»« 4. Irilajt des.Knills" Kerlim KlMll.MUvaritdfe Eaiüdfcbau.Ta> Proletariat and die eusfische Nevolutisa. Von A. Tsche-rewanin. Mit einer Vorrede von H. Roland-Holst.Stuttgart, 45)03. Verl. Dietz.Die Revolution ist ein offener Kampf um die politische Macht.Wenn ein gewöhnlicher Streik unberechenbare materielleund psychologische Faktoren in Bewegung setzt, um wieviel mehr dieRevolution! Sie rüttelt große Massen auf. sie zwingt diese zumentschiedenen Kampf, ohne ihnen die notwendige Zeit für politischeAufklärung zu geben; sie stellt das Heer auf die Probe, indemsie es auf der ganzen Bildfläche des Staates gegen das eigeneVolk führt; sie spaltet die Mittelklassen, indem sie mancheSchichten mitreiht und andere in das Lager der Reaktion zurück-wirft; sie ruft Bestürzung und Unentschlossenheit in den Reihender Regierung hervor; sie verwendet politische Eigenschaften undFähigkeiten des Proletariats, die unter dem entwickeltsten demo-krattschen Regime nie völlig zum Ausdruck kommen, seine Kampf-fähigkeit, Entschlossenheit, Selbstlosigkeit. Je umfangreicher, destogrößere Möglichleiten birgt die Revolution in ihrem Schöße. IhrEndresultat kann von niemandem theoretisch oder statistisch imvoraus erraten,— es muß ausgekämpft werden. Frankreich hattezur Zeit der großen Revolution 2S Millionen Einwohner. Ruß-land hat ihrer tbv Millionen. Der französische Absolutismuserscheint im Vergleich mit dem Zarismus als ein zerbrechlichesSpielzeug. Frankreich hatte- am Ende des 48. Jahrhundertsweder Eisenbahnen noch Telegraphen; in den Städten herrschtedas kleine Handwerkertum. Das ruffische Proletariat bildet hin-gegen die Hauptmaste der städtischen Einwohner und obgleich einviel kleinerer Bruchteil der Bevölkerung als in den vorgeschritte-nen kapitalistischen Ländern, ist es bedeutend konzentrier-ter als sogar in Deutschland; die Eisenbahnarmee— etwa600 000 Mann— gab im Oktoberstreik den Ausschlag. Auch dieRolle Petersburgs in der russischen Revoltution kann keineS-wegS mit derjenigen von Paris in der Revolution des 48. Jahr«hündertS vevglichen werden. Die allgemein-ökonomische Rück-ständigkeit Franreichs und die besondere seiner KommunikationS-mittel einerseits, die administrative Zentralisation andererseitserlaubten eS Paris, die Revolution innerhalb seiner Mauern zulokalisieren. Ganz anders in Rußland. Die kapitalistische Ent-Wicklung hatte dort so viele selbständige revolutionäre Herde ent-stehen lassen, als sie Zentren der Großindustrie geschaffen hatte.Diese Herde sind selbständig, aber doch eng miteinander vcr-Kunden. Die Eisenbahn und der Telegraph dezentralisierten dieRevolution, trotz dcS zentralisierten Charakters deS Staates, zu-gleich aber brachten sie Einheit in alle ihr» lokalen ErscheinungS-formen. Wir können hier, im engen Rahmen eines ZeitungS-artikelS, nicht ausführlich darauf eingehen, welche ganz eigen-artigen Schlußfolgerungen und Möglichketten die Tatsache in sichbirgt, daß in der Ockonomie der Produktion wie der Politik Ruß-landS die Arbeiterklasse daS Kleinbürgertum noch vor der bürger-lichen Revolution vollkommen Krdröngt hatte. Eines ist aber klar.Die tief« Differenzierung in dem ruffischen»dritten Stande", die sichauf Grundlage der allgemeinen kapitalistischen Entwickelung noch vorder»nationalen" Revolution vollzogen hatte, hatte zum Resultat,daß das russische Proletariat seine revolutionäre Energie nichtmehr im Fahrwasser deS radikalen Bürgertums, sondern nur unterder Fahne seiner eigenen Interessen in Bewegung setzen konnte.Nicht die fiktive, schon bollkommen unmögliche„Einheit" derNation gegen ihre Feinde, sondern nur die mächtig« Entwickelungdes Klassenkampfes innerhalb der Nation, könnte die Revolutionzum Siege