ließen, statt einfach gegen daZ Budget zu votieren! Schreibtuns doch Genosse Bebel:„Die Behauptung des Genossen E. N., in Sachsen seidas Budget von der sozialdemokratischen Landtagsfraktionmit zwei Ausnahmen traditionell bewilligt worden, unddies sei sogar im Jahre 1890 unter meiner Führung ge-schehen, überrascht mich in höchstem Grade. Ich bin von1881 bis 1890, in welchem Jahre ich nach Berlin übersiedelte,Mitglied des sächsischen Landtages gewesen, neben mir unteranderen Wollmar, irre ich nicht, von 1883 bis 1887. DieKämpfe, die wir in diesen Jahren mit der sächsischen Negierungdurchgefochten haben, waren die denkbar erbittertsten. Einersolchen Regierung das Budget zu bewilligen, konnteuns nicht im Traume einfallen. Wohl ist aberin Sachsen bei der Abstimmung über das Budget einigeMale in der Form demonstriert worden, daßdie Fraktion den Saal vor der Abstimmungverließ.Ganz mit Recht hat die Redaktion bereits darauf hin-gewiesen, daß weder in Frankfurt noch in Lübeck gegendie Sachsen ein Vorwurf erhoben wurde, als hätten siedas Budget bewilligt. Wollmar, der in Frankfurt in einervon seinem Standpunkt aus guten Rede das Vorgehen derbayerischen Genossen auch damit rechtfertigte, daß man inBaden und Hessen wiederholt das Budget bewilligt hat,schwieg von Sachsen. Ich selbst führte in Frankfurtaus(Seite 115 des Protokolls):„Man kann sehr wohl, dasverstehe ich, zur Ansicht kommen, daß es sich hier nur umeine Frage der Taktik, nicht um eine Frage des Prinzipshandelt, hatten wir doch in Sachsen ursprünglich eineandere Taktik geübt, als gegenwärtig."Die andere Taktik wurde vor meinem Eintritt in denLandtag geübt, nachher nicht mehr."Das also ist der von Genossen E. N. zum Nilpferd undElefanten aufgeblasene Pudel: In altersgrauer Zeit einmal ist inSachsen von den Genossen das Budget bewilligt worden. Seit 1881aber nicht mehr! Daß man nicht gegen das Budget stimmte, lagteils daran, daß man vor der Abstimmung demonstrativ denSaal verließ, teils, daß man später die Ablehnung als etwas soSelbstverständliches betrachtete,— daß man sich um dieüberhaupt als nebensächlich behandelte Formalität der Abstimmunggar nicht mehr kümmerte IMan kann ja nun sehr wohl der Meinung sein, daß die sächsischenGenossen die Ablehnung besser unzweideutig durch einablehnendes Votum vorgenommen hätten, schonum Genossen von dem archivalischen Spürsinn und der kühnenKombinationsgabe des Genossen E. N. die Aufstellung unrichtigerund bei ihrer Wciterverbreitung erst recht skrupellos mißdeuteter Be-hauptungen unmöglich zu machen! Aber wir sind ohne weiteresüberzeugt, daß man in Sachsen künftig solchen Auslegungen durchdie Art der Abstimmung einen Riegel vorschieben wird!Um die ganze Schönheit dieser famosen Schiebung zu erkennen,muß man sich indes vergegenwärtigen, welch abgrundtieferUnterschied besteht zwischen einer Stimmenthaltung zumZwecke der Demonstration oder sei eS selbst aus dem von E. N.geltend gemachten Grunde, daß man der Ablehnung als feinerFormalität keine besondere Bedeutung beimißt, und dem Stimmenfür ein Budget. Man kann sogar der„Fränkischen Tagespost"darin zustimmen, daß der Alt der Ablehnung des Budgets a n s i chkeineswegs eine politische„Tat" sei. Sofern er nur die logischeKonsequenz der ganzen Tätigkeit einer auf dem Boden desKlassenkampfes stehenden Partei ist, kann er ganz natürlichden herrschenden Klassen und der Regierung nichts Neues sagen,kein besonderes Schrecknis für sie sein. Er ist— aufabsehbare Zeit wenigstens— lediglich das Schlußgliedin der Kette