8r.283. W.M-M. Z. DtilkP des LgUlillg" Kttlim WlligdlM s-Wtt-w.z s-MttlMvr. Loni'sckfs vortrage.In dein Vortragszyklus über die Geschichte der fran-Musischen Revolution hielt Genosse Dr. Conrady amMontag in den Germania-Sälen vor einer zahlreichen und un-verminderten Zuhörerschar den vierten Vortrag. Ter Redner be-gann mit einem Rückblick auf den Verlauf der Revolution seit178g und wies auf die grossen Umwandlungen hin, die bis zumEnde des Jahres 1791 vor sich gegarigen loaren. Durch die Be-wegung auf dem Lande war die Abschaffung Oes Feudalabsolutismus in der Praxis viel weiter vorgeschritten als in der Theorie.Das Steuerwesen war umgewandelt, die Kirchengüter waren ein-gezogen und mit Hilfe der Assignaten verkaust worden. Zölle undSteuerschranken, Zünfte und andere Beschränkungen waren ausdem Wege geräumt und das Bürgertum hatte sich überall eine freieBahn für seine Entwicklung verschafft und den Grundsatz befolgt:Freiheit für den Besitz, Ordnung, die Unterordnung für die Massen.Tie neue gesetzgebenoe Versammlung, aus den Wahlen hervor-gegangen, trat am 39. Oktober 1791 zusammen und zeigte eineUmwälzung in den Parteiverhältnissen, die immer mehr aus dieEinführung der Republik hindrängten. Redner schilderte die ein-zelnen Parteien, als wichtigste die Girondisten und die Linke, dieaus Republikanern bestand, auch Jakobiner genannt. Sie gewannihre Stärke durch die Klubs der Jakobiner und Cordeliers. Diegesetzgebenoe Versammlung beschäftigte sich sofort mit der Frageder Junker, die im Auslande sich gegen Frankreich verschworen, undmit der Frage der Priester, die den Eid auf die Verfassung nichtleisteten und gegen die Revolution agitierten. Den Junkern wurdeaufgegeben, zurückzukehren, wenn ihre Güter nicht eingezogen werdensollten. Die lästigen Priester sollten ihre Gehälter verlieren undabgeschoben werden. Diese Beschlüsse führten zu Konflikten mitdem Hof; der König war durchaus dagegen. Unterdessen stieg dieGefahr eines Angriffs auf Frankreich vom Auslande her.� Manfürchtete in Europa, daß die französische Revolution gefährlicheWirkungen in den übrigen Monarchien auslösen könnte. Bürgerliche Historiker stellen die Lage so dar, als sei Frankreich der An-grerfer gewesen, aber den Fürsten war der Zeitpunkt des Angriffsnur zu ungünstig, über ein Vorgehen gegen Frankreich war mansich einig, und die Franzosen wollten nicht länger zusehen, wie dieJunker im Auslande gegen ihr Vaterlano hetzten. Die Be-Ziehungen zwischen Wien und Paris verschärften sich. Ludwig hattejetzt ein Ministerium aus den Reihen der Girondisten, das„Sansculotten'-Mimsterium mit Dumouriez an der Spitze. Am 29. April1792 wurde der Krieg erklärt. Der König hoffte von diesem Kriegemit Oesterreich und Preußen auf eine Niederlage Frankreichs under konspirierte mit den Feinden. Die Nachricht von Niederlagender Franzosen rief ungeheure Aufregung hervor. Man schrie:„Verrat!" Man wußte, daß die Landesverräter am Hofe saßenund einen Staatsstreich vorbereiteten. Das Ministerium Dumou-riez war entlassen und ein neues aus den Feuillants(ihr Hauptwar Lafayette) gebikoet worden. Die Junker hatten grosse Pläne,sie wollten das alte Frankreich von 1789 wieder herstellen und einfurchtbares Strafgericht halten, sobald sie mit der Hilfe der feindlichen Armeen die Macht in Händen hätten. Der Hof und diereaktionären Zeitungen ließen keinen Zweifel an ihrer Gesinnung,und selbst die Gemäßigten sollten kein Mitleid finden, so hieß es,der alte Absolutismus sollte wieder aufgerichtet werden.