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Dieses Vorkommnis hat unter der Einivohnerschaft von Oranienburg und Umgegend eine gewaltige Erregung verursacht. Am Sonntag fand in Sandhausen bei Oranienburg eine Protestversammlung statt, die namentlich von arbeitslosen und vom Kanalbau zurückgewiesenen Arbeitern besucht war. Genosse Paul John aus Berlin führte in seinem Referat alle diese Zustande darauf zurück, daß bei uns in Preußen agrarisch Trunixs sei und das Agrariertum zu seinen Zwecken den Weg über Leichen nicht scheue. Dem Referat schloß sich eine lebhafte Dis- kusfion an, in der seitens der Arbeitslosen namentlich über die rücksichtslose Steucreintreiberei geklagt wurde. Der Referent empfahl den Arbeitslosen, aufs Rathaus zu gehen und mit Rücksichl auf ihre Abweisung von der Arbeit die dem Gesetze entsprechende Steuerherabsetzung oder Steuerbefreiung zu beantragen. Am Schlüsse der Bersammlung wurde einstimmig folgende Resolution angenommen: Die heute im Lokale WaldhauS-Sandhausen tagende Per- sammlung protestiert energisch dagegen, daß durch Maßnahmen der Behörde die allgemeine Arbeitslosigkeit noch vergrößert wird, und beaustragt das Bureau, beim Ministerium, Landtag , Magistrat und den Stadtverordneten in geeigneter Weise vorstellig zu werden." Da die Sozialdemokratie im preußischen Landtage jetzt ebenfalls vertreten ist, sind die zur Verzweiflung getriebenen Arbeitslosen dort jetzt wenigstens nicht mehr ganz ohne Fürsprache. Das Agrarier- tum wird zeigen können, ob es im Angesicht dieser ZustSndo in eine Milderung der in seinem Interesse geschaffenen Verbältnisse willig., oder ob es gedenkt, seine Politik bewußt über Leichen hinweg fortzusetzen!______ Sshlea in MckeiMemich. Aus Wien wird uns vom 25, Oktober geschrieben: Morgen beginnen die Wahlen für den niederösterreichischen Landtag und zwar werden die 08 Mandate der allgemeinen Wühlerflasse. darunter sämtliche Wiener Mandate, vergeben. Nach der Wahlreform setzt sich der Landtag zum Teil aus dem allgemeinen Wahlrecht, zum Teil aus den mannigfaltigsten Privilegien zusammen. Im allgemeinen Wahlrecht wird vor allem die Vertretung Wiens , insgesamt 48 Mandate, gewählt. Nächstdem wählt 10 Abgeordnete in einer allgemeinen Wählerklasse das übrige Land. Das Land wählt dann noch 46 Abgeordnete aus dem ZensuS, und 22 Abgeordnete kommen weiter aus reinen Privilegien dazu. Allgemeines" Wahlrecht kann das Landtagswahlrecht aller- dings nur mit starker Einschränkung genannt werden, denn es ist an eine dreijährige Seßhaftigkeit geknüpft, wogegen das Neichsratswahlrecht nur eine einjährige kennt. Diese Er- schwernis trifft ausschließlich die Arbeiter; teils aus ökonomischen Gründen, teils infolge deS gigantischen Wahl­schwindels, welcher bei der Anlegung der Wahlerliste, die in Wien der Luegerischen Gemeindebehörde, dem Magistrat, obliegt, betrieben wird; während von dem neuen Wahlrechtserfordernis bei den christlichsozialen Partei- gängern glatt abgesehen wird, lastet es auf den Arbeitern mit voller Wucht. Noch weniger kann man das Wahlrecht in der allgemeinen Wählerklasse deS Landes ein allgemeines nennen, denn hier ist Bedingung nicht bloß die dreijährige Seßhaftigkeit, sondern auch die sogenannte Ge- meiudemitgliedschaft; es sind also nur die wahlberechtigt, die über die drei Jahre Seßhaftigkeit verfügen und entweoer in der Wohngemeinde heimatsberechtigt sind oder eine Steuer zahlen, so daß die Bedingungen einem stattlichen Zensus gleichkommt. Schon daraus geht hervor, daß die Sozial- demokratie in diesen Wahlen unter ungleich u n- günstigeren Bedingungen kämpft, als bei den RetchsratS- Wahlen. Noch weniger ist das Wahlrecht gleich, denn bei Ver- teilung der Mandate hat eine Wahlgeometrie gewaltet, die im Effekt auf ein mehrfaches Pluralwahlrecht hinausläuft. Es sind nämlich die bürgerlichen Stadtbezirke(Wien hat deren 21) mit Mandaten geradezu überladen worden,(so