der Klassenlampfaktion der Partei, soweit sie auf parla-mentarischem Gebiete zu führen ist; keine politische„Tat". Dagegenist die Bewilligung des Etats allerdings eine politischeTat! Zwar nicht im Sinne des Klassenkampfes, aber als Symptom,als Beweis, als Ankündigung der Mauserung der Sozialdemokratiezur praktischen Politik, zur bloßen Rcformpartei, zum Kuhhandel mitRegierungen und Parteien, zur— Blockpolitik! Denn man willdoch— sonst wäre ja der ganze Krieg um die Budgetbcwilligungwirklich nur ein Streit um des Kaisers Bart!— von der Regierung, von den bürgerlichen Parteien durch dieBudgebewilligung etwas erreichen! Man will durch einAngebinde Gegengeschenke erlangen! Man will seineBündnisfähigkeit für die bürgerlichen Parteien.ja für die R e g i e r u n g selbst beweisen I Man will es— miteinem Worte— dem auch von den süddeutschen Genossen so vielgeschmähten Liberalismus nachtun!Und um diese löblichen Zwecke zu beschönigen, beruftman sich auf die sächsische Fraktion, der, welche Fehler sie auchsonst immer begangen haben mag, der gleiche staatSmännifche Gedanken weltenfern lag!So wirdö aber gemacht!Sie Keviliing In IllsrMo.Auf französische Hilfe hat sich der Sultan Abdul Asisverlassen— an der französischen Hilfe ist er zugrunde ge-gangen. Er gilt den Marokkanern als ein Verräter des Landes;von seinem siegreichen Bruder Mulay Hafid erhoffen sie dieRettung von der französischen Invasion. Die französischen Kanonenund Instrukteure, die sich bei der Mahalla Abdul Asis' befanden— angeblich gegen den Willen der französischen Regierung,die in Verfolgung ihrer angeblichen Neutralität schon am15. Juni den Herren den Befehl gegeben hat, sich an deninneren Kämpfen nicht zu beteiligen—, haben dem Sultannichts nützen können. Ein Teil seiner Truppen vcr-ließ ihn in der entscheidenden Stunde, ging zumGegensultan über. So hat Mulay Hafid einen vernichtendenSchlag führen können. Wie groß der Eindruck der Schlachtvon Kalah ist, das erhellt aus dem Umstand, daß ihr aufdem Fuße die Proklamierung Mulay Hafids zum Herrscherin der wichtigen Hafenstadt Tanger gefolgt ist.Die Telegramme melden über die Vorgänge:Madrid, 23. August. Nach einer Mitteilung des spanischen Ge-sandten in Tanger laufen dort über die Niederlage AbdulAsis' drei Versionen um. Nach der einen wäre sie dem Verratder SchaujaS zuzuschreiben, nach der anderen dem plötzlichen undstürmischen Angriff der hafidistischen Strcitlräfte unter dem Befehldes Kaids Benlebu, eines Sohnes des asisischen ExgouverneurS vonAzemur, nach der dritten endlich der Kavallerie Mulay HafidS,die sich die mangelhafte Sorgfalt Abdul Asis' während seines Marschesauf Marrakesch zunutze machte.Tanger, 23. August.(Telegramm der Agence HavaS.) AbdulAstS ist in Begleitung von El Molri, Ben Sliman und dem Marabutvon Bu Diab in Settat eingetroffen und wird sich nach Casablancabegeben. Er soll die Absicht haben, nach DamaScus in Syrien zugehen und von dort, wenn die Umstände es gestatten, nach Marokkozurückkehren.Tanger, 23. August. Unter dem Drängen der Tanger benach-karten Stämme, welche die Stadt bedrohten, wenn MulayHafid nicht zum Sultan ausgerufen würde, versammeltensich die marokkanischen Notabeln von Tanger in der Moschee,um über den Wortlaut einer Proklamation zu beraten. Mankam überein, erstens. Versuchen, Unruhe zu stiften, entgegen-zutreten, zweitens, keine Repressalien gegen den früheren Gegneranzuwenden und drittens, den Beamten des Sultans ihre Funktionenzu lassen. Der französisibe Gesandte Regnauld hatte eine Unter-redmlg