— Umdiese Pläne auszuführen, mußte man freilich erst mit dem neuenFrankreich fertig werden und das war nicht mehr möglich. DerRevolution waren immer mehr Anhänger erwachsen durch neu-bewilligte Freiheiten. Für das Landvolk waren alle Fcudalrcchteohne Entschädigung(wenn nicht besondere Umstände vorlagen) gc-fallen. Die Neuerungen hatten Wurzel gefaßt und fanden zahl-reiche Verteidiger. Am 29. Juni 1792 fand eine Massendemonstra-tion, die aber resultatlos verlief, gegen die reaktionären Gewaltenstatt. Das Pariser Volk erhielt Zuzug aus Marseille und anderenStädten und am 19. Augrist wurde Abrechnung mit dem Absolu-tismus gehalten, die Tuilerien wurden erstürmt. Es war einblutiger Kampf, bei dem 1299 Mann aus dem Volke fielen. DerKönig war mit seiner Familie zur Nationalversammlung geflohen.Das Volk siegte. Stimmen erhoben sich schon vorher, den Königabzusetzen, aber jetzt verlangte man, ihm den Prozeß zu machen.—Ter Siational-Konvent wurde einberufen, der aus einem all-gemeinen, gleichen, aber indirektem Wahlrecht hervorging. DieRechte waren hier die Girondisten, die Linke wurde von den Jako-binern— der Bergvartei— gebildet, mit Danwn, Marat undRobespierre an der Spitze. Am 29. September 1792 versammeltesich der Konvent in den Tuilerien. am selben Tage, als die Kano-kleines feuilleron.Pegasus im Joche. ES ist bekannt, daß Balzac seine ge-wältigen Schilderungen der französischen Gesellschaft deS Juliköuig-tums unter der Peitsche drängender Gläubiger, in verzehrender Hastund Ueberarbeit aufs Papier iverfen mußte. Dieser gehetzte Prole«tarier der Feder kam schließlich zu einer mechanischen Auffassungkünstlerischen Schaffens, die zartbeiaiteten, an den„Kuß der Muse"glaubenden Seelen wohl profan erscheinen mag. Balzac hat sich ineiner späteren Zeit auf dem Theater versucht, ohne Glück indes, dennvon seinen Meisterwerken wurde das eine„Vauirin" verboten,„Mercadel" zehn Jahre lang von allen Pariser Direktionen zurück-gewiesen, während ein drittes Theaterstück im Odeon platt durchfiel, einviertes an einer kleineren Bühne unbemerkt vorüberglitt. Gegen dasEnde seines Lebens ober wollte Balzac die dramatischeArbeit mit aller Energie wieder aufnehmen, in der ausgesprochenenAbsicht, mehr und rascher Geld zu verdienen, als dies mit Er-Zählungen möglich war. Einige Monate vor seinem Tode schrieb eran seinen Freund Laurent-Jean:„Ich werde im kommenden Früh-jähr in Paris sein mit dem festen und notwendigen Entschluß,als Mitglied der Gesellschaft der dramatischen Autoren zu arbeiten.Denn in den langen Tagen meiner Kur habe ich ein kleinestheatralisches Kalifornien zum Ausbeuten gesunden... Denke daran,daß eine Szene täglich 36ö Szenen im Jahr macht, was zehnStücken gleichkommt. Fallen fünf davon durch, haben drei nurhalben Erfolg, bleiben immer noch zwei, die ein hübsche? Resultatgäben. Wohlan. Mut! Nur gesund muß ich werden, damit ich michkühn aus der dramatischen Galeere mit guten Stoffen einschiffe."Balzac konnte diesen Plan nicht mehr verwirklichen. Denn bald warer an dem Ufer gelandet, wo man keine Galeeren mehr zu besteigenbraucht. Nur die resignierte Gehirnbuchhaltung'deS Dichters ist geblieben, dfx natürlich beamtete Literaturprofessoren nicht verhindernwird, über den sozialistischen„Zwangsstaat" zu räsonnieren, der alleMenschen ohne Verständnis für die dem Künstler notwendige Freiheitzu Arbeitsmaschinen machen wolle.Theater.Neues Theater:.Israel*. Drama von HenryBernstein, deutsche Bearbeitung von Lothar. Der PariserAutor, den die Mitglieder der Freien Volksbühne aus seiner bestenArbeit:„Die Kralle" kennen, beweist im Mittelakt des neuenDramas, daß er sich auf die Kunst szenischer Spannung noch immervirtuos versteht. Die Erregung, in die er das für solch« Mittelsonst gar nicht sonderlich empfängliche Premierenpublikum versetzte.emlud sich in einem Sturm spontanen Beifalls, wie ihn SchmiedensTheater wohl kaum noch erlebt hat. Aber freilich, mit diesemelegant ausgeführten Feuerwerk war die Kraft erschöpft. Die Fehler,die schon in dem Ansatz stecken und darin gipfeln, daß um derSensation des Mittelaktes willen die Figur des grotesk anti-semitischen Aristokraten Thibaut. die zur Satire reizt,eine tragische Pointierung erhält, komnien am Schlüssenade von Valmy den Feinden Frankreichs eine entscheidendeNiederlage brachte.— Der Redner schilderte, wie Frankreich sichaufgerafft hatte, um den Angriffen vom Ausland zu begegnen.Der Ruf:„Das Vaterland in Gefahr!" brachte die Masten in Be-wegung und sie warfen sich den Verbünoeten entgegen, drangenins Rheinland, in Belgien, in Sardinien ein und entwickelten eineMackt, vor der der Feind zurückweichen mußte. Vorher aber wolltendie Revolutionäre im Rücken keine Verräter haben. Diese wurdenumgebracht durch die„Septcmbermorde", denen viele Reaktionärezum Opfer sielen, die aber in ihrer Furchtbarkeit von den Histo-rtkern auch vielfach übertrieben wurden. Am 21. September 1792tourde die Repuhlik erklärt. Am 21. Januar 1793 fiel Ludwig XVI.unter der Gouillotine, und im Oktober folgte ihm Marie Antoinctte.— Der Berg und die Gironde standen sich im neuen Konvent gegen-über. Die Gironde trat ein für die BourgcoiSrepublik mit allenFreiheiten für den Besitz. Sic wollte eine neue Aristokratie vonBesitzesgnaden begründen. Die Jakobiner waren eine kleinbürger-liche Partei, aber gegen die Kapitalisten gerichtet; sie mußten dafüreintreten, daß das Volk Brot habe, wollten sie in der Macht bleiben.— Wie sich die Kämpfe zwischen diesen Parteien entwickelten, wollteder Redner im nächsten Vortrage schildern,Em der Partei.Gemeindewalilen.Bei der Gemeindewahl in Deusen bei Dortmund errangdie Sozialdemokratie in der 3. Abteilung noch einen Sieg.In H o m b r u ch bei Dortmund, wo ein außerordentlich harterKamps ausgefochten wurde, unterlag sie leider. Nationalliberale,Zentrum, Christlichsoziale standen ihr geschlossen gegenüber. Diekatholische Geistlichkeit beteiligte sich fieberhaft an der Agitationund auch die Polizei warb für die bürgerlichen Kandidaten. DieArbeiter eines Walzwerkes kamen geschloffen anmarschiert undstimmten, da ein Betriebsführer des Werkes im Wahlvorstandsaß, einmütig für die bürgerlichen Kandidaten. Die Bergarbeiterließen sich nicht beeinfluffen, sondern stimmten fast einmütig fürdie Kandidaten der Sozialdemokratie. Diese erhielten 531. dievereinigten Gegner 644 Stimmen.In Erlange» errang die Sozialdemokratie bei einerWahlbeteiligung von 88 Proz. vier Mandate.In Reh au(Bayern) wurden zwei Sozialdemokratengewählt.Die Gemeinderatswahlen in Schwarzburg-Rudolstadtbrachten der Sozialdemokratie einige Erfolge. In Rudolstadtzieht Genosse Landtagsabg. Hartmann als erster Sozial-d e m o k r a t in den Stadtrat ein. In Volkstedt siegten diedrei sozialdemokratischen Kandidaten und inKönitz wurde ein Genosse mit großer Majorität gewählt. Beider Ersatzwahl in Frankenhausen wurde ein Genosse ge-wählt, so daß von den zehn Stadtratsitzen nunmehr sieben inunserem Besitz sind.In Möckers(Sachsen-Meiningen) behauptete die Sozial-demokratie die bisherigen Mandate und gewann noch eines dazu.Im sächsischen Vogtlande erzielte die Sozialdemokratie beiden Gemeindewahlen in vielen Orten große Erfolge undSiege. Jn Oelsnitz wurden, trotzdem der bürgerliche Misch-masch zusammenging, zwei Genossen gewählt. In I a u s awurde ebenfalls der sozialdemokratische Kandidat gewählt. Damithaben die Genossen dort die Majorität im Gemeinderaterlangt.Im Fürstentum Lübeck siegten bei den Gemeinde»Wahlen unsere Genossen in zahlreichen Orten. So in Stöckels-dorf, Rensefeld, Eutin- Land, Gnissau und Ost-R a t e k a u. Die sozialdemokratische Stimmenzahl hat allent»halben— trotz der zur Ausübung des Wahlrechts vorgeschriebenendreijährigen Anwesenheitsdauer in der Gemeinde— beträchtlichzugenommen. Die Wähler sind in der Hauptsache ländliche Arbeiter. In der Landgemeinde Eutin wurden sämtlichesozialdemokratischen Kandidaten gewählt, näm-lich drei Bauernvögte. ein Mühlenbesitzer, ein Hufner, ein Gast-Wirt und als Ergänzungsmitglied des Gemeinderats ein Maurer.in einer Häufung geradezu provozierend unwahrhaftiger Spiegelsechtereien zum Ausdruck. Ja die Art. wie der Verfasser dasherzogliche Bürschchen, sozusagen als Opfer seiner Ueberzeugnngen,sich eine Kugel in den Schädel jagen läßt, hat etwas von dem Bei-geschmack snobistisch untertäniger Aristolratenbewunderung, ein Zug,der Bernstein sonst doch völlig fern liegt.Da? Thema, den Gegensatz zwischen alteingesessenem französischem Geburtsadel und jüdischer Fiiianzmacht, hat er schon früherin einem gleichfalls mit sehr unmöglichen Voraussetzungen arbei-tenden, aber immerhin näher an das Typische rührenden Theater-stück im„Simson" behandelt. Eine blaublütige Sippe, die, unfähigzu jeder Arbeit, standcsmüßig ihr ererbtes Gut verpraßt, hängt sichan einen Juden, der. im Erlverben skrupellos tvie sie im Genießen,ouS eigener Kraft sich den Weg zu den Millionen gebahnt hat.Die Herrschaften zehren von seiner Spekulation und rächen sich mitdünkelhafter Verachtung, bis der wild gewordene, in seiner Gatten-ehre gekränkte Plebejer sein eigenes Werk in Trümmer stürzt, umden adligen Nebenbuhler mit zu vernichten. Hier steht der Jude,bei aller Theatralik doch eindrucksvoll individualisiert, im Angel-punkt des Stückes, während sein Millionenkollege Justin Gutlieb indem neuen Jsraeldroma ein völlig schaitenhafteS, interesselosesEpisodendasein führt. Seine Funktion erschöpft sich wesentlich darin,daß er vor zwanzig Jahren eine Liebschaft mit der sonst engelreinenHerzogin von Croucy hatte und so ganz im Stillen Erzeuger einesPrinzleins wurde, das sich dann zu einem fanatischen Judenhasserentwickelt und als solcher ausgerechnet seinen eigenen Vaterzum Duell zwingt. Eine Situation wie geschaffen für dieironisierende Persiflage einer Shawschen Komödie. Wiehätte der den Alten überlegen mit dem grünen Bengelspielen lassen I Bernstein aber unterdrückt um seiner großen Szenewillen jede Regung deö Spottes. Der dumme Junge wird zu einerFeuerseele, die antisemitische Borniertheit zu einer„Ueberzeugung",die auf allen Trompeten deS Pathos bläst. Man spricht von diesemjungen Menschen, der vor einer Gesellschaft feudaler KlubttottelJustin Gutlieb ersucht, sich in den geweihten Hallen nie mehr zuzeigen, wie von einem Halbgenie. Im zweiten Akte gibt es wiegesagt, die Trümpfe. Die engelreine Herzogin beschwört Gutlieb,pon dem wahnsinnigen Duell zurückzutreten. Umsonst. Seine„Ehre" erlaubt eS nicht. Der junge Herzog ist noch hartnäckiger, erwill den Tod des Gegners. Endlich, von den angstvollen Bittenseiner Mutter gedrängt, verspricht er gnädig, sich schon mit einerkleinen Verwundung zufrieden zu geben. Da. schon an der Türe kehrter nochmals um. Ein Argwohn hat ihn gefaßt. Woher dieLeidenschast in ihrem Flehen? Wie lernte sie den Fremden kennen?Und in langem, leidenschaftlichem Ringen der Seelen entteißt er ihrdas niederschmetternde Geständnis. Im letzten Akt erscheint e» demHerrn als Gebot der KavalierSehre, auf ein Leben, zu dem ein An-gehöriger des auSerwählten Volkes ihm vcrhalf, endgültig zu ver-zichten. Ein paar Wendungen GutliebS in dem Gespräche mit demSohne, z. B. der Glanz und Ehrgeiz, die sich bei ihm antisemitischäußerten, möchten selbst semitisches Erbteil sein, bildeten die einzigenDie Sozialdemokratie Lettlands.Aus Riga wird uns geschrieben:Vor kurzem fand der 3. Kongreß der Sozialdemo«kratie Lettlands statt. Ueber die jetzige politische Situationins Klare zu kommen und Mittel und Wege ausfindig zu machen,wie trotz der drückenden Reaktion die eingenommenen Positionenzu verteidigen und trotz aller Opfer und Verfolgungen den auf-genommenen Kampf toeiterzuführcii— das war die Aufgabe diesesKongresses.Es ist ein vorgeschobener Posten der russischen Revolution, aufdem die lettische Sozialdemokratie kämpft. Nirgends im russischenReich wütet die Konterrevolution so grausam(schon drei Jahrehindurch arbeiten unaufhörlich die blutigen Kriegsgerichte), nirgendsist die Zahl der gefallenen Opfer so groß, wie im Lande derbaltischen Junker. Um ein Bild davon zu geben, unter welchenVerlusten die Sozialdemokratie hier zu wirken hat, wollen wirnur erwähnen, daß allein im verflossenen Jahre die Partei an1999 organisierte Genossen durch Einkerkerung und Verbannungverloren hat. Fünf Geheimdruckercien fielen im Laufe deS Jahresin die Hände der Polizei, mehrere Komitees der Partei wurdenverhaftet— doch die Wirksamkeit der Organisation wurde dadurchkeineswegs unterbrochsn! Neue Geheimdruckercien wurden er-richtet, das Organ der Partei„Zihna" erschien weiter, an Stelleder ausgeschiedenen Genossen traten neue Kräfte und der Kampfwurde auf der ganzen Linie weiter geführt. Die SozialdemokratieLettlands hat ihren Einfluß in Stadt und Land nicht eingebüßtund trotz der furchtbaren Lücken in ihren Reihen zählt sie nochimmer über 6999 fest organisierte Mitglieder, wobei für die aus-ländischcn Genossen noch zu bemerken wäre, daß für die Zu-gehöngkcit zu einer sozialdemokratischen Organisation bei unsZuchthaus oder Sibirien droht. Wie intensiv die Tätigkeit derPartei auch unter der jetzigen Reaktion gewesen ist, das ersehenwir daraus, daß innerhalb eines Jahres zirka 899 999 Exemplareverschiedener Flugblätter bei uns im Lande verbreitet worden sind.Der Kongreß beschäftigte sich eingehend mit der Lage derOrganisation, wobei die vorhandenen Schäden und Mängel rück-sichtslos aufgedeckt wurden. Uebrigens konnte man das erfreulicheFaktum konstatieren, daß die in den letzten Jahren eingerissenenanarchistischen und blanquistischcn Tendenzen jetztgänzlich überwunden sind und daß die Partei sich wieder vollund ganz auf den Boden des organisierten Massen-k a m p f e s gestellt hat. Es war die Frage, welchen Standpunktdie Partei den verschiedenen gewerkschaftlichen, ge-nossenschaftlichen und kulturellen Organisationenund Vereinen gegenüber einzunehmen hat. Der Kongreß beschloßmit aller Energie die Gründung der gewerkschaftlichen VerHändezu fördern trotz der Verfolgungen und administrativer Hindernisseund auch die entstehenden korporativen Genossenschaften undBildungsvereine nach Möglichkeit für sozialdemokratische Ziele aus-zunutzen. Doch diese legalen Arbeiterorganisationen dürfen nichtdie illegale politische Tätigkeit absorbieren und die Führung imwirtschaftlichen und politischen Kampfe der Arbeiterschaft fällt nachwie vor der sozialdemokratischen Parteiorganisation zu.Auf der Tagesordnung des Kongresses stand auch die Frageüber die Beteiligung der Sozialdemokratie an den k o m m u n a l e nWahlen. Es sei bemerkt, daß auf dem flachen Lande schon anmehreren Orten unsere Genossen in den Gemeindeausschüssen sitzenund dort die Interessen des landlosen Proletariats vertreten. Eskömmt aber jetzt darauf an, selbst bei dem bestehenden elendenWahlsystem auch in die Stadtkommunen einzudringen und.hieproletarischen Massen zum Kampfe für eine demokratische kommu-nale Selbstverwaltung in Bewegung zu setzen. Diese Frage rieflebhafte Debatten hervor. Man einigte sich, daß die Teilnahme anden kommunalen Wahlen unbedingt notwendig ist, aber die An-sichten gingen auseinander, ob die Sozialdemokratie bei denWahlen eventuell auch einen Kompromiß mit den bürgerlichenDemokraten schließen kann oder nur vollkommen selbständig vor-gehen darf.In der Agrarfrage sprach sich der Kongreß gegen einspezielles Agrarprogramm aus. In den Ostsceprovinzcn, wo inder Landwirtschaft schon der kapitalistische Großbetrieb mit inten-siver Agrikultur, mit Maschinen und Lohnarbeit vorherrschend ist,wo wir ein nach Hunderttauscndcn zählendes landloses Proletariathaben, hat die Sozialdemokratie sich nur auf diese proletarischenSchichten der Landbevölkerung zu stützen. Dazu braucht sie keinbesonderes Agrarprogramm und mutz nur die allgemeinen poli-tischen Forderungen Oer Partei auch den Verhältnissen des flachenLandes anpassen. Und gerade unsere demokratischen Forderungen(vor allem die Aufhebung der feudalen Privilegien) und unserspärlichen Lichtblicke dieses Aufzuges. Die beiden Hauptrollen derMutter und des Herzogs wurde» durch Maria Reisenhofer undHeinrich S ch r o t h auSgezeiämet verkörpert, ihr Spiel hatte an dengroßen Erfolg deS zweiten Aktes wesentlichen Anteil. dt.Notizen.— Kun st abend e. Die Dichter- und Tondichter-Abende bcZSchiller-Theaters bringen am kommenden Sonntag im Ber-linischen Ralhause einen Heine- Abend(Beginn 3 Uhr), imSchiller-Saal Charlottenburg einen Richard Wagner-Abend(Beginn8'/z Uhr).— Die bedrohte Nacktkultur. Der SchönheitZabendhat Montag doch stattgefunden. Die Polizeinote des„Verl. Tagebl.',der folgend wir das Verbot gemeldet hatten, zeugte zwar von schönemEifer, hatte aber vergessen, daß der Minister des Innern unter Um-ständen mehr Einsicht haben kann. Und der hatte den Abend ge-stattet. Wie eS aber in Zukunft mit den Schönheitsabenden gehaltenwerden soll, darüber weiy man„nix Gewisses" nicht.— Die Zensur in Hamburg. Die Hamburger Polizeihat ihre Solidarität mit den Zensur- und sonstigen UnterdrückungS-gelüsten gewisser anderer Bundesstaaten bekundet, indem sie dieweitere Aufführung von Adolf Pauls Komödie„Die Teufels-k ü ch e" im Thalia-Theater verbot. Einfach verbot I In Berlinwurde das Stück 1996 anstandslos aufgeführt, ohne daß— wie an-geblich in Hamburg— die Religion oder die Kirche in ihrem Daseinbedroht wurden.— S u d e r m a n n hat für seinen neuen Roman»DaShoheLied" ein Honorar von 69999 M. bekommen.— Eiit neues lenkbares Luftschiff starren Systemsist von dem Professor an der D a n z i g e r Technischen HochschuleSchütte entworfen worden. Der Tragkörper soll bei einem Durch-messer von 16 Meter 199 Meter lang werden und im Unterschied zuZeppelins Schiffen, bei denen Aluminium verwendet ist, ein Gerippeaus Holz erhalten. Ein einziger 1S9 pferdiger Gasmotor solleine Durchschnittsgeschwindigkeit von 79—89 Kilometer inder Stunde ermöglichen. Außer der Bemannung unddem Betriebsmaterial kann das neue Luftschiff, und d a Sscheint seine Hauptempfehlung zu sein, 2999 KiloSpreng st off mit sich führen. Da Herr Schütte übergute Beziehungen und kapitalkräftige Hintermänner verfügt, wirdim nächsten Sommer mit dem Bau deS neuen MordinstrumentS,das charakteristischerweise sogleich als solches deklariert wird, be«gönnen werden.— Eine neu« Methode zur Darstellung der Edel«gase. Der ftanzöstsche Chemiker George Claude hat kürzlich derPariser Akademie der Wissenschaften ein neues Verfahren vorgelegt.nach dem sich die seltenen Elemente Helium und Neon in einfacherWeise aus der Luft abscheiden lassen. Die wissenschaftliche Bedeutungdieser Arbeit liegt darin, daß sie die Schätzung Sir William RamsahSüber die Mengen der genannten Gase in der Erdatmosphäre von 1bis 2 in 199 999 Teilen bestätigt hat.