i. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt.Nr. 49.Sonntag, den 26. Februar 1893.10. Jahrg.Die Ueberwachnngder schweizerischen Arbeiterschntz-Ge setze durch die Arbeiter.In mehreren industriellen Orten der Schwei, bestehen seitSohren von den organisirten Arbeitern bestellteKommissionen zum Zwecke der Ueberwockungder Arbeiterschutz. Gesetze, nämlich des eidgenössischenFobrikgesetzes, des Haftpflichtgesetzes und der in einzelnen Kan-tonen bestehenden kantonalen Gesetze zum Schutze der Arbeiterinnen,der Lehrlinge k. Solche Kommissionen sind bestellt worden inZürich, Winterthur, Basel, Schaffhausen und anderen Orten;d. h. anfänglich wurden diese Kommissionen resp. ihre Mit-glieder in lokalen Delegirtenversammlungen gewählt und mit demRechte der Selbstergänzung und-Erweiterung ausgestattet, wasdazu geführt hat, daß dem kleinsten Theile der organisirten Ar-beilerschast bekannt wird, wer der Kommission als Mitglied an-gehört. Die scheinbare.Fürchterlichkeil" der Ueberwachungs-konimission als»geheim wirkendes Vebmgericht" hat ihr« sehrnatürliche Ursache in dem Umstände, daß Arbeiter bei Bekannt-werden ihrer bezüglichen Thätigkeit in ihrer Existenz als ab«hängige Lohnarbeiter gefährdet wären.A-ie ihre Zusammensetzung ist naturgemäß auch ihre Thätig-keit eine geheime und stille, aber darum doch nicht unfruchtbareund unnütze. Darüber belehrt der soeben in Druck erschieneneBericht der Ueberwachungs. Kommission vonWinterthur und Umgebung, der die drei Jahre 1S901891 und 1892 betrifft. Die Kommission besteht gegenwärtig ausvier Mitgliedern; die ursprüngliche Absicht, aus jeder Arbeitsbranche und aus jedem größeren Geschäfte je einen Vertreter indie Kommission zu ziehen, scheiterte an der Schwierigkeit,solche Vertreter zu gewinnen, da die Einen anderweitigstark in Anspruch genommen sind und Andere wieder aus Furchtvor den Folgen nicht»in dem Ding sein wollen*, wie der Bericht sagt. Dagegen hat die Kommission im Hausflur des demGrütliverein gehörigen Hauses einen Briefkasten mit der Auf-schrift»UeberwachungS-Kommission* angebracht und sie hat auchdurch Mittheilung an alle Vereine und Gewerkschaften dafürgesorgt, daß die zirka bOltv Arbeiter und Arbeiterinnen, die inden Fabriken in und um Winterthur beschäftigt sind, von dieserEinrichtung Kenntniß haben, die denn auch fleißig benutzt wird.Ihre Einnahmen erhält die Kommission von den organisirtenArbeitern in der Weise, daß jede Organisation für jedes ihrerMitglieder jährlich 19 Cts.(— 8Psg.) entrichtet. Die Ausgabender Kommission bestehen in einer Entschädigung an die Mit-glieder der Kommission von je S0 Cts.(— 40 P g.) per Sitzung— es findet regelmäßig alle 14 Tage eine solche statt— undin den Baarauslagen des Schriftführers für Porti und Polizei-berichte, sowie für allfällige Drucksachen.Interessant sind die Mitlheilungen deS Berichte? über den»Verkehr der Kommmission mit den Behörden*.Der Bericht sagt darüber:Im Lause der Berichtsperiode ist im Kanton Zürichbetreffend die Durchführung der Fabrik- und Haftpflicht-Gesetzgebung eine wichtige und wohlthätige Neuerunggeschaffen worden, welche geeignet ist. die Thätigkeit derUederwachungs-Kommission wesentlich zu erleichtern. Esist dies die Errichtung der Stelle eines sogenanntenkantonalen Fabrikinspektors. Der Regierungsrathhatte in der Besetzung dieser Stelle eine sehr glück-liche Hand. Der betreffende Beamte, HerrHans