die politische Engherzigkeit des Zentrums. Es Eehngt den ultra« montanen Biedermännern schon nicht, daß die Arbeiter von dem geringen Recht Gebrauch machen, das ihnen durch daS auch für die Gemeinden geltende Dreiklassenwahlsystem gegeben ist. Das nennen sie einen Angriff auf ein.wohlgegründetes natürliches Recht", und wenn die Arbeiter sich an den Wahlen beteiligen und einige fette Bauern aus ihren Mandaten drängen, so heißt da».Streit und Unfrieden in die Gemeinde hineintragen". Aus diesem Verhalten kann man schließen, wie gering die Neigung des Zentrums ist, für die Erweiterung der politischen Rechte der Arbeiter zu wirken.— Freisinniger Terrorismus. Tie„Freisinnige Zeitung" schreibt: „Ter auf dun Boden der Freisinnigen Vereinigung stehende Liberale Verein in Steglih kündet in dem Organ der Barthiancr politische Diskussionsabende an, an denen auch Paria- mentarier teilnehmen Iverden. Als Vorsitzender des Vereins wird der frühere Ober st Gädke angegeben. Dieser Herr hat sich aber vor einiger Zeit, wie in einer demokratischen Versammlung in Schöneberg mitgeteilt wurde, der neuen Partei des Herrn Dr. Warth angeschlossen, und es ist daher die Frage nicht unberechtigt. wie sich seine Zugehörigkeit zur Bartb-Partei mit dem Vorstandsamt eines Vereins der Frei- sinnigen Vereinigung verträgt? Oder vielleicht mutz die Frage korrekter lauten: Wie denkt die Parteileitung der Freisinnigen Bereinigung darüber, datz der Vorsitzende eines Vereins ihrer Partei der neu gegründeten Partei des aus der Freisinnigen Vereinigung ausdrücklich ausgetretenen Herrn Dr. Warth angehört?" Wer sich nicht fügt, fliegt— schreibt die„Freisinnige Zeitung" jedesmal, wenn wir Sozialdemokraten jemanden ausschließen, weil cr bei der Wahl für einen Gegner gestimmt hat oder sonst gcgne- rische Parteien begünstigt, und sie stimmt dmm regelmäßig ein wahres Wolfsgcheul über sozialdemokratischen„Terrorismus" an. Sie selbst tritt aber nicht nur gegen Mitglieder der eigenen Partei im gleichen Fall ebenso auf, sondern— wie Figura zeigt— sogar schon gegen Mitglieder einer befreundeten Partei. lllnd so dokumentiert sich jeden Tag aufs neue, mit welch unglaub- licher Verlogenheit und Heuchelei dieses Blatt„öffentliche Meinung" macht._ „Demokratische " Sorgen. t Im„Berliner Tageblatt" zerbricht sich ein Justizrat den Kopf darüber, wie man Frau Dr. Schulz, die ihr Doktorexamen rite gemacht hat, von einer Frau unterscheiden könne, die, ohne sich je mit irgend einem Studium befaßt zu haben, einen Dr. Schulz geehelicht hat. Beide würden doch„Frau Dr. Schulz" genannt. Als wir das nur im„Berliner Tageblatt" gelesen hatten, waren wir von der Wichtigkeit der Sache noch nicht vollkommen überzeugt. Ja, wir glauben sogar— in einer jetzt uns selbst unbegreiflichen Ketzerstimmung— daß die Demokratie, auch die bürgerliche, wich- tigeres zu tun habe, als solchen Titelschmerzen nachzusinnen. Aber wir sind kuriert, und das gründlich. Wir sehen jetzt ein, daß hier ein bedeutungsvolles Problem vorliegt. Denn inzwischen ist ein noch„entschiedener" liberales Blatt gekommen, nämlich die von dem demolratisch-vereinigten Herrn v. Gerlach redigierte„Welt am Montag", und hat die Oeffcntlichkeit in dankenswertester Weise über die Bedeutsamkeit dieser Titelfrage aufgeklärt. Sie klagt: „Es besteht eben immer noch in weiten Kressen des Publi- kums der greuliche Unfug, die Frau mit dem Titel ihres Mannes zu belegen. In