Im Laufe des Tages find ungefähr 1 S P e r s o n e n festgenommen worden, die zumeist nach Ansicht der Polizei der Arnarchistenpartei angehören. Paris , 4. August. Nach den in der Nähe der Arbeitsbörse in den ersten Abendstunden vorgefallenen Zusammenstößen kam es nicht mehr zu erheblichen Ruhestörungen. Die Zahl der in Haft Befindlichen beträgt 16. Das Begräbnis des Opfers. Paris , 4. August. In Villeneuve fand heute in aller Stille das Begräbnis des am vergangenen Donnerstag während der Streikunruhen erschossenen Arbeiters Marchand statt. Mehrere Reden wurden am Grabe gehalten. Zwischenfälle waren nicht zu der- zeichnen. In der Provinz. Pari?, 4. August. Auch in der Probinz haben sich gestern keine Ruhestörungen ereignet. In Courriöres kam es zu e i» e m Z u s a m n, e n st o ß, als Arbeiter bei der Rückkehr von der Grube von Streikenden beschimpft wurden. Gendarmen. Ivelche eingriffen, wurden mißhandelt, einer erhielt einen Messerstich. Schließlich gelang eS, zehn Verhaftungen vorzunehmen. Ein neuer Protest. St. Etienne, 4. August. Etwa vierzig Arbeiter-Shndi- k a t e verbreiten einen heftigen Aufruf, in dem sie die Arbeiter auffordern, während vierundzwanzig Stunden am nächsten Freitag die Arbeit niederzulegen. Paris , den 4. August. Der allgemeine Arbeiter- verband hat einen neuen Aufruf veröffentlicht. Dieser Auftuf ist ein neuer Kampfruf gegen die Regierung und weist auf einen dem- nächstigen neuen Streik hin, welcher besser vorbereitet sein würde, als der gestrige._ Die tiiiMhe Verfaftong. In einem feierlichen Manifest an den Großwesir hat der Sultan sein Verfassungsversprechen wiederholt und am Sonn- tag wurde das Manifest an die Bevölkerung verteilt. Die wichtigsten Bestimmungen der Verfassung lauten: 1. Alle unsere Untertanen gleichgiltig, welcher Rasse und welcher Religion sie angehören besitzezr persönliche Freiheit und sind gleich in ihren Rechten und Pflichten an das Reich. 2. Niemand kann ohne gesetzlichen Grund in Unter- suchung gezogen, verhaftet, eingekerkert oder bestraft werden. 3. In'keiner Form und unter keinem Namen ist die Ein­setzung außerordentlicher Gerichte oder Kommissionen zulässig. Niemand darf außerhalb deS Wirkungskreises semer gesetzlich kompetenten Behörde oder seines kompetenten Gerichts zitiert werden. 4. Das Domizil jedermanns ist unverletzlich. ES ist nicht gestattet. daS Haus irgend jemandS zu betreten oder sein Haus unter Ueberwachung zu stellen in einer anderen als in der im Gesetze festgelegten Art und Weise. 5. Die Polizeibeamten und anderen Funktionäre, unter welchem Titel oder in welcher Eigenschaft immer, haben nicht das Recht, irgend jemanden aus anderen als aus den im Gefetze vorgesehenen Gründen zu verfolgen. 6. Unsere Untertanen haben das Recht, jedes Land auf- zu suchen, daS sie wollen, sei eS zu geschäftlichen Zwecken oder zu tvaS immer für eine Reise, ebenso mit Leuten zusammenzu- komnien, mit denen sie wollen. 7. Die Presse darf vor der Drucklegung nicht der Kontrolle der Regierung unterworfen werden. Privatbriefe und Zeitungen dürfen in der Post nicht zurückgehalten werden. Preßdelikte werden von den ordentlichen Gerichten verfolgt. 