Disziplin und diesen Beschlüssen unterzuordnen und für ihre Durch- führung Sorge zu tragen." Im BreSlauer Sozialdemokratischen Verein wurde Mittwoch abend die Diskussion zu Ende geführt. Zum Schluh gelangte zu- nächst mit S8 gegen 92 Stimmen eine Resolution zur Annahme, die daS Verhalten der süddeutschen Genossen, die sich den Parteitagsbeschlüssen nicht fügen wollen. als un demokratisch verurteilt. Durch eine zweite Resolution, die mit 108 gegen 84 Stimmen an- genommen wurde, erklärte sich die Versammlung mit dem Vcr- halten des BreSlauer Delegierten, der für die Resolution F r o h m e und gegen die des Parteivorstandcs gestimmt hatte, einverstanden und sprach die Erwartung aus. daß bei beiderseitigem Entgegenkommen der süd- und nord- deutschen Genossen eine einheitliche Wirksamkeit der Partei bald wieder hergestellt werden wird. Die Minderheit wollte sich mit der Resolution deS Partei- Vorstandes schlechthin einverstanden erklären. Eine Versammlung der Hanauer Parteigenossen nahm nach Referaten von den Genossen Hoch und Dr. Wagner folgende Resolution an:«Die Versammlung erklärt sich mit den Beschlüssen des Nürnberger Parteitages einverstanden. Sie erwartet aber, daß die Partei für die strenge Beachtung aller Be> s ch l ü s s e des Parteitages, also auch des Beschlusses über die Budget- bewilligung, sorgt." Ter fCAvZöiische Gewerkschaftskongreß. Zweiter Tag. Marseille . 6. Oktober. sEig. Ber.) Die Vorniittagsitzung ist mit der Fortsetzung der Verhandlung über die Zulassung bestrittener Mandate ausgefüllt. Brou tchoux (Vertreter der jungen Bergarbeitergewerkschafl, die an die Föderation der Schicferarbeiier angeschlossen ist) bemängelt, daß das Kon- föderationSkomitee die Vertreter der Bergarbeiterföderation zugelassen habe, da diese erst am 4. August in die Konföderation aufgenommen worden sei, also der statutarisch vorgeschriebenen drei- monatlichen Zugehörigkeit ermangele. Er erklärt sich als Anhänger der Einigung der Bergarbeiter, will aber den Vertretern der Födc- ratio» auf dem Kongreß nur eine beratende Stimme gewähren. Der Konföderationssekretär L u q u e t entgegnet, daß die Berg- arbeiter schon am 15. Juni— unter einer nachher erfüllten Be- dingung— zugelassen worden seien, also das Recht auf Zulassung besitzen. Seine Auffassung findet die Zustimmung fast des ganzen Kongresses. Der Wunsch, die alten Streitigkeiten zu begraben, ist entscheidend. Am Nachmittag wird die Debatte über die Berichte des Kon- föderationskomitees eröffnet und die Verhandlung wird sehr lebhaft. da R e n a r d(Textilarbeiter) die Taktik des Komitees kritisiert und verlangt, daß dieses in Zukunft die Kameraden zur Vorsicht mahnen solle. Der mißglückte Generalstreik habe die Schwäche der Organi- sation gezeigt. Die Zukunft der Gewerkschaftsbewegung hänge von, Uebergang zum System der hohen Beiträge ab. Auch seien numerisch starke Organisationen notwendig. Eine Reihe von Rednern verteidigt die Haltung des Komitees. Dagegen erkennt Bajat(Marseille ) an. daß die Organisation un- zureichend sei. Man müsse etwas vom angelsächsischen Geist an- nehmen. Wir müssen uns eingestehen, daß wir in den Werkstätten nicht überall Sympathien für die Konföderation gefunden haben. Wir