Agrarische Klagen und Wunsche. Der Jahresbericht der Landwirtschaftskammer für die Probinz Ostpreußen für die Zeit vom 1. April IM? bis 31. März 1908 ist erscheinen. Das Kapitel„Arbeiterverhältnisse" enthält mancherlei interessante Ausführungen. So wird darauf hingewiesen, daß die Eesamtlage der ländlichen Arbeiterverhältnisse im Berichtsjahre keine günstigere geworden sei; es sei im Gegenteil in vielen Be- girken eine weitere Verschlechterung zu konstatieren. Dem Be- dürfnis an menschlicher Arbeitskraft konnte nur durch das weit- gehendste Entgegenkommen der militärischen Kommandostellen in Beurlaubungen von Soldaten zur Erntearbeit insoweit abgeholfen werden, daß wenigstens bedeutende Verluste der Landwirtschaft ab- gewendet werden konnten. Dann heißt es, daß der stärker auftretende Arbeitermangel „eine durchgängige Steigerung sämtlicher Löhne landwirtschaft- licher Arbeiter, nicht nur der einheimischen, sondern auch der aus- ländischen zur Folge gehabt". Groß muß die„Lohnstcigcrung", von der die inländischen Arbeiter nichts gemerkt haben, nicht gewesen sein, denn der Bericht sagt, daß die ausländischen Arbeiter über- triebene hohe Forderungen außer ihren vertraglich zustehenden Be- zügcn gefordert haben. Das beweist, daß auch die ausländischen, auf überaus niedriger Kulturstufe stehenden Arbeiter aufzuwachen beginnen. Ihre Forderungen mußte, wie der Bericht konstatiert, vielfach nachgegeben werden. Wo sie nicht bewilligt wurden, war Kontraktbruch die Folgeerscheinung,, so daß die Kontraktbruchfälle bei manchen Kategorien ausländischer Arbeiter sich bis auf 48 Proz. steigerten. Diese Auslassungen sind der beste Beweis dafür, daß die Junker den Arbeitern auch nicht die geringsten Zugeständnisse machen. Wie die angeführte„Lohnsteigerung" für die inländischen Arbeiter in Wirklichkeit eingetreten ist, geht aus der Mitteilung hervor, daß sich am 1. April 1908 in manchen Gegenden eine massen- hafte Kündigung der ständigen alten Arbeiter bemerkbar gemacht habe, so daß manche Betriebe zum 1. Oktober voraussichtlich fast ohne Leute stehen bleiben, da sich, wie es im Bericht heißt, von selbst kein Ersatz anbietet. Daß die schlimmsten Menschenschinder schließlich keine Leute mehr bekommen, ist nur zu begrüßen, denn um deren Betriebe kann es sich einzig und allein handeln. Be- fürchtet wird, daß der Bau des Masurischen Kanals zur weiteren Verschlechterung der Arbeiterverhältnisse beitragen könnte, da die Aussicht des Kanalbaues in den Köpfen mancher Arbeiter„Beun- ruhigung" verursacht habe. ES wird erklärt, daß der Vorstand der Landwirtschaftskammer hiergegen an zuständiger Stelle die nötigen Anträge gestellt habe. Ueber die Legitimationskarten läßt sich der Bericht folgender- maßen aus: „Ueber die Wirkung der Zwangslegitimation ein abge- schlossenes Urteil zu fällen, ist noch nicht möglich. In einzelnen Fällen ist aber doch schon jetzt ein günstiger Erfolg zu tonsta- tieren gewesen, so daß die Hoffnung nicht unberechtigt ist, daß diese Einrichtung mit der Zeit ihren Zweck erfüllen und zur Beschränkung, wenn auch natürlich nicht zur Beseitigung des Ko n t ra k t br u ch eS beitragen wird. Soll aber die Zwangslegitimation die erhoffte Wirkung haben, so ist durchaus erforderlich, daß die Polizeibehörden künftig weit schärfer in der Kontrolle derjenigen Arbeitsstellen, auf denen ausländische Arbeiter beschäftigt werden, vorgehen. In allererster Linie müßten die Unternehmer von Bahn-, Chaussee- und ähnlichen Bauten