8. Die Lehre ist frei. L. Mit Ausnahme der Angehörigen der Armee kann niemand gegen seinen Willen auf einen Posten ernannt werden. Die Be- aniten sind nicht gehalten. Befehlen zu gehorchen, die ihnen im Widerspruch mit den Gesetzen erteilt Iverden, und eS steht ihnen frei, ihre Demission zu geben, sobald sie dieS wünschen. Sie sind für die klaglose Führung der über- nommenen Amtsgeschäfte verantwortlich. Die übrigen Bestimmungen regeln die Einführung eines verantwortlichen Ministeriums und die Einführung einer modernen Verwaltung. Wie sehr der Sultan unter dem Diktat der Jungtürken steht, beweisen aufs neue die Vorgänge des gestrigen Tages. Das eben ernannte Ministerium hat wieder de- missioniert. ES besitzt nicht in genügendem Maße das Vertrauen der Jungtürken und damit der Armee, um sich der Lage gewachsen zu ftihlen. Es heißt sogar, daß der Scheik ül Islam , der höchste geistliche Würdenträger, ebenfalls de- missioniert hat. Die Jungtürken befolgen eben das wichtigste Gebot jeder revolutionären Taktik, sich nicht bloß mit dem papierenen Zugeständnis der Verfassung zufrieden zu stellen, sondern sich vor allem in den Besitz der Exekutive zu setzen. Ein Erfolg der Jungtürken ist es auch, daß nicht nur die Linientruppen, sondern auch die kaiserliche Garde den Eid auf die Verfassung abgelegt haben. Die Kammer ist auf den 14. November einberufen. Die Wahlen werden nach dem in der zweiten Kammersession 1876 ausgearbeiteten EntWurfe stattfinden, auch in den drei Wilajets. Interessant ist die Meldung, daß auch die Mo- hammedaner in Bosnien und der H e r z e g o w i n a die Absicht haben, Abgeordnete für die türkische Kammer zu wählen. Die österreichische Regierung wird sich beeilen müssen, um der Bewegung in den okkupierten Provinzen durch Ein- führung einer Volksvertretung zuvorzukommen. Die deutsche Regierung sucht die langjährige Intimität mit dem türkischen Despoten jetzt durch um so zudringlichere Jreudenbezeugungen für die türkische Verfassung in Vergessenheit zu bringen. So versicherte kürzlich dieNordd. Allg. Ztg.": Wir wünschen in der Türkei ein starkes, freies Volk unter einem aufgeklärten Herrscher." Man würde in diese Redensarten mehr Vertrauen setzen können, wenn endlich in Preußen dafür gesorgt würde, daß das Volk frei und stark würde und auch Preußen eine Verfassung er- hielte an Stelle des elenden Surrogats der Landratskammer. Es scheint übrigens, daß unsere Diplomaten wieder einmal den Wechsel in den Berliner Anschauungen zu spät erfahren haben. Während nämlich die Kriegsschiffe aller anderen Nationen zu Ehren der Verkündigung der Verfassung geflaggt hatten, blieben die deutschen ohne Fahnenschmuck. Wie sollten auch deutsche Diplomaten auf die Idee kommen, daß die Be- Herrscher Preußen-Deutschlands die Verleihung einer Ver- fassung und noch dazu unter dem Druck der Revolution be- grüßt haben wollen.__ politifcbe üebcrlicbt. Berlin , den 4. August 1908. Ter Fall Schücking. Die Attacke auf den Husumer Bürgermeister wird nach- gerade zur lustigsten Satire, die die preußische Bureaukratie auf sich selbst und auf die Jämmerlichkeit des deutschen Bür- gertums schreibt. Da ist zunächst die preußische Regierung, die nicht weiß, was einer ihrer obersten Beamten tat. Dann dieser Beamter, der, ohne sich um die Regierung zu kümmern, das Verfahren lustig fortsetzt und entschlossen zu sein scheint, es bis zum siegreichen Ende zu führen. Welch prächtiges Bild! Ein Kommunalbeamter, ein freigewählter Bürger- m eiste r hat nicht einmal jenes Minimum von Selbständig- keit, um seine politischen Ansichten in ein paar Artikeln kund zu tun, obwohl