müssen die Macht der Zahl auf unsere Seite bringen. Sergeant(Textilarbeiter) spricht heftig gegen die Leute, die die Gewerkschaften unter Vormundschaft(der politischen Partei) bringen wollen. Mathieu(Erdarbeiter, Paris ) versichert, daß seine Kameraden heute, nach der Schlächterei, kampflustiger seien als je zuvor. Die hohen Beiträge seien nicht alles. Er glaubt nicht, daß man die Revolution der Gesellschaft mit Eßlöffeln eingeben könne. P e l i s s i e r(Textilarbeiter. Saint- Etienne ) bezeichnet die Haltung der Textilarbeiterföderation als EinschläferungS- taktik. Wie wenig sie wert sei, zeige der niedrige Stand der Löhne gerade in der Textilbranche. Thomas(Bauarbeiter) erklärt, niemand habe daran gedacht. die Arbeiter in Draveil der Truppe entgegenzuführen. Die Arbeiter selbst haben an die Föderation appelliert. Mit Sammlungen allein war angesichts der Haltung der Unternehmer nichts getan. Schließ» lich fei auch der Streik erfolgreich beendet worden. Latapie(Metallarbeiter) meint, man dürfe sich nicht mit revolutionären Beschlüssen begnügen, die man hinterher nicht ein- halte. W i r waren in Villcneuve-St. Georges, aber es gibt Revo- lutionäre, die man dort nicht gesehen hat. Wir wollen nicht, daß man unsere Kameraden auf die Scklachtbank führt. L u q u e t(Sekretär der Konföderation): Wir wollen keine sentimentalen Rücksichten in der Kritik. Aber hat Rcnard recht mit seiner Aufforderung, daß wir zur Vorsicht mahnen sollen? Die Arbeiter organisieren sich zur Verbesserung ihrer Lage und zur Umgestaltung der Gesellschaft, nicht zur Uebung von Vorsicht. Hätten wir die Rolle der Gendarmen spielen sollen? Renard ruft uns zu, unsere Kassen zu stärken. Aber was nützen uns diese, wenn wir keine Aktion führen?(Renard protestiert: Aber wir wollen doch die Kassen für die Aktion l) Die Tendenz, die Beiträge zu erhöben, haben auch Organisationen, die durchaus revolutionär sind. Wir sind auch nicht gegen die Vergrößerung der Mitgliederzahl. Hat die Konföderation jemandem das Tor verschlossen? Auch wir wissen, daß die Aktion erfolgreich nur dann sein kann, wenn sie die Macht der Massen hinter sich hat.(Rufe: Dann sind wir ja einverstanden!) Sie wollen daS Komitee für die Arbeiterschlächterei verantwortlich machen. Die Verantwortlichkeit ist aber auf Seite der Regierung und der Bourgeoisie. Sie wissen, daß manche von uns, z. B. GriffelhueS, von der Kundgebung in Draveil abgeraten haben. Hätten wir das Solidaritätsbestreben der Arbeiter desavouieren sollen? Waö Verbrechen, wie die in Vigncux begangenen, möglich macht, ist die Uneinigkeit der Arbeiter und die Neigung, d i e zu kritisieren, die die Aktion wollen.(Stürmischer Weifall bei der Majorität.) N e n a r d repliziert, wiederholt von den Anhängern des Komitees unterbrochen: Ich habe vom Komitee nicht verlangt, daß eö in Zukunft eine Taktik vorschreibe, sondern nur, daß es zur Vorsicht mahne und die Kameraden davor warne, in die gestellte Falle zu gehen. Es gibt solche Situationen. Latapie und Griffelhues haben da« erkannt. Es ist nicht nötig, daß nützliche Leute, die ihre Pflicht in den Organisationen erfüllen, einigen Narren auSge- liefert sind. Diese Worte entfesseln einen wilden Tumult, in dem