mit einer Delegation der Notabeln. Er dankte den Dele-gierten für ihr Vorgehen, erklärte. daß er sich nicht ein-mischen könne in dynastische Fragen bezüglich der inneren Politikdes Landes, und nahm Kenntnis von den Versicherungen der Dele-gierten betreffend die Sicherheit der fremden Kolonien und derAufrechterhaltung der Ordnung. Der spanische Geschäftsträger danktegleichfalls den Delegierten und schloß sich vollständig der ErklärungRegnaults an. Nach der Zusammenkunft lehrten Guebbas undMcnebi in die Moichee zurück, wo die Proklamation unterenthusiastischem Zuruf der Anwesenden stattfand. DieFreude der Bewohner ist allgemein.Die französische Presse behandelt zurzeit die Frage, obFrankreich Mulay Hafid anerkennen werde, noch sehr zurück-haltend.Die Regierungsblätter sind einstimmig der Ansicht, daßFrankreich Mulay Hafid erst werde anerkennen können nachdem Zusammentritt einer neuen internationalen Konferenzund wenn er einwillige, mit den Mächten ein Abkommen zuschließen.Dem„Echo de Paris" erscheint jedoch eine neue Konferenzder Mächte nicht unbedingt erforderlich. Jedenfalls werdeFrankreich aber nicht auf eigene Faust handeln, sondern diean der Akte von Algeciras beteiligten Mächte befragenund sich mit S p a n t e n unmittelbar insEinvernehmensetzen.Mit dieser Haltung der französischen Regierung könnendie übrigen Mächte zufrieden sein. Indes verrät sich indeutschen Blättern deutlich die Neigung, jetzt die Marokko-frage neu aufzurollen und-den Sieg Mulay Hafids, denunsere Alldeutschen schon längst als Freund und WerkzeugDeutschlands auszuspielen versucht haben, gegen Frank-reich auszunützen. Solchem Bestreben muß sofortentgegengetreten werden. Es muß als eine sehrunangebrachte Demonstration bezeichnet werden, daß diedeutsche Kolonie zu Tanger den Triumph Mulay Hafidswie einen eigenen Sieg gefeiert hat. Es ist das umso bedenklicher, da sich der aggressive Ton gegen Frank-reich schon bis in Organe der Freisinnigen Volksparteierstreckt, die in dieser„nationalen Frage" sich schier vonden Organen der beschränktesten Chauvinisten nicht mehrunterscheiden. Um so mehr muß die Arbeiterpresse dagegenprotestieren, daß durch ein Ausspielen Mulay Hafids gegenFrankreich die heikle Situation verschärst wird.poUtifche GcberKcbtBerlin, den 24. August 1008.Die Heeres-Neuformatio».Die„Köln. Volksztg." zählt in einer Notiz die neuen Brigaden,Regimenter und Bataillone auf, die am 1. Oktober dieses Jahresinfolge der Bewilligungen des Reichshaushaltsetats durch die bürger-lichen Parteien errichtet werden sollen:1. Der Stab der 39. Kavallericbrigade bei der 39. Division,mit dem Standort Colmar i. E. Zu der Brigade treten die14. Dragoner und die 3. Jäger zu Pferde. 2. Ein Pionier-regimcntSstab für das 7.«westfälische) Armeekorps, mit demStandort Köln a. Rh. Diesem Stabe werden die Bataillone 7und 24 unterstellt. 3. Ein Kavallerieregiment unter der Be-zeichnung„Jägerregiment zu Pferde Nr. 5", mit dem StandortMülhausen i. E. An das neu zu errichtende Regiment gibt das3.(brandcnburgische) Armeekorps eine Dragoner- oder Husaren-schwadron, das 7.(westfälische) eine Schwadron der Düsseldorfer(ö.) Ulanen, das 1ö.(lothringische) und das 18.(Hessen»thüringische) Armeekorps je eine Dragonerschwadron ab. 4. EinPionierbataillon(2. westfälisches Nr. 24), mit dem StandortKöln a. Rh., für das die Bataillone 4, 7, 19 und 11 je eine ge-schlossene Kompagnie stellen.Der Offiziersetat des HeereS vermehrt sich durch die Neu-formation(und einige andere Bestimmungen des RcichshauS-Haltes) vom 1. Oktober ab um die folgenden 69 Stellen:1 General als Drigäockommandeur, 2 Stabsoffiziere als Regi-meutskommandeure, 3 Majore, 13 Hauptleute und Rittmeister.9 Oberleutnants, 28 Leutnants. 