Kern, behandelt die Klagen derKommission jeweilen in zuvorkommenderund gewiss enhafter Weis«, leitet einegenaue Untersuchung ein, verfügt sich,wenn nöthig, selbst an Ort und Stelleund erstattet uns jeweilen genauenBericht über die Art und Weife der Er-ledigung der betreffenden Angelegenheit.Auch zurErtheilung mündlicher undschrist-licher Rathschläge zeigte sich Herr Kernstets bereit. Wir wollen daher nicht unterlaffen, ihman dieser Stelle unsere Anerkennung und unfern Dankauszusprechen.Da wir unS bei unfern Klagen meist an Herrn Kernwandten, fo hatten wir in letzter Zeit weniger Gelegenheitmit dem eidgenössischen Fabrikinspeltor, Herrn Dr. Schuler,in Beziehung zu treten. Immerhin muffen wir hier kon-ftatiren, daß auch er uns bereitwillig entgegenkam und sichMuhe gab, sür Abhilfe der von uns gerügten Uebelständezu wirken. Da ihm aber leider keine exekutive Gewalt zuGebote steht, fo fanden feine Reklamationen nicht immerdie gewünschte Nachachtung.Reger war unser Verkehr mit den lokalen BehördenDie Eiadtpolizei Winterthur lieferte uns ziemlich regel-mäßig ein Verzeichniß der pendenten Ueberzeitdewilli-gungen, so daß es uns ermöglicht war, selbst eme gewisseKontrolle auszuüben. Die Stadtpolizei stellteaus unsere Veranlassung hin auch sonstwiederholt Nachforschungen an.'Der Bericht erklärt, daß die vom schweizerischen BnndeS-rath für gewisse Arbeiten ertheilte generelle lleberzeitbewilligungzu weitgehend sei und eine richtige Kontrolle sehr erschwere.Ferner sei es geradezu unmöglich, über die Z a h l der Arbeiter,welche über Zeit arbeiten, eine Kontrolle auszuüben, so daß es inder That sehr oft vorkomme, daß die Zahl der Arbeiter, fürwelche Ueberzeitarbeit bewilligt ist, ganz bedeutend, oft um dasDoppelte überschritten wird.Tie Kommission kam auch in die Lage, die Intervention derGesundheitskommission in Anspruch zu nehme», sowiesich wiederholt an das Bezirks st atthalteramt(Land-rathsamt) zu wenden,„welches unsere Klagen ebenfalls gebührendin Berücksichtigung zog*. Die Kommission beschwerte sich beidieser Behörde auch gegen eine Ortsbehörde wegen Pflicht-vernachlässiguna bezüglich der Ueberwachung der Ausführung derArbeilerschutz-Gesetze, welche Reklamation vom Statthalteramtfür begründet erklärt wurde.Vom kantonalen Fabrikinspektorat erhielt die Kommission einVerzeichniß sämmtlicher dem Fabrikgesetze unterstellten Firmen.Wegen übertrieben weitgehender Ueberzeitbewilligung mußte dieKommisston ebenfalls beim Fabrikinspektorat reklamiren.Die Kommission hat kurzgefaßte Rathschläge für die Arbeiterbezüglich Wahrung ihrer gesetzlichen Rechte veriabt. in Plakat-form drucken; aus Karton aufziehen und in allen Vereinslokalender Arbeiter aufhängen lassen. Dieselben dürften auch die deutschenArbeiter interessiren und lauten folgendermaßen:I. Verhalten bei Unfällen.A. Maßnahmen zur WiderHerstellung der Gesundheit.Man läßt sich von demjenigen Prwatarzte behandeln,den man für den besten hält, und g e h t nicht in dieKlinik, da der Hastpflichtige die Heilungskosten bezahlenmuß.B. Die rechtlichen und ökonomischen Maßnahmen.Der Verletzte selbst, oder, falls er es nicht im ständeist. seine Arbeitsgenoffen, merken sich die Namen der beimUnfall Anwesenden, sowie die näheren Verumständungen,damit bei der Untersuchung der Thatbestand leichtfestgestellt werden kann.Bei Körperverletzungen, die voraussichtlich eine Arbeits»Unfähigkeit von mehr als sechs Tagen zur Folge haben,und bei Tödtungen ist der Polizei durch den Arbeiter odereinen seiner Bekannten sofort Anzeige zu machen, falls diesnicht durch den Arbeitgeber geschehen ist. welcher hierzuverpflichtet wäre. Die Polizei hat über die Ursachen undFolgen des Unfalls eine amtliche Untersuchung einzuleiten.