die Er- llärung NcnardS, daß er die von der Regierimg gegen die Arbeiter- fchaft ausgespielten Elemente gemeint habe, fast ungehört verhallt. Ueber den ersten, allgemeinen Teil deS LorstandsbenchtS wird nach Mandaten abgestimmt. Er wird mit 947 Stimmen genehmigt. Die Gegner der Taktik des Komitees geben weiße Zettel ab, im ganzen 199. Ein Schluß auf das Slärkevcrhältnis zwischen der fundikalistischen und der neutralistischen Richtung läßt sich indes aus dieser Abstimmung nicht ziehen. ES beginnt nun eine interessante Debatte über den Teil deS BericbtS, der die internationale it Beziehungen be- handelt. Eine Reihe von Rednern treten, zumeist mit wenig günstiger Beurteilung der internationalen Gewerlschaflskonferenzen, für deren Erweiterung zu Gewerkschaftskongresse» mit Ausschluß der politischen Organisationen ei». Da die Verhandlung über diesen Punkt wegen der vorgerückten Zeit abgebrochen werden muß. Werden vir morgen im Zusammenhang darüber berichten. Hus der Partei» Adressen der dentschen Arbeitersckretnriate. (Die mit einem" bezeichneten sind Sekretariate des Bergarbeiter- Verbandes.) Zciitral-Arbcitersckretariat, Berlin 80.1(5, Engclnferlb. T-A. IV. 4631 Aachen*, Mauerstr. 46. Altcnburg(S.-A.), FrauenfelSstr. 41. Aschaffenlmrg, SiiftSgasse 10. Augsburg, Am Katzenstadl IT 152 (Augustusbad). Bant, Peterstr. 30. Barmen, Marienstr. 22, l. I. Bayreuth, Kulmbacherstr. 16 I. Berlin SO. 16, Engelufer 15 I. Ben, bürg, Roschwitzerstr. 26. Bielefeld , Turnerstr. 45. Bochum , Wieinelhanserstr. 40b. Borna b. Leipzig , Markt 14 II. Vraiidenburg a. H., Neustädtischer Markt 2. Brauuschwcig, Schloßstr. 2. Bremen , Faulcustr. 58/60. Bremerhaven , A», Hafen 49. Breslau, Nikolaistraße 18/19. Bromberg , Jakobstr. 17. Cassel, Wolfhagerstr. 5/7 L Castrop*, PH. HcrmeS, Carlstr. 158o. Chemnitz , Zwickauerstraße 152, T. Nr. 3356. Coburg , Nosengasse 1. Cöln a. Rh., Eeverinstr. 199/201 I. Cottbus , Burgstr. 29. Crcfcld, Klosterstr. 43. Darmstadt , BiSmarcksw. 19. Dessau , Askabischestr. 107. Dortmund , Kielstr. 5 I. Dresden , Ritzenbergsir. 2 HI. Düsseldorf , Kaserncnstr. 67a. Duisburg , Friedrich Wilhelmstr.76. Elberfeld, Robertstr. 3 a. Erfurt , Magdeburgerstr. 51 H. Esse», Grabenstr. 67. Forst i. L., Promenade 5. Frankfurt a. M., Sloltzestr. 17 p. Freiburg i. Br., Moltkestr. 30. Fürth , Hirschenstr. 24. Gekseukirchen, Hochstr. 1. Gera (Reuh), Alte Schloßgasse 11 1. GerSdorf*(Bez. Chemnitz), Rob. Frauenstcin. Gladbecks Kolpingstr. 3. Görlitz , Langenstr. 31 Part. Gotha , Erfurtcrstr. 2(alteS De- richtSgebäude). Guben , Schnlstr. 7. Halle a. S., Harz 42/48. Hamburg I, Bescnbinderhof 57 IL Hamm i. W., Ritterstr. 43. Hanau , Mühlenstr. 2. Hannover , Münzstr. 5. Harburg a. Elbe , Sand 1 L Heidelberg , Jsegrimstr. 9. Herford , Hemelingerstr. 5. Hildeshcim, Schuhstr. 4. Hochheide*, Prinzstr. 95. Hof i. Bayern , Marienstr. 79. Iserlohn , Dickenturm 20. Jena, Schloßgasic 19. Karlsruhe, Kurven 19. Kattowitz (O. S. ), RathauSftr. 12. Kiel , Fährftr. 24. Part, rechts. Königsberg i. Pr., Vorderroß- garren 50. Hof L Krouach, Kirchenplatz 74. Landcöhut i. Schl., Gasthof«Zur Sonne", II. Leipzig , Zcitzerstr. 32. Luckenwalde , Karlstr. 56. Lübeck , JohanniSstr. 46, pari. Magdeburg , Gr. Münzstr. 