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Nr. 295. 25. Jahrgang.

Soziales.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Donerstag. 17. Desember 1908.

Gegen Vermittelungsschwindel.

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1. Wachsende Vertrautheit der arbeitenden Bevölkerung mit den Bestimmungen der Unfallversicherung. 2. Zunehmende Neigung der Versicherten, Krankheitserschei­mungen in Zusammenhang mit einem angeblichen Betriebsunfall zu bringen. 3. Bestreben der Arbeiter, aus jedem Unfall eine Entschädi gungsforderung herzuleiten.

verwaltungsgerichts einen erprefferischen Terrorismus gegen Werzte davon 9328 im Steinkohlenbergbau. 1891 famen auf 1000 Ver­geübt, die es wagten, Hilfsbedürftigen den von ihnen geschlossenen sicherte 1,96 Unfälle mit tödlichem Ausgang, 1907 aber 2,38. E3 Verträgen entsprechend mit ihrer ärztlichen Kenntnis beizustehen und hat also, wenn man eine Dauer der Bergarbeit von etwa 25 Jahren sind in diesem abseits des Gemeinwohls liegendem Bestreben leider annimmt, durchschnittlich jeder zweite bis dritte Bergmann die Aus­Ein Lob der sozialdemokratischen Preffe von Breslauer auch, wie auch das Oberverwaltungsgericht hat anerkennen müssen, ficht, einmal einen erheblichen Unfall zu erleiden, jeder 17. aber Richtern ausgesprochen, das ist gewiß ein Geschehnis, der Beachtung selbst von Behörden in einer dem Gesez zuwiderlaufenden Weise fällt als unmittelbares Opfer feines Berufes. Natürlich sind bei Richtern ausgesprochen, das ist gewiß ein Geschehnis, der Beachtung unterstützt. Nicht bessere Hilfe für Erkrankte, sondern ausschließlich den gefährlichen Arbeiten in der Grube die Unfälle noch zahl­wert. In Breslau   führen nämlich die Gerichte seit einiger Zeit höhere Bezahlung war das Leitmotiv der Führer im Aerztekampf. reicher und schyverer als diese Durchschnittszahlen, die auch die einen lobenswerten Kampf gegen das betrügerische Stellenver Die Krankenfassengesetzgebung hat vor 25 Jahren in der Annahme, Mindestgefährdeten über der Erde umfassen, angeben. Wie nun suchen die Unternehmer über die vernichtende An­mittelungswesen", bei dem es den Agenten nur auf die Staution daß bei der Bezahlung von Stassenärzten die Gebührentage der Herzte ihrer bedauernswerten Opfer antommt. In all diefen Strafprozessen nicht maßgebend sein kann, die Berechtigung der Kaffen, statt freier klage, die aus diesen Zahlen sprichyt, hinwegzukommen? Man höre: Die Ursachen" find: ist nun jedesmal festgestellt worden, daß dieser Sorte von Vermittlern ärztlicher Behandlung erhöhtes Krankengeld zu geben, gestrichen. stets die Inseratenplantage des sog. parteilofen Breslauer General- Die Aerzte streben Bezahlung nach der Medizinaltare an lehnen wie die und oben wiedergegebenen Darlegungen anzeigers" als Wiese für ihren Gimpelfang dient. In einem der erneut erweisen, eine Verpflichtung ihrerseits ab, dem in lezten dieser Prozesse gab nun der Vorsigende seinem Erstaunen der Approbation liegenden staatlichen Privilegium entsprechend darüber Ausdruck, daß immer noch Leute auf die Generalanzeiger" auch ihre ärztlichen Kenntnisse zur Hilfe Erkrankter Inserate hereinfallen. Der Generalanzeiger" verrät zwar in seinem wenden. Die Versuche einiger Aerzte, durch Schimpfereien, Anwürfe Redaktionsteile nichts von dem hinter seinen Inseraten steckenden und Verdächtigungen von Kassenvorständen beweisen lediglich das Schwindel; aber mit Recht wies der Vorsigende darauf hin: Die böse Gewissen dieser Herren. Unverhüllt geht das Bestreben ,, Volkswacht" macht doch immer darauf aufmerksam."-So muß der zum Kampf gegen die Kassenmitglieder organisierten Aerzteschaft also selbst ein Breslauer Richter, dessen Kollegen noch vor Jahres jetzt dahin, die Medizinaltage als Mindeſtgrundlage der Bezahlung durchzuführen. Wird so eine der Voraussetzungen der Krankenkassen­frist in der Volkswacht" nichts als ein verwerfliches, der schwersten organisation ausgeschaltet, so ist es logisch, entweder den Kaffen­Strafen würdiges Hezblatt fehen wollten, die Kulturarbeit desselben zwang zur ärztlichen Behandlung zu streichen und den Mitgliedern statt dessen erhöhtes Krankengeld zu gewähren oder den Aerzten als eine aus ihrer Approbation folgende Pflicht die Ge Zum Kölner   Aerzteftreit. währung ihrer Dienste an Krante vorzuschreiben. Der von den Ju Köln hielt dieser Tage der stellvertretende Bürgermeister Aeraten seit anderthalb Dezennien gegen die Gesundheit der Kaffen­( Beigeordnete) Dr. Fuchs, der die gescheiterten Vermitglieder geführte Kampf muß endlich mal ein Ende haben, der handlungen zwischen den Kölner   Krankenkassen und den organi- Brätension von Aerzten, die Kassen sollten lediglich zur Erhöhung fierten Aerzten Leipziger   Observanz geleitet hat, einen öffent- der ärztlichen Einkommen, nicht den hygienischen Interessen der lichen Vortrag über Krantentassenwesen, wobei er auch den Kölner   Raffenmitglieder dienen, eine flare Antwort durch den Gesetzgeber Aerztekampf erwähnte. Er führte aus, daß in den verflossenen fünf erteilt werden im Intereffe der Staffenmitglieder, des übergroßen Jahren unter dem den Kölner Krankenkassen von der Regierung Teils der Aerzte und des Gemeinwohls. aufgezwungenen Vertrage, der die sogenannte freie Arztwahl einführte, von einer solchen in Wirklichleit nicht die