das die Regierung und alle staatlichen Be- Hörden zusammengenommen von Rechts wegen einen Schmarren zu kümmern hat. Es wird gemaßregelt. Ein Regierungspräsident aber, der staatliche Beamte, besitzt auf einmal soviel Selbständigkeit, ohne Wissen und Willen des Ministers den Bürgermeister zu schurigeln. Als dann der Minister allerdings anfallend schüchtern, er- klärt, er mißbilliae das Verfahren, braucht sich der Beamte darum nicht zu kümmern. Er setzt das Verfahren fort, und was das lustigste ist der Angeklagte hat sich vor demselben Bezirksausschuß zu verantworten, dessen Präsident und maßgebendste Persönlichkeit sein Ankläger ist. Das Ministerium aber, das eben gegenüber dem Bürger- meister allmächtig erschien, ist jetzt plötzlich gegen den ihm untergeordneten Beamten völlig ohnmächtig. Jeder Staats- anwalt wird auf einen Wink des Justizministers eine er- hobene Strafanklage fallen lassen. Das Disziplinarverfahren aber ist sakrosankt. Es ist angeblich nicht mehr aufzuhalten. Das Unheil muß seinen Lauf nehmen. Und diese Lächerlich- leiten werden der deutschen Oeffentlichkeit nicht nur vorge- setzt, sie werden von ihr auch wirklich gläubig aufgenommen, denn sie sind ja amtlich verkündet! Man möchte nun glauben, daß der angeblich so des- avouierte Beamte, der Herr v. Dolega-Kozierowski, wenigstens etwas bescheidener geworden wäre. Aber das hieße die Cha- rakterstärke eines echten Junkers unterschätzen. Hat da das Husumer Stadtverordnetenkollsgium in einer Eingabe an den Oberpräsidenten geaen das Verfahren, dessen Opfer Schücking werden soll, protestiert, natürlich in der zahmen Weise, in der in Preußen Bürger gegen die Regierung ans- zumucken wagen. Was tut Herr v. Dolega-Kozierowski? Er erklärt den verdutzten Bürgern, daß ihre Eingabenicht angemessen" sei! Natürlich! Wie dürfen sich auch preußische Untertanen solche Frechheiten berausnebmen. Sie haben zu gehorchen, aber njcht zu kritisieren. Was ein preußischer Staatsbeamter wt. ist wohlgetan, und jeder Protest dagegen nicht angemessen". Beschränkungen sind höchstens Bürger- meistern, Lehrern und ähnlichen unsicheren Kantonisten auf- erlegt, aber doch nicht dem beamteten Junker, der nicht nur von der Rücksicht auf den verachteten Bürger und Arbeiter, sondern wie die präckitige Figur v. Dolega-Kozierowskis zeigt, auch von den Rücksichten auf die Blockpolitik des Herrn Bülow entbunden ist. Damit aber die Pointe nicht fehle, hat v. Dolega-Kozierowski, dem die Aeußerungen seiner zu größerer Rücksichtnahme verurteilten Standesgenossen von Moltke und v. Bülow den Humor nicht verdorben haben, den Protest gegen sein Verfahren zurErledigung" gütigst dem Bezirksausschuß zuzuweisen geruht, dessen Präsident Herr v. Dolega-Kozierowski ist._ Gemahregelte Reichsverbändler. Die Leitung des Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie hat eine Anzahl ihrer Angestellten ge maßregelt. Die Geschäfts- stelle in Hannover hatte in der letzten Zeit. wegen ihrer innigen Verbindung mit der Polizei besonderes Auf- sehen erregt. Man nahm an, daß sich unter den Angestellten einer befinde, der den Mund nicht halten könne. Ein Beamter ist bereits entlassen worden und wie das.Berliner Tageblatt' erfährt, hat nun der Geschäftsführer in Hannover , ein gewisser Kom oll, auf Anweisung von Berlin aus, sämtlichen Ange st eilten k ü n d i g e n m ü s s e n. An der Tatsache, daß der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie der Polizei Spitzeldienste leistet, kann natürlich nicht gerüttelt werden, darüber liegen die ge- richtlichcn Feststellungen vor. Daß der Reichsverband seine An- gestellten auch noch maßregelt, ist ein neuer Beweis seiner Vielseitigkeit.