schicken und würden jetzt eine unmittelöare VerstSndi- g u n g vorziehen. Die Presse verlangt einstimmig die Ab- schaffung der Kapitulationen als eine der unvermeid- lichen Entschädigungen. Eine turkisch-bulgarische Erklärnng. Sofia , 19. Oktober. Die jungtürkischen Delegierten unterzeichneten gemeinsam mit den Mitgliedern des Einigung-Z- komiteeS folgende Erklärnng: Die Bevölkerung ist beiderseits gegen den Krieg und hofft, dast keine der beiden Regierungen den Frieden stören wird. Die Unterzeichner ersuchen die Regierung. schleunigst offizielle Verhandlungen über eine An- Näherung Bulgariens und der Türkei zu beginnen. Diese Erklärung soll heute dem Ministerpräsidenten Malinow unterbreitet und morgen in den türkischen und bulgarischen Blättern gleichzeitig veröffentlicht werden. Der Friede gesichert. Sofia , 19. Oktober. Die letzten Mobilmachungsbefehle find heute rückgängig gemacht worden, da eine ganz er- hcbliche Besserung der Beziehungen zwischen Türkei und Bulgarien eingetreten ist. Konstantiuopcl, 19. Oktober. Der Sofiaer Korrespondent"der «Den! Gazetta" berichtet, daß jede Gefahr einer kriegerischen Ver- Wickelung ausgeschlossen ist und der Friede zwischen der Türkei und Bulgarien auf keinen Fall gestört tverden wird. SountagSvergnügen in Belgrad . Belgrad , 13. Oktober. Gegen abend durchzog eine mehrere tausend Köpfe zählende Menschenmenge, meist junge Burschen, die Strotzen der Stadt und zertnnnmerte unter Rufen Nieder Oesterreich-Ungarn" zahlreiche Firmenschilder öfter- reichischer und ungarischer Kaufleute. Ein starkes Gendarinericaufgebot versuchte vergebens, die Menge zu zerstreuen, da die Demonstranten stch in den Nebengassen immer wieder sammelten. Um lv Uhr war •rfe Ruhe im allgemeinen wiederhergestellt. Mehrere Personen wurden verhaftet. Belgrad , 18. Oktober. Die hiesige italienische Kolonie zielt heute eine Versammlung ab, in der sie eine Resolution satzte. die gegen die Annexion Bosniens und der Herzegowina Einspruch erhebt und erklärt, daß die Versammlung nit dem serbischen Volke im Kampfe solidarisch sei. Nach der Ver- «ammlung zogen die Italiener mit ihrer Fahne nach dem Konak nid brachten dem Könige begeisterte Huldigungen dar. Der König rat auf den Balkon und dankte für die zum Ausdruck gebrachte Ge- innung, die hoffen Uetze , dotz die gerechte Sache Serbiens ticht untergehen werde. Belgrad , 19. Oktober. Bei den gestrigen Demonftrarionen wurden «0 Berhaftungen vorgenommen; eine strenge Untersuchung vurde eingeleitet. Die meisten Blätter verurteilen die Ge- «alttätigkeiten gegen die österreichisch-ungarischen Geschäfts- ■cute und sprechen sich für einen friedlichen Boykott aus. Oestemichische Beschwerden. Belgrad , 19. Oktober. Infolge der gestrigen Exzeffe hat der vsterreichisch-ungarische Geschäftsträger bei der hiesigen Regierung ernste Vorstellungen erhoben und mitgeteilt, datz die österreichisch- ungarische Regierung wegen der Beschädigungen dcö Eigentums ihrer Untertanen vollen Schadenersatz verlangt; weiter wird gemeldet, datz der Gcschästölräger bei Wiederholung der Exzesse mit einer Demo» st ratio n der Donaumonitore vor Belgrad gedroht haben soll. Die bosnische Verfassung. Budapest , 19. Oktober. Die vereinigten vier Ausschüsse der Ungarischen Delegation begannen heute die Verhandlung über den Okkupationskredit. Der gemeinsame Finanzminister Baron Burian betonte, die glücklich erfolgte Angliederung