8 I. Mainz , Zanggasse 13, Hinterh. H. Maniiheim, F. 4, 9. Meißen , Posistr. 13, T.-Nr. 567. Minden i. W., Kampstr. 39. Mülhausen i. E., Nunzstr. 23. München 1, Holzstr. 24 IL Nciimüiister, Miihlenhof 2. Ncn-Nuppin, Siechenstr. la IL Nordhausc», Barfiißerstr. 12. Nürnberg , Egydicnplatz 22. Oberhause» Rhl.*, Marktstr. 5. Offcnbach a. M., Austr. 9 II. Offenburg i. Baden , Zähringersw. 3. Osnabrück , ÄluSstr. 11. Pforzheim , östliche Karl Friedrich- straße 37. Pose» 0., Fischerei 20. Recklinghanseil*. Hernerstr. 63. Remscheid , Kirchhosstr. la. Rostock , Doberanerstr. 6. Siegen, Heeserstr. 8 II. Solingen , Cronenbergerstr. 30. St. Johann a. d. Saar, Gerber- straße 24. Stettin, Beutlerstr. S IL Straßburg i.E., Regenbogengasse4. Stuttgart , Eßlingerstr. 17/19. Thomm b. Srnftenberg*, Eisen» bahnstr. 7. Vegesack , Langenstr. 52. Waldenburg i. Schl., Friedländer- straße 28. Wiesbaden , Wellritzstr. 41 IL Worms , Mamzerstr. 19. Würzburg , Obertürstr. 11. Wunsirdel, Koppenertor 324. Zeitz*. Nordstr. 4. Zwickau *, Nichardstr. 15. Zum Fall Calwer schreibt die»Rheinische Zeitung " (Köln ): „Richard Calwer , dessen wirtschaftZpolitische Anschauungen bekannt- lich weit abgeirrt sind von jenen Anschauungen, die nicht allein von dem Interesse der Arbeiterklasse diktiert, sondern auch wissenschaftlich tief begründet sind, läßt eS bei diesen Seitensprüngen nicht bewenden. Ein Beschluß des Dresdner Parteitages, der für jeden Parteigenossen von Takt eigentlich überflüssig hätte sein sollen, verbietet die Mitarbeit an gegnerischen Blättern und Zeitschriften. Dessenungeachtet bringt Genosse Calwer eS über sich, feine Gedanken über den Nürnberger Parteitag bei August Scherl abzulegen. Er veröffentlicht im„Tag" einen Artikel, auf dessen Inhalt einzugehen sich erübrigt. Der„Tag" nennt sitb unparteiisch, er ist aber unparteiisch in dem üblen Sinne, wie alle übrigen bürgerlichen Organe diese? Genres, deren Unparteiischkeil vor der Sozialdemokratie stets Halt macht. Mit Recht schreibt unser Brandenburger Parteiblatt zu dem neuen Calwerschen Streich:„Die Tatsache, daß ein Schriftsteller und früherer ReichStagsabgeordneter, der, wenn wir nicht irren, noch immer als Sozialdemokrat gilt, eS nicht mehr unter seiner Würde hält, an dem Scherlschen ZeitungS- unternehmen mitzuarbeiten, schlägt doch nicht nur der Dresdener Resolution, sondern auch allem partcigenvisischen Empfinden der- maßen ins Gesicht, daß ein bloßer Hinweis darauf genügt, die not- wendigen Konseguenzen daraus zu ziehen." Das„Sächsische Volksblatt"(Zwickau ) schreibt: „Genosse Richard Calwer , der noch bei den letzten Wahlen in Braunschweig III(Holzminden -GanderSheim ) kandidierte, hat sich bedauerlicherweise dazu verleiten lassen, im Scherlschen„Tag" über den Nürnberger Parteitag zu leitariikeln, an derselben Stelle, wo sonst die Zedlitz , Erzberger und Pachnicke mit ihrer politischen Weis- heit hausieren gehen. Daß sich sein Vorgehen mit der Dresdner Resolution nicht in Einklang bringen läßt, wird sich Calwer wohl selbst gesagt haben. Anscheinend will er eö darauf ankommen lassen, daß ein Exempel an ihm statuiert wird. Oder ist der Artikel schon als Abschiedskarte zu betrachten, die Richard