Blattes anerkennen.

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Auf dem Wege zur Arbeitslosenversicherung. Rede gewesen sei; denn einzelne Aerzte hätten die Pragis Das Stadtverordnetenkollegium in Frankfurt   a. M. fetzte, an sich gezogen. Am 1. Februar fommenden Jahres, wo der Vereinem früheren fozialdemokratischen Antrage entsprechend, eine ge trag abläuft, werde es zu einem schweren Kampf mischte Deputation zur Prüfung der Frage einer fommunalen tommen. Er habe durchaus nicht den Eindruck gewonnen, daß Arbeitslosenversicherung ein. Der Deputation wurde feinerzeit unter Die Krankenkassen bei ihrer Ablehnung der freien Arztwahl anderem ein sozialdemokratischer Antrag auf Gewährung eines Bu­von anderen als ethischen Gesichtspuntten geleitet schufies an die Gewerkschaften zu ihren Einrichtungen der Unter­würden. Wenn der gute Wille auf beiden Seiten vorhanden sei, stügung von Arbeitslosen überwiesen. In der lezten Sigung des werde eine Verständigung möglich sein; es müßten dann aber starre Stadtparlaments wurden als Mitglieder der Deputation sechs Stadt Brinzipien geopfert tverten. verordnete von den verschiedenen Fraktionen gewählt.

In der Eistuffion stellte ein leitendes Mitglied des Kölner  Merztevereins, Dr. Albersheim, in Aussicht, daß nach dem 1. Februar fein Rassenmitglied mehr von den Mitgliedern

des Bereins behandelt werde, auch nicht, wenn es die Einzeleistung felbst bezahle.( Also Generalstreif?)

Der Sekretär des Stranfenfassenverbandes, Herr Brachel, wies auf die ungeheure Belastung der Staffen durch die freie Arzt wahl" hin; bei einer Verdoppelung der Mitgliederzahl habe sich die Ausgabe versechsfacht. Die Aerzte sollten bedenken, daß die Kaffen nicht ihretwegen da seien. Der Redner sprach den Aerzten ins Ge wissen, ohne aber bei den Herren Eindruck zu machen.

Im übrigen sei noch erwähnt, daß die Kötner Krankenkaffen dem angekündigten, von ihnen nicht gesuchten und nicht verschuldeten Kampf mit Rube entgegensehen können, da fie fich eine ge uügende Babl bon eraten durch Vertrag gesichert haben. Die Borlommniffe in Köln   und an anderen Orten reben eine beredte Sprache für die Dringlichkeit, Aerzten, die ja Heute bas Privileg der der Behandlung haben, gefeßlich die Berpflichtung zur Ausübung ihres Berufs aufzulegen oder zum System der staatlichen Anstellung und Besoldung der Aerzte überzugehen. Es ist ein widerspruchsvolles Unding, von Reichs vegen den Kaffen die Verpflichtung aufzuerlegen, ihren Mitgliedern ärztliche Hilfe zu gewähren, aber ihnen fein Mittel an die Hand zu geben, ärztliche Hilfe zu erzwingen. In den letzten Jahren haben Führer der Aerzte nach Feststellung des Reichsgerichts und Ober­

Kleines feuilleton.

Gleiwitzer Krankenkassenwahl.