(Anzeigekarten können bei der Uederwachungs-Kommissionbezogen werden.)Der Verletzte läßt sich in k e i n e n V e r g l e i ch mitdem Arbeitgeber ein, bevor er sich mit einem tüchtigen,arbeiterfreundlichen Anwalt oder einem Mitglied derUederwachungs-Kommission besprochen hat, da er sonstleicht um sein gutes Recht gebracht werden kann.II. Uebertretungen der Arbeiter»schutz-Gesetze.Man schreibt die Thatsachen genau und deutlich auf.vergißt nicht, Ort und Zeit der Uebertretung anzugeben.sowie die Zahl der Ardeiter, welche dieselbe betrifft, unterschreibt die Beschwerde, läßt sie vielleicht noch von andernArbeitern, welche die Uebertretung ebenfalls bezeugenkönnen, unterzeichnen, legt dieselbe in den in der»Helvetia*aufgehängten Briefkasten der Uederwachungs-Kommission,welche die geeigneten Schritte thun wird, ohne hierbei dieNamen der Beschwerdeführer irgend wem bekannt zugeben.Die der Kommisston von den Arbeitern gemachten Anzeigenerwiesen sich bis aus wenige Ausnahmen als begründet. Es wärenur sehr wünschenswerth, daß die Anzeigen viel häufiger gemachtwürden, um den berechtigten Klagen der Arbeiter abHelsen zu können.„Es nützt nichts, wenn man für sich, im kleineren Kreise schimpft.Die Hauptsache ist, daß die Klagen zur Kenntniß der Behördenoder der Ucberwachungskommission kommen; dann kann die Sacheuntersucht und der Uebclstand beseitigt werden. Namentlich vonweiblicher Seite sind uns noch selten Anzeigen gemacht wordenund doch sind es gerade die weiblichen Arbeiter, die am meistenin ungerechter und ungesetzlicher Weise bedrückt werden.Auf der anderen Seite ist allerdings zu sagen, daß viele ansich gerechte Klage» nicht berücksichtigt werden können, weil unsereArbeiterschuy-Gesetzgebung immer noch nicht genügend entwickeltist. Pflicht eines jeden arbeitersreundlichen Menschen ist es daher,sür einen möglichst raschen und wirksamen Ausbau unsererArbeiterschutz-Gesetze nach Kräften einzustehen."Ter Bericht theilt aus den von der Kommission während derdreijährigen Periode behandelten Fälle von Uebertretung derArbeiterschutz-Gesetze nur auszugsweise mehrere derselben mitund zwar 12 betreffend unberechtigter Ueberzeit- und Sonntags-arbeit. S Unfallverhütungs- Einrichtungen und bauliche Vorkeh-rungen. 8 unrichtige Lohnauszahlungen und Trucksystem und fünfHastpflichtfälle. Hier näher darauf einzutreten, ivürde zu weitführen und wollen wir daher nur konftaliren, daß durch dasEingreifen der Kommisston schon mancher Uebelstand beseitigtund manche Beflerung sür die Arbeiter herbeigeführt wurde, sodaß ihre Thätigkeit ebenso erfolgreich wie gemeinnützig war undauch fernerhin sein wird.Am Schlüsse ihres Berichtes appellirt die Kommission andie Arbeiterschaft, ihr noch mehr in die Hand zuarbeiten, als dieS bisher geschehen und ihr nichtallein Fälle von Verletzungen bestehender Gesetze, sondernauch solche Beobachtungen mitzutheilen, welche den Erlaßweiterer Gesetze als wünschbar erscheinenlassen; in letzterem Falle wolle die Kommisston dafür sorgen,daß den Bedürfniffcn der Arbeiterschaft in den Gemeinde-,Kantons- und Bundesbehörden in