Calwer der Partei sendet?" Die„Freie Presse'(Elberfeld ) bemerkt u. a.: „... Richard Calwer ... brachte eS fertig, im Scherischen „Tag" die Vorgänge auf dem Nürnberger Parteitage zu erörtern, in einer» Blatte, in dem sich die ärgsten Scharfmacher ihr Stell- dichein geben. Das ist kein grober Unfug mehr, daS ist offener Verrat. Zwar betrachten wir, wie sehr viele andere Genossen, Calwer schon längst nicht mehr als Parteigenossen, aber formell ist er noch Mitglied. Und da er selbst nicht de» Drang in sich der- spürt, einer Partei den Rücken zu kehren, mit der er völlig zerfallen ist, so ist eS unseres Erachtens endlich an der Zeit, daß man ihn gehen heißt...."_ KrirgSfurcht und Arbeitslosigkeit. London , 5. Oktober. Eine vom Vorstande der Unabhängigen Arbeiterpartei organisierte Versammlung fand gestern abend im Scala-Theater(Toltenham Street. London -West) statt, in der die Genossen Dr. Südekum, William Sander«, Mac- donald und Lansbury sprachen. Südekum hielt seine Rede in englischer Sprache und sagte den Engländern manche bittere Wahrheit._ Er zeigte, daß sowohl im schutzzöllnerischen Deutschland wie im frcihändlerischen England die Arbeitslosigkeit eine beständige Erscheinung sei. da sie nicht von irgend einer Handelspolitik, sondern vom kapitalistischen System komme, und dieses System herrsche in beiden Ländern. Es gebe wohl Maßregeln, die die Arbeitslosigkeit mildern könne, aber eine Beseitigung dieses Uebcls sei nur durch eine Umgestaltung des Wirtschaftslebens im sozialistischen Siime zu erziele». Die englischen Arbeiter sollten sich vor den Tarif« reformern in Acht nehmen. Diese redeten immer vom Arbeiter- wohle und vom Christenttime, aber ihre Handlungen seien stets Unterdücknng und Beraubung des Volkes gewesen. Hinzu komme, daß die Einführung des Schutzzolles in England die KriegShetzcreien nur steigern würde. In Deutschland wolle niemand einen Krieg mit England. Die deutsche Sozialdemokratie würde einen derartigen Krieg nie zulassen. Anstatt gegen das Ausland Krieg zu führen, seien die Arbeiter entschlossen, gegen daS Kapital zu kämpfen. Die englischen Redner-- besonders William Sanders— gaben ihrer Bewunderung vor dem deutschen Proletariat lebhaften AuSdmck. Die Arbeiterverhäktniffe in Deutschland seien besser als in England, da die deutsche Sozialdemokratie den herrschenden Klassen Furcht einflöße. Die englischen Sozialisten wünschen aufs lebhafteste, mit ihren deutschen Genossen in inniger Freundschaft zu leben; die englischen Arbeiter— sowohl die sozialistisch wie die gewerlschaftlich organisierten— haben viel von den deutschen Kameraden zu lernen. Es wäre ein nie wieder gut zu inachendeS Verbrechen, wenn es zwischen England und Deutsch - land zu Feindseligleiten kommen sollte. Trotz aller Friedens- Versicherungen sei Wachsamkeit nötig, da die herrschenden Klassen zu allem sähig ieien. Die Reden wurden mit vielem Beifall aufgenommen. ES wurden hierauf zwei Resolutionen angenommen. Eine besagte, daß die Londoner Sozialisten unerschütterlich entschlossen seien, Schulter an Schulter mit ihren deutschen Genossen gegen den Krieg und gegen den Kapitalismus zu kämpfen. Die andere ver- sprach, den Arbeitslosen beizustehen und ihre Agitation mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen. Südekum reiste heute nach der Provinz ab, wo er in Ver- schiedeuen Städten neun Versammlungen abhalten wird. Bus Industrie und Handel» Kohleupreise. Ein schwerer volkswirtschaftlicher Fehler des Rheinisch-West- fälischcn KohlcnsyndikatS ist fein starres Preissystem. Obwohl unter dem Drucke der wirtschaftlichen Depression die Berkaufspreise für die Artikel der Fertigindusttie teilweise reckt erheblich nachgehen mußten, hält daS Syndikat an seinen hohen Preisen fest. Dagegen suchen die Verkäufer brittscher Kohle den veränderten Verhältnissen Rech- nung zu trägem Britische Kohle ist in den verschiedenen deutschen Städten erheblich billiger geworden. Es kostete nämlich im Groß- Handel eine Tonne im August Marl : 1907 1908 Berlin , engl. Schmiedekohle... 23-25 20,50-21,50 » Durham Gaskohle... 20,50—22 17— 18 Altona , West Hartley Steam, grobe 13—21 16—13 . schott. Nußk., dopp. gesiebt 19-21,40 16-17,75 Bremen , Fett Steam-Coals... 27,20—31,20 22,40—25,70 Lübeck .......... 23 20 WestfälischeKohle kostet in Berlin unverändert 24 M.. in Bremen bei einzelnen Sorten ebensoviel oder auch mehr als im Vorjahr und ist nur bei wenigen Sorten, und auch da nicht sehr viel billiger geworden. In Lübeck kosten westfälische Steinkohlen 22 M. gegen 24 M.; die Preisermäßigung für britische Kohle ist also viel größer. S ch l e s i s ch e K o h l e hat in den umstrittenen Gebieten etwas mehr im Preise nachgegeben als westfälische, aber doch nicht entsprechend der Verbilligung britischer Kohle. Es ist klar, daß die günstigere Enttvickelung der britischen Kohlenzustchr durch die verschiedenartige Preisgestaltung stark beeinflußt wird. Gelseukirche«. In der AufstchtsratSsitzung der Gelsenlirchener Dergwerks-Aktten» gesellschaft berichtete der Vorstand über die verflossenen acht Monate deS laufenden Geschäftsjahres, deren Ergebnis«ine Gewinnziffer von 20 492 421,12 M. ist. Dabei ist im besonderen hervorzuheben, daß die Koksbestände, welche die Gesellschaft infolge der allgemeinen geschäftlichen Lage in Höhe von 254 027 Tonnen hat auf Lager nehmen müssen, nur mit dem sehr erheblich unter den Selbstkosten stehenden Satze von 9 M. pro Tonne— insgesamt 2 286 243 M. bewertet sind. Ueber das Programm für die nächste Zukunft wurde seitens des Vorstandes ausgeführt, daß die Gestaltung der Arbeiter- frage, namentlich in den Bergwerksrevieren, eS zum unabweisbaren Bedürfnis mache, in größerem Umfange mit dem Bau von Arbeiterwohnungen vorzugehen, da man nur auf diese Weise werde ermöglichen können, die Förderungen der verschiedenen Gruben ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend zu gestalten. Femer wurde betont, daß der bei der Vereinigung der heute in der Gelsenlirchener Bergwerls- Aktiengesellschaft verschmolzenen Werke maßgebende Gedanke, die selbst erzeugten Roh- Materialien so weit wie irgend möglich selbst zu Fertig« crzeugnissen weiter zu verarbeiten, entschieden darauf hinweise, für die über den gegenwärtigen Bedarf hinaus dem Unter» nehmen zur Verfügung stehenden bedeutenden Kols- und Erzmengen Verwendung zu suchen; die Ausnutzung der technischen und Wirt- schaftlichen Vorteile, die in einer