führen. Damit wird nicht gesagt, daß man auf jedesZusammengehen mit dem Bürgertum im voraus verzichten soll.DaS hieße die formelle Strenge eines Dogmas über den natür-lichen Gang des Klassenkampfes stellen. Aber unter dem Vor-wand, daß die Revolution»bürgerlich" ist, die sozialdemokratischeTaktik vorwiegend vom Standpunkt ihrer Einwirkung auf dasBürgertum zu schätzen, hieße thore tisch: die reale Bewegungder Revolution in ihren leeren Namen auslösen und politisch:das Proletariat an den Triumphwagen der Bourgeoisie fesseln.Selbst bei der vorsichtigsten und gemäßigtesten Taktik der Sozial-demokratie mußte der scharfe Interessengegensatz die Scheidungder Bourgeoisie vom Proletariat rcsp. von der Revolution aufeiner gewissen Etappe hervorrufen. Wenn die Sozialdemokratienicht auf den Sieg verzichten wollte, mußte sie streben, die breite-sten Massen deS Bauerntums um das Proletariat zu konzentrieren,die Armee für die Revolution zu gewinnen und somit gegendaS Bürgertum die Staatsmacht an sich zu reißen. Man konntenicht wissen,— wie man es auch jetzt nicht wissen kann.— wieweit sich die Ereignisse entwickeln werden. Es ist aber klar, daßes nur auf diesem Wege möglich war, den Sieg an unsere Fahnezu heften.Schon diese flüchtigen Erwägungen belveisen, Kie töirhoffen, daß. wenn man die russische Revolution schlechthin nachdem klassisch gewordenen Muster der französischen konstruieren will,man nicht die innere Dynamik der Revolution, sondern nur dieeigene Oberflächlichkeit aufdecken kann.TscherewaninS Broschüre ist leider dieser Art: sie gibt eineviel beredsamere Vorstellung von der Begrenztheit des Verfassersals von den inneren Zusammenhängen und Gegensätzen derrussischen Revolution. Diese soll für die kapitalistische EntWicke-lung freie Bahn schaffen,— es ist also eine bürgerliche Re-volution. DaS soll aber weiter bedeuten, daß das russische Bürger-tum revolutionär sein müsse. Doch, wie die Tatsachen erwiesen,ist das Verhältnis zwischen dem objektiven Charakter der Revalution und dem politischen Verhalten der bürgerlichen Klassen nichtso einfach. Vom 22. Januar biS zum Oktoberstreik entfaltete sichdie proletarische Bewegung unter aktiver Unterstützung der bürger-lichen Intelligenz und der wohlwollenden Neutralität der Kapi-talisten. Aber während der folgenden wichtigsten Periode derNovember-, Dezember- und Januar-Monate kehrte daS kapitalistischeBürgertum im niederträchtigen Verrat der Revolution denRücken, bekämpfte die Arbeiterschaft mit Aussperrungen und hieltden Durnowos und DubassowS die Steigbügel, als sie sich aufden konterrevolutionären Kreuzzug begaben. Man kann die Frageobjektiv stellen: wo sind die Ursachen dieser Wendung zu suchen?Man kann aber dieselbe Frage auch subjektiv entstellen: werträgt die Schuld? So verfährt Tscherewantn. Fassen wir seinenGedankengang zusammen, wird er sich im großen ganzen folgen.dermaßen darstellen: Die Revolution erlitt die Niederlage, weildie Bourgeoisie das Proletariat nicht unterstützt hatte. Washatte aber jene in ihrem naturnotwendigen revolutionärenVordrängen gestört? Tie exorbitanten ökonomischen Forderungender Arbeiterschaft und ihre zugespitzte politische UnVersöhnlichkeit.Der Novcmbcrstreik, den die Petersburger Arbeiter auf eigeneFaust unternahmen, die„verrückte" Kampagne um die unmittel-bare Durchführung des Achtstundentages auf revolutionärem Wege.die allgemeine politische Haltung des ArbeiterdelegicrtenratS, derdie liberale Opposition ignorierte oder sogar schonungslos in ihreNichtigkeit zurückstieß,— dies sind nach Tscherewanin die Ur-fachen der fatalen Wendung des BürgertumS und die schwereSchuld der politischen Führung der Arbeiterklasse.Wir können hier TscherewaninS Anklageakt gegen