4 Aerzte.So traurig es auch um die Finanzlage des Reiches bestellt ist,für die Errichtung neuer Regimenter ist stets Geld vorhanden.—Blockparteiliches.Mit einer Genauigleit, die schon mehr an Albernheit grenzt,registriert die Blockprcffe tagtäglich jeden kleinen oder großen Zwistinnerhalb der Sozialdemokratie und jedes Wort, das dabei von dereinen wie der anderen Seite gesagt worden ist. Darüber fehlt eSihr natürlich an Zeit und Raum, um von den Brüderlichkeiten inner.halb der Blockgenossenschaft, die sie doch eigentlich viel näher an-gehen, überhaupt Notiz zu nehmen. Wir wollen diese Lücke auS«füllen und teilen deshalb einem größeren Publikum mit, was dieserTage in den nationalliberalen„Jtzehocr Nachrichten" gestanden hat.Dieses Blatt behauptet, das Disziplinarverfahren gegen Dr.Schücking fei gar nicht wegen dessen freisinniger Gesinnung erfolgt,sondern weil er in seinen Schriften„Nichtsnutzigkeiten" und„Wider besseres Wissen erhobenen Anschuldigungen" gegen die ihmvorgeordneten Regierungsbehörden sich habe zuschulden kommen lassen.Dann nennt das Blatt den im schwersten Kampfe um seine Existenzstehenden Blockgenosscn einen„Berliner Tageblatt-Helden" undfährt fort:„Wir wollen nicht denselben Fehler begehen wie der Freisinn und nicht dem Hebel vorgreifen, aber wir wollen doch daranerinnern, daß eS höchst bezeichnend ist, daß Schücking j u st d a S„Berliner Tageblatt" s ick erwählt hat, um seinepolitischen Sezessionsbildcr zu veröffentlichen; dieses Organ istdoch bei dem offiziellen„Blockfreisinn" geradezu verhaßt,dieses Blatt hat doch die jetzige freisinnige„Schücking-Garde" bis-her mit den gröbsten Schmähungen traktiert. Und das offizielleOrgan des angeblichen„VolkspartcilerS" Schücking, die„Freis.Ztg.", hat diesem würdigen Blatt oft genug seine„Nichtsnutzig-leiten" und seine„wider besseres Wissen erhobenen Anschuldi-gungen" vorgehalten I Nicht gegen den„freisinnigen Volkspartei-ler", sondern gegenden.,BerlinerTageblatt"-Skri.benten wird disziplinarisch vorgegangen. AufSchücking trifft allerdings das Hardensche satirische Wort nicht zu,daß sich die Mitarbeiter des„Verl. Tagebl." anlächeln wie dieAuguren. Aber er wird das Lächeln sicher auch bald lernen wiesein»B. T."-Kollege Oberst a. D. Gaedke".Wir hegen zu unserer Regierung das feste Vertrauen, daß siedem Freisinn recht werden laßt, was dem Zentrum billig war.Und auch wir würden unsererseits auf eine Blockpolitik keinerleiWert legen können, die durch politisch unmoralischeKonzessionen sich ihr Leben sichert. Lieber mit Ehren unter-gehen, als mit Schande leben. Wir müßten den Fürsten Bülowvöllig verkennen, wenn wir annähmen, daß er in Sachen Schückingpolitische Schachergeschäfts Cflse?fteWfl> ftürsse. Solche Kuhhandelspolitik würde seiner Autorität ein schnelles Ende bereiten.Ebenso wie dem Roercn, der seinen Wistuba vor der rächendenHand der Nemesis retten wollte, indem er mit dem Abschwenkenseiner Partei aus dem Regierungslager drohte, von Dernburgentgegengetreten wurde,— ebenso wird der MinisterMoltke dem Dr. Wiemer entgegentreten müssen,der den Dr. Schücking dem rechtmäßigen Disziplinarverfahrenentziehen will. Was Dernburg tat, wird auch Moltke leisten:Die Aufrcchterhaltung der politischen Unantastbarkcit und die In-tegrität des Rechtsverfahrens I"Man wird zugeben, daß diese Zärtlichkeiten