hat die innere Stadt 6, der Bezirk Wieden 4 Mandate zugewiesen bekommen, obwohl sie zu den kleinsten von Wien gehören), wogegen die proletarischen Bezirke auf das kärgste Minimum gesetzt wurden. In Zahlen läßt sich diese raffinierte, wenngleich versteckte Un- gleichheit folgendermaßen ausdrücken: Die 12 Bezirke, die bei den Neichsratswahlen christlichsoziale Mehrheiten er- gaben, haben 826 400 Einwohner und wählen zuni Landtag insgesamt 36 Abgeordnete. Die neun Be- zirko mit sozialdemokratischer und freisinniger Mehrheit haben 710500 Einwohner und wählen 12 Abgeordnete. Es entfüllt also in den Bezirken mit christlichsozialer Mehrheit ein Abgeordneter aus 23 000, in den Bezirken mit gegnerischer (in acht von den neun Bezirken mit sozialdemokratischer) Mehr- hcit auf 53000 Einwohnerl Man begreift danach, daß es ftir die Christlichsozialen nicht schwer ist, bei dieser Wahl zu ..siegen", und daß eine gewaltige christlichsoziale Mehrheit des Landtages schon durch die Wahlgoometrie verbürgt wird. Welches sind nun die Wahlaussichten für die Sozialde- wokratie? Im vorigen Landtag hatten wir einen ein- zigen Abgeordneten, den Genossen Seitz, der die Stadt Floridsdorf, die seither als 21. Bezirk Wien ein- verleibt wurde, vertreten hat. Diesmal sind uns drei Bezirke sicher: Florisdorf mit einem, und Favoriten und Ottakring mit je zwei Abgeordneten. Nebstdem erscheinen als relativer Besitzstand der Partei die vier Bezirke, die bei den Reichsrats- Wahlen erobert wurden: Simmering , Meidling . Rudolfsheim und Brigittenau ; denn der Bezirk Fünfhaus, wo wir bei der Reichsratswahl den berühmten Ernst Schneider, den Ritualmord- spezialisten, in der Stichwahl besiegten, ist als proletarischer Bezirk nicht zu rechnen. Würden wir diese vier Bezirke unter wesentlich verschlechtertem Wahlrecht behaupten, so wäre das freilich ein eminenter Erfolg. Eine gewisse Chance bietet noch der zweite Bezirk, die Leopoldstadt, der zwei Man- date vergibt. Hier kandidiert der Gottsöberste. nämlich Herr Lueger selber(allerdings nebstdem auch in einem ganz sicheren Bezirk), und da kommen auch noch die Freisinnigen in Betracht, die hier gleichfalls ihren stärksten Mann, den Baron Hock, hinansgeschickt haben; beide Führer haben als zweiten Mann einen Außenseiter mit. Wenn die Christlichsozialen hier nicht gleich in der Hauptwahl siegen. so wird es darauf ankommen. welche Partei, ob die Sozialdemokraten� oder Freisinnigen mit ihnen in die Stichwahl kommen. Von den zehn Wahlbezirken des Landes kommt für unsere Partei nur einer in Betracht: der Jndustriebezirk Bruck an der Leitha , ein wahres Ungetüm von einem Wahlbezirk, denn er ist aus 64 städtischen über das ganze Land verstreuten Orten gebildet. Ihn zu erobern hat der Reichsratsabgeordnete Renner übernommen. Im allgemeinen kandidiert aber die Partei jüngere Genossen. Nachwuchs, der sich im LandtagSfaal die parlamentarischen Sporen verdienen soll. Obwohl die Bedeutung der Landtage in Oesterreich be- trächtlich gesunken ist, haben auch die morgigen Wahlen ihre politische Wichtigkeit. Erstens sind Wahlen in Wien mit ihren geschichtlichen Kämpfen zwischen Sozial- demokraten und Christlichsozialen immer von großer Bedeu- tung, und zweitens gehört der niederösterreickische Landtag zu den stärksten Vcrschanzungen des christlichsozialen Regims, in das Bresche zu schlagen seinen bedeutsamen Wert hätte. Ein gewisser Fortschritt gegen den bisherigen Stand ist der Sozial- demokratie nicht zu entreißen; ob darüber hinaus beträchtliche Erfolge möglich sein werden, ist angesichts der Wahlpflicht, die auch bei den Landtagswahlen gilt, nicht abzuschätzen. Vorgearbeitet ist gründlich worden: nun muß man abwarten, ob der Aussaat die Ernte unmittelbar nachfolgt. » Sieg. Wien , 26. Oktober. (Privatdepesche desVorwärts".) Die Partei hat bei den Wahlen glänzend gesiegt. Seitz ist in Florisdorf wiedergewählt. In Ottakring und Favoriten sind vier neue Sitze erobert worden. Dazu wurde das Landaemeindemandat Bruck an der Leitha gewonnen, wo Genosse Dr. R e n n e r den Christlich - sozialen niederrang. Nenner wurde auch zugleich in Fa- voriten gewählt. In Wien herrscht großer Jubel. Sie ßalkantolle. Der serbische Kronprinz reist nach PoterS« bürg und wird dort vom Zaren empfangen werden. Das Bürschchen, daö in Beigrad unaufhörlich zum Kriege hetzte und dessen Renommistereien nur ungefährlich waren. weil den serbischen Kanonen die Munition fehlt, diese Possenfigur erhält jetzt plötzlich eine neue Rolle. Der Zar läßt ihn kommen, um zu demonstrieren, daß auch die unverschämteste Kriegshetze gegen Oesterreich für ihn keinen Grund bildet, den Empfang zu unterlassen. Es ist eine direkte Brüskier ung Oesterreichs , eine offenkundige Ermutigung der serbischen und montenegrinischen Kriegshetze. Diese heraus- fordernde Haltung Rußlands wäre nicht möglich, wenn das zerrüttete Reich nicht der Unterstützung der englischen Diplo- matie gewiß wäre. Dieser handelt eS sich darum, zu beweisen, daß ohne die englische Macht auf dem Balkan keine Entscheidung fallen darf. Den Jungtürken soll bewiesen werden, welch' mächtigen Freund sie in England besitzen. Deshalb muß Oe st erreich isoliert, deshalb mußten die direkten Verhandlungen mit der Türkei wieder abgebrochen werden, deshalb empfängt der russische Zar den serbischen Schimpfbold. Daß dadurch die Spannung auf dem Balkan vermehrt wird, daß in Serbien und Montenegro die Kriegshetze neu ausflammt, hindert die englische Diplomatie nicht. Ist es ja nicht England, das vom Ausbruch auf dem Balkan in erster Linie betroffen würde. Es ist deutlich zu erkennen, daß man in Paris von dem Vorgehen des englischen Freundes durchaus nicht entzückt ist. Frankreichs Interessen sind in der Türkei ebenso wie die Deutschlands wesentlich wirtschaftlicher Natur. Beide Staaten können durch den Ausbruch von Unruhen nur in jeder Beziehung verlieren und haben deshalb das stärkste In- teresse, den Frieden zu erhalten. Die Vermittlerrolle, die ihnen so naturgemäß zufällt, wird ihnen dadurch erleichtert, daß Deutschland als VerbündeterOesterreichs. Frankreich als Bundes- genösse Englands und Rußlands ihren Einfluß auf diese politisch unmittelbarer interessierten Staaten ausüben können, den Bogen nicht zu überspannen. Dazu wäre allerdings erforderlich, daß die deutsche und die französische Regierung sich ü b e r ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Nur fürchten wir, daß die Fehler der deutschen Diplomatie in der Vergangenheit sie hindern, in diesem Falle das Richtige zu tun. In Wien wird die Lage im allgemeinen ziemlich ernst aufgefaßt. Die Zeitungen berichten, daß die Rüstungen der Türkei fortdauern. Oesterreich könne ohne vorherige Berständigung mit der Türkei die Konferenz nicht beschicken, es sei denn, daß eS volle Gewißheit habe. daß sein Vorgehen anerkannt würde. Offiziöse Meldungen aber lauten günstiger und sie werden durch Konstantinopeler Stimmen bekräftigt. Danach seien die Verhandlungen nicht definitiv gescheitert, es werde möglich sein, neue Verhandlungen über das Konfercnzprogramm zu führen, die die Teilnahme Oesterreichs ermöglichen würden. lieber das Konferenzprogramm hat Herr I s w 0 l s k y. der heute Berlin verlassen hat, auch mit der deutschen Regierung verhandelt. Ueber das Resultat wird folgendes haldamtlich verlautbart: Die Besprechungen, die der Reichskanzler Fürst Bülow und der Staatssekretär v. Echoen mit dem russischen Minister JSWolSli gehabt haben, bezogen sich auf den Fall, daß wegen der durch die jüngsten Ereignisse auf der Balkanhalbinsel «nt- standenen Fragen ein offizieller Konferenzvorschlag gemacht und von allen Großmächten angenommen werden sollte. Die deutsche Regierung hat gegen eine Konferenz keine grundsätzlichen Einwendungen. Die deutsche und die russische Regierung sind einig in der Erkenntnis, daß eine Konferenz jedoch nur dann nützlich erscheint, wenn völlige Uebercjnstimmung unter allen Signatar mächten des Berliner Ber- trageS über Umfang und Inhalt des der Konferenz zu unter- breitenden Programms erzielt ist. Die deutsche Regierung hält an dem Standpunkt fest, daß sie Vorschlägen nicht zustimmen kann, gegen welche Oesterreich. Ungarn Einwendungen erhebt. Diese Punkte werden den Gegenstand weiterer Verhandlungen bilden; dagegen konnte bereits in den übrigen Punkten deS aus den früheren Besprechungen JSwolskis hervorgegangenen Entwurfs, insbesondere in bezug auf die im Interesse der Türkei vorgeschlagenen Vereinbarungen, volle Ueber- einstimmung festgestellt werden. Beide Regierungen werden bc- müht bleiben, für die gegenwärtigen Schwierigkeiten eine friedliche und gerechte Lösung zu erzielen. Günstiger lauten die Nachrichten ans Bulgarien . Es ist jetzt sicher, daß Bulgarien über die Ablösung deS ostrumelischen Tributs mit sich wird reden lassen und damit ist die eigentliche Schwierigkeit hier wohl beseitigt. Daß in Serbien und Montenegro, die miteinander ein Bündnis abgeschlossen haben, die Kriegshetze fortdauert, ist fast überflüssig zu be- merken. In Belgrad demonstrierten Sonntag die Frauen, während die Studenten sich jetzt der Boykottbewegung be- mächtigt haben und eine lärmende Agitation gegen den Kauf der österreichischen und auch der deutschen Waren entfalten. DaZ türkische Pogramm. Koufiantinopel, 24. Oktober. Das Organ des jungtürkischen KomiteesS ch u r a i Ummet" behauptet. das türkischeGegen» Programm umfasse folgende Hauptpunkte: t. Anerkennung Bulgariens als Königreich und Ostrumeliens als p r i v i l c- gierte Provinz gegen Regelung der finanziellen Verpflichtungen; 2. Regelung der bosnischen Frage, wofür Teilnahme an der türkischen Staats- schuld erhofft wird; 3. Integrität der Türkei . Das Blatt sagt jedoch, daß die Türkei ihre Integrität selbst schützen müsse und nicht die Mächte. Die Verhandlungen mit Oesterreich . Konstantiuvpel, 26. Oktober.»Jem Gazetta", das Organ des GroßwesirS, erklärt bei Besprechung der gegenwärtigen Loge und dc-5 Konferenzprojektes, direkte Verhandlungen der Pforte mit Oesterreich-Ungarn könnten nur den Zweck haben, die Beschickung der Konferenz zu erleichtern, aber keineswegs ein definitives Arrangement zu treffen. Wien , LS. Oktober. DerNeuen Freien Presse" telegraphiert man aus Konstantinopel : Die Ablehnung einer direkten Ver- ständigung erweckt neue Besorgnis. Die Pforte will zur Vollendung ihrer Kriegsrüstungen Zeit ge- Winnen. Die türkische Friedenspartei hat durch diese Ablehnung ihre erste diplomatische Niederlage erlitten. In Serble«. Belgrad , 25. Oktober. Gestern wurde die auf der Österreich . ungarischen Konsulatsagentur in Semendria gehißte Fahne von einem Gymnasiasten herabgeholt und verbrannt. Der Ministerpräsident entschuldigte sich heute wegen dieses Vorfalls bei der österreich -ungarischen Regierung und ordnete die Bestrsfung des Schuldigen an. Stampa" zufolge hat der König gestern einen serbisch- montenegrinischen Allianzvertrag unterzeichnet, der ein gemeinsames Vorgehen der beiden Länder im Kriegsfalle vorsieht. Die Stellung Bulgariens . Sofia , 25. Oktober. Der gestrige Ministerrat beschloß, mit der türkischen Regierung wegen Zahlung einer pekuniären Ent­schädigung für Ostrumelien und für direkte Ver­handlungen in Verbindung zu treten. Infolge der beruhigenden Versicheruugen mehrerer Minister, das jede Kriegsgefahr ausgeschlossen sei, ist die öffentliche Stimmung vollkommen ruhig. Ei» Rückzug Englands? Wie», 26. Oktober. Wie die Wiener »Allgemeine Zeitung" er­fährt. ist ein entscheidender Schritt de» englischen Bot- sch afters am Wiener Hose bei der gemeinsamen Regierung in der Weise erfolgt, daß von der englische» Regierung erklärt wird. eS habe England ferngelegen, irgend etwas zu unter- nehmen, um die direkten Verhandlungen zwischen Oesterreich-Ungarn und der Türkei bezüglich eines Arrangements zwischen diesen beiden Mächten zu verhindern. Sollt« du österreichisch-ungarische Regierung zu einer solchen Auffassung ge- kommen sein, so liege vor allem ein Mißverständnis vor. da die englische Regienmg eine direkte Verständigung zwischen Oesterreich-Ungarn und der Türkei als im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens liegend mit Genugtuung be- grüßen lönnte. Politische ücbcrlicbt Berlin , den 26. Oktober 1608. Steuerentwurfsfabrikatio» auf Borrat. Wie die»Franks. Ztg." zu melden weiß, hat Herr Sydow neben dem Branntweinmonopol-Entwurf einen Branntweinsteuer-Entwurr ausarbeiten lassen, damit, wenn das Monopol abgelehnt werden sollte, sofort ein Ersatz zur Verfügung steht. DaS granffurter Blatt bemerkt dazu: Vom Standpunkt des Reiches ist unseres Erachten» die Reform der Steuer ohne Zweifel vorzuziehen, da sie dem Reich die gleichen Vorteile bietet wie das Monopol, ohne eS mit der Pflicht der Preisgarantie für die Brenner zu belasten. Und da eine der- nünstige Steuerreform zugleich der Spirituszentrale die Grund- läge ihrer Existenz nehmen würde, so ist auch im Kampfe gegen die Zentrale das StaatSmonopol überflüssig. Ohne die allgemeine Abneigung mancher Kreise gegen Staatsmonopole zu teilen glauben wir daher, daß speziell daö Branntweinmonopol nicht die richtige Lösung aus der verfahrenen Situation der SpirituSindustrte wäre." Die Agrarier werden darüber anders denken. Bayern gegen die Elektrizitätssteuer. Nach einem Telegramm deSBerliner Lokal-Anzeiger" hat Üt bayerische Verkehrsminister Frauendorfer erklärt, daß er dem Plan einer Elektrizitätsabgabe keinerlei Sympathien abgewinnen könnte. Bayerns wirtschaftliche Zukunft sei aus das engste verknüpft mi: der Ausnützung seiner Wasserkräfte und der Elektrisierung seince Bahnen. Der Plan der Elektrizitätsabgabe stürze die Berech- nungen um, die für die Elektrisierung der Staatsbahnen angestellt waren. Aber die Steuer sei nicht nur finanziell bedenklich, sie sei auch volkswirtschaftlich unangebracht, weil sie die modernste und entwickelungSfähigste Technik belaste, die Kohle aber nicht treffe. ES sei zu hoffen, daß der Plan der Elektrizitätssteuer nicht verWirt- licht würde._ Der angebliche Arbeitsplan des Reichstages. In der bürgerlichen Presse wird mitgeteilt, daß auf die Ge- ratung deS neuen Automobil- und des WeingcsetzeS fünf kur. Sitzungen verwendet werden sollen. Am 1. November soll die Bc-- ratung der Reichsfinanzreform beginnen, wofür sieben Tage fest- gefetzt sind. Der Etat wird dem Reichstage erst Ende November zugehen. Die Debatte soll bis zum 2. Dezember beendet fein. Am 10. Dezember beginnen die Weihnachtsfcrirn. Ter Senioren- konvent wird am 5. November zusammentreten, um sich über eine Kontingentierung der einzelnen Materien schlüssig zu werden. Zunächst handelt eS sich bloß um Kombinationen. Den Arbeits- plan des Reichstages stellt der Reichstag selbst nach den Beschlüssen d«S SeniorcnkonventS fest. ES scheint, als ob von gewisser Seite der Versuch gemacht wird, dem Reichstag Vorschriften über die Art seiner Verhandlungen zu machen. Die Kontingentierung der Ver- Handlungen ist allerdings auf Beschluß des Reichstages in einigen Fällen bereits durchgeführt worden, es kann aber gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Gründlichkeit der Beratungen darunter leiden muß. wenn von vornherein feststeht, wieviel Tage auf die Bc- ratung einer Mtoterie verwendet werden dürfen. ES ist kaum an- zunehmen, daß die sozialdemokratische Fraktion sich eine derartige Festlegung widerspruchslos gefallen lassen wird, schließlich hätie es ja die Regierung in der Hand, im Einvernehmen mit den Block- Parteien ihr unbequeme Erörterungen überhaupt zu unterbinden. Profefforen-Nevolte. DerVosfilchen Zeitung" ist ans UniversitStSkreiken«ine Zu- tchrist übermittelt worden, in der einleitend gesagt wird,