die russischeSozialdemokratie nicht Punkt um Punkt verfolgen. Ein paarBeispiele werden jedoch bollständig genügen.Die Revolution erwies sich in ihrem ersten Oktober-Ansturmzu schwach, um die alte Staatsmaschine zu zertrümmern und ausden Elementen ihrer eigenen Organisation eine neue aufzubauen.Die Armee blieb in den früheren Händen. Alle früheren Ver-waltungspersonen, vom Gouverneur bis zum Polizisten herab, auS-erkoren für die Zwecke der Selbstherrschaft, hatten ihre Stellungenbehauptet. Unangetastet blieben auch alle alten Gesetze„biszur Ausgabe neuer". So blieb der Absolutismus als eine mate-riclle Tatsach« ganz und gar bestehen. Freilich war den Be-Hörden befohlen worden, die Gesetze deS Absolutismus»im Geiste"deS Manifestes vom 80. Oktober anzuwenden. Das hieß abersoviel, als wenn man Falstaff befehlen wollte, keusch zu werden.Die Satrapen waren zurzeit aber am Werke, für die demalten Regime berettete Demütigung durch Pogrome Rache zunehmen.„ES entstand in der Bevölkerung— schrieb Witte ineinem geheimen Memorandum, November 400S— die feste Uebcr-zeugung, daß alle diese Pogrome, die so unerwartet und dochgleichzeitig sich über gang Rußland verbreiteten, von einer undderselben und dabei machtvollen Hand provoziert und geleitetwurden. Leider hatte die Bevölkerung für diese Annahme sehrernste Anhaltspunkte."Und die offizielle, die„konstitutionelle" Regierung?Schon am 40. November erteilte sie dem Lande eine ebensodeutliche wie vielversprechende Warnung, indem sie kurzweg inPolen den Kriegszustand erklärte: dies war der erste schöneHappen, den das Ministerium des Oktobermanifestes am elftenTage seiner Existenz der Petersburger Kamarilla zuwarf.WaS hatte unter diesen Bedingungen daS Proletariat zutun? ES sollte, meint Tscherewanin, sich für die ersten Duma-wählen vorbereiten. Ganz schön. Aber die Duma, von der nochniemand etwas Bestimmtes sagen konnte, gehörte dem Reiche derMöglichkeiten an. Und die Wirklichkeit stellte ein politischesChaoS dar. Um sich nicht selbst in diesem Chaop aufzulösen,mußte daS Proletariat seine Organisation starken. neuePositionen in Angriff nehmen, die Attacken der Konterrevolutionabwehre?», da» Bauekntam MV die Arrtiee efus dein Schlummerwecken. Damit gewann es aber daS Uebergewicht über alleandern Klassen, gefährdete immer mehr die Interessen der Bour«geoisie und bewog sie endlich dazu, im Zarismus den Besch-ltzerzu suchen. Und es konnte nicht anders sein. Die bestenHoffnungen, die daS Unternehmertum auf Wittes Polizeigesetzhatte, wurden nicht erfüllt: die Massenbewegung war nach demManifest nicht zum Stillstand gekommen, im Gegenteil, sie zeigtemit jedem Tag ihre wachsende Kraft, ihre Selbständigkeit, ihrensozial-revolutionären Charakter. Zu einer Zeit, wo den Baronender Zuckerindustrie die Wegnahme ihrer Ländereien durch diemeuternden Bauern drohte, mußte die ganze kapitalistische Bour-geoisie. Schritt für Schritt vor den Arbeitern zurückweichend, denArbeitslohn erhöhen und die Arbeitszeit verkürzen. Darin lageben die Hauptschuld der Sozialdemokratie, in den übermäßigenForderungen des Proletariats, meint Tscherewanin. Mag schonsein. Aber darin kam nur zum Vorschein das revolutionäre Er-wachen der Klasse. Was Tscherewanin bekämpft, ist die losialeNatur des Proletariats selbst.DaS versteht H. Roland-Holst. In ihrem Vorwort, da»leider, indem es die auffälligsten Fehler der TscherewaninschenKritik korrigiert, manche neue Mißverständnisse schafft, sagtRoland-Holst sehr zutreffend:„DaS Proletariat konnte nicht dieBegeisterung, die Beharrlichkeit, den revolutionären Elan und dieTodesverachtung in dem politischen Kampf bekunden..., ohne mitgleichem Nachdruck die Erringung wichtiger ökonomischer Vorteileund die Verbesserung seiner Existenz zu erstreben. Dies aber, dasVerfolgen besonderer Klassenforderungen, muht« eS unvermeid-lich in Konflikt mit der Kapitalistenklasse... bringen."