ermög- liche eS. die Provinzen mit vollständiger Landes- autonomie auszustatten. Seit langer Zeit hätten in Bosnien und der Herzegowina Institutionen existiert, welche die Mit- Wirkung der Bevölkerung an der Leitung der öffentlichen Angelegen- heilen vorbereiteten. Bei Schaffung der LandeLvei tretung stelle das Manifest bereits als Grundprinzip fest, datz für die Hauptelemente der Bevölkerung eigene Kurien geschaffen werden sollen. DaS in den Gemeinden bereits eingefüHrte, dem geplanten ähnliche Wahlsystem habe sich gut bewährt. Jede Konfession wählt danach eine gewisse Zahl von Vertretern. Der Minister erörterte in großen Zügen die der neuen Landeövertretung zu unterbreitenden wichtigsten Vorlagen, deren Grundprinzip darin bestehen werde, der Bevölkerung eine möglichst grotzeBewegungS- freiheit zu sichern. Unter den vorzubereitenden Gesetzentwürfen zählte der Minister insbesondere die Ergänzung der Straf- Prozeßordnung behufs Sicherung der persönlichen Freiheit, der Unverletzlichkeit des HauSrechteS, der Wahrung des Briefgeheimnisses auf. Ferner nannte der Minister die Aufhebung der Kompetenz der Militärgerichte, welche bisher in gewissen Fällen bestand, die Regelung des Vereins- und Versammlungsrechts, endlich die Organisation der LandeSvertrctung und das Wahlgesetz. Der Minister sprach die Hoffnung auS, datz die neue LandeSvenretung gleichzeitig mit der zu schaffenden KrciSbcrtrctung im nächsten Frühjahr ihre Wirksamkeit werde beginnen können. frzliröiikcher Parteitag. Zweiter Tag. Toulonse, 16. Oktober. (Eig. Ber.) Die heutige Vormittagsfltznng brachte die Eröffnung der Debatte tkber die allgemeine Aktion der Partei. Im Namen der Mehrheit der Administralivkommisston spricht Tanger : Wir hatten die Absicht, eine einzige Resolution im Namen der ganzen Kommission vorzulegen, aber wenn über gewisse Punkte, wie über die Aufrechterhaliung dcS Einigungspakts und der Beschlüsse der nationalen und internationalen Kongresse Einstimmigkeit herrschte, so fehlte sie bei der Bewertung der Reformen und der Auffassung der Partei- aktion und der Resolution selbst. Für uns ist die Revolution schon eine Realität, für die anderen ein fernes Ereignis, auf das man sich vorbereitet. Jene wollen die Massen für den Revolutionstag gruppieren und formieren, sie schreiben den Reformen einen nur relativen Wert zu. für unS aber dient das Gruppieren und Formieren schon den Aufgaben der Gegenwart. Wir kämpfen schon heute für die soziale Umgestaltung und Revolution. DieS drückt die Resolution der Seine- Föderation aus. Die Partei soll die Partei der Arbeiter- klasse sein, jeden Tag ihr Leben, ihre Lebenshaltung verteidigen und für ihre Befreiung kämpfen. Die Arbeiter- klaffe mutz fühlen,� datz diese Bemühungen ein greifbares Resultat haben, datz sie auf dem Wege zur völligen Befreiung ist. Daher ist eine Erklärung nötig, die ganz Bewegung und Leben ist, die alle Mittel der Aktion uinfatzt. aber jedem seinen Rang gibt. Alle Mittel der Altion sind gut, aber man darf sie nicht durcheinanderwerfen. Man mutz aussprechen, datz die Revolution nicht am Ende einer legalen Aktion mit einander verketteter Reformen steht. Die Ge- schichte beweist die Notwendigkeit der Revolutionen. Aber sie haben nur dieletztenHinternisse niederzuwerfen. Schon heute müssen wir die bürgerliche Gesellschaft unterminieren und die Elemente der neuen vorbereiten. Wir müssen zeigen, datz wir