__ Die Examinatoren des preußischen Doktorprinzen fühlen sich, wie wir gestern schon berichteten, beleidigt. DieStraß- burger Bürger-Zeitung' und dieStraßburger Freie Presse' hatten das Verhalten der Straßburger rechts- und staatswiffenschaftlichen Fakultät kritisiert, die es dem Prinzen August Wilhelm ermöglichte, schon nach vier Semestern das Doktorexamen zu machen. Daraus erhielt dieStraßburger Post' von dem Dekan der juristischen Fakultät, Prof. Dr. v. Thurn, folgendes Schreiben: Ich erlaube nur, Ihnen mitzuteilen, daß die Artikel der .Bürger-Zeitung' in Nr. 178:.Der Prinz', und derFreien Presse' in Nr. 177:Der Dr. von Hohenzollern' sämtlich unrichtige Tatsachen enthalten. Die mündliche Prüfung bei der königlichen Hoheit des Prinzen August Wilhelm von Preußen hat bei un- gewöhnlich schwerer Fragestellung ein außerordentlich gutes Re- snltat ergeben. Die an der prinzlichen Prüfung beteiligten Mit- glieder der Fakultät haben infolgedessen gegen beide Zeitungen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt. Außerdem hat die rechts- und staatswiffenschastliche Fakultät beschlossen, den Kurator der Universitär zu bitten, seinerseits Strafantrag nach§ 196 des Strafgesetzbuchs zu stellen.' Wenn nun noch der Strafrichter bescheinigt, daß August Wilhelm ein lluger Prinz ist, dann muß es wirklich wahr sein. Die neue Kolonial-Univerfität. In Hamburg wird im Herbst die von den Hamburger Kolonial- intereffenten gebildete und mitunterhaltene Kolonial-Hochschule ihre Pforten öffnen. Zugelassen find außer den sonst zum Hochschulbesuch Berechtigten auch noch ausgebildete Lehrer und Kaufleute, Industrielle und andere Personen, wenn sie die Einjährigenprllfung bestanden haben. Daneben werden zu Einzel-Vorlesungen Hospitanten zu- gelassen, wenn sie genügende Vorbildung besitzen. Auch Ausländer sind nicht von der Schule ausgeschloffen. 14 Hochschullehrer werden über zirka 20 Themata Vorlesungen halten. In zwei Semestern sollen die Kolonialstudenten zu fertigen Kolonisatoren gedrillt werden, über welchen Reifegrad ihnen nach bestandener Prüfung ein Diplom ausgestellt wird. Ob auch ein, D r. k o l o n.' nach diesen zwei Semestern gemacht werden kann, wird vorläufig nicht gesogt, aber in der Zukunft liegt das sicher. Es schadet gewiß nichts, wenn Wissen über da? Kolomalwesen verbreitet wird, vorausgesetzt, daß diese Wissenschaft unbeeinflußt von allen Nebenzwecken ist. Das kann man von dieser durch Interessenten geschaffenen Hochschule freilich nicht er- warten. Die Kolonialpolitik wird gelehrt werden in dem Sinne, wie sie bisher betrieben wurde: kapitalistisch. Und alle den jungen .Kolonisatoren' vermittelten Kenntnisse werden nur ermöglichen sollen, mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel aus den Ein- geborenen und ihren Ländereien herauszuholen! Die Reaktion in Hessen . Fand da in Rödgun bei Bad Nauheim eine Beigeordnetenwahl statt. Es wurde, wie vorher ausgemacht, in dem 300 Seelen zählenden Orte nur«ine Stimme abgegeben. Diese einzige Stimme fiel auf den Genossen Heinrich Stock in Friedberg : ihre Abgabe war eine