England, in Frankreich , kurz in jedem anderen Kulturland würde man jeden für einen Rarren an- sehen, der eine Frau nur um deswillen als„Frau Doktor" an- redete, weil sie einen Doktor geheiratet hat. Die deutsche„Sitte" ist weiter nichts als eine blöde Unsitte, die eine un- würdige Auffassung des Verhältnisses beider Geschlechter zu einander darstellt und zur Degradier ung der Frauen führt, die auS eigener Kraft einen Titel erworben haben. Um dem abzuhelfen, dazu braucht man keine juristischen Künsteleien, sondern lediglich die Erziehung des Publikums zu dem einzig vernünftigen Grundsatz: man rede die Frau mit dem Titel an, der ihr gebührt, und nicht mit dem, der nur ihrem Mann zusteht." Ein erleichterndes Aufatmen wird nun sicherlich durch die ganze bürgerliche Demokratie gehen. Das heißt einmal mann- Haft gesprochen! Das ist endlich eine Tat, eine befreiende Tat, eine-- demokratische Tat! Noch nie hat die bürgerliche Demokratie derer um Barth so sehr dkS Nstwendtgkeit ihrer Ezrstenz bewiesen wie dieses Mal.— Der Geschäftssegen des Katholikentages. Die Düsseldorfer Ortsgruppe der Deutschen Mittelstands- Vereinigung hat für die Borbereitung und Ausschmückung des Katholikentages 200» Mark gespendet. Darüber ärgert sich die „Deutsche VollSpost", daS Organ der Deutschen Mittelstands- Vereinigung; daS Blatt hält jene Spende. der Düsseldorfer Mittelständler für um so unangebrachter, als der Katholikentag außer einer „trübwässerigen Resolution" nichts für den Mittelstand geleistet habe. Darauf muß sich das mittelständische Organ von dem ultramontanen Aachener„VolkSfrcund" vorrechnen lassen, daß die kleinen Geschäftsleute aus dem Mittelstande an dem Düsseldorfer Katholileutage mindestens ihre halbe Million der- dient haben.—_ Die Handhabung des ReichSvereinsgesetzes. Die„Germania " weiß wieder einige Musterleistungen bei der Handhabung des Vereinsgesetzes durch die preußische Polizei zu, be- richten: „Die Polizeiverwaltung in Wanne i. W. wendet das neue Vereinsgesetz mit aller Strenge sogar gegen kirchliche Bereine an. Durch eine Verfügung vom 2. August d. I. wurde die dortige polnische Rosenkranz -Bruderschaft zum politischen Ver- eine gestempelt, demzufolge sie dem Z 3 des neuen Vereinsgesetzes unterliege und ihre Statuten der Polizeibehörde vorlegen sowie die Vorstandsmitglieder anmelden müsse. Diesem rigorosen Bei- spiele ist nunmehr die Polizeiverwaltung in Bochum gefolgt, die sämtliche polnischen Vereine u.a. sogar den Antialkohol» verein, als politische angesehen und unter§ 3 gestellt hat." Wer die preußische Polizei kennt, konnte diese Entivickelung vor- aussehen._ Kadavergehorsam! Mit einem bemerkenswerten Falle beschäftigte sich jetzt das Oberkriegsgericht in Dresden , vor welchem der G r e- nadter Neudeck vom 101. Grenadlcr-Regiment wegen B e- harren im Ungehorsam und Achtungsverletzung vor versammelter Mannschaft stand. Der Angeklagte befand sich in der Nacht zum 18. Juli aus Wache und sollte um b Uhr früh ablösen. Kurz vorher war er jedoch eingeschlafen und überhörte daher den Befehl des Wachthabenden Patronen zu fassen. Erst nachdem er von Kameraden durch Zurufe wach gemacht worden war, stand er auf und hörte gerade wie der Unteroffizier den Befehl zum drittenmal erteilte. Er ging zum Unteroffizier ukn die Patronen in Empfang zu nehmen, dies soll aber der Angeklagte in langsamer, lässiger und unmilitärer Weise getan haben.