auch in den Staat ein- - dringen, eine Parzelle der öffentlichen Gewalt in die Hände des i Proletariats bringen können. Keine Aktion ist zu vernachlässigen, sofern sie ans das Ziel der Revolution gerichtet und unter der Kon- trolle des Proletarlats ist. Die parlamentarische Aktion darf nicht für sich bestehen, sondern mutz im Zusammenhang mit der ganzen Parreiaktion sein. Wir müssen zeigen, datz wir die Fähigsten sind für die Gegenwarlsarbeit und die einzig Fähigen zur Befreiung der Arbeiterklasse. Man darf nicht sagen, die Arbeiter sind nicht mit un§. Die Arbeiter sind entmutigt, wir müssen sie iv o l l e n lehren, dann kommen sie mit unS. Wir müssen ihnen Erfolge zeigen, damit sie an unsere Ehrlich- keit und an unteren Ernst glauben. Die Reformen sind aber nur. was die Organisationen auS ihnen zu machen vermögen. Die Bourgeoisie fürchtet nicht die Revolution für später, sondem den Angriff von heule. Wir brauchen eine Revolution, die ihre Spitze gegen die Bourgeoisie richtet, nicht gegen andersdenkende Genossen. Lafargue, als Vertreter der Minderheit der VeuoaltuugS- kom'.ilission, findet, die Aktion der Partei sei durch die Beschlüsse der nationalen und internationalen Kongresse genügend bestimmt. DaS Parlament ist heute eine Form der Herrschaft der Bourgeoisie, die Revolution lvird ein anderes bringen. Redner greift die Hervöisten an. Die Reformen sind keine Flickarbeit an der bürgerlichen Gesell- schaft. Die Anarchisten behaupteten es und wir haben sie dafür ausgeschlossen. Sie sind aber auch kein Allheilmittel. Selbst die besten, wie der Ruhetag und der Achtstundentag können das Leben des Arbeiters und der heuligen Gesellschaft nicht erträglich machen. Wir glauben nicht wie JaursS, datz man, von Reform zu Reform fortschreitend, das Uuteruehmcrtum aufheben kann. Die Resolution der Seine ist Fisch und Fleisch zugleich, sie ist nach dem Zeugnis der„Guenre Soziale" ein„weißer Neger". B a r e n n e(possibilistischer Deputierter. Vertreter der Föderation Cöte d'Or) tritt für die reformistischen Resolutionen seiner Föderation in einer taklisch sehr geschickten Rede ein: Die nationalen und inter - nationalen Kongresse haben dem Proletariat die Aufgabe gestellt. die politische Macht zu erobern. Dies kann namentlich mittels des allgemeine» Wahlrecht» geschehen, um das das Proletariat in jenen Ländern, Ivo es noch nicht besteht, kämpft. Ich bin ein Anhänger der republikanischen Disziplin, das sind die Genossen des Nordens auch, nur spreche ich eS auS, sie nicht. Wir müssen im Parlament alles für Reformen tun, schon auS Rechtlich- keit, denn unsere Kandidaten versprechen sie alle. ES ist ein Irrtum, datz wir den Ministerialismus erneuern wollen. Wollten wir den Einiguugspakt und die Amsterdamer Resolution durchbrechen, wären wir nicht da. Nun will einer von uns— Breton— die Wiederherstellung der Delegation der Linken. Ich füge mich ber politischen Situation. Die Delegation der Linken ist tot, ich will sie nicht auflvecken: Was wir wollen ist, datz die Partei sich als energische Reformpartei bekunde und im Parlament nicht dem Gegner in die Hände spiele. Clemenceau will uns isolieren, wir müssen alle» versuchen, diese Politik zu durchkreuzen. Man könnte sagen, da» System Clemenceau nützt uns. Fragen Sie die Opfer von Viueneuve. Fragen Sie die verfolgten kleinen Beamten, ob sie diese Pferdekur gut finden. Unsere wichtigste Aufgabe ist heute, das Ministerium Clemenceau , das die politische Reaktion heuchlerisch mit Reformsreundlichkeit verbindet, zu stürzen.