richtiger Weise Ausdruck gegeben werde.Die ganze Thätigkeit der Arbeiterkommission ist ein Beweisdafür, daß trotz einer guten Fabrikinspeklion, trotz arbeiterfreund-licher, entgegenkommender Behörden die Arbeiterschutz-Gesetze vonden Unternehmern häusta verletzt werden und darum die Mit-Wirkung der Arbeiter bei Ueberwachnng der Arbeiterschutz-Gesetzeabsolut unentbehrlich ist. Der beste sachverständigeund allgegenwärtige Fabritinspektor ist derA r b e i t e r s e l b st'. r.Z>arlc»menksveriihke.Deutscher Reichstag.V2. Sitzung vom 2S. Februar 189g. 1 U h r.Am BundeSrathstische: v. Bötticher, v. Stephan,Hanauer, v. Marschall.Aus der Tagesordnung steht die dritte Lesung deS von demAbg. Rintelen eingebrachten Gesetzentwurfes, betreffend dieAbänderung des Strafgesetzbuches sür das DeutscheReich.Abg. Rintelen beantragt seinen in zweiter Berathung un-verändert angenommenen Antrag in folgender redaktionell ver-änderter Fassung anzunehmen:Einziger Paragraph.Der§ 69 deS Strafgesetzbuches für das Deutsch« Reich wirddurch nachstehende Bestimmung ersetzt:Die Verjährung ruht während der Zeit, in welcher auf grundgesetzlicher Vorschrift die Strafverfolgung nicht begonnen odernicht fortgesetzt werden kann. Ist der Beginn oder die Fort-setzung eines Strasverfahrens von einer Vorfrage abhängig, derenEntscheidung in einem anderen Verfahren erfolgen muß, slo ruhtdie Verjährung bis zu dessen Beendigung.Ist zur Strafverfolgung ein Antrag oder eine Ermächtigungnach dem Strafgesetz erforderlich, so wird der Lauf der Ver-jährung durch den Mangel des Antrages oder der Ermächtigungnicht gehindert.Nach kurzer Befürwortung dieser Faffung durch die Abgg.Rintelen und Hartmann wird der Gesetzentwurf ohne weitereDebatte definitiv angenommen.Es folgt die erste Lesung des Gesetzentwurfs zur Ergänzungder Gesetze, betreffend Postdampfschiffs-Verbindungenmit überseeischen Ländern von 1833 und 1387.Die Vorlage ermächtigt den Reichskanzler, gegen Wegfall derAnschlußlinie im Mittelländischen Meere und der da-ür ans-gesetzten Beibilse von 409 900 M. dem Unternehmer der Ver-bindungen mit Ostasien und Australien sür das Anlaufen vonNeapel jährlich 199 099 M. Beihilfe zu bewilligen. Für über-seeische Anschlußlinien darf ausnahmsweise eine Fahrtgeschmindig-keit von weniger als 1U/z Knoten im Durchschnitt gestattetwerden.Staatssekretär v. Stephan: Nach den bisherigen Er-fabrungen ist die besondere Anschlußlinie im Mittelmeer über-flüssig geworden. Dasür soll außer Genua noch Neapel an-gelaufen werden. Dieses Anlaufen erfordert jährlich 190 990 M.oder etwas mehr. Für die Reichekasie ergiebt sich einejährliche Ersyarniß von netto 399 999 M. Die Zweiglinienach Samoa soll fortfallen und durch eine an die ostafiatischeHaupllinie anschließende Zweiglinie von Singapore über Nieder-ländisch-Jndien nach Neu-Guinea ersetzt werden. Für diese Liniereicht man auch mit einer geringeren Geschwindigkeit aus. DerNorddeutsche Lloyd hatte bis 1999 den Anspruch auf Bewilligungvon jährlich 239 990 Mark für die Samoalinie. Er hat unsaber den erwähnten anderweitigen Vorschlag gemacht und wirsind daraus eingegangen. Weitere Ausführungen hierüberbehalte ich mir für die Debatte vor. Die Vorlage wird Ihnenvon den verbündeten Regierungen zur Annahme empfohlen.Abg. Bamberger(dfr.): Ich befinde mich in der angenehmenLage, der Vorlage zustimmend gegenüber zu stehen und habenur noch einige Desideria daran