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Nr. 56.

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin : Vierteljährlich 3,30 Mart, monat­lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit dem ,, Sonntags: Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3 bis 7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106.

Berliner Bolksblatt.

Bentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Arbeiterschuh- Geleh­

Sonnabend, den 7. März 1891.

von Neuem eingebrachte Bill auf Einführung des acht­stündigen Maximal- Arbeitstages, die aber vorläufig noch

Reformen in England. teine Aussicht auf Annahme haben, und weiter soll sich

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I.

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Expedition: Beuth- Straße 3.

deutet jede Lokalität, jedes Zimmer oder jeden Platz, der nicht eine oder Fabrik Werkstatt im Sinne des ( Fabrik-) Gesetzes ist, und in dem drei oder mehr Personen, ob mit einander durch Blutsverwandtschaft oder Heirathen verwandt oder nicht, irgend welche Handarbeit gewerbsmäßig oder zum Zweck des Ver­Dienstes verrichten, die den nachfolgenden Zwecken dient oder mit ihnen in Verbindung steht, das heißt Arbeiten:

a) behufs oder in Verbindung mit der Herstellung irgend eines Gegenstandes oder des Theils eines Gegenstandes; b) behufs oder in Verbindung mit der Umarbeitung, Aus­besserung, Verzierung oder Fertigmachung eines Gegen­standes;

c) behufs oder in Verbindung mit der Zurichtung eines Gegenstandes für den Verkauf.")

,, Ein Raum ist eine häusliche Werkstätte, gleichviel ob die Arbeit verrichtet wird in einem Privathaus oder in einem Zimmer oder Plak darin, der, obwohl zu Wohnzwecken ver­wendet, zugleich zur Ausübung irgend einer Arbeit im Sinne dieses Gesetzes benutzt wird, und in dem weder Dampf, Wasser, noch eine andere mechanische Kraft bei dem darin vorgenom menen Arbeitsprozeß verwendet wird.**)

Ausgenommen jedoch, daß ein Raum keine häusliche Wertstätte ist, in dem die Arbeit in unregelmäßigen Zwischen­räumen verrichtet wird oder weder den ganzen noch den hauptsächlichsten Lebensunterhalt der darin Arbeitenden liefert." ( Auch dieser Satz ist, weil zu auslegungsfähig, nicht unbe­denklich.)