„Zurück, schneller kommen" rief ihm der Unteroffizier zu. N. kam diesem Befehl so gut er konnte nach, aber dem„Herrn Unteroffizier" gefiel der Gang noch nicht und er befahl dein Soldaten, im Laufschritt zu ihm zu kommen. Diese» Befehl konnte der Angeklagte nicht ausführe», weil ihm das linke Bein eingeschlafen war, ging aber so schnell wie es ihm möglich war zum Unteroffizier. Letzterer faßte die ganze Sachs als eine ungeheure Disziplinverletzung aus und erstattete Meldung. Vor dem Kriegsgericht machte der Angellagte geltend, daß er den Lauf- schritt nicht machen konnte, weil ihm ein Bein eingeschlafen war. Dieses verurteilte ihn unter teilweiser Freisprechung wegen des UN- ausgeführten Laufschrittes zu— 43 Tagen Gefängnis! DasGerichthatin den ersten beiden Anklagepunkten angenommen, daß der Angeklagte in Schlaftrunkenheit gehandelt hat, aber den Einwand, daß die Beine eingeschlafen gewesen seien, nicht gelten las senil Gegen das Urteil hat der Eerichtsherr Berufung eingelegt. Ihm ist die Strafe zu niedrig fl). Auch der Angeklagte hat Berufung eingelegt. Er ivill freigesprochen werden, weil er beim besten Willen keinen Laufschritt hätte machen können. DaS Ober- kriegsgericht hat aber beide Berufungen verworfen. Es bat alS erwiesen angenommen, daß dem Angeklagten ein Bein eingeschlafen war, doch hätteer trotzdem schnellerlaufen könne«!! Die Zoll- und Steuerstraffälle im Rechnungs - jähre 1907. Nach der im dritten Vierteljahrshefte zur„Statistik des Deutschen Reiches" veröffentlichten Statistik über die Zoll- und Steuerstraffälle sind im deutschen Zollgebiet während des Rechnungsjahres 1907 im ganzen 33 919 Straffälle gegen 27 848 im Vorjahre wegen Uebertretung der Zoll- und Steuergesetze sowie der Ei»-, Ans- und Durchfuhrverbote anhängig geworden und 33 380 Straf- fälle haben gegen 27 074 im Vorjahre ihre Erledigung gefunden. Wegen Hinterziehung oder Einschwärzung wurden im Rechnungsjahre 1907: 14 011 Personen zu Geldstrafe verurteilt, darunter 38 Personen zusätzlich mit Freiheitsstrafe, gegen 12 3S6 und 49 Personen im Vorjahre. Die bei den Hinterziehungen oder Einschwörzungen hinterzogenen einfachen Gefälle beliefen sich auf 9016(3,30 M. gegen 93 055,62 M. im Vorjahre. Wegen Ordnungswidrigkeit wurden 16 964 Personen bestraft, im Vorjahre 12 588 Personen; 2 Personen wurden zusätzlich mit Freiheitsstrafen belegt. Der Betrag der wegen Ordnungswidrigkeit festgesetzten Geldstrafen stellte sich auf 74 038 M. gegen 50 339 M. im Vorjahre. Wegen Bandenschmuggels und Mitführen von Waffen behufs Widerstandes gegen die zur Wahrnehmung �deS Zollinteresses verpflichteten Beamten wurden in 24 Fällen gegen 53 Personen ver- schärfte Strafen nebst zusätzlicher Freiheitsstrafe verhängt; im Vor- jähre gegen 36 Personen in 21 Fällen, Beim Zusaminentreffen zwischen Zollaufsichtsbcamten und Schmugglern sind weder.Aufsichts- beam'te noch Schmuggler körperlich verletzt worden.— Ocltcrmch. Verurteilte Anarchisten. Brüx , 6. September. (Gig. Ben) Hier fand heute bor dem Schlvurgericht eine Verhandlung gegen zivei Mitglieder der kürzlich aufgelösten anarchistischen Organisation„CosK» federace usech odbaru" wegen anti militari st ischer Propaganda statt. Die Angeklagten Nowak und F r a n e k hatten im Dux-Ossegger Kohlengebiet an den Assentierungen heltographierte Flugzettel angeklebt, in denen sie die Assentierten aufforderten, dem Staate, dem Militarismus und dessen Organen den Gehorsam zu verweigern. Auf den Flugzetteln waren überdies antikapitalistische und antimilitaristische Karikaturen sichtbar. Die Angeklagten bekannten sich als„theoretische Anarchisten' und wurden nach durch- geführter Verhandlung Nowak zu 14 Tagen und F r a n e k zu vier Wochen Arrest verurteilt.