Demonstration gegen die Verwaltungspraxis des Friedbergcr Kreisamtes. Prompt bestätigten die im Kreisansschuß Fricdberg sitzenden Gegner der Sozialdemokratie die Wahl nicht. Die Be- gründung der Ablehnung ist klassisch-preußischen Stiles: ...in der Erwägung, daß Heinrich Stock als einer der Führer der Sozialdemokraten in Hessen bekannt.' DaS ist der Klassenstandpunkt der bürgerlichen Gegner der Ar- beiterschasl kurz, scharf und präzis festgelegt. Di Begründung zeigt, wie preußischer Geist sich in Hessen immer mehr festsetzt. Besonders ist es die bäurische Landbevölkerung, die unter dem Einflüsse deS preußischen Bundes derLandwirte stehend, sich zum Werkzeug dieser echt preußischen Machenschaften gebrauchen läßt. Die Frage der Bestätigung ist da- mit auch in O b e r h e s s e n, der dritten hessischen Provinz, akut geworden. Unsere Genossen haben es in der Hand, die Frage der Bestätigung sozialdemokratischer Beigeordneter und Bürgermeister bis zur Entscheidung der höchsten Instanz zu treiben. Die Eut- scheidung kann nicht zweifelhaft sein. Der Klarheit dient es aber, wenn die Frage der politischen Gleichberechtigung in Hessen von den ProvinzialauSschüsien aller drei Provinzen, in Gießen . Darmstadt und Mainz , gleichmäßig der Sozialdemokratie gegenüber verneint wird. Preußisch ist daim vollauf Trumpf in Hessen ! Dorf-Byzantinismus. In dem Grenzort Eydtkuhnen feierte kürzlich die freiwillige Feuerwehr ihr 2Sjähriges Bestehen. Bei dieser Gelegenheit wollten natürlich die Dorfgrößen es sich nicht nehmen lassen, auch ein Huldigungstelegramm an den Kaiser zu schicken. Dasselbe wurde nach vorheriger Vereinbarung in folgender Reihe unterzeichnet: 1. Depner, Amtsvorsteher. 2. Troje, Provinzial> Feuerlöschdirekror. 3. Kalcher, Borsitzender des Bezirksverbandes Gumbinnen . Die mit Spannung erwartete Antwort des Huldigungstelegramms war nun aber nicht, wie vorausgesetzt, als den als Ersten unterzeichneten Amts- Vorsteher, sondern an den Stummer 2 unterzeichneten Feuerlöschdirektor. der nicht im Dorfe wohnt, gerichtet. Diese Rücksichtslosigkeit er- weckte den hellen Zorn des Vorstandes der Dorffeuerwehr. Denn man hatte schon ganz genau die Stelle im Vereinszimmer des DorflrugeS bezeichnet, an der die eingerahmte Antwort aus dem kaiserlichen Zivilkabinett prangen sollte. Nun sollte die heilige Relique irgendwo in einer Provinzstadt vom Direktor verschleppt werdend Das konnte man sich nicht gefallen lassen. Man ver- dächtigte übrigens den Feuerlöschdirektor, daß er nachträglich wider- rechtlich seinen Namen als ersten und den des Amts- Vorstehers als zweiten unter das Telegramm gesetzt hatte. Deshalb verlangte die Eydtkuhner Wehr daS Antwort- telegramm für sich mit dem Bemerken von Herrn Troje zurück, daß ihn die Gratulation nichts anginge. Dieser hat jedoch auf daS Verlangen gar keine Antwort gegeben. Nun ist die freiwillige Feuerwehr von Eydtkuhnen aus dem ostpreutzischen Bezirks- verband ausgetreten. Es bleibt abzumatten, ob sich nicht noch eine Anzahl Dorf- und Städtewehren mir der so schmählich Hintergangenen Eydtkuhner Wehr solidattsch erklären werden. Die weiteren Folgen dieser HuldigungSaffäre sind dann gar nicht abzusehen.