— Gegen die direkte Aktion habe ich nichts. Die Pression auf die öffentliche Ge- wall ohne Intervention des Parlaments ist an sich eine legale Altion. Ich habe auch nichts gegen den Generalstreik. aber nur sofern er nicht ein Streik ohne Streikende ist sdie Guesdisien applaudieren). Für einen wirklichen Generalstreik brauchen wir das ganze Proletariat, nicht nur das organisierte. ein Proletariat, da» Vertrauen zu uns hat. Aber Sie schlagen den Streik Leuten vor, die noch nicht einmal das sozialistische Gewissen haben, für die Kandidaten ihrer Klasse zu stimmen. sErneuter Bei- fall der GneSdiften.) Auch gegen die Insurrektion habe ich nichts, aber ich will nicht eine Insurrektion mit Revolvern um dreiund- eiuhalb Franks gegen 75 Millimeter-Kanonen.— Seit der Einigung hat die Parle! im Lande reformatorische Arbeit verrichtet, drautzen aber ultrarevolutionäre Politik gemacht, auf den Kongressen radikale Beschlüsse gefaßt. Wir wollen die sozialistische Einigkeit verleidigen, in einen, Geiste sozialistischer Herzlichkeit, wir wollen eine zugleich realistische und idealistische Politik betreiben, dem Arbeiter die Doktrin des reinen Sozialismus lehren, aber auch die Bedeutung der Reformen.(Beifall.) V a i l l a n t spricht für die Resolution der Seine-Föderation. Wir haben für die Aufnahme der Worte Generalstreik und In- surrektion gestimmt. Wir wissen, datz man solche Bewegungen nicht in einem Komilee beschlietzcn kann, aber wir können die Er- eignisse benützen. Das zeigt die russische Revolution, der Einfluß den der Generalstreik auf ihren Gang gehabt hat. In unserer Resolution, meint Lafargue, steht nichts von der Eroberung der politischen Macht, aber das steht doch schon im Einigungspakt. Wir wollen die besondere Politik definieren, die dem heutigen Stand an- gepatzt ist. Die Idee» entwickeln sich, und wir sehen in unserer Ge- tellkchaft neue Kräfte sicv bilden, die die Revolution zu vollbringen benimmt sind. Wir halten nichts von Worte» und Formeln, wir wollen das Maximum von Aktion, das ist Politik. Wir wollen eine starke Gesamtaktion der Partei, die alle Nuancen koordiniert. DaS Proletariat muß Vertrauen zu unS bekommen, heute versteht eS uns nicht, weil jeder zu sehr an seiner bc- sonderen Formel festhält und sie alS die einzige wahrhaft sozialistische verteidigt. ES gibt keine„republikanische Disziplin' für unS, sondern nur eine sozialistijche (Beifall). Ich glaube an die sozialistische Demokratie. sonst wäre ich nicht im Parlament. Aber die parlamentarische Aktion ist nur ei» Teil der Totalaktion und muß ihr untergeordnet sein. Die direkte Aktion deS Proletariats, die ich immer vertreten habe, hängt in ihrer Wirksamkeit von der Stärke der Organisation ab. Diese entscheidet über die Durchsetzung und Anwendung der Reiormgeseye, sie kann ihre Tragweite vergrößern. In England geht das Volk zu diesem Zwecke ftuf die Stratze, uns fehlt die organisierte Macht deS Proletariats zur Unterstützung der sozialtitiswen Parlamentarier. Wir haben eine große politische Aktion zu vollbringen, wir wollen nicht ein bloßer Schatten der ArbeitSkonsöderation sein. Wir sind die Erzieher deS Proletariats, wir baben es zur Altion anzufeuern. DaS Uebergewicht der Parteiorganisation über die Parlamentarier wird mit der Stärkung der Organisation