Ms zweiter Redner der Jniransigentcn ergreift jetzt GenosseRntti das Wort, ein Mailänder Arbeiter. Seine Fraktion bliebedabei, daß der Reformismus eine Entartung darstelle. Ja, da hätteC h i e s a gestern über de» Egoismus und die schlechten Eigenschaften der Arbeiter gellagt. Woran liegt es denn, daß in der sogepriesenen Provinz Genua solche Verhältnisse vorliegen? DaZliegt an der Propaganda der Reformisten. Ihr habt Angst gehabt,den Sozialismus in den Gewerkschaften zu predigen. Und so habtIhr den Arbeitern ihre früheren Ideale, religiöse undpatriotische, genommen und habt ihnen nichts dafür gegeben. Früher waren die Wirkungen unserer Propaganda ander«.Wo wir den Sozialismus propagierten, da sank die Zahl derVerbrechen und des Alkoholismus. Unsere Arbeiteriv ar en d i e b est en Arbeiter, was auch die reaktionärsten Unter«nehmer zugaben. Heute ist das nicht mehr. Heute mutz derUnternehmer, um eine angemessene Arbeitsleistung zu erzielen, denAkkordlohn einführen, weil die Arbeiter lässig sind. Was wundertIhr Euch über Eure Erziehungsresultate in Genua, wenn Ihr Eurestärkste Organisation, die der Kohlenverlader,zu einer Huldigung dem Könige gegenüber der-anlatzt habt?Redner führt dann auS, daß es die Arbeiter verwirren und irremachen müsse, wenn»ran in einem Orte Bündnisse mit den bürger-lichen Parteien schließt, um sie an anderen Orten auf das schärfstezu bekämpfen.Ihr, sagt Ratti zu den Reform! st en gewendet,habt den revolutionären Syndikalismus ge-schaffen.(Zustimmung.) Eure Fraktion imParlanrentist der größte Agitator gegen den Parka in en-t a r i S m u S. Jetzt wollt'Jhr mit den bürgerlichen Klassen zusammen-arbeiten. Da konimen die Mittelschullehrcr und werden Sozialisten.weil sie bei uns Lertrstung ihrer Interessen finden. Allen Leutensoll unsere Partei die Hühneraugen kurieren.Ueber den Generalstreik, meint Ratti, er habe einen wirklichenGeneralstreik in Italien uioch nicht gesehen. Das seien Proteststreiks,die jetzt an stelle anderer Demonstrationen getreten seien. Ein wirk-licher Generalstreik, wie man ihn in Rußland gemacht habe,wiege aber an Wirksamkeit alle Einzelaktionen auf. Einen solchenGeneralstreik miifie man propagieren, müsse das Proletariat lehren,daß er eine mächtige Waffe sei.Wenn wir die Mitarbeit mit einem Ministerium annehmen, sodecken wir mit unserer Vera»tivartuug alle Regierungsakte, so stimmenwir auch für Heer- und Marinebudget. Wie soll da das Proletariateine klare Vorstellung der Klassengegensätze behalten? Nichts hatden Sozialismus in Genf so auf den Hund gebracht, wie dasMinisterium Thibaut.AlS Turati uns Arbeitern den Sozialismus lehrte, sagte er,daß keine Partei außer der soz-ialistischen die Interessen der Arbeiter-klaffe fördere. Ist das heute, nicht mehr so? Wir werden weiterausgebeutet und vergewalrigt� genau wie zuvor. Wir wollen wohldie Reformen, aber nicht die Mitarbeit an der Regierung. Auch dieReformen haben nur Wert, soweit ein klassenbewußtes Proletariatsie geltend zu machen versteht.Ihr Reformisten werdet hier die Mehrheit haben, aber wirwollen eS uns nicht nehmen lassen, die Fahne unserer Neberzeugungzu entfalten, um die, wie wir fest vertrauen, die Partei sich wiederscharen wird, wenn Ihr den Weg Eures Experiments durchlaufenhabt.(Beifall.)Ehe die Mittagspause eintritt, teilt Costa mit, daß zwargestern abend die Versuche einer Einigung zwischen Reformisten undJntegralisten gescheitert fciirn. daß aber die beiden Tagesordnungenso große Verwandtschaft zcügte», daß die Unterzeichner beider sichwieder über eine mögliche Verschmelzung ins Einvernehmen fetzenwollten.NachmiUagsUtzung.Der VerschmelzungSversnch zwischen Reformisten und Integralisten ist«ur zum Teil geglückt. Morgari will von einerreformistisch-integralistischen Kammerfrollion nichts wisse», währendder größere Teil seiner Anhänger fich mit den Reformisten auf eineTagesordnung geeinigt haben. Diese'Tagesordnung, die auch an im-geheuerer Länge krankt, konstatiert zunächst, daß durch die Aktion derJntegralisten die Partei eine schwere. Periode inneren Zwistes über-wunden hat. Dann werden als Lertsi-ätze aufgestellt: Notwendigkeitmit den Gewerkschaften Hand in Hund zu gehen— Generalstreiknur annehmbar in den revolutionären Perioden— Ablehnung desrevolutionären Syndikalismus in seiner Theorie und Praxis—Empfehlung für die Arbeiter in öffentlichen Diensten, nur imäußersten Notfalle zu streiken— Eindringen in alle RegienrngS-organe, wenn auch ohne Eintritt in ein Ministerium— Autonomie der Wahlkreise, wo&ei die Unterstützung nicht-sozialistiicher Kandidaten die Ausnahme zu bilden hat— Reformprogramm für die Wahlen(im wesentlichen dasselbewiederholt wiedergegebene), Verpflichtung für die ParlamcntZfraktion,sich mit dem Parteivorstand in der Konföderation vor jeder wichtigenEntscheidung zu beraten.Die Teilnahme an der Regierung ist also fallen gelassenworden. Die Wahlbündnisse werden nur als Ausnahmefälle geduldet.Morgari, der seine Tagesordnung aufrecht erhält, um keineKonfusion aufkommen zu lasse», entwickelt die Leitsätze derJntegralisten. Als er von den Syndikalisten spricht, sagt er, er müssehier eine Paranthese eröffnen. Er hätte einem Manne, einemParteigenossen einmal die furchtbarste Beleidigung zugefügt, zufügenmüssen, als er E o r i c o L e o n e beschuldigt hätte, die syndikalistischeZeitung„Aztone" mit dem Gelde des Ministeriums zu unter-halten. Die Tatsache sei richtig gewesen, aber Leone habe davonnicht gewußt. Enrico Leone sei ebenso reinen Willens, wie erintelligent sei, aber er sei weltunerfahren wie ein Kind und habedeshalb als Werkzeug in anderen Händen gedient. Morgari wolleihn hier öffentlich als Ehrenmann kennzeichnen, wie er ihn vor einemJahre öffentlich gebrandmarkt habe. lAndaucrnder Beifall.)Da Morgari sich dann weiter in eine Analyse des JntegraliZmiisversenkt, wird der Kongreß unruhig, und eS werden Aufforderungenan den Präsidenten laut, Morgari das Wort zu entziehen.Gegenüber dieser Haltung der Reformisten verzichtet Morgari darauf,sein Referat zu beendigen. Er gibt nur noch vor der Abstimmungdie folgende Erklärung ab: Wenn die Reformisten zu den Jntegralistengekommen sind, so geben sie dadurch praktisch dem Jntegralismusrecht; das sei eine Folge integralistischer Aktion. Trotzdem halteRedner seine Resolution aufrecht, weil er der integralisttschen Aktionweiter eine Aufgabe in der Partei zuerkenne, während die mit denReformisten verschmolzenen Jntegralisten diese Aufgabe für erfüllthalten. Sowohl die eine als die andere Tagesordnung sei aberintegralistisch.Unter größter Aufmerksamkeit beginnt um Vs5 Uhr die namentliche Abstimmung, die bis 7 Uhr dauert. Es wird gleichzeitig überdie Tagesordnung der reformistischen Jntegralisten, über dieMorgaris und über die der Jntransigenten abgestimmt, zu derenGunsten L a z z a r i seine revolutionäre Tagesordnung zurück-gezogen hat. Das Resultat, daS bei dieser Konzentration derRechten nicht zweifelhaft sein konnte, ist das folgende:Auf dem Kongreß vertreten..... 33 981Gestimmt haben......... 29 707Für Morgari.......... 5 384Für die intransigente Resolution... 5 927Für die reforniistisch-intransigente.. 18 252In einer um 9 Uhr zusammentretenden Abendsitzung wird derKongreß den Chefredakteur des„A v a n t i" und den Parteivorstandwählen, um dann seine Arbeiten zu beschließen.—Der nürnberger ParteitagIn der Parteiprelle.IV.„Bolksblatt für Harburg."„ s.. Unsere fiihrenden Parteiblätter, welche den Ernstder Lage von Anfang an durchschauten und daS organisierteVorgehen der Süddeutschen, den Disziplinbruch, die verichiedenenPronunziamentos, aus den Urgrund der Dinge zurückführten,haben recht behalten, und alle diejenigen Genossen. welche indiesen ernsten Tagen den Llarmruf ertönen ließen, derKlassenkampfcharakter der Partei ist in Gefahr, habensich verdient gemacht. Ihnen gebührt Dank. Es war notwendig, das Gewissen der Partei aufzurufen und klar und rücksichtslos auszusprechen, was die Uhr in Nürnberg schlagen sollte.Sie hat nicht geschlagen. Die 258 Delegierten haben durch ihrVotum für die Vorstandsresolution belundet, daß die Partei ihrenallen Traditionen nicht untreu werden kann und darf bei Strafeder Selbstvernichtung und Versündigung an der historischen MissiondeZ Proletariats.Wir hoffen aber auch, daß jene andere Richtung, die sichRevisionismus nennt, den Willen der übergroßen Mehrheit der Parteinicht gering achtet; sie muß bedenken, daß sie es ist, die es ver-schuldet, wenn die Partei in Zukunft wieder derartig schweren Erschütterungen ausgesetzt wird."„Bolksbote"(Stettin)..... Mit mehr als Zweidrittelmajorität hat der Parteitag densüddeutschen Abgeordneten und denen im Norden, die mit ihnensympathisieren, durch Annahme der nunmehr wohl unmißverständlichen Resolution gezeigt, daß er keine Löcher ins Prinzip stoßenläßt, durch die dann das schmutzige Wasser aller möglichen KonZessionen eindringen kann. Wohl haben die Zurechtgesetzten miteiner Erklärung geantwortet, die man als Kriegserklärung auffassenkann,— wenn man will. Aber wir wollen das nicht. Mit derselben stoischen Ruhe, mit der der Parteitag die Erklärung an-hörte und mit der der Präsident Singer sie ins Protokollverwies, lassen auch wir sie an unS vorübergehen. ES wareine Rückzugskanonade, und die Genossen überm Main werden kaumdaran denken, den Kampf wieder aufzunehmen. Nach zwei Jahreniverden sie„aus eigener Entschließung" dazu kommen, dem Klaffenstaat, der auch im Süden sich immer mehr entschleiert, das Budgetzu verweigern.Einer ihrer Redner warf als geflügeltes Wort den Ausspruchvon der Berlinischen Gefangenschaft de« Parteivorstandes in dieDebatte. Nun,— wenn von einer Gefangenschaft des ParteiVorstandes die Rede fein könnte, so weniger von einer solchen seitensder Berliner radikalen Genossen, sondern viel eher einer solchenseitens der nichts weniger als radikalen Generalkommission der Ge�werkschaften. So viel steht fest, daß der Vorstand sich der Anschauung derletzteren mehrfach in einer Weise genähert hat, die nicht die Billigungder Masse der Genossen im Reiche fand. Es ist ein Zeichenfür unser gesundes Parteileben, daß wie die Genossen in ihrenEinzelversammlungen auch der Parteitag nicht angestanden hat. seineentgegengesetzte Meinung dem Vorstände gegenüber aulrecht zuerhalten,— der Vereinbarung mit der Geiieralkommission über dieMaifeier ist er nicht beigetreten und auch die gänzliche Vernichtungder Selbständigkeit der Jugendorganisationen hat er nicht gutgeheißen. Wohl hat der Parteitag sich nicht dazu ausschwingenkönnen, den Jugendlichen diejenige Beivegnngs- und BetätigungS-freiheit zu geben, die sie in dem angeblich so rückständigen Oesterreich besitzen,— aber wir wollen uns mit dem Erreichten zufticdengeben und die Korrektur, die vielleicht nötig, einer durch mehrpraktische Erfahrungen gestützten Zukunft überlassen..„KünigSierger BvlkSzeitung":«... Der Versuch der Revisionisten, sich für ihre Bestrebimgenunumschränkten Spielraum zu verschaffen, ist gescheitert, gescheitertan dem unbeugsamen Willen der großen Mehrheit des Parteitages.Und eS hat wenig für sich, daß von den 119 Delegierten, die gegendie Resolution des Parteivorstandes gestimmt haben, 66 Delegierteaus Bayern, Württemberg und Baden folgende Erklärung abgegebenhaben(folgt der Wortlaut). Diese Ansicht kann man den Genossennicht nehmen; in einer demokratifchen Partei, wie der unsrigen, aberhaben sie sich den Beschlüssen der Mehrheit zu fügen, denn ohneDisziplin kann keine Partei auf die Dauer bestehen. Und wirglauben, die Süddeutschen werden sich fügen. Diese revisionistischeSpielerei muß endlich einmal aufhören, da wir unS nicht gegenfettig, fondern die Feinde außerhalb unseres Lagers zu bekämpfenhaben...„vrandruburger Zeitung":„Es kann nicht bezweifelt werden, daß die langwierigen Nürnberger Debatten ihr gutes halten. Trugen sie doch ganz erbeblichzur Klärung prinzipieller und nicht bloß taktischerFragen bei...Gewiß hätte die Annahme der vermittelnden Resolution Frohniceinen noch versöhnlicheren Ansklang herbeigeführt; stimmten doch fastsämtliche Gewerkschaftsbeamte und sogar auch der größteTeil der anwesenden ReichStagSfrallion gegen die nurmit Zweidrittelmehrheit angenommene schärfere Resolution desParteivorstandeS. Aber Verletzendes hat auch sie keineswegsan sich und sie macht es mit ihrer größeren, grundsätzlich ausgesprochenen Klarheit niemand unmöglich, sich zu prinzipieller undtaktischer Einheitlichkeit mit der Parteimehrheit wieder zusammenzufinden. Eine gewisse persönliche Verbitterung, dieschon auf der sonst würdevoll verlaufenen Nürnberger Tagung manchmal zu bedauerlichen Entgleisungen verführte und sich auchnoch bei den zum Schluß vorgenommenen Wahlen zum Partei-vorstand usw. dolumentierte, dürfte bald wieder verschwinden, so daßunsere süddeutschen Genossen, wenn sie i n z w e i I a h r e n vor dernächsten Budgetbewilliaung stehen, die Sachlage ungetrübten Blickesvom Standpunkt rein sozialdemokratischer Politik überschauen werden.Zu welchem Resultat sie dann kommen müssen, kann nicht zweifel-Haft sein."„Bolksfrcund"(Brannschweig):»... In Nürnberg hat der Revisionismus endlich einmal Farbebekennen müssen. Alle Versuche, die Budgetbclvilligllngsfrage alseinen vom Radikalismus hcraufbeschworenen Parteikrakeel hm-zustellen, find gescheitert. Immer klarer enthüllte sich dieBlidgetbcwilligllng als wohlvorbereiteten stark verschwörungs-artigen revisionistischen Vorstoß gegen den Klassenkampf-charakter der Partei. Diesar Vorstoß war im Grunde ge-nommen nur von wenigen inszeniert. Die Masse der süd-deutschen Genoffen ist ebeiisowenig revisionistisch wie die der nord-deutschen. Kein revisionistischer Gedanke hatte sie mobil gemacht—ein solcher macht überhaupt nicht» mobil—, sondern die alte Abneigung� deZ Siiddeutswen gegen norddeutsche WelenSart, die trotzihrer geschichtlichen Begründung nur zu oft in törichter Blindheit sichauf Dinge wirft, wo sie absolut nicht angebracht ist. In eine prole-tarische Partei paßt sie nun schon gar nicht hinein, aber sie ist nichts-destowcniger nun einmal vorhanden und alles, was von ihr nochvorhanden war, flackerte in der BildgetbewilliglingSfrage auf. Dazukam die alt eingewurzelte Eifersucht auf die nordische Vor-Herrschaft, verbunden mit der küilstlich gefachten Furcht vor einermöglichen Vergewaltigung. Partikillanstischer Atavismus wares, der der revisionistischen Verschwörung die Massenfolie verschaffte.Hoffentlich ist dieser Rückfall in Nürnberg endgültig überwundenworden. Der Parteitag hat den künftigen Bndgetbewilligern einenRiegel vorgeschoben lind sie nur dann noch als Ausnahme gestattet.wenn die Ablehnung des Budgets die Annahme eines für dieArbeiterklasse ungünstigeren Budgets zur Folge hat. Der LübeckerResolution ist damit jede Unklarheit genoiiime». Sophistische Deute-lesen sind ausgeschlossen. Eine dem Nürnberger Parteibeschlußtrotzende Budgetbewilligung kann nur noch als offener Disziplin-bruch auftreten. Und vor einem solchen werden sich die Revisionistenschon hüten." l(„Bolksstimme"(Magdeburg):«... Es ist die BorstandSresolution angenommen worden, diedie grundsätzliche Verweigernng des klassenstaatlichen Budgetsfordert, aber wiederum Ausnahmen von der Regel zuläßt.Zwar soll die neue Resolution eine Beschränkung und Verschärfungdes Lübecker Beschlusses darstellen, in Wirklichkeit aber wird sie nurdie vorhandenen Gegensätze in der Partei verschärfen. Denn so sehrwir wünschen, daß die Erklärung der 66 süddeutschen Delegierten nurein Vorbehalt gegenüber den Gegnern darstelle, so wahrscheinlich istes doch, daß sie auch eine andere Deutung erhalten kann und daßdie Süddeutschen nach wie vor die Entscheidung über die Budget-bewilliguug für sich reservieren und daß infolgedessen die Dis-kusfionen, die wir abgeschlossen glaubten, in Bälde wieder-kehren werden. Ist eS nun wünschenswert, daß die Partei einenMehrheitsbeschluß schafft, von dem die betroffene Minderheitvon vornherein erllärt, daß es ihr unmöglich sei, sich ihmzu fügen?«oll nicht unsere notwendige Parteidisziplin eine f r e i«iv i l l i g e und mögliche sein? Und kann man sie als freiwilligebezeichnen, wenn von vornbereiii betont wird: Ihr müßt euch demMehrheitsbeschluß unterwerfen, wenn ihr auch noch so vielematerielle und intellektuelle Gründe dagegen inS Feld führt!?Wir glauben. daß man besser getan hätte, einen Auswegzu slichen. der den Süddeutschen es möglich gemacht hätte,sich freiwillig den Beschlüssen des Parteitages zu unterwerfen.Hätten Parteivorstand und Kontrollkommission, bevor sie ihrenResolutionsentwurf dem Parteitag unterbreiteten, mit den süd-deutschen Angeklagten Fühlung genommen, so wäre wahrscheinlicheine Fassung gefunden loorden, die den Parteibeschluß zu einemeinheitlichen, nicht zum Mehrheitsbeschluß gemachthätte. Leider ist daS verabsäumt worden, und nachträglich ließ sichder Schaden nicht mehr reparieren, trotzdem Bebel so versöhnlich wienur möglich die Debatte eingeleitet hatte.Was wird nun weiter geschehen? Wird die Spaltung über kurzoder lang eintreten, von der Genoffe Hue vom Standpunkt derdeutschen Gewerljchasteu so eindringlich gewarnt hatte? Wir hoffen,daß eS nicht geschieht. Es köimte die deutsche Sozialdemokratie trotzihrer Stärke eine» solchen Schlag kaum überwinden. Deshalb könnenwir iiiir dem dringenden Wuniche Ausdruck geben, daß die Budget-bewilligung sich so lange nicht wiederholt, als nicht in der Parteiandere Anschauungen darüber Platz gegriffen haben...„BolkSblatt"(Halle):Iii. schreibt in einem„Der AuSlveg" überschriebenen Artikel:«... Was soll geschehen, wenn dem Nürnberger Beschlußzuwidergehandelt worden ist? � Nur zwei Wege find möglich.Entweder werden dann die Bewilliger aus der Partei aus-geschloffen, oder es wird der Nürnberger Beschluß geändert. Eskann keinem Zweifel unterliegen, daß eine kämpfende Parteiwie die unsere unter Umständen auch davor nicht zurück-schrecken darf, einen Maffenausschluß vorzunehmen. Fraglich ist nur.ob die Zustimmung zu einem Budget ein zwingender Grund wäre,eine solche Katastrophe herbeizuführen. Es dürfe nicht allzu vieleParteigenossen geben, die da« im Ernstfalle bejahen möchten, und trotzder Zweidrittelmehrheit, die fich in Nürnberg für Annahme der Partei-vorstaiidSresoliitioii entschieden hat. wäre eS lelbst in Nürnberg sehr frag-lich gewesen, ob sich eine Mehrheit für den Ausschluß der Süddeutschen ge-flinden hätte. Als Segitz seine Erklärung verlas, hatte jeder An-weseude die Empfindung, daß die Erklärung die feste Absicht kund-gab, gelegentlich deni soeben gefaßten Beschlüsse eutgegeiizu-handeln.... Hätte Singer gefragt, ob damit gemeint sei, die Unter-zeichner der Erklärnng würden auch in anderen Fällen als indem einen von der ParteivorstandSresoliltion vorgesehenen AuS-iiahmefalle für daS Budget stimmen, so wäre ein glattes Jadie zweifellose Antwort gewesen. Die Frage ist nicht gestellt worden,obwohl sie ans allen Lippen schwebte. Jeder scheut? eben vor derVerantwortung zurück, die sofortige Katastrophe heraufzubeschwören.Und diese Scheu war doch nur darauf ziirückzilführeii daß auch demstrengsten Budgetverweigerer innerliche Zweifel aufstiegen, ob denndiese Frage so ungeheuer wichtig sei, daß»m ihretwillen die Parteizerrisien werden dürfe.Ist aber bereits in Nürnberg leine Neigung vorhanden gewesen,die Budgetfrage zum AilSgangSpunkte einer Parteispaltung zumachen, so wird das auf späteren Parteitagen noch weniger der Fallsein. Andererseits besteht nicht die mindeste Aussicht, daß die Süd-deutschen ihren Standpunkt aufgeben werden. Die Lösungdes Konflikts wird deshalb nur auf dem zlveiten mög-lichen Wege eintreten können, also auf dem. daß derNürnberger Beschluß einmal geändert werden wird. DaS kannohne jede Aufgabe eines Prinzips geschehen. Den schroffen Klaffen-charakler des Staates lengiiet keiner der Biidgetbewilliger: jederderselben will und wird„normalerweise", wie die Lübecker Resolutionbesagt, dem Staat das Budget verweigern. Der Zwiespalt beruhtnur darin, daß die Süddensichen mehr Ausnahme fälle, in denen dieZustimmniig zum Budget zulässig sein soll, anerkannt wiffen wollen.Im Grunde wird eS sich mithin immer wieder darum handeln,ob die Ablehnung des Budgets eine prinzipielle Forderungoder eine taktische Maßnahme ist. Die Parteitags-mehrheit in Nürnberg hat die Budgetfrage als eineprinzipielle aufgefaßt. Da sie jedoch selbst Ausnahmen zuläßt.keine Ausnahmen kennen darf, so Hutunter der Hand anerkannt, daß eS sich inBudgetfrage gar nicht um ein feststehendeoeine taktische Maßnahme handelt. Und esbedarf keines großen SehcrblickeS, um schon heute vorauszusagen.daß die schlicßliche Beilegung dcS KouflitlS erfolgen wird, indem dieBudgetfrage als taktische, nicht als grundsätzliche Frage erörtert undentschieden wird."Dem Artikel Th.s ist folgende Erklärung angehängt:Die nnterzeichneten Mitglieder der Redaktion erklären, daß sieim Gegensatz zu Kollegen Thiele in der Frage der Budgetbelvilligungohne jede Eiiischränkmig der Nürnberger Resolution des Partei-Vorstandes und der Kontrollkon, Mission zustimmen, wie sie bisher-völlig auf dem Boden der gleichen Resoliilionen der Parteitage vonLübeck und Dresden gestanden haben.Hall-, den 23. September 1908.Ernst Däumig. Oskar Fröhlich.em Prinzip dagegenauch Nürnberg bereitsletzter Linie bei derPrinzip, sondern umKlus der Partei.Der Parteitag i» de» Orgauisationcn.Die Versanmilling deS sozialdemokratischen Vereins zu Weimar.die sich mit der Berichterstattulig vom Parteitage in Nürnberg be-chäftigte, nahm einstimmig eine Resolution an, in>cr sie sich mit s ä m t l i ch e n B e s ch l ü s s e n deö Parteitages, besonders soweit sie die taktische und prinzipielle Haltungder Partei betreffen, einverstanden erklärte. Mit besondercrGenugtuung begrüßte es die stark besuchte Versammlung.daß in der Frage der B u d g e t b e w i l l t g u n g mit so starkerMehrheit ein Beschluß gefaßt wurde, der der Partei ihren CharaktrralS Kompfpartei gegenüber dem Klaffenstaat und der bürgerlichenGesellschaft in der Aera der Blockverbrüderung scharf zum Ausdruckgebracht hat.— Gleichzeitig empfiehlt die Versamililuug, bei Ab-ändeniiig deS OrgaiitsatioiiSstatutS darauf bedacht zu sein, fort-gesetzten Disziplin bruch als Griind zum AusschlußauS der Partei ins Orgauisationsstatlit einzufügen.In einer stark besuchten Parteivcrsaminluiig der Genossen vonLeipzig-Stadt und Leipzig-Land referierten dieGenossen G ch ö p f l i n und S e g e r. Letzterer, der die Budget-'rage behandelte, nahm schroff gegen die Budgetbewilliger Stellungund tadelte besonders auch, daß Gewerkschaftsführer der Meinungder süddeutschen Parlamentarier, sie könnten sich der Partei-vorstandsrcsolution nicht unterwerfet,, das Wort geredet haben.Gewerkschaftsführer, die doch wissen sollten, daß vor allem Einheiti» der Bewegung nötig ist, wenn etwas erreicht werden soll.(Wiederholte Pfuirufe.)Der Redner schloß unter stürmischem Beifall.