— Wegen derselben Sache— es hatte sich auch ein S o l d a t an der Herstellung der Flugzettcl beteiligt— war dieser, der Infanterist Trejbal, zu sieben Jahren Festung und drei Jahren Kerker verurteilt worden. Trejbal hatte die Flugzettel auch in die Kaserne ein- geschmuggelt. Schweiz . Wassilieffö Schicksal. Ueber Wassilieff, der auf Beschluß des schweizer Bundesgerichts bekanntlich an Rußland ausgeliefert wurde, wissen schweizerische Blätter folgendes mitzuteilen: Nachdem Wassilieff wieder dem Untersuchungsrichter in Pensa zur Verfügimg stand, hat dieser angeordnet, daß das Verfahren da wieder aufgenommen werde, wo eS seinerzeit stecken geblieben. Wassilieff war, bevor er nach der Schweiz kam, aus dem Gefängnis in eine Irrenanstalt gebracht, um auf seinen Geisteszustand untersucht zu werden. Dasselbe sei auch jetzt wieder geschehen. frankretch. Antimilitaristisches. Paris » 6. September. Anläßlich der bevorstehenden Ein- stellung der Rekruten wird das antimilitaristische Blatt „Voix de Peuble' eine Spezialnummer veröffentlichen, worin die Rekruten aufgefordert werden, leinen Gebrauch ihrer Waffen gegen ihre Landsleute im Falle von Ausständen zu gebrauchen. Snglanck. ArbeitSlosen-Demonstration. Glasgow , 6. September. Nach einer Versammlung, in der heftige Reden gehalten»vorden waren, versuchten etwa zweitausend arbeitslose Sozialisten in die Kathedrale einzudringen, gerade als der Nachmittagsgottes- dienst beginnen sollte. Die Polizei, die gewarnt worden war, war in großer Stärke zugegen und Med die Menge mit ihren Knütteln zurück, wobei mehrere Ruhestörer ernstlich ver- letzt wurden.—_ Für de» Frieden. London , 7. September. Balfour erklärte in einem Interview über die deutsch -englischen Beziehungen, er sei über- zeugt, daß es in England keinen Parlamentarier und keine Partei gäbe, welche Deutschland angreifen wolle, ebenso sehe er, ganz abgesehen von moralischen Gründen nicht ein, welche Interessen Deutschland bestimmen sollten, einen Angriff auf England zu unternehmen. Rußland. DaS Verbot der Tolstoi -Feier. Petersburg, 6. September. Der Erlaß des Heiligen ShnodS .betreffend das Verbot der Tolftoi-Feiern bildet das Haupt- thema der gesamten russischen Preffe.„Nowoje Wremja" sagt: Die Ehrung gilt nicht der theologischen Tätigkeit Tolstois, sondern der Persönlichkeit des großen Mannes und seinen gewalligen künst- lerischen Schöpfungen. Alle Russen, auch die eifrigsten Orthodoxen können mit ganzer Seele den Festtag der russischen Literatur feiem.— Der oktobristische„GoloS Prowdy" schreibt, der Verzicht auf eine Feier Tolstois wäre ein nationaler Selbstmord.—„Rjetsch" meint: Der Synodalerlaß wird einen tiefschmerzenden Widerhall bei allen finden, denen der Ruhm und die Würde Rußlands teuer ist.— .Slolvo" schreibt: Der Shnod verletze das russische National- gcfühl; eine Folge des Erlasses werden zahlreiche Austritte aus der Kirche sein.—„Ruß " sagt eine neue Spaltung inner- halb der russischen Kirche voraus.—„Sowremennoje Slowo" schreibt: Der Shnod sagte fich von der russischen Kirche los. er trennte sich damit vom Vaterlande.