wachsen. Ich sehe in der Partei keine Rechte und keine Linke, ich möchte aber die Manie. mit seiner Meinung regieren zu wollen. aus ihr verschwinden sehen. Ww sollen nicht intelligenter sein wollen als die Masse des Proletaliars, die viel- leicht intelligenter ist als die Partei. Man hat die Intelligenz seines Milieu». Wir sind die Partei der Arbeiterklasse, wir wollen mit ihr leben, sie lehren, ihr vorankämpfen bis zu ihrer Befreiung. (Lebhafter Beifall.) Lafargue bemerkt: Ich bin mit allen Ausführungen VaillautS einverstanden, aber nicht mit der Resolution der Seine. Nie hat jemand in der Administrativkommission herrschen wollen, wir waren dort immer einig. ES sind 51 Redner vorgemerlt. Der Kongreß beschließt in der Nachmittagssitzung, zunächst die Redner der Föderationen zu Wort kommen lasse», die Resolutionen zu diesem Punkt eingebracht haben. ES liegen 27 solcher Resolutionen vor. Es sprechen L o n g u e t gegen die Syndikalisten und C o n st a n» für die alte revolutionäre Auffassung des Sozialismus, woraus Breton eine lanze Verteidigungsrede hält, in der er sich besonders auf die einstig« Politik JauröS'. die eine Unterstützung des Ministeriums CombeS war, und die stille Unterstützung CoinbeS' durch die ehemaligen Revoliltionärioziatisten beruft. Sozialisten seien auch jetzt noch ,n allen möglichen parlamentarischen Gruppen und anderen Vereinigungen mit Bürgerlichen bersammen: in der Liga für Meuichcilrechie uiw. Rappoport setzt in einer eineinhalbstündigen Rede die An« schauungen seiner(guesdistischen) Richtung auseinander: Es wäre wichtiger, die Reformen zu erobern, als sie zu definieren, wie es die Resolution des Tarn(JaureS) verlangt. Keine sozicr- listischs Partei der Welt vernachlässigt die Reformen. Der doktri« näre Reformismus glaubt aber den Sozialismus durch eine Serie von gesetzlichen Reformen in der heutigen Gesellschaft zu verwirk- lichen. Wir glauben dagegen, daß die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse erst den Beginn der echt sozialistischcl. Reformen bedeuten werde. Die Aufgabe unserer Parlamentarier ist, für alle Reformen einzutreten, wir müssen aber dabei als Sozialisten auftreten. Als Sozialisten begreifen wir die Schranken der bürgerlichen Reformen: das kapitalistische Eigentum und den Mangel' an Geldmitteln, da diese durch den Militarismus auf. gesaugt werden. Nicht wir. sondern die Reformisten bczw. Revisio- nisten haben den Gegensatz zwischen Reformen und Endziel kon- struiert. Wir kämpfen für Reformen, aber unsere eigentliche Auf- gäbe, unsere direkte Aktion ist, überzeugte Sozialisten aus- zubilden und zu organisieren. Wir leiden nicht an Unter- schätzung der Reformen, sondern an Unverständnis des Sozialismus. Auch die Syndikalisten sind Reformisten, aber ungezogene. die durch das Maximum von Kraftaufwendung das Minimum an Resultaten erzielen, wenn nicht gar schmähliche Niederlagen. Red- ner wendet sich gegen den Anarchosyndikalismus, der einen Bc- standteil der Parteimajorität bilde. Die französischen Anarcho- syndikalisten pflegen den Kultus der G e w a l t a n s i ch. Nun ist die Gewalt reaktionär, wenn sie reaktionären Zwecken dient, rede- lutionär, wenn sie zur sozialen Revolution führt, reformistisch, wenn sie nichts als kleine Reformen durchsetzt. Wir verleugnen nicht die Gewalt als historischen Faktor auch für die bevorstehende Revolution. Wir fürchten nicht d i e