-- Eine langwierige Boykottgeschichte. Im Mai deS Jahres 1906 wurde über den Gasthof Gruben bei Meißen der Militärboykott verhängt, weil der Wirt die Arbeiter wie andere Gäste behandelte, das heißt seinen Saal auch ihnen zu Versammlungen zur Verfügung stellte. Gründe für diese in das Geschäftsleben unter Umständen tief einschneidende Maßnahme konnte der Geschädigte nicht erfahren. Alle feine Eingaben an Generalkommando, Kreishauptmannschast us>». blieben ergebnislos. Er wurde von der einen an die andere Stelle verwiesen. Das ging fast ein ganzes Jahr hindurch so und dcr Wirt machte zunächst eine Ruhepause von einem Jahr, um dann wieder zu versuchen, endlich die Gründe für die Verhängung des Militärverbots zu erfahren und um dessen Aufhebung zu ersuchen, Er wandte sich im April v. I. an die Kreishauptmannschaft um Auskunft, um nun endlich, nachdem der Boykott über zwei Jahre schon aus dem Gasthof gelastet, von der Amtshauptmannschaft noch folgende Antwott zu erhalten: Auf Ihre unter dem 14, April l. I. an die Kgl. Kreis- hauptmannschaft Dresden gerichtete Eingabe, das zurzeit ans Ihrem Gasthof ruhende Militärverbot betreffend, die von der Kgl, Kreishauptmannschast zur Erledigung anhier abgegeben worden ist, wird Ihnen hiermit eröffnet, daß der Verkehr von Militär- Personen in Ihrem Gasthof, dessen Besucher zum ei st der sozialdemokratischen Partei zuzählen und diese Zugehörigkeit teilweise auch wieder- holt durch ihr Verhalten ostentativ an den Tag gelegt haben, zu Unzuträglichkeiten führen Iv ü r d e, und daß die Kgl. Amtshauptmannschaft sich daher außer­stande ficht, zurzeit die Aufhebung deS dauernden Militärverbots zu beantragen. Zu vergleichen beiläufig die für den 27. Mai l.J. laut.Volkszeitung' in den Gasthof zu Gruben einberufene B e r- sammln ng zur Gründung eines Arbeiter-Turn- Vereins, der nach einer Bemerkung im redaktionellen Teil in Nr. SV derVolkszeitung" in bewußtem Gegensatz zum patriotischen" Turnverein zu treten be- st i m m t i st. Die Kgl. AmtShnuptmannschast. (Name unleserlich.) Diese Gründe sind einfach köstlich. Wenn alle die Lokale von der Militärbehörde boykottiert werden sollten, in denen Sozial- demokraten verkehren, dann wäre das Militär schließlich nur noch auf die Militärkantincn angewiesen. Der dauernde Militärboykon wird sonst meist über Lokale verhängt, in denen die Pattei sozn- sagen ihren Sitz hat. Der Militärboykott wird aber von manchen AmtShauptmannschaften benutzt, um überhaupt Sozialdemokraten Versammlungen unmöglich zu machen. Das Projekt einer Gas- und ElektrizitätSsteuer wurde von den bürgerlichen Kollegien Stuttgarts einer Erörterung unterzogen. Schließlich wurde die Sache der zu- ständigen Abteilung überwiesen. Diese Abteilung bereitet eine Protesterklärung gegen die Steuer vor, die von den Kollegien zweifellos mit großer Majorität, wenn nicht einstimmig angenommen werden wird. Kaum ein Preßorgan Ivagt die zustimmende Haltung der wütttembergischen Regierung zu dem Steuerprojekt zu der- teidigen._ Ein uniformierter Rohling besonderer Güte hat wieder einmal milde Richter gefunden. Es ist der Unteroffizier Wurche vom 22. Jnfanterie-Regiment in Neiße , der bei einer Feld- dienstübung auf einen seiner Untergebenen aus geringfügiger Ursache mit dem Seitengewehr losging unter der Drohung:Du Hund! ich stoße Dir das Seitengewehr in die Wampe'. Dabei stieß er den Wehrlosen mit der Scheide seines Seitengewehrs so heftig in die Seite, daß eine offene Wunde entstand. Zwei anderen Musketieren hatte der edle Stell- Vertreter Gottes auf Erden die Geheimnisse des Gamaschendienstes