— Die extremrechte„Rutzkoje Snamja" allein billigt den Erlaß und nennt Tolstoi den Ab- gott der Anarchisten, der die Verachtung aller echt russischen Leute verdiene.—_ Aus Veto dunkelsten Rußland . ES ist eines der beliebtesten Argumente der journalistischen Klopffechter der russischen Regierung, die Schilderungen der»russischen Greuel" seien übertrieben und in Wirklichkeit sei alles in schönster Ordnung. Als interessante Illustration zu dieser„Ordnung" kann nachstehender offizieller Bericht des Chefs der Sanitäts- abteilung derJekaterinoSlawer Gouvernementslandschaft, W. Spaßky, dienen, in welchem die Ergebnisse einer gründlichen Revision des Lugansker Gefängnisses geschildert werden. Wir geben hier das wesentlichste aus diesem Bericht ohne welchen Kouunentar wieder. DaS Lugansker Gefängnis, das im ganzen auf 134 Personen berechnet ist, besaß zur Zeit der Revision 894 Insassen. Gewöhnlich steigt aber diese Zahl auf 432. In den Einzelzellen, die nach ihrem Rauminhalt bloß für eine Person berechnet sind, sitzen je 5 bis 6 Personen. In mehr als der Hälfte aller Zellen werden die Fenster nicht geöffnet und die Räume absolut nicht gelüstet. Wenn in Betracht gezogen wird, daß in den meisten Zellen Schwer- kranke daniederliegen, so kann man einen Begriff gewinnen, in welcher Atmosphäre die Gefangenen weilen müssen. Im Bericht heißt es hierüber wie folgt:„Die Lust ist in den meisten Zellen so drückend, stinkend und dumpf, daß man beim Eintritt buchstäblich dem Erbrechen und einem Ohnmachtsanfall nahe ist... Die Aborte verpesten die Luft im ganzeil Gefängnis, trotzdem zur Zeit der Revision Spuren einer verstärkten Säuberung bemerkt werden konnten". Die Leibwäsche der Gefangenen macht einen ekelerregenden Eindruck:„Eine offizielle Persönlichkeit hatte festgestellt, datz die Leibwäsche von Weih- nachten bis Mai nicht gewechselt wurde". Das Gefängnis- lazarett ist überfüllt, aber nicht alle Kranke liegen in Betten. Viele liegen auf dem nackten Fußboden oder auf nackten eisernen Bettrahmen Zu gleicher Zeit wurden während der Revision 500 ungebrauchte Matratzensäckc und eine große Anzahl von Wäsche und Sommerkleidung im Zeughause entdeckt. Die Ernährung der Gefangenen wird im Bericht als.völlig ungenügend" bezeichnet.„In dem Moment, da die Revision stattfand, fastete das Gefängnis bereits den dritten Tag". Die Organisation der medizinischen Hilfe klingt nach den Worten des Berichtes wie„bitterer Hohn". Hierzu kommt noch die unmenschliche Haltung der Administration. Die Gefängnis- administration— so lesen wir im Bericht— kannte bloß ein Ziel: die Disziplin im Gefängnisse, die angeblich geschwunden war, wieder aufzurichten. Von Kleinigkeiten angefangen trat überall nicht einfach rauhe Disziplin sondern Grausamkeit zutage... Wie bittere Wahrheit klangen darum die Worte eines Gefangenen:„Wer bereits auf der sibirischen Katorga gewesen ist, sehnt sich jetzt dorthin"... Auch ein Fortschritt. Petersburg, 7. September. Auf Antrag StolypinS beschloß der Ministerrat, wegen eingetretener Ruhe den Kriegszustand in Finn- land aufzuheben und durch den Zustand des verstärkten Schutzes zu ersetzen. OrKet. Das jungtürkische Wahlprogram». Paris, 7. September. Das„Echo de Paris" meldet anö Konstantinopel , das Wahlprogramm der jung- türkischen Partei enthalte u. a. folgende Punkte: Mit allen Mitteln soll die Durchführung der Verfassung be- gründet und die nattonale Souveränität durchgesetzt werden. Ferner wird verlangt Einführung der V e r s a m m l u n g s- f r e i h e i t, Ausdehnung der Kompetenzgrenzen der Vilajets, Erteilung des Wahlrechtes an alle ottomanischen Untertanen über 21 Jahre, ohne Unterschied ihrer sozialen Lage.