Auf die so bezeichneten häuslichen Werkstätten sollen

neben der Kommission zur Berathung der Frage der Arbeitszeit der Eisenbahn- Angestellten Sieht man von der Frage der Arbeitszeit der er jetzt noch eine zweite Kommission mit der Frage der wachsenen männlichen Arbeiter ab, so ist die englische Schlichtung von Konflikten zwischen Unter Fabrifgesetzgebung so ziemlich die vorgeschrittenste der Welt. nehmern und Arbeitern beschäftigen. Die Triumphirend konnten die englischen Blätter bei Besprechung Arbeiterfrage steht in der That auf der Tagesordnung. der Beschlüsse der Arbeiterschutz- Konferenz in Berlin darauf Von all den Anträgen ist sicher derjenige der wich­hinweisen, daß dieselben zwar sehr lobenswerth, aber tigste und für uns interessanteste, der die weitgehendste in England längst durchgeführt seien. Woraus der Phi- Neuerung enthält, den Wirkungskreis der Arbeiterschutz­lifter den Schluß zog, daß nun die anderen Länder erst Gesetzgebung am Einschneidendsten auf neue, bisher von nachzukommen hätten, bevor England einen weiteren Schritt ihr nicht getroffene Elemente ausdehnt: der Antrag Sidney vorwärts zu machen brauche.. Burton. An ihn schließt sich in bedeutend gemilderter Indeß die Entwickelung der Dinge kümmert sich nicht Form der Antrag des Lord Dunraven. Beide behandeln um die Meinungen des Philisters. Die Arbeiterfrage steht nämlich das Schwitzsystem und die Hausindustrie. Der in England auf der Tagesordnung und wird sobald nicht Antrag James dagegen behandelt nur Mißstände in der wird überhaupt nicht mehr von ihr abgesetzt werden. Fabrikindustrie, und zwar der Industrie seines Wahl­Die Arbeiter sind seit der Wahlreform von 1885 die freises( Bury) in Lancashire ), der Textilindustrie, Herren von England geworden sie herrschen zwar nicht während der Gesetzentwurf des Ministers, wie zu er im buchstäblichen Sinne des Wortes, aber sie bestimmen warten der zahmste, fast nur Sanitätsvorschriften enthält. das Schicksal der Parteien. Das Arbeitervotum bekommt Gehen wir die Entwürfe der Reihe nach durch. Der mit jedem Tage größere Bedeutung, und diejenige Partei, Antrag Sidney Burton hat in der Hauptsache das die sich dasselbe sichert, ist des Sieges bei den nächsten Schwitzsystem im Auge. Herr Burton ist Parlaments- also alle Vorschriften ausgedehnt werden, die sich auf die großen Wahlen gewiß. Daher auf allen Seiten des mitglied für Peplar, einen Wahlbezirk im East End von Fabrikhygiene( Reinhaltung, Vermeidung von Ueber­Parlaments das Bedürfniß, etwas für die Arbeiter zu London , wo das Sweating System am verbreitetsten ist. füllung 2c.) beziehen. Es sollen aber auch alle Ausnahmen thun: bei der Regierung und bei der Opposition, im Haus Er hatte daher Gelegenheit, es gründlich kennen zu lernen. in Wegfall kommen, die bis jetzt in Bezug auf die Ar­Gemeinen" wie im Haus der Lords. Und so sehr Die Schwierigkeit, dem Sweating System, d. h.. der beitsstunden für Werkstätten galten, wo Frauen, die Konkurrenz der Länder mit ungenügendem Arbeiter- Hausindustrie, beizukommen, ist nun nicht gering, und aber keine Kinder und jugendlichen Arbeiter beschäftigt schutz sich der kräftigen Fortentwicklung der englischen Ar- nicht zum wenigsten in England, wo der Grundsatz: werden. Die Ueberzeit, die nach dem jezigen Gesetz in beiterschutz- Gesetzgebung hemmend in den Weg stellt, so mein Haus bezw. meine Wohnung ist meine Burg, so solchen Räumen zulässig ist, soll für Frauen und jugend­werden wir doch voraussichtlich wenigstens einige Schritte hoch gehalten wird. Wie die Unverletzlichkeit der Wohnung liche Arbeiter die Hauptstützen der Schwiharbeit vorwärts machen. aufrechterhalten und doch den Schwihmeister treffen, den beschränkt und besser regulirt werden. Alle diese Räume Eine ganze Reihe von Anträgen auf Erweiterung der Schwiharbeiter schützen, gegen sich selbst schützen? Der müssen amtlich registrirt werden, und zwar haftet Fabrik- und Werkstättengesetzgebung sind in den letzten Antrag Sidney Burton löst das Problem auf folgende für die Anmeldung der Unternehmer, der Tagen im englischen Parlament eingebracht worden. Sie Weise. Er greift den Feind da an, wo er am leichtesten die Arbeit ausgiebt, und ebenso ist der Unternehmer beziehen sich hauptsächlich auf die Erhöhung des Schutzes zu treffen ist, bei der Frage der Hygiene. Aus Gründen für die Durchführung und Einhaltung der sanitären Vor­gegen Gefährdung von Leben und Gesundheit der Sanität hat die Gesetzgebung schon wiederholt die schriften, die das Gesetz fordert, in Bezug auf alle solche der Arbeiter, auf Schutz gegen Uebervortheilung derselben Freiheit des Hauses" Beschränkungen unterworfen, mit Plätze ha ftbar, in die er gewohnheitsmäßig( hier ist durch betrügerische Praktiken der Unter- Rücksicht auf sie die einschneideudsten Maßregeln getroffen, der Ausdruck regelmäßig" mit Recht vermieden), Arbeit nehmer, sowie auf die Beseitigung der schreienden, bezw. denn Epidemien lassen nicht mit sich spaßen und ziehen fortgiebt. Alle diese Räume und Pläge unterstehen der der schreiendsten Uebelstände in der modernen Hausindustrie, indirekt selbst die besten Kreise der besten Gesellschaft in Aufsicht der Fabrikinspektoren. dieser Brutstätte des verruchten Schwizarbeit- Systems. Mitleidenschaft. Sidney Burton beantragt, alle Vor- Wenn man bedenkt, daß einer der Hauptantriebe, die Die Antragsteller sind: der Minister des Junern Matschriften des Fabrits- und Werkstätten- Gesetzes hygienischer thews, das Oberhausmitglied Lord Dunraven Natur auf sämmtliche Fabriken und Werkstätten, die bis­( Tory), die Parlamentsmitglieder Sir Henry James her ausgenommen waren, sowie auf die häuslichen ( liberaler Unionist) und Sidney Burton( Gladstone- Werkstätten auszudehnen. Die Letzteren sind scher Radikaler). Daneben laufen natürlich noch Spezial- folgendermaßen definirt: anträge, u. A. die von Cunninghame Graham

der

Feuillefont.

Nachdruck verboten.]

( 6

Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel.

"

D

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*) 3. B. Verpackung, Ankleben von Etiketts 2c. 2c. **) Da alsdann der Raum unter die bereits bestehenden Vor­schriften des Fabrikgesetzes fällt. Immerhin scheint uns bei der Entwickelung der Kleinmotoren diese Formulirung etwas bedenk­lich, insofern sie leicht zu vexatorischen Auslegungen Anlaß geben

Der Ausdruck häusliche Werkstätte" in diesem Gesetz be- kann.