uumiltelbaren Verbindung von Stahl- und Walzwerk mit den Hochöfen liegen, lasse von einer Ausdehnung des Werkes in Rote Erde absehen und weise auf die Er- richiung einer neuen Anlage im Minettebezirl hin. Bündlerische Unterstellung. Ihrer Devise gemäß, nämlich frisch, fromm, fröhlich und frech solche Behauptungen aufzustellen, die ihr in den Kram passen, schreibt die„Korrespondenz des Bundes der Landwirte" mit Bezug auf unsere Notiz in Nr. 234 des„Vorwärts" unter der Ueberschrist „Willkür in der Preisfestsetzung" u. a. folgendes: „Dieser„willkürlichen Fleischverteuerung" durch den Zwischen- Handel könnte sehr gut entgegengeivirlt werden durch eine Er- leichterung der Fleischzufuhr auswärts wohnender Fleischer nach den Großstädten. Die Großstadtverwaltungen aber, in denen doch die Sozialdemokraten auch meistens recht stark vertreten find, haben aber bisher alles aufgeboten, um diese durch das Fleisch- beschaugesetz begründete und ermöglichte Fleischzufuhr von außerhalb zu verhindern, weil die an sich sehr hohen Gewinnüberschllsse ihrer Scklacht- und Vichhofsanlagen dadurch etwas vermindert werden würden. Damit werden die Großstadt- Väter zu Mitschuldigen an einer durch die Viehpreise keineswegs bedingten Fleischverteuerung." Es ist noch nicht lange her, da haben, wie im„Vorwärts" zu lesen war, die Sozialdemokraten in Lichtenberg eine Magistrats- vorläge zu Fall gebracht, welche für auswärtige Schlächter höhere Gebühren vorsah als für einheimische Benutzer der Freibank für minderwertiges Fleisch. Aus Antrag der Sozialdemolraten wurden einheitliche Gebühren festgesetzt. Im übrigen weiß auch die Korrespondenz, daß in keiner preußischen Kommune die Sozialdemo- kratie so starr vertreten ist, um kurzsichtige und egoistische Rathaus- Politik zu verhindern. Die KirchtumSpolitik in den Kommunen ist eine Folge der von den Agrariern verteidigten Dreiklasienwahl. WaS in Kommunen gesündigt wird, kommt nicht auf daS Konto der Sozialdemokratie, sondern belastet die in Preußen herrschenden Junker._ Die deutsche chemische Judustrie. Ueber die Entwickelnng der deutschen chemischen Industrie im Eahre 1907 äußerte sich in der in Freibung i. B. abgehaltenen aupiversammlung des„Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie" dessen Generalsekretär Direktor O. Wenzel- Berlin folgenderniaßen:„Die chemische Industrie wurde mit Ausnahme einzelner Zweige, wie der Bleifarbenindiistrie, dank der Zuverlässigkeit ihrer wirtschaftlichen Grundlagen. der weiten und vielseitigen Handelsbeziehungen und der anerkannten Unentbehrlichkeit vieler ihrer Erzeugnisse von dem Rückgänge der Konjunktur weniger berührt. Freilich werden die Spuren der Schäden voraussichtlich in den Rechnungsabschlüssen des lausenden Jahre? sichtbar zutage treten, wenn beim Nachlassen des gesteigerten Waren- bedürstlisscS auch der Einfluß der neuen Handelsverträge mit ihren vielfachen Erschwerungen deö Wettbewerbes auf dem Weltniarlte sich fühlbarer zu machen beginnt. Die Zahl der Betriebe stieg von 8505 im Jahre 1906 auf 8618 im Jahre 1907, die Zahl der Vollarbeiter von 195 000 auf 207 000, also lim 6.2S Proz.. vie Summe der verdienten Löbne von 207 auf
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