zu knüpfen. Es zeigt sichjetzt, wie recht wir hatten, als wir vor Jahren der Samoa-linie widerstrebten; es zeigt sich, daß diejenigen recht behalten,die von vornherein mit kühlerem Herzen diesen Dingengegenüberstanden. Vor 8 Jahren ist diese Linie beschlossenworden, und zwar nicht auf Vorschlag der Regierung, sondernauf Drängen gewisser Kreise der Bevölkerung, welche sich mit denunglaublichsten Illusionen dem Kolonialenthusiasmus hingaben.Alle diese hochgespannten Erwartungen, diese Berechnungen überdie Steigerung des Exportes nach Indien und Australien, nachChina und Japan sind zusammengebrochen; man ist ernüchtert.Die'Anschlußlinie wurde 1387 namentlich von den Süddeutschenmit Begeisterung gefordert, aber 3 kurz« Jahre haben genügt, umklar zu stellen, daß diese Linie nach Port Said überflüssig war,und daß die 499 999 M. pro nihilo ausgegeben sind. Jetztsollen wir 399 999 ersparen. Daß Samoa fallen soll, dagegenhabe ich nichts. Ich danke den Regierungen, daß sie gethanhaben, was ich und Richter schon vor 2 und 3 Jahren verlangt haben.Von der Linie nach Korea ist es auch wieder ganz still geworden.Dieses Projekt einer koreanischen Linie wurde aber lang« gehegt;noch 1837 wurde mir von Herrn v. Bötticher gesagt, die Liniesei noch keineswegs aufgegeben, man unterhandle noch mit derkoreanischen Regierung wegen der Wahl des Anlaufshafens.Sollten diese Unterhandlungen heute noch schweben(Große Heiter-keit links), so bin ich natürlich entsprechend der vom Reichstagegeübten Praxis durchaus nicht geneigt, dieselben durch vorlauteInterpellationen zu stören. Jedenfalls soll die Samoa-Linie ein-gehen und zwar deswegen, weil der Verkehr aus dieser Zweig-linie geradezu gleich Null gewesen ist. Warum nun aber dieneue Zweiglinie nach Neu-Guinea anstatt die 239 999 M. jährlicheinfach zu ersparen? Man will doch einfach der Neu-Guinea-Kompagnie eine Subvention zuwenden, und die Gesellschaft, diebisher das kostbare Privilegium der absoluten Unabhängigkeitbesaß, würde dieses Privilegium bei dieser Gelegenheit ein-büßen. Auf Neu-Guinea giebt es ja noch gar keinen Handel,jedenfalls nicht mit deutschen Waaren. Man führt nun ferneran, daß die Linie ja den Verkehr mit Ostindien fördern solle. Ichgebe ohne Weiteres zu, daß die Linie so schlecht wie die Samoa-Linienicht ist. Der ganze Vorschlag aber ist ein Kind der Verlegen-heit, wie man die 239 999 M. unterbringen sollte, wenn mansie dem Bremer Lloyd nicht entziehen wollte. Der Bremer Lloydhat Jahr für Jahr an den subventionirten Linien zugesetzt: ichbin also ganz damit einverstanden, wenn man glimpflich mit ihmoerfahren will. Die Ersahrungen mit den durch Reichsgelderunterst..tzten Linien nach Ostasten und Australien sind einfachgreulich; das hat der Staatssekretär selbst zugegeben, und wenner es auch nicht zugegeben hätte, die Zahlen sprechen zu deutlich.40 Millionen sind schon aus Reichsmilteln hingegeben worden.Bremen hat mit der Subvention für 16—17 Millionen Markjährlich Güter nach Australien exportirt; Hamburg ohne Sub-vention dagegen für 69 Millionen! Hamburg hat also die vondem Reiche unterstützte Rivalität von Bremen, nachdem eS sichvom ersten Schreck erhol! halte, bald wieder überwunden. Unerklärlichbleibt, woher damals der große Enthusiasmus gekommen ist. Auchder so erfahrene H. H. Bieier, den ich darum befragte wußte mir keineAntwort zu geben, als daß man sich damals schmeichelte, daßder