—_ GemeinderatSwahlen. Konstantinopel , 6. September. Die Wahlen für den G t- meinderat der Vorstadt Pera fanden gestern statt. Gewählt wurden 7 Griechen, 3 Muselmanen und 2 Armenier. Eine Anzahl Türken stimmten für die Griechen. Beamtcndemonstratione«. Konstantinopel , 6. September. 200 Beamte des Unter- richtsministeriums demonstrierten gestern vor der Hohen Pforte, weil der Unterrichtsminister von 450 Beamten 350 ent- lassen hatte. Der Grotzwesir versprach die Angelegenheit zu untersuchen. Diese Antwort befriedigte aber keineswegs und die Demonstrationen werden daher fortgesetzt. Morgen wird daS ge- samte Schulpersonal in den Streik treten. Abberufung der Offiziere. Konstantinopel , 6. September. AIS erste unmittelbare Folge der Salzburger Entrevue zwischen dem österreichischen und italienischen Minister des Auswärtigen kann, wie der Konstanttnopeler Kor- respondent der„Frankfurter Zeitung " von autoritativer Seite er- fährt, die Abberufung aller österreichischen und italienischen Offiziere in Mazedonien gelten. Diese wird in die Form eines unbestimmten Urlaubs gekleidet. Ein italienischer Offizier ist bereits in dieser Form beurlaubt worden. Von de» österreichischen Offizieren befinden sich noch 10 in Mazedonien . Keine' Preßfreiheit. Konfiantinopel, 7. September. Gegen drei politische Blätter sowie gegen ein Witzblatt wurde wegen ihres„auf- reizenden" Inhalts sowie wegen Beleidigung deS OsfizicrkorpS das gerichtliche Verfahren eingeleitet.-- perllen. Die Kämpfe i» TäbriS . London , 7. September. Wie ein hiesiges Blatt aus TäbttS meldet, wurde vorgestern eine auf Ersuchen der llntiroyalisten durch Vermittelung des englischen VizekonsulZ einberufene Versammlung von Führern der Antiroyalisten und Abgesandten Am ed Daulehs abgehalten. Beide Parteien schienen eine Verständigung herbeiführen zu wollen. Ein späteres Telegramm aus TäbriS besagt, trotz der sVer. sichcrungen Am ed Daulehs, daß während der Verhandlungen die Feindseligkeiten eingestellt werden würden, hätten seine Anhänger nachts die große Stadtkarawanserei geplündert. Infolge dessen hätten die Antiroyalisten daZ Geschlltzfeuer wieder er- öffnet, das bis zum Anbruch der Nacht fortgesetzt worden sei. Marokko. Die Verhandlungen. Paris , 7. September. Die Aenderung, welche in Ge.« Sebastian an dem von Frankreich entworfenen Text der f r a n- zösisch-spanischen Note vorgeschlagen wurde, bedingt nach vem„Matin" eine neuerliche Verzögerung der Absendung jener Note an die Mächte. Die französische Regierung ersuchte mehrere ihrer Botschafter und Gesandten, ihren Urlaub zu unter- brechen und im Hinblick ans die in allen Hauptstädten bevorstehenden wichtigen Verhandlungen über die Modalitäten der Anerkennung Mulay Hafids sich auf ihre Posten zu begeben. Der Abschluß deS in der französischen Note vorgesehenen UebereinkoinmenS über eine entsprechende Versorgung deS bisherigen Sultans Abdul Asis dürfte, wie mau hier annimmt, in nicht allzu langer Frist zustande kommen. Die Vertrauensmänner von Abdul Asis. El Molri und Bu Kili sollen heute in Tanger mit El Menebbi die Verhandlungen über jenen Punkt beginnen.—
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten