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Firma Adolf Kalkmcher, Schöneberger Straße 16 beschäftigt war. Seine jetzige Arbeitsstelle verschweigen wir aus Rücksicht auf den unbeteiligten Chef.» Sie beste Schule des vollis. Im Kriegsheer, dein Stolz aller wahren Patrioten, ist, wie aus der Nummer 221 desVorwärts" ersichtlich, wieder etwas sehr Schönes passiert. In Metz   sollte ein Kanonier mit anderen Kameraden den alten Pferdemist, der von der Duuggrube auf die Straße gefallen war, in die Grube zurückwerfen. Dazu wollte er sich einer Mistgabel bedienen. Ein Sergeant aber befahl ihm, die Gabel wegzusetzen und den Mist mit den Händen anzufassen. Der Kanonier weigerte sich und die Folge war, daß nicht der Sergeant wegen seines Befehls, sondernder Kanonier wegen Gehorsamsverweigerung zu zwei M o n a t e ir Gefängnis verurteilt wurde. Und eine Institution, in der so etwas möglich ist, wird von den Thronstützen als die beste Schule des Volkes gepriesen! Wäre es nicht so traurig, man könnte bei diesem Gedanken auflachen. Was wird denn den Soldaten in der Kaserne alles gelernt? Vor allem Reinlichkeit und Disziplin. Roßmist mit den Händen anzufassen, scheint also auch zur militärischen Reinlichkeit zu gehören. Zweifellos dient es auch zur Erhaltung der Disziplin, wenn ihre Gesetze vorschreiben, daß ein Mann sogar Pferdemist in die Hände nehmen muß, wenn eS ihm befohlen wird. Uns fällt hier der preußische Rekrut ein, dem vor ein paar Jahren ein preußischer Unteroffizier befahl, seine eigenen Exkremente hinunterzuwürgen. Der Mann, der nach militärischen Begriffen offenbar vorzüglich diszipliniert war. tat es. Angesichts der Metzer Roßmistgeschichte steigen in nnS große Zweifel auf, ob nicht auch dieser arme Exkrementen-Esser eingesperrt worden wäre, wenn er sich widersetzt hätte. In der Tat: Man darf das preußische A r m e e s y st e m tl n d s e i n e F o l g e n n o ch s o p e s s i m i st i s ch beurteilen, so kommtman dochimmerwiederzur U eberzeug ung, daß man es noch immer viel zu hoch eingeschätzt hat. Der Metzer Fall zeigt auch wieder die Kläglichkeit und Unzu- länglichkeit deS militärischen Beschwerderechtes. Erhält ein Soldat einen Befehl, der der Menschenwürde direkt widerspricht und in jedem anständigen Manne Widerwillen und Ekel erregen muß, so sollte er doch das Recht haben, sich zu beschweren, ehe er den Befehl aus- führen muß. Aber die preußisch-deutsche militärische Disziplin erfüllt diese selbstverständliche Forderung nicht. Hier heißt eS: Zuerst hast du zu gehorchen, mag dir befohlen werden, waS da will, mag dir auch gesagt werden, daß du Pferdemist mit den Händen auf- heben sollst, mag dir auch die stinkende Jauche über die Finger laufen I Erst wenn du dem Defehl gehorcht hast, darfst du dich a m n ä ch st e n Tage beschweren. . Solche Bestimmungen befördern natürlich außerordentlich das Ehrgefühl und die Liebe zum militärischen Handwerk. Wir glauben nicht, daß von Zuchthäuslern das Anfassen von Pferdemist mit den Händen gefordert wird; aber vom Soldaten, der den Thron und den Altar und den Geldsack schützen soll, wird es verlangt. Ist es ein Wunder, daß in den Köpfen nicht weniger Vorgesetzter eine Art Zäsarenwahnsinn sich festsetzt, wenn solche Befehle befolgt werden müssen? Der unverschämteste ostelbische Krautjunker würde es kaum wagen, von einem Knecht zu fordern, daß er Mist mit der Hand auflädt; doch der Herr Unteroffizier darf eS seinen Unter­gebenen befehlen, und loenn si«. nicht Ordre parieren, fliegen st« auf Monate inS Gefängnis. Zugleich aber wird den Soldaten ein- geschärft, daß sie. nachdem.sie des Königs Rock angezogen haben, etwas ganz Besonderes seien! Wir haben also nunmehr einen preußischen Soldaten zu ver- zeichnen, der auf Befehl seinen eigenen Kot hinunterwürgte, und einen anderen, der mit zwei Monaten Gefängnis bestraft wurde, weil er glaubte, seine Hände seien keine Mistgabeln. Und angesichts solcher Vorkommnisse wagt man es zu leugnen, daß das preußisch-deutsche Armeesystem einen Kadaver- gehorsam anerzieht und anerziehen will. Es pfeift auf die Menschen- würde und verlangt Gehorsam um jeden Preis. Der Metzer Fall ist ein drastischer Beweis dafür, daß dem deutschen   Soldaten tatsächlich ei» Kadavergehorsam, also ein Gehorsam, der keine ,n enschlichen Gefühle kennt, der selb st die ekelhafte st en Dinge auf Befehl verrichtet, beigebracht werden soll. Wäre dem nicht so, so hätte der Kanonier in Metz   nicht bestraft werden können. Für Leute, die keine Epauletten tragen, ist es klar, daß mit dem Anbefehlen von Handlungen, die dem Untergebenen ekelhaft, wider- lich und ungerecht erscheinen, die Disziplin am sichersten unter- graben wird; doch der Militarismus scheint das Höchste erreicht zu haben, wenn der Untergebene in jedem Falle Ordre pariert. Politische Ocbcrlicbt. Berlin  , den 25. September 1908. Tie erste Sitzung des Reichstages im dritten Sessionsabschni'tt 1908/09 wird zu Mittwoch. den 4. November, nachmittags 2 Uhr einberufen. Auf der Tagesordnung steht die Beratung von Petitionsberichten. Vom Vereinsgesetz. Die Breslauer Strafkammer hat am Donnerstag den letzten Fetzen vonLiberalismus" aus dem Reichsvereinsgesetz heraus- gerissen, indem sie erkannte, daß die Mitgliederversammlungen deS sozialdemokratischen Vereins als öffentliche Versammlungen zu gelten hätten. Zur Verhandlung stand der bekannte Vorfall bei der ersten Mitgliederversammlung unter dem neuen Gesetz. Tie Versamnilung war nicht angemeldet worden, trotzdem erschienen zwei Kommissare zur Ucberwachung, und als sie aus dem Lokale gelviesen wurden, lösten sie die Versammlung auf. Auf die erhobene Beschwerde war das Verhalten der Beamten von dem Polizeipräsidenten für gut befunden, und Parteisekretär Neukirch erhielt ein Strafmandat über 60 M. DaS Schöffengericht hat Neukirch auf den erhobenen Einspruch frei­gesprochen, nachdem festgestellt worden war, daß mir Mitglieder Zu- tritt gehabt hatten. Der Bezirksausschuß hat in einem VerwaltungS- strcitverfahren deS Genossen Neukirch gegen den Polizeipräsidenten in der gleichen Sache entschieden, da der Verein, der unter dem alten Vereinsgesctz nur aus Männern bestehen konnte, ein neues Statut aber noch nicht eingerichtet sei, konnte die Polizei derMeinung sein, daß es sich um eine öffentliche Der- sammlung gehandelt habe, da zahlreiche Frauen anwesend waren. Die Strafkammer ist jetzt aus die mntsanwaltliche Berufung gegen da? Schöffengerichtsurteil noch einen Schritt weiter gegangen und hat die Versammlung für eine öffentliche erklärt. Sie stützte sich dabei auf das bekannte Reichsgerichtsurteil, daS auch in der Be- gründuug zum Entwurf des VereinSgcfctzeS eine Rolle spielte, wonach eine Vereinsversammlung als eine öffentliche angesehen werden könne, wenn der Verein nach seiner Größe, dem Umfange des Gebietes, das er umfasse, dem Wechsel in der Mitgliedschaft uslv. keine innerlich verbundene Einheit der Mitglieder darstelle. Das Gericht erachtete die bloße Gemeinschaft zur Verfolgung politischer Ziele" als keininneres Band", das die Mitglieder untereinander verbinde. Der Verein erstrecke sich zudem über die ganze Stadt, er habe 6666 Mitglieder, die in keinerlei persönlicher Beziehung zueinander ständen, und die Bedingungen des Ein- und Ausrrittes seien als leichte" anzusehen. Da es sich hier aberum einen schwierigen Rechtsfall" handele, seien 16 Mark Geldstrafe angemessen und ausreichend. Im Reichstage und im preußischen Landtage werden die Re- gierungen unseren Abgeordneten Rede darüber zu stehen haben, wie ihre Organe den Willen der gesetzgebenden Körperschaften Rechmmg tragen._ Deutsche   Prestzuftäude. Die meisten bürgerlichen Blätter bringen spaltenlange Berichte über den Pressekongreß, namentlich über die Festinahle und Aus- fahrten, während der gestern von uns geschilderte Fall Brccour sie nicht im geringsten interessiert. Mit der Erwähnung, daß diese Sache am Donnerstag in der Sitzung des Pressekongresses zur Sprache gekommen ist, ist für sie dieBagatelle" erledigt. Nur das Berliner Tageblatt" widmet dem für unsere jämmerlichen deutschen  Preßzustände so charakteristischen Fall einen Artikel, in dem es zum Schluß heißt: DaS ist das deutsche Preßgesetz, das ist der deutsche Zeugniszwang! Unsere auswärtigen Kollegen, die unter glücklicheren Verhältnissen arbeiten, werden zweifelnd den Kop' schütteln. Aber wir sehen leinen Grund, uns an dem Bau Potemkinschcr Kulissen zu beteiligen. So wie der Fall Brecour zeigt, so liegen die Dinge im Deutschen Reiche wirklich. Wir sind dem internationalen Pressekongreß sehr dankbar dafür, daß er die Verweigerung der Auskunst durch Brecour als den Grundsätzen des internationellen Pressekongresses entsprechend bezeichnet hat. Mögen die auswärtigen Kollegen in ihrer Heimat die deutschen   Verhältnisse darstellen/ lvie sie wirklich sind. Vielleicht schämt man sich dann wenigstens bei uns." Neue Matzregelung technischer Angestellten. Der bayerische   Jndustriellenverband setzt die Maßregelung der Angestellten fort, die sich nicht seinem Diktum fügen. Wie der Bund der technisch-industriellen Beamten mitteilt, hat die Maschinenfabrik Augsburg entgegen ihren öffentlich abgegebenen Versicherungen doch zwei ausgesprochene Maßregelungen vorgenommen. Die Augs- burgcr Ortsgruppe deS Bundes der technisch-industriellen Beamten hatte der dortigen Presse eine Richtigstellung der von der Direktion der Maschinenfabrik verbreiteten Nachrichten zugeschickt. Sofort nach dem Erscheinen dieser sachlich gehaltenen Erklärung ist der Obmann der Ortsgruppe auf unbestimmte Zeit beurlaubt worden. Der be- treffende Ingenieur, der seit 8 Jahren bei der Firma tätig ist, mußte in IS Mnuten seine umfangreichen Arbeiten abliefern. während gleichzeitig sämtliche FabrikportierS>nit seinem Signale- nient versehen wurden und die Weisung erhielten, ihn an einem weiteren Betreten des Fabrikgrundstückes zu hindern. Später ist dann noch ein zweiter Führer der Augsburger Bundesbewegung beurlaubt" worden. Zentrumsagrarier als Feinde der Volksgesundheit. Die ultramontanagrarischeRheinische Volks stimme" beklagt sich in einem längeren Artikel, daß der neue Zolltarif ver- absäumt hat, für Milch und Rahm einen Zoll fest- zusetzen. Die zollfteie Einführung von Milch und Rahm   habe es. dem Auslände, leicht gemacht, den Butterzoll zu umgehen und die Milchpreise in Deutschland   bedeutend herabzudrücken. Da die deutsche Landwirtschaft in der Lage sei, den Bedar der Bevölkerung an frischer Milch und Rahm zu decken, so müsse ein hinreichender Zoll auf Milch und Rahm gelegt werden. Selbstverständlich schützt das Blatt auch gesundheitliche Rücksichten vor, da angeblich das Ausland vielfach unsaubere und gefälschte Waren liefere. Diese zarte Rückficht- nähme der Agrarier auf die Gesundheit ihrer Mitmenschen berührt umso auffälliger, als jedermann weiß, daß die übergroße Säuglings- sterblichkeit, die unserem Lande zur Schmach gereicht, in erster Linie init darauf zurückzuführen ist, daß es der ärmeren Bevölkerung zur Ernährung ihrer Kleinen vielfach an guter und billiger Milch fehlt. Ein Zoll auf Milch bedeutet Verteuerung der Milch, bedeutet Zu- nähme der Säuglingssterblichkeit, bedeutet ein Verbrechen an der Volksgcsundheit. Nun behauptet weiter das Blatt, daß die deutsche Landwirtschast durchaus in der Lage fei, den Bedarf der Bevölkerung an Milch völlig zu decken. WaS es mit dieser Behauptung auf sich hat, daS zeigt ein Artikel, der in christlichen Gewerkschaftsblättern enthalten ist und über die Ernährung auf dem Lande handelt. Darin wird hingewiesen auf die Zunahme der Molkereigenosscn- schaften auf dem Lande, wodurch die Milchversorgung der Städte eine bedeutende Höhe erreicht habe. Das sei für die Land- Wirtschaft von großem betrieblichen und wirtschaftlichen Nutzen ge- Wesen, aber man sei doch mit der Zeit zweifelhaft geworden, ob nicht das Abfließen der Milch in die Städte Mißstände in der Volksernährung auf dem Lande im Gefolge habe. In der württembergischen wie in der bayerischen Kammer 'ei bereits vor einigen Jahren die Sache zur Sprache gekommen, ebenso in den ärztlichen Jahresberichten Bayerns   wiederholt darauf hingewiesen worden, daß in mehreren Bezirken sich mit der E n t- Wickelung des Molkereiwesens ein Rückgang in der Ernährungsweise und damit in der körper- lichen EntWickelung der ländlichen Bevölke- r u n g gezeigt habe. Eine von der bayerischen   Regierung angeordnete Erhebung in dieser Frage ergab,daß durch die erleichterte Milchabgabe vielfach für die Viehbesitzer der Anlaß gegeben war, alle verfügbare Milch in Geld umzusetzen und das M i l ch b e d ü r f n i s deS eigenen Haushalts hintanzusetzen. Die Folge davon war die Einführung minderwertiger Surrogate, z. B. von Pflanzenfett, unter Umständen auch der Ersatz von Milch durch alkoholhaltige Getränke". Die württembergische Regierung ließ ebenfalls Erhebungen an- stellen, auf Grund deren das Ministerium in einem Erlaß vom 16. August 1967 betonte, daß die Molkereien zwar zum Teil ungünstige Wirkungen der erwähnten Art im Gefolge gehabt hätten, ohne daß. jedoch von Gefahren für die Jugend auf dem Lande im allgemeinen gesprochen werden könne. Zum Teil" werden also auch für Württemberg Wirkungen der ge- nannten Art zugegeben. Jedenfalls zeigen diese Vorkommnisse, daß die Behauptung derRheinischen VolkSstimme" nicht zutrifft, die deutsche Landwirtschaft sei in der Lage, den Bedarf der Bevölkerung an Milch zu decken. In den Städten ist ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung nicht in der Lage, sich gute und billige Säuglingsmilch in genügendem Maße zu verschaffen, und was vom Lande an Milch in die Stadt kommt, muß sich vielfach die ländliche Bevölkerung zum Schaden der eigenen Gesundheit abziehen. Viel besser wäre es. der kleine Viehbcsitzer auf dem Lande be- hielte seine Milch für den eigenen Hausbedarf, zur Ernährung seiner Kinder und seiner Leute, und der Bedarf der städtischen Bevölkerung würde durch Förderung der Milcheinfuhr gedeckt. Aber die frommen ZentrumSaararier denken anders: wenn nur die Milchvreise tteiaen. ob dabei daS Volk in Stadt und Land an seiner Gesundheit Schaden leidet, das ist Nebensache! Käme es zu einem Milchzolle und zur Erhöhung der Milchpreise, dann würde das ein erhöhter Anreiz auf den kleinen Viehbesitzer sein, den letzten Tropfen Milch in die Stadt zu schaffen, und die Schäden für die Gesundheit der ländlichen Bevölkerung/ die jetzt sich erst im kleinen zeigen, würden dann mit voller Wucht ein- treten. Der bäuerlichen Bevölkerung kann auf andere Weise als mit Zöllen geholfen werden, solche kommen nur dem großen Grund- und Viehbesitzer zugute, der weit über den eigenen Bedarf produzieren kann._ Tic feindlichen Richtungen im Freisinn. Die Berliner   Versammlungen der Freisinnigen enden in unserer Zeit fast regelmäßig mit einem heftigen Zusammenstoß zwischen der Richtung der Wieiner-Kopsch und den Barthiancrn. Hat Wiemer oder Mugdan Kopsch bleibt gewöhnlich als Hilfsredner in der Reserve seine pathetische Freiheitsrede gehalten, dann sieht einer der Führer der Demokratischen Vereinigung   auf und kritisiert die Leistungen der freisinnigen Staatsmänner von der Güte der Kopsch und Mugdan  . Sofort steigt den Wiemerianern das Blut und das Bier zu Kopfe; sie toben und schreien; die Barthianer antworten und das Ende vom Liede ist, daß die Barthianer unter dem Geschrei der Wiemerianer den Saal verlassen. Auch die gestrige Volksversammlung, die der Schöneber"" Liberale Verein nach der Schloßbrauerei einberufen hatte, no diesen Verlauf. Wiemer redete, erntete aber trotz seiner gu. Stimmittel nur geringen Beifall. Dann ergriff Dr. Barth stürmisch begrüßt, das Wort und kritisierte den Berliner   Kolmnunal freifinn und das Verhalten der freisinnigen Parlamentarier zu Reichsfinanzreform. Nach derVerl  . Volksztg." sagte er: Wenn der Freisinn, der im Block so vieles versäumt hat, nicht jetzt noch in letzter Stunde den Versuch macht, seine Position im Reichstage auszunutzen, um bei der Reichsfinanzrefvrm da.. rückständige Preußen vorwärts zubringen, so muß er seineu letzten Kredit verlieren. Unser ganzes Steuersystem ist von oben bis unten mit Ungerechtigkeiten durchtränkt. eS ist eine Steuerpolitik für bevorzugte Klassen, aber keine Steuerpolitik für das darbende Reich. Wenn es überhaupt zu einer Finanzreform kommt, dann wird sie ge- macht werden mit den Konservativen und dem Zentrum, und dem Freisinn wird man sagen: Deine An- Forderungen gehen zu weit, wir danken dir für deine guten Dienste, aber jetzt können wir dich nicht mehr gebrauchen. Der Freisinn darf sich nicht in eine solche Situation hineinbringen lassen, deshalb müßte er zeigen, daß er polilifchen Sinn genug hat, um diese Finanzreform zum Ausgangspunkt einer Politik der deutlichen Erklärung zu machen. Er muß vor allem klar und deutlich zum Ausdruck bringen, daß er keinen Pfennig neuer Steuern bewilligt ohne Bolksrechte in Preußen." Nach Barth kam der Reserveredner Kopsch, der sofort zu allerlei Jnbektiven griff, die Barthianer mit Ochsen verglich und von Barth behauptete, daß dieser sich deS Vertrauens seiner Wähler in Hirschberg und Kiel   unwürdig gezeigt habe. DaS habe ihm die Wählerschaft auch zu verstehen gegeben. Dr. Barth beantwortete diese Beleidigung mit dem Zuruf:Das ist eine Verleumdung!" Der Vorsitzende rief darauf erregt, Dr. Barth solle sofort diese Beleidigung des Referenten zurück- nehmen oder er müsse den Saal verlassen. Dr. Barth erklärte, er werde sofort den Nachweis führen, daß die Behauptung Kopsch o eine haltlose Verleumdung sei. DaS ließ der Vorsitzende, Stadtverordneter Zobel nicht zu; er wieZ Dr. Barth aus dem Saale  . Einmütig erhoben sich darauf die in der großen Mehrheit be- findlichen Demokraten. Sie erklärten sich mit ihrem Führer solidarisch und protestierten so stürmisch gegen das Vorgehen von Kopsch und Zobel, daß die Versammlung auf zehn Minuten ver- tagt werden mußte. Der Vorsitzende benutzte die Pause, um der Reihe nach fast sämtliche Demokraten, die auf der Rednerliste standen, auS dem Saale zu weisen. Darauf verließen die meisten Barthianer unter Hochrufen auf die Demokratische Vereinigung   das Lokal, während die auf ein kleines Häuflein zusammengeschmolzenen Wiemerianer weiter tagten und schließlich eine Resolution faßten, in der sie den Leitern des Blockfreisinns ihr unbegrenztes Vertrauen aussprachen. Dann tranken sie zur Beruhigung ihrer aufgeregter. Nerven noch einige Schoppen und gingen nach Hause. Soldaten als Waldarbeiter auf den Privatbesitzunaen Wilhelms II.? Die bürgerliche Presse meldet, daß eine Waldpartie bei dem karserluhen Jagdschloß Rominten von Soldaten zu einem herrlichen Naturpark umgewandelt worden sei. Pioniere des Pionierbataillons Fürst Nadziwill in Königsberg   hätten unter geschickter Benutzung der Bodenverhältnisse verschlungene Fußwege angelegt, die moorigen Stellen durch Lattenstege gangbar gemacht, hier und da kleine Stein- Pyramiden errichtet und durch entsprechende AuSholzung schöne Baum- gruppen wirksam zur Gellung gebracht. Diese Meldungen müssen auf Irrtum beruhen, denn eS ist nicht anzunehmen, daß Wilhelm IL, der aus preußischen Staatsmitteln eine Zivilliste von Iv'/s Millionen Mark bezieht und der als einer der größten Grundbesitzer unter den Wirkungen des neuen Zoll- tarifs über erhöhte Einnahmen aus seinen Gütern verfügt, von Soldaten Arbeiten machen läßt, zu denen sich in der Zeit der gegen- Wärligen Arbeitslosigkeit ungezählte notleidende Arbeiter drangen. Außerdem wüßten wir nicht, auf welche Rechtstitel sich eine Ab- komuiandierung von Soldaten zu Privatarbeiten auf kaiserlichen Besitzungen stützen könnte, Die Meldung der bürgerlichen Blätter ist demnach sicher falsch. Die Hofverwaltung wird sie schleunigst dementieren müssen. Zur Wahl in Prenzlau  -Angermündc. Wie wir bereits mitgeteilt haben, findet am 14. Oktober im Wahlkreise Prenzlau-Angermünde die Ersatzwahl für den verstorbenen Abgeordneten dieses Kreises, Herrn von Winterfeld-Menkin statt. Bei der Aufstellung der Wählerlisten sind auf Erlaß deS LandrateS des Kreises Anger,nünde, Herrn von Buch, die im Kreise zurzeit tätigen Wanderarbeiter(Schnitter usw.) nicht in die Wählerliste eingetragen worden. Ein Ersuchen. diesen in Widerspruch mit den Beschlüssen des Reichstage-: stehenden Erlaß aufzuheben, ist mit der Begründung zurück- gewiesen worden, daß der vorübergehende Aufenthalt während der Saison nicht inaßgebend für die Eintragung in die Wählerliste sei, die betreffenden Arbeiter bielmehr lediglich in ihrer Heimat wahlberechtigt wären. Diese seltsame Gesetzesauslegung hat den Vorsitzenden des 'ozialdemokratischen Wahlkomitees. Otto Wels  , veranlaßt, sich beschwerdeführend an das Ministerium des Innern zu wenden. I» der Beschwerde heißt eS: Das unterzeichnete Komitee ersucht daS königliche Staats­ministerium nunmehr um Aufhebung dieses Erlasses sowie um eine schleunige Verfügung an den Wahlkommissar des Wahlkreises Prenzlau  -Angermünde  , die genannten Wanderarbeiter in die Wählerlisten aufzunehmen. Wir stützen uns hierbei auf Band HL Seite 2368, der Reichs- tagssachen vom Jahre 1897/93, Aktenstück Nr. 286. Bericht der Wahlprüfungskommission. Wahlgesetz§?. Die Niederlassung an einem Orte mit der Absicht längeren Verbleibens berechtigt zur Wahl an diesem Orte. Wahlberechtiate