ganze Passagierverkehr aus die neuen deutschen Linien über-gehen würde. Aber diese Erwartung hat sich absolut nicht erfüllt,die Passagiere, namentlich die der besseren Kajüten, blieben densranzösischen und englischen Linien treu, und nur das Aus-Wanderungskontingent haben die deutschen subventionirten Linienvermehrt. Wenn man die Samoalinie eingehen läßt, werdenwir dann auf halbem Wege flehen bleiben? Warum nicht denRest der ganzen subventionirten Linien dem Bremer Lloyd ab»nehmen? Man sollte doch einfach den Lloyd abfinden und brauchtedie Entschädigung keineswegs gering zu bemessen; der Gewinnsür das Reich würde immer noch ein ganz unverhällniß mäßigersein. Ich glaube, dem Hause und den verbündeten Regierungenempfehlen zu sollen, diesen Weg auf seine Gangbarkeit zu prüfen.Auch ist die Vorlage so einfach, daß sie wohl un Plenum weiterderathen werden kann.Staatssekretär von Stephan: Ich könnte dm Zahlen deSM>g. Bamberger andere mtgegenstellen, halte das aber fürüberflüssig. Die Exportzahlen allein thun's nicht;«S kommt jaeben nur der große indirekte Vortheil in Betracht, den dernationale Gedanke durch diese deutschen Schiffsverbindungen erlangt hat. Wir sind von den vermittelnden Staaten bezüglichder Postoerbindung und der direkten Korrespondenz unabhängiggewordm. Rechnet das Herr Bamberger für garnichts? Wennwir es erst erreicht haben werden, vierzehntägige Fahrten ein-zurichten, werden diese Vorlheile sich noch viel greifbarer dar-stellen. Auch bedenkt Herr Bamberger den staatswirthschaftlichenVortheil nicht, den diese Unternehmungen dadurch mit sich ge-bracht haben, daß sie kolossale Kapitalien in Umlauf setzten. DerBremer Lloyd hat allein in sechs Monaten für Q'/t MillionenSchiffe bestellt. Sollte es da nicht berechtigt sein, auch derHunderte von armen Arbeitern zu gedenken,. welche auf dieseWeise Arbeit bekommen? Ein Sturm des Unwillens würde ent-stehen, wenn man das ganze Unternehmen über Bord werfenwollte. Ich bin sest überzeugt, daß der Reichstag sich nichtdaraus einlassen wird. Wir wollen hier nur einen trockenen Astabsägen, um den Baum sonst kräftiger wachsen zu lassen. England,Frankreich, Nord- Amerika zahlen viel mehr an Subventionen;das kleine Holland fast ebenso viel wie das große Deutschland.Die abiällige Kritik über Neu-Guinea ist wohl nicht ganz ernstzu nehmen. Wenn Sie Nen-G»inea nach 199 Jahrm sehen(Große Heiterkeit), werden Sie anders urtheilen.Abg. Graf Hoensbroech(Z.): Wir halten doch die Vor-berathung der Vorlage in einer Kommission für geboten. Füruns kommen die Interessen der christlichen Mission, wie fle inunseren Kolonien sich ctablirt haben, in Betracht. Sie erfreuensich ja auch des Wohlwollens der verbündeten Regierungen, dochbleibt in dieser Beziehung noch manches zu wünschen. Vielfachsind Missionsstationen schwer geschädigt worden, Missionarehaben an Gesundheit und Leben Nachtheil erlitten, nur weil esan guten Verbindungen mit dem Mutterlande fehlte. Vielleichtgiebt der Staatssekretär noch eine Darstellung von der Bedeutungder Mission in Neu-Guinea. Ich beantrage die Verweisung derVorlage an die Budgetkommission.Direktor der Kolonialabtheilung Geh. Nach Kayser: AufNeu-Guinea befindet sich eine von Australien versorgte Missions-gesellschaft; dann war noch eine Misston vom s&crö coeurim Bismarck-Archipel. Erst mit dem Nebergang auf dieKompagnie haben deutsche Missionen sich dort anfgethan