häufiger kontrolliert und alle dort nicht richtig legitimierten auslän- dischen Arbeiter rücksichtslos ausgewiesen werden. Gegenwärtig werden gerade bei den sogenannten Unternehmern nach wie vor zahlreiche unlegitimierte und kon- traktbrüchige Arbeiter beschäftigt." Die Polizeibehörden sollen also im Interesse der Agrarier noch größere Mrnschenjagd als bisher veranstalten. Daß dadurch die besseren Elemente der ausländischen Arbeiter erst recht abgehalten werden, den gastlichen Boden Preußens überhaupt erst zu betreten, scheint den Junkern nicht in den Sinn zu kommen. Aus dem Jahresbericht ist deutlich zu ersehen, daß die Legitimationskarten zur Nicderhaltung der ausländischen Arbeiter dienen. Angeblich soll der Kontraktüruch bekämpft werden. In Wirklichkeit werden aber die Bestrebungen der Arbeiter auf Besserstellung verfolgt. Und dazu bietet der«Kultur"staat Preußen feine Hand, Reichstagsersatzwahlen.. Im NeichStage sind zurzeit vier Mandate unbesetzt, drei infolge Todesfalles, eins infolge MandatSniederlegung, und zwar: 4. Potsdam lPrenzlau-Angermiindc): bisher v, Wintcrfcldt-Mentin(f.) f, 1. Königsberg sMemel-Heydekrug): bisher Schwabach (natl.), Mandat niedergelegt, 2. Braunschweig (Helmste dt- Wolfen- büttel): bisher v. Kaufmann(Hosp. d. Natl.) f, 1. Pfalz (Speyer ): bisher Ehrhart(Soz.) f. Die Ersatzwahlen werden alle noch im Oktober stattfinden, vor dem Wiederzusammentritt des Reichstages, so daß dieser, wenn nicht neue Verluste eintreten, vollzählig sein wird. Die Wahlkreise dürften alle im Besitze der Parteien bleiben. 1907 wurden an Stimmen abgegeben: im 4. P o t s d a m 13 203 konservative gegen 4237 sozialdemokratische und 3710 freisinnige; im 1. K ö n i g S b e r g in der Stichwahl 11 403 nationalliberale gegen 0431 konservative! im 2. B r a u n s ch w e i g 14 122 nationalliberale gegen 7998 sozialdemokratische, 4370 wclfische und 472 Zentrums- stimmen; im 1. Pfalz in der Stichwahl 21820 sozialdemokratische gegen 15 794 nationalliberale.______ Wie die Sucht nach Profit nicht nur alle moralischen, sondern selbst die einfachsten Rechtsbegriffe verwirrt, zeigt eine Veröffentlichung der„Deutschen Tageszeitung". die von einem juristischen Hochschullehrer ausgeht. Dieser Lehrer des Rechts rät den Agrariern, sich an den proletarischen Waisenkindern zu vergreifen! Also eine Tat, die jeder fein empfindende Mensch als eines der scheußlichsten Verbrechen an- sehen muß I Unter passender Auslegung der Gesetze sollen die Guts« befitzer.noch mehr als bisher— denn daß sie es auch bisher schon tun. verrät der gelehrte Herr Einsender selbst— danach trachten. „sich in Uebereinkunst mit den städlischen Waisenbehörden ihre künftigen Landarbeiter selber heranzuziehen". Und der Justizminister soll an alle Vormundschaftsrichter eine allgemeine Anweisung erlassen, diese Art Unterbringung von Waisenkindern(natürlich handelt fichs immer nur um Proletarier Waisen) zu fördern. Den städtischen Waisenbehörden soll die Sache dadurch schmackhaft Igemacht werden, daß man ihnen die Billigkeit dieser Waisen„pflege" rühmt. Aber der Herr Einsender ist auch naiv genug, mit offenen Worten zu sagen, was ihm der eigentliche Zweck des Verfahrens ist: „Zur Bedingung müssen die ländlichen Arbeitgeber aber machen, daß die Vormünder die Einwilligung geben, daß d a S Kind noch dem Abschlüsse der Schule in ländliche Dienste geht, eben bei dixsem Arbeitgeber.' Dann kann er bis zur Volljährigkeit sich einen Arbeiter sichern.. Also nicht das Wohl des Kindes ist die Häuptsache, sondern dem Besitzer soll ein Arbeiter gesichert werden. DaS hat nun offenbar mit der Waisenpflege an sich gar nichts zu tun, und deshalb würde ein solches Eingreifen des Justizmimsters direkt gegen das Geseg verstoßen. Und zwar nach dem klaren Wortlaut der- selben gesetzlichen Bestimmungen, die der Herr Professor der Rechte für seinen Vorschlag geltend macht. Dieselben lauten nämlich: B. G.-V.§ 1838;„DaS Vormundschaftsgericht kann anordnen, baß der Mündel zu in Zwecke der Erziehung in einer ge- eigneten Familie oder in einer Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt untergebracht wird." § 1605:„Ist der Vater verhindert, die elterliche Gewalt auszuüben, so hat das Vormundschaftsgericht, sofern nicht die elterliche Gewalt nach 8 1035 von der Mutter ausgeübt wird, die im Interesse des Kindes erforderlichen Maßregeln zu treffen." 8 1000:„Wird das geistige oder leibliche Wohl des KindeS dadurch gefährdet, daß der Vater das Recht der Sorge für die Person des Kindes mißbraucht, das Kind vernachlässigt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht, so hat das Vormundschaftsgericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen. Das Vormundschaftsgericht kann insbesondere anordnen, daß das Kind zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer Er- ziehungSanstalt oder einer Besserungsanstalt untergebracht wird." Also„zum Zweck der Erziehung",„im Interesse des Kindes für das„Wohl des Kindes" hat der Vormund- schastsrichtcr seine Maßnahmen zu treffen, aber nicht im Interesse des Profits der ländlichen Besitzer. Natürlich fehlt nicht das übliche Geschwätz von der gesunden Landluft, nach der sich jedes Kind sehnt, fort aus der engen, dumpfen Stadt. Das ist an und für sich ganz richtig, und wenn es sich wirklich darum handelte, die Kinder auf dem Lande zu erziehen, das heißt ihr eigenes Bestes zu fördern, so wären wir ganz damit einverstanden. Aber darum handelt sichs ja eben nicht. Sondern sie sollen, ohne sie um ihre Einwilligung zu fragen, in die Sklaverei des Landarbeiter- lebcns gefesselt werden._ Eine neue Militärvorlage? Das„Leipziger Tageblatt " und die„Dort- munder Zeitung" bringen übereinstimmend folgende sensationelle Mitteilung: Aus bester Quelle erfahren wir, daß die Regierung dem Reichstag im Herbst eine neue Militärvorlage in Form eines Quinquennates unterbreiten wird. Alls Vorarbeiten sind schon getroffen, die Vorlage fast bis in alle Einzelheiten fertig, so daß man es wahrscheinlich gar nicht mehr für nötig halten wird, die Nachricht zu dementieren. Sollte das aber geschehen, so glaubt das Dortmunder Blatt, es ruhig der Zeit überlassen zu können, das offiziöse Dementi wieder zu dementieren.— Bemerkt sei noch, daß es sich um eine Vorlage von ernster, militärischer und finanzieller Bedeutung handelt. PZir bemerken hierzu, daß eine gleiche, jüngst erfolgte Ankündigung rasch dementiert worden ist, und es will uns in der Tat scheinen, als hätten sich die Bericht- erstatter vielleicht durch die Vorarbeiten für später in Aussicht stehende Vorlagen täuschen lassen. Aber unmöglich wäre freilich auch nicht, daß man die Finanzreform mit einer Militärvorlage verkuppeln will, um nötigenfalls an das„Nationalgefühl" appellieren zu können. Ei»»»erhörtes Ausweisungsverfnhren. In der Gemeinde Lünen- Süd bei Dortmund lebte seit vier Jahren eine arme Witwe namens Wolf mit ihren vier Kindern. Ihr Mann ist vor drei Jahren gestorben. Die Witwe erhielt aus der UnterstiitzungSkasse der Zeche„Minister Stern", in der ihr Mann zuletzt gearbeitet hatte, eine Unterstützung von monatlich 15 M., und von der Stadtgemeinde Lünen 25 M. sowie 10 M. für Miete. Die fünfköpfige Familie bewohnte ein einziges Zimmer. Der verstorbene Ernährer war Oesterreicher , die Witwe hingegen eine deutsche Schlesierin. Am vergangenen Donnerstag kam plötzlich ein Polizeiveamter in die Wohnung der Witwe und machte eine Mobiliaraufnahme, ohne der Frau zu sagen, um was es sich handele. Am Freitag erschien wieder ein Polizeibeamter in Zivil in Begleitung eines Gendarmen und eines unbekannten Herrn in der Wohnung der Witwe und forderte sie auf. sofort einige Sachen zu packen, was sie eben mitnehmen könne. Die vier Kinder, die eben noch frohen Mutes mit anderen Kindern ans der Straße spielten, wurden gerufen und mußten sich ebenfalls unter die Obhut der Polizei begeben. Auch jetzt wurde der Frau trotz flehentlicher Bitte noch nicht gesagt, um was es sich handle. Es ging zur Polizei, dort kam das Unglaubliche. Sie sei, so wurde ihr eröffnet, mit ihren vier Kindern nach der Heimat ihres Mannes, (sie wußte gar nicht wo diese lag) nach Oesterreich ausgewiesen. Und das trotzdem sie in Schlesien beheimatet und zehn Jahre lang in Westfalen gelebt hatte. Am selben Abend war in der„Lüner Zeitung' eine Möbelauktion angezeigt. Am anderen Tage gegen 5 Uhr nachmittag« nahmen zwei Schutzleute den Verkauf der Sachen vor. Sogar eiirTrauerhut und eine Kranz- schleife von der Beerdigung des Wolf, auf der zu lesen war:„Ge- widmet von der Zahlstelle Ewung des BergarbeitervcrbandeS" standen mit zur Versteigerung. Die Sachen der armen Witwe wurden geradezu verschleudert. Die ganze Einwohnerschaft ist empört über diese Polizeitat, weil die Familie wie Verbrecher abgeschoben wurde, ohne ein einziges Mal vorher die Aufforderung erhalten zu haben, das Land zu ver- lassen. ES kann sich nur um den Bezug der Armenunterstützung handeln. Aber die Frau hat hier zivei erwachsene, verheiratete Söhne wohnen, die nie aufgefordert worden sind, zur Unterstützung ihrer Mutter beizutragen und nie etwas von angedrohter Ausweisung gehört haben. Die ausgewiesenen Russen sind doch wenigstens 24 bis 43 Stunden vorher aufgefordert worden, das Land zu ver- lassen._ Die„beleidigte" Schntztruppe. Der Hamburger Kaufmann Gottlieb Goerne, der mehrere Jahre in Südwestafrika gelebt hat, besitzt in Okankuejo ein Haue, das, weil man es für herrenlos hielt, im Jahre 1905 von Schutztruppcn bezogen und erheblich beschädigt wurde. DicS wurde ffi. von einem Freunde mitgeteilt und er erhob Entschädigungsansprüche im Betrage von einigen tausend Mark, nachdem ihm vom Distriktsleutnant v. Frankenberg eine Bestätigung der Benutzung seines Hauses zu- gegangen war. Seine Rechnung wurde zwar an das Gouvernement in Windhuk weitergegeben, aber dabei hatte es auch sein Be- wenden. Als ihm die Sache zu langweilig wurde, richtete er am 25. Oktober 1900 an das Oberkommando der Schntztruppe zu Berlin ein Schreiben, in dem er seiner Meinung dahin Ausdruck- gibt, daß durch die Weitergabe seiner Rechnung an daS Gouvernement die Erledigung der Sache um einige Jahre weiter in die Länge gezogen werde. Weiter heißt es darin:„Schon der Umstand, daß die Truppe die Benutzung meines HauseS mir wohl?- weislich verschwiegen hat, und mich, wenn ich nicht durch Zufall von der Benutzung der Räume hörte, um meine Miete gebracht hätte, ist doch wohl hinreichend Veranlassung, die Sache prompt aus der Welt zu schaffen." Darin soll nach Anficht des Vertreters des Reichskanzlers eine Beleidigung der Schutztruppe enthalten sein, und dem Strafantrag gegen G. wurde bereitwilligst stattgegeben. Die Allgelegenheit wurde am Mittwochuachnsittag bor der Strafkammer II des Landgerichts Hamburg verhandelt. Räch dem Eröffnungsbeschluß soll es sich um eine„öffentliche Beleidigung wider besseres Wissen" Handel», was der Angeklagte bestreitet, da es sich um eine Beschwerdeschrist an daS Oberkommando Handelke. Alle seine Angaben beruhten auf Tatsachen, daher könne von einer Be- leidigung der Schutztruppe keine Rede sein, wie auch eine solche gar nicht beabsichtigt sei. Der Staatsanwalt beantragte nach dieser Klarstellung der Sach- läge die Freisprechung des Angeklagten, der in Wahrnehmung be- rechtigter Interessen gehandelt und nur Abwehrmaßregeln ergriffen habe. DaS Gericht schloß sich dieser Auffassung an und erkannte auf Freisprechung._ Ei» standhafter Glaubensstreiter. Der sich zur Sekte der Adventistcn bekennende Musketier Gott - lieb Z e g l a t i s vom 85. Infanterieregiment in Rendsburg ist wiederholt wegen GehorsamSverlveigerung bestraft worden, zuletzt am 20. Mai d. I. vom Kriegsgericht der 18. Division zu einem Jahre Gefängnis. Gegen dieses Urteil hat er Berufung ein- gelegt, die am Dienstag vor dem Oberkriegsgericht deS 9. Armee- korps(Altona ) zur Verhandlung kam. Wie in den schon. früher berichteten Fällen handelt es sich auch in diesem um Gehorsamsverweigerung in der Zeit vom Freitag- bis Sonnabend- abend.„Du sollst Gott mehr gehorchen, denn de» Menschen" erklärt der Angeklagte auf die an ihn gerichteten Fragen. Er ist inzwischen von einem Oberstabsarzt auf seine psychische Verfassung untersucht, aber für normal befunden worden. Vor Gericht entspann sich zwischen dem Vorsitzenden und dem Oberstabsarzt einerseits und dem Angeklagten andererseits ein theolo- gischer Disput, bei dem letzterer erklärte, alle ihm auferlegten Prüfungen geduldig tragen zu wollen, denn er wolle dermalemst rein vor seinen höchsten Richter treten. Und dabei blieb er. Unter Anrechnung von zwei Monaten Untersuchungshaft wurde die Strafe auf acht Monate Gefängnis ermäßigt. Preufiifcho„Schutzleute". Gelegentlich der diesjährigen Maifeier in Dortmund sistienen in Hörde acht Schutzleute— ohne jede Veranlassung— nacheinander neun unserer Genossen, die mit vielen anderen von der Maifeier abends zurückkehrten. Die Festgenommenen wurden während der Nacht in Haft behalten. Im Anschluß hieran wurde ihnen der Prozeß gemacht. In der gestrigen Verhandlung bor den: Härder Schöffengericht erfolgte jedoch entgegen dem Antrage des AmtSanwaltS Freisprechung der Angeklagten. In der Urteils- begründung führte der Vorsitzende aus, daß die Anklage nicht aufrecht zuhalten sei. Die Aussagen der Schutzleute seien außerdem widerspruchsvoll. DaS Vorgehen der Schutzleute sei nicht ganz verständlich.— Wegen Freiheitsberaubung wird selbst- redend gegen die Beamten nicht vorgegangen werden. DaS würde gegen die Praktiken des Staates der vollendeten Rechtsgarantiev verstoßen._ Schweiz . Ein entlarvter rufsifchcr Spitzel. In unserem Genfer Parteiblatt, dem„P e u p I e", wird der „Revolutionär" Boris Guertzig, der sich angeblich bor der russischen Regierung nach Genf geflüchtet haben soll, als Spitzel ent» larvt. Er ist zweifellos nicht der einzige. und auch nicht de? letzte Spitzel der russischen Regierung in der Schweiz.— Cürlrn. Die Triple-Entente gegen Bahnbauteu. I« der M a r i e n b a d e r Zusammenkunft des König» von England, des russischen Ministers des Aeußeren Jswolski und des französischen Ministerpräsidenten Clemenceau ist nach dem Kor» respondenten des„Berliner Tageblatt" die Frage der Balkan- angelegenheiten sehr ausführlich besprochen worden. Man be- fürchtet, daß durch die notwendige Verwendung vieler Ingenieure und Arbeiter fremder Nationalitäten neue Reibungsflächeu bei der kaum beruhigten Bevölkerung geschaffen werden, und empfiehlt, von den nötigsten Vorarbeiten abgesehen, die Angelegenheit_ in der Schwebe zu lassen. Ebenso sprach man sich für ruhiges Zuwarten hinsichtlich der weiteren Entwükelung des konstitutionellen System? in der Türkei aus._ Brotkrawall in Koustautiuopel. Infolge der Weigerung der Behörden, den Bäckern von Kon- stantinopet eineErhöhungdeSBrotpreiscs zu gestatten, ist dort am Mittwoch nurwenigBrot gebacken worden. Zahl- reiche Bäckereien wurden deswegen abends geplündert« JVIarohho. Mulah HafidS Triumph. Wie die„Kolnische Zeitung" aus Tanger vom 20. August meldet, ist Mulay Hafrd auch in Mazaga» zum Sultan ausgerufen worden. In Marienbad hat am Mittwoch eine Zusammenkunft zwischen dem König von England, dem russischen Minister des Aeußern Jswolski und dem französischen Ministerpräsidenten Clemenceau stattgefunden. Ueber die Vereinbarungen will der Korrespondent des«Verl . Tageblattes" erfahren hoben: Die Ver. tragSrnächte von Algeciras sollen sich einigen, MulahHafidan- zuerkennen, wenn Garantien für die Wiederherstellung ge- ordneter Verhältnisse geboten und eine Verwaltung imch curo» päischem Muster unter Kontrolle der europäischen Mächte eingeführt werde unter Wahrung der religiösen Eigenart Marokkos und Schaffung eines Wehrsystcins und einer Art Gen- darmcrie nach Art der in Mazedonien bei Bekälnvfuug des Banden» Wesens verwciweten. Es soll vorgeschlagen werden, daß die Alge- cirasmächte sich durch eine neue Konferenz oder diplo- mgtische Rundschreiben über diese Frage einigen. IZiis Induftm und Kandel . Terrainschwindel—> Banschwindel. Der Berliner Laumarkt ist an und für sich in mißlicher Lag», wofür vor kurzem„Der deutsche Oekonomist' mit Recht das Vau- schwindeltum verantwortlich machte. Nun kommen aber Ent- hüllungen über Enthüllungen. Die Banzünftler wollen dies nicht auf sich sitzen lassen und erklären, was das Bauschwindcltum anlangt, so handle eS sich hierbei meist um die Tätigkeit von Strohmännern, welche die Werkzeuge der zahlreichen Terraingesellschaften niederen Range? sind. DaS sogenannte Bauschwindeltum charakterisiert sich fast stdS als Terrainschwindeltum 1 D>e Unternehmer spielen die Rolle der Geschobenen, die Terrainverkäufer dagegen die der Schieber. In Nixdorf, in Pankow , im Norden und Nordosten Berlins treiben diese .Terraingesellschaften" ihr Spiel. Sie haben ihre Gelände zu günstigen Preisen erworben und machen ftir diese Stimmung. indem sie ihren Strohpuppen durch Hintermänner 2000 bis 3000 Mark in die Hand drücken und sie als Käufer für Bauparzellen'auftreten lassen. Dann geben oder verschaffen sie ihnen Baugeld, bemessen dasselbe aber so karg, daß der„Unternehmer" mit Mühe und Not den Rohbau beenden kann. Um nun da? Manko auszugleichen, besorgen die Terrainjobber den Strohmännern Kredite, bei Stein-, Holz-, Mörtellieferanten, bei Fenster- und Türenfabrilen, bei Ofeubauem und Installateuren. Und diese Manipulationen bilden den Gipfelpunkt
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