schwer empfunden hatte, als Lisei, das erste Kind aus dieser in das von St. Vigil führt. Frau Straßer stammte aus Ehe, welche seit dem Tode der Mutter auf dem Kloster- dem Venetianischen, von wo die armen Mädchen und Frauen hofe die Wirthschaft führte. Wenn man Vefa, die Jahr für Jahr zu den Ernte- Arbeiten in das Busterthal und unverheirathet gebliebene Schwester des Klosterbaners, dessen Nebenthäler heraufkommen. Die Eitelkeit ist aber die dem greisen Pfarrer von St. Vigil wirthete, der Ehrgeiz in der Narrenkappe, und die des jungen über die The urtheilen hörte, so traf alle Schuld Klosterbauers war mit vielen Schellen besetzt. Weil er der des Unglücks die Frau ihres Bruders. Natürlich, denn sie reichste Bursche im Thale war, hielt er sich auch in allen hatte derselben das Regiment auf dem Klosterhofe über anderen Stücken für den ersten, und leider wurde er darin geben müssen, und außerdem war Kathi Straßer nicht nur von seinen Schmeichlern eifrigst bestärkt. Der Hafer stach ein blutarmes Mädchen gewesen, sondern hatte auch alle ihn um so mehr, als ihn sein Vater bei seinen Lebzeiten scharf Die Falkner hatten schon seit undenklicher Zeit als Maier Versuche Vefa's und deren Mutter, die ihren Mann über im Zügel gehalten hatte und er sich nur außer Seh- und auf dem Klosterhofe gesessen und waren auf ihm wohl- lebt hatte, in ihre häuslichen und wirthschaftlichen Ange- Hörweite des Alten durch Großthun und Schlimmeres hatte habend geworden. Auf Wunsch der Klosterfrauen war der legenheiten sich zu mischen und sie zu hofmeistern, mit Energie schadlos halten können. Und einen solchen verflixten Burschen, Raufvertrag bis zur Aufhebung des Klosters Sonnenburg zurückgewiesen. Vefa versicherte, daß sie noch heute nicht wie er es in seiner Vorstellung war, wagte Kathi mit Gleich geheim gehalten worden. Als das gefürchtete Ereigniß ein- die Verblendung ihres Bruders begreifen könnte, ein solches giltigkeit zu behandeln! Ja, sie wagte noch mehr und gab trat, war Joseph Falfner seinem Bater bereits seit einigen Geschöpf zur Kloſterbäuerin erhoben zu haben. Sie vergaß ihm so deutlich, als es ihre geläufige Zunge vermochte, zu Jahren als anscheinender Maier auf dem Klosterhofe ge- eben eine Kleinigkeit: Kathi's Schönheit.

folgt. Der jetzt an das Licht gezogene Kaufvertrag war Andere erinnerten sich derselben noch mit Wohlgefallen, Larseit, der nur einen kleinen Ausis in St. Bigil sein eigen unanfechtbar, nur stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, so Herr Moltenbecher, der Pfarrer von St. Vigil. Wie nannte, nicht das Wasser reichte. Auch kümmerte e3 pie daß die Sonnenburger Himmelsbräute, wenn auch ohne manche halbe Spezial hatte ihm nicht die schöne Kathi schmucké Kathi gar nicht, ob die Honoratioren im Herren­Falsch wie die Tauben, so doch klug wie die Schlangen ge- fredenzt! Denn sie war vor ihrer Verheirathung Herren- ftübl des Stern oder sonst wer zuhörten, wie sie den wesen waren, und die Hypothek längst an einen Kaufmann fellnerin im Sternt von St. Vigil gewesen, und der alte geldproßigen Burschen abtanzelte. Kathi's Herz mochte in dem überaus gottseligen Brixen , Namen Wagenbühler, ver- Herr, der trotz seines Polterns lieber lachte als weinte, ein bestochener Richter sein, aber das Urtheil galt Pfändet hatten. Dem Klosterbauer war es gleichgiltig, wessen hatte oft seine Freude an der spritzigen" Gische gehabt. Ja ziemlich allgemein, daß der junge Klosterbauer mit seinem Echuldner er war. Da der Zinssuß niedrig war, dachte er sie war bildschön gewesen und Ambros sah ihr ähnlich. bevorzugten Nebenbuhler weder an Wohlgestalt noch an an keine Ablösung der Hypothek, konnte er doch seine Er- Indessen würde der Klosterbauer schwerlich im Ernst Findigkeit sich messen könnte, und daß er dem Kaspar daran gedacht haben, sie zu heirathen, wie sehr ihre Schön- Larfeit auch an Körperkraft nicht gewachsen war, das mußte die just in der Klemme steckten. vortheilhafter anlegen etwa in Darlehen an kleine Bauern, heit ihm auch in die Augen stach, wenn feine Eitelkeit sich er eines Nachts, als beide aus dem Stern kamen, mit nicht in das Spiel gemischt hätte. Denn Kathi besaß Schmerzen erfahren. Er gab vor, in der Dunkelheit ge­als ihre Schönheit. Ihre Joseph Falkner, nach seinem Besitz der Klosterbauer nichts genannt, war seit einem Dußend Jahre etwa Wittwer. arme Häusler in dem Dörflein Pleiken, das hoch waren fallen zu sein, aber nicht einmal Befa glaubte ihm. Um den Spöttereien seiner Kameraden ein Ende zu

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Eltern

machen, mußte er jetzt wohl den Beweis führen, daß ihm