Revolution, sondern fürchten für die Revolution, wenn sie in die Hände der Putschisten fällt. Die Anarchosyndikalisten bleiben in der Partei, um sie zu ruinieren. Die Theorie der revolutionären Gymnastik wirkt demoralisierend. Wir haben nicht das Recht zu schweigen, sondern es gilt, das Prole- tariat vor Fehltritten zu warnen. Wir kennen die internationale Erfahrung in bezug auf den Anarchismus. Dieser ist die Kinder- kraniheit der sozialistischen Bewegung. In Frankreich machen wir diese Kinderkrankheit aufs neue in unseren alten Jahren durch. Redner zitiert die von der„Actio» Directe" veröffentlichte Erklärung der sozialistischen Syndikalisten, in der zu lesen ist, datz die sozialistische Partei keine Interessen, sondern nur Meinungen vertrete. Bloß der Streik sei eine natürliche Waffe des Klassen- kampfs. In der Resolution der Seine steht die„direkte Aktion " zwischen Jnsurrektcon und Generalstreik aufgezählt, und sie hat. ob man es wolle oder nicht, einen anarchistischen Sinn. Die Partei muß klar und deutlich zwei Dinge aussprechen: die absolute Not- wendigkeit, den sozialistischen Standpunkt überall zu behaupten, die Gegenwartsarbeit im Licht des Endziels zu betrachten und den anarchistischen Wahn von der Partei fernzuhalten. Wir haben heute mit der herrschenden Klasse zwei Interessen gemeinsam: die Pro- duktivität der Arbeit und— solange wir schwach sind— die Aufrechterhaltung der Ordnung. Wir pro- testiere» gegen Sabotage und unsinnige Experimente. Befreien wir die Partei von der anarchistischen Umarmung, wie wir sie von der bürgerlichen Umarmung befreit haben.(Anhaltender Beifall.) Die Debatte wird in einer N a ch t s i tz u n g fortgesetzt. Mehrere Redner wenden sich gegen den Syndikalismus. Wo das Schlag- wort von der direkten Aktion aufgekommen sei, seien die Organi- satconen im Rückgang. Dagegen versichert ein anderer Redner, die Syndikalisten gäben da» Beispiel einer wahrhaft reformistischen Aktion. Nun kommt als Sprecher der Syndikalisten Lagardelle zu Worte. In seiner formvollendeten Rede legt er die Auffassungen der der Partei angehörigen Syndika- listen dar. Er sagt: Das Wesen des Sozialismus, wie es historisch und Wissenschaft- lich entwickelt ist. ist eine doppelte Befreiung: die von der wirt- schaftlichen Ausbeutung und die von der Herrschaft des Staates. Nach diesen beiden Zielen hat sich die Aktion zu richten. Uns ist ein praktisches Problem gestellt, daS der Vorbereitung. Wie kann die sozialistische Partei dem Proletariat helfen? ES gibt verschiedene Antworten auf diese Frage. Wir haben den Revisionismus Barennes, den RevolutionariSmuS, in seiner klassischen Form von Lafargue dargelegt, wir haben die Resolution der Seine-Föderation, die Resolution Jobert und di« Erklärung in der„Actio» directe", die darin überein- stimmen, daß sie die inspirative Kraft der Gewerkschaftsbewegung für den Sozialismus anerkennen. Wir haben endlich die Resolution deS Tarn. Ihr Urheber, JaureS , hat den Mut, gegen den revolutio- nären Ucberlieferungswust aufzutreten, er gibt der syndikalistischen Erfahrung ihren wahren Wert, aber die praktischen Vorschläge, die er macht, entsprechen nicht seinen Prämissen. Die Gewerkschaft ist daö natürliche Organ des Klassenkampfes. Dort sind Arbeiter, die als Arbeiter ihre Interessen verteidigen. Sie vereinigt die Pro- duzenten. Bei allen großen Sozialisten, von Proudhon bis Marx, finden wir die Verherrlichung der produktive� Kraft, die dem Arbeiter seine Persönlichkeit, feine Würde gibt. Wir haben weiter die direkte Aktion. Sie ist der Appell an die Person- lichen Kräfte, an das Verantwortlichkeitsgcfühl des Produzenteli. Darum fordert sie die Intervention der bewußten kühnen Minoritäten. Sie ist in Opposition gegen die parlamentarische Friedensmeierei. Wir verkennen nicht, daß der Parla- mentarismus revolutionäre Seiten hat, er hat aber auch kon- servative. Er führt notwendig zu Kompromissen. Die Action directe aber ist die konstante revolutionäre Arbeit des Proletariers in der Werkstätte. Di« Frage ist: aus der kapitalistischen Werkstatt« eine sozialistische zu machen, die frei- willige Disziplin an die Stelle der autoritären, durch den Unternehmer ausrecksterhaltenen zu setzen. Durch die fort- schreitende, jeden Tag vertiefte Revolution kann das Proletariat die Freiheit der Werkstatt erobern. Der Syndikalismus erhält in der Arbeiterfchaft den notwendigen Kampfgeist.— Der Redner gibt dann seine Ausfassung vom Generalstreik. Der Generalstreik ist nicht„mit gekreuzten Armen" zu machen, auch nicht von Komitee» zu organisieren. Er ist das Endergebnis der Bestrebungen der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterklasse. Lassen wir diese für sich sorgen, sie weiß besser als wir. was sie zu tun hat.(Ironischer Beifall.) Wir haben nur aus den täglichen Erfahrungen die Re- sultate zu ziehen. Es wivd wenig Leute geben, die behaupten werden, daß wir eine Versammlung von Arbeitern seien.(Proicstrufe, Lärm.) Der Sozialismus soll sich um da» kümmern, was ihn angeht. Er hat eine Rolle neben der organi- sicrten Arbeiterklasse. Er ist ein historisches Gebilde, darum dis- kutiere ich nicht darüber, ob er bestehen soll. Die Aufgabe der sozialistischen Partei ist eine doppelte: Sie hat sich um die Eni- Wickelung jener Einrichtungen zu kümmern, die an sich mit dem Sozialismus nichts zu tun haben, aber für daS Proletariat wichtig sind, wie die politischen Freiheiten. Daneben obliegt ihr noch eine Aufgabe, den Staat zu desorganisieren. Der Redner bekämpft die Monopolpolitik, die den Machtbereich des Staates vergrößert, die Korruption vergrößert. Der Sozialismus hat zu fordern, daß die Post den Postangestellten, die Schule den Lehrern usw/ übergeben werde. Der Redner schließt mit dem Hinweis auf das Wachstum der syndikalistischen Richtung. Diese fei allein iw- stände, der pernianentcn Krise der Partei ein Ende zumachen. (Vereinzelter Beifall.) Es sprechen noch H e l i e S(Iura. Direktor der Großeinkaufs- genossenschaft>, der gegen die Theoretiker polemisiert und die Not- wendjgkeit der wirtschaftlich«» Organisation hervorhebt. Durch den Ausbau der Genossenschaften könne man an die Wurzeln deS kapi- talistischen Systems greifen. Faure(Loire ) wendet sich gegen LagardelleS Auffassung des Klassenkampfes und gegen die Theorie der„intelligenten Mi- noritäten". Wir versteifen uns nicht auf die Gesetzlichkeit, aber wir wollen erst die Kraft zur Ungesetzlichkeit haben. Die Verhandlung schließt gegen Mitternacht. '.' Toulonse, 19. Oktober. (Privatdepesche deS Vorwärts.) Der Parteitag nahm bei einer Enthaltung einstimmig eins Kompromitz-Refolution an. Sie betont das Endziel, hebt die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Reformen hervor, steht in Gewerkschaften und Genossenschaften not-
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