(S. XIV.)WaS Tscherewanin in den Dienst der Revolution stellen möchte, istdie revolutionäre Energie deS Proletariats, aber ihres spezifischenKlassencharakters entkleidet. In der spekulativen Koordinierungzweier gegnerischer Klassen für die revolutionäre Aktion hältTscherewanin nur daS soziale Wesen deS Bürgertums für einNaturgesetz; daS Klassenwesen dcS Proletariats in seinen not-wendigen Erscheinungsformen ist für ihn nur taktischer Fehler.ES ist nichts anderes als der bürgerliche„Idealismus", der hierdie Form der quast-sozialistischen Selbstkritik annahm. Tscherewantn erinnert sich weiter, daß der Moskauer Semstwo-Kongreßim November 490S eine ziemlich radikale Resolution beschloß—>um sie... dem Grafen Witte zu überreichen. Die Sozialdcmo-kratie hatte allen Grund, meint Tsch, diese Resolution zu unter-stützen(wie? wo? in der Kanzlet des Premiers?).„Aber stattdiesen vernünftigen, realistischen Weg zu betreten, war die Sozial-demokratie bestrebt, eine Kluft zwischen dem Proletariat und denSemstwoleuten... zu schaffen."(S. 74.) Das klingt sehr über-zeugend! Leider vergißt Tscherewanin zu erwähnen, daß parallelmit dem Semstwokongreß in Moskau ein großer Bauernkongrcßtagte, der die Notwendigkeit der Enteignung deS privaten Grund-eigentumS beschloß und die Unvermcidlichkeit des Bauernaufstandesproklamierte. Die Sozialdemokratie stand also vor der Wahl: ent-weder mit der adlig-bürgerlichen Opposition oder mit der bäuer-lichen Revolution! Die„Kluft", von d«r Tsch. spricht, wurde nichtvon den sozialistischen Journalisten erfunden, sie war nur der not-wendige Ausdruck deS unversöhnlichen Antagonismus zwischen demMuschik und seinem Barin(Grundbesitzer). Worin bestand indieser Lage die Aufgabe der Sozialdemokratie, dieser Partei derRevolution par exCellence? Den„vernünftigen, realistischen Weg"zu betreten, der direkt in Wittes Vorzimmer führte,— oder sichohne Rücksichten und Bedenken für die Sache der Bauern gegen ihre„liberalen" Fronherrn zu erklären? Konnte die Partei auch nurein« Stunde mit ihrer Entscheidung zögern? Dieses Beispiel isthöchst charakteristisch für TscherewaninS„Vernünftigkeit" und fürseinen.Realismus". Der Semstwoliberalismus gehörte bekanntlichschon im Dezember 400S zur Vergangenheit. Witte war schonlängst>». um mit Gorkt zu sprechen— ein„gewesener Mensch".Die Bauernfrag« bildet aber noch heute die tiefste Grundlage allerpolitischen Krisen in Rußland und die sicherste Bürgschaft für dieAuferstehung der Revolution. Die Sozialdemokratie hätte schänd-lichen Selbstmord begangen, wenn sie mit dem Liberalismuspaktiert und das Bauerntum in Stiche gelassen hätt«.Die nachträgliche Korrektur der Taktik kann manchem ziemlichkomisch erscheinen. Man muß aber bedenken, daß es sich dabei nichtum die Vergangenheit, sondern um die Zukunft handelt. Dienächste große politische Flut wird dieselben Fragen wieder auf-tauchen lassen. Und wir hegen die tieffte Ueberzeugung, daß dierussische Sozialdemokratie nicht den Weg jener klügelnden Taktikbetreten wird, die zwar mit sein konzipierten Plänen, doch leidermit imaginären Größen operiert und die immer von nichts durchnichts zu nichts führt. nt.LssvKKvnswsi'K für die Konf IrBwationSSchwarze Stoffein Wolle und Seide. MI" üeberrascSiend reiche Auswahl I Sekannto PreiSwiirdigkeii I"MZ126 Or. Frankfurter Str. 126. S® WßlSSGIlb Wils Eckhaus Koppen• Straße.88301,Lenkester-CigarettenNew-Yorker Mischung, sind hervorragend in Geschmack und Aroma.CeneralYerlreler für PeiiisclilaDd:S. RUWd, Berlin O..Marsilius-Str. 23. ao» m 10479.