alles, was innerhalb der Sozialdemokratie je selbst in den heftigsten Auseinander-setzungen vorgekommen ist, übersteigen— insbesondere an Niedertracht und Hinterlist. Denn hier liefert man aus dem eigenen Lagerdem Feinde das Messer, womit er dem armen Bürgermeister mvBlockgenossen den Hals abschneiden soll.Uebrigens sind jetzt dem Minister Moltke schon zwei Wege ge-wiesen worden— beide von nationalliberaler Seite—, wie ersich aus der Affäre ziehen und den armen Dr. Schücking dochschlachten lassen kann. Tie„Köln. Ztg." nämlich riet ihm dieser Tage:„Ter Minister mißbilligt offenbar das Verhalten der Regie-rungsinstanz in Schleswig, will das aber offenbar nur in derzarten Weife ausdrücken, wie es in der„Norddeutschen Allgc-meinen Zeitung" geschehen ist. Auch schon damit aber hat er nichtumhin gekonnt, seiner persönlichen Meinung über das Vorgeheneiner Disziplinarbehörde Ausdruck zu geben, und er wird sichervor dem Parlament gezwungen werden, das in noch viel deut-licherer Weise zu tun. Angesichts dieser Sachlage bedauern wir,daß er nicht heute schon mit noch größerer Deutlich-keit aufgetreten ist. Wenn der Fall Schücking, das Verfahrenauf Amtsentsetzung und der dann herangezogene Zeugniszivangsich als eine Maßregel herausstellt, dieledialichvoneinerunteren Behörde ausgegangen ist, und in die derMinister aus formellen Gründen nicht eingreifen kann, die eraber als Politiker nicht billigt, s o wäre damit die pol,-tische Bedeutung des Falles Schücking ausge-räumt. Einmal wird der Minister sich zu der Frage dochäußern müssen, und deshalb hätte er es ebenso gut jetzt schontun können, ehe die politischen. Folgen sich noch unangenehmer bc-merkbar machen."Also nun braucht Herr Moltke nur zu erklären, daß er„alsPolitiker" daS Verfahren gegen Schücking nicht billigt, aber„alsBeamter nicht eingreifen kann, so ist der Liberalismus befriedigt,betrachtet die politische Bedeutung des Falles als„ausgeräumt",und dann kann„der Beamte" Moltke„den Beamten" Schücking.zwar zum großen Bedauern des„Politikers" Moltke, aber doch inaller Gemütsruhe abschlachten.Uns soll wundern, ob Herr Moltke die sanfte Kölner oder diegrobe Jtzchoer Methode vorziehen wird. Aber soviel scheint heuteschon sicher: soweit es auf die brüderliche Hilfe der Blockgenosscnankommt, wird Herr Schücking auf alle Fälle geschlachtet.-■Preußen und Bayern.Der Prinz Ludwig von Bayern, der so oft schon den Re-gierenden in Berlin unangenehme Wahrheiten sagte, hat wieder beidem Festmahl des Deutschen SchulschiffvereinS in München eineRede gehalten, in der er sich offen über die Benachteiligung Bayernsbeim Ausbau der Wasserstraßen beschwerte:Im Süden verlange man auch einen Platz am Wasser, einVerlangen, das leider sehr unvollkommen erfüllt sei. Bayernhabe eine Wasserstraße, sie befände sich aber noch auf'oemsetbenStandpunkt wie vor sechzig Jahren. Es fehle an Anschluß, undeS sei Bayerns gutes Recht, ihn zu verlangen.„Wir sind ja einReich und bringen gern mit Freuden alle Opfer für das Reich.verlangen aber volle Gegenseitigkeit. SeitJahren ist der Vertrag geschlossen� ES ist jedoch noch keinSpatenstich geschehen, um � den Anschluß herzustellen.Ein preußisches Gesetz besagt:„Kanäle dürfen nicht gebaut wer-den, bis Binncuschiffahrtsabgaben eingeführt werden." Kanälewerden trotzdem gebaut, der Anfang ist gemacht, der Anschluß amMain aber noch in keiner Weise. Nun«wissen Sie, daßwir in Bayern uns bereit erklärten, für Schiff-fahrtSabgaben zu stimmen. Wenn sie nicht zustandekommen, so können wir nichts dafür. Aber wir sind gc-kränkt, wenn wir aus solchen Ursachen immer hintanstche»müssen. Es ist unglaublich, daß der ganze Südosten von Deutsch-land vom großen Weltverkehr mit der Ost- und Nordsee ganz ab-geschlossen ist. Der Westen hat es gut, er hat den Rhein, derrecht gut schiffbar ist bis Mannheim und Ludwigshafen und der-hältniSmäßig gut schiffbar bis Straßburg und Kebl. Es. gebtsogar bis Basel hinauf. Wir wären froh, wenn wir so gut daranwären wie das Schtveizerland. Das sind wir leider nicht, unsdeshalb bitte ich recht sehr, daß die Herren aus demNorden uns unter st ützen, daß endlich dieser Zu-st and, den wir nicht schön sin den, beseitigt wird.Die schwarzen Blattern in Duisburg!Als im Anfang der verflossenen Woche in Duisburg die Mit-teilung durch die Presse ging, daß in einer in bezug auf Reinlichkeit sehr vernachlässigten Straße— Sternbuschweg— ein Pockenfall amtlich festgestellt sei, da dachte wohl niemand daran, daß schonam Wochenschluß die ganze Umgebung des betreffenden Hauses, indem der Pockenfall konstatiert, als verseucht gelten würde, wie esjetzt tatsächlich der Fall ist. Bereits über 29 Personenmußten im Laufe der Woche in die für Seuchen.kranke eingerichteten Jsolier-Baracken eingc-liefert werden und annähernd 399 Personen wurden derzwangsweisen Schutzimpfung unterzogen, zu welchem Zwecke einebesondere Jmpfstation in einer in jenem Häuserviertel belegenenWirtschaft eingerichtet'st. Mehrere der an der SeucheErkrankten sind bereits gestorben.Wie gewöhnlich die Ursachen solcher Seuchen in schlechten sanitärenVerhältnissen der Umgebung fu suchen sind, so auch hier wieder.In geradezu unglaublicher Weise wird den Bewobnern jene-;Straßenvicrtels, in dem die Krankbeit ausgebrochen, die Luft vcr-pcstet. Wie in manchen anderen Städten, so ist auch in Duisburgdie städtische Fäkalienabfuhr einem Privatunternehmer übertragen.Dieser, der in jener noch nicht besonders stark bebauten GegcnoGrundstücke besitzt, läßt nun ganz ungeniert seine Jauchefässer dortentladen. ES sind ja seine Grundstücke, also wer will ihm was!Zwar hat unser dortiges Parteiblatt, die„Nieoerrheinische Arbeiter-zeitung", das skandalöse Verfahren schon mehrfach kritisiert, aberes scheint, als ob es erst so weit kommen mußte, wie eS jetzt ge»kommen ist, bevor Abhilfe geschaffen wird. Man isoliert jetzt, manimpft, man desinfiziert die verdächtigen Hänser, doch damit ist derSeuchenherd— der wohl mit ziemlicher Bestimmtheit in diesenjZu-ständen zu suchen ist— nicht beseitigt. Mancher wird die Händeüber den Kopf zusammenschlagen, wenn er hört, daß«S in einerGroßstadt noch vorkommen kann, daß der Inhalt der entleertenAbortgruben auf Grundstücken inmitten der Umgebung menschlicherWohnungen entleert wiro. In den Furchen und Vertiefungen derfraglichen Grundstücke stehen die Tümpel fast fußhoch und vcr-breiten den ekeU?aftesten Geruch. In vielen Höfen jenes Straßen-Viertels laufen die sogenannten Senken— Kanalisierung ist leidernoch nicht vorhanden— über und die faulen Abwässer verbreitendann gleichfalls die widerlichsten Gerüche. So ist eS eigentlich nurnatürlich, daß in einem Straßenviertel wie dem hier in Fragekommenden, Seuchen entstehen. Einzelfälle von TyphuS, Genick-starre usw. sollen schon mehrfach vorgekommen sein, ohne daß manbesonders darauf geachtet zu haben scheint, waS ebenfalls wiederin den dortigen Verhältnissen begründet ist.Hoffentlich wächst sich die Krankheit nicht zu einer Epidemieaus, die Verantwortung der in Frage kommenden Instanzen ist soschon gerade groß genug.