Bei den Krankenkassenwahlen zur Gleiwiger Drtstrantentaffe für abrite und Süttenarbeiter beteiligten sich zum erstenmal die freien Gewerffchaften. Drei Standidatenlisten standen sich gegenüber. Auf die der freien Gewerkschaften entfielen 88, auf die der Chriftlichen" 74 und auf die gelbe Unternehmerliste 56 Stimmen. Die Gewerk­fchaften erhielten 28, die Christlichen   3 Vertreter.

Die Zunahme der Unfälle im Bergbau. Die unheimliche Steigerung der Betriebsunfälle im Bergbau hat das Reichsversicherungsamt veranlaßt, von der Senappschafts­berufsgenossenschaft einen Bericht über die Ursachen dieser Ver­mehrung einzufordern. Dieser Bericht, der soeben im Stompaß", dem Organ der Berufsgenossenschaft, abgebrudt wurde, ist ein neuer Beleg dafür, wie die Unternehmer alle Schuld von fich abzu wälzen und den Arbeitern selbst zuzuschieben suchen.

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4. Scharfe Kontrolle über die Anmeldung der Betriebs. unfälle.

5. Angespanntere Tätigkeit der Industrie.

6. Zunehmende Verwendung von Maschinen.

7. Zunehmende Berwendung fremdsprachiger Arbeiter. 8. Desgleichen Zunahme ungeübter Arbeiter. 9. Der ungeheure Belegschaftswechsel.

10. Unsolide Lebensweise vieler Arbeiter, wodurch deren Bes Sonnenheit und Widerstandsfähigkeit beeinträchtigt würden.

11. Mangelhafte Beachtung von Schuhmaßregeln durch die Arbeiter, der durch Versagung der Rente in solchen Fällen vorge­beugt werden könnte.

12. Die überaus wohltvollende" Auslegung des Begriffs ,, Betriebsunfall" durch das Reichsversicherungsamt.

13. Die äußerst geringen Anforderungen, die dasselbe an den Nachtveis des eingetretenen Unfalls stelle.

14. Die geringen Anforderungen, die es an den Nachweis des Busammenhangs eines Leidens mit dem Betriebsunfall stelle. 15. Die Aufklärung" der Arbeiter durch Arbeitersekretariate und dergleichen. 16. Zunehmende Bewilligung von Renten für geringe Ver­Iegungen. 17. Das größere Vertrauen, das den Aerzten des Schiebs­gerichts gegenüber den Gutachten der Knappschaftsärzte geschenkt werde.

Gründe" entschieden Protest erheben. Mit Ausnahme der Punkte Die Bergarbeiter werden gegen den übergroßen Teil dieser 5 bis 9 wird hier die Wahrheit geradezu auf den Kopf gestellt, der Ankläger zum Angeklagten gemacht. Die traurigen Ereignisse der Ichten Zeit haben gezeigt, wo die Ursachen der Unglüdsfälle zu fuchen sind. Es ist standalös, wenn der Bericht in unzulässiger Werallgemeinerung von Einzelfällen die Zunahme der Unfälle auf die unsolide Lebensweise der Arbeiter zurüdführt. Da müßte die Unfallgiffer in den Kreisen der Aktionäre und Stugenbesitzer weit höher sein als bei den Bergleuten. Und was die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts betrifft, fo läßt es sich statistisch und an der Hand seiner eigenen Veröffentlichungen nachweisen, wie fie für die Arbeiter ständig ungünstiger wird. Das haben wir in ciner Reihe Fälle dargelegt und erinnern nur an bie bekannte Zu­fammenstellung der Nordwestlichen Eisen- und Stahlberufsgenoffen­fchaft, Hannover  : Die Gewöhnung an Unfallfolgen als Besserung, die dafür merkwürdige Belege liefert. Der Kampf um die Rente wird in Wahrheit immer schwerer, und es ist ausgeschlossen, daß ein Arbeiter Rente erhält, dem sie nicht vollauf zufteht. Die wiri lichen Ursachen der wirklichen, nicht etwa infolge verbesserter Anmeldung usw. nur scheinbaren Zunahme der Unfälle im Bergbau sind vor allem die gesteigerte Intensität des Betriebes mit den rücksichtslosen Ansprüchen, die dabei an die Leistungsfähig feit der Belegschaft gestellt werden, das ausbeuterische Atford­fhitem, das dem Arbeiter, der verdienen will, feine Zeit für Siche­rungsarbeiten läßt, und die unzulässige Verwendung ungeübter und fremdsprachiger Arbeiter bei den gefährlichsten Arbeiten. Wie

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Notizen.

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Eine beigegebene Uebersicht teilt zunächst mit, daß die Zahl der angemeldeten Unfälle von 79,61 auf 1000 versicherte Personen im Jahre 1891 auf 126,20 im Jahre 1907 gestiegen ist. Auch die Bahl der entschädigungspflichtigen, also über 13 Wochen hinaus wirkenden Unfälle stieg von 9,51 auf 1000 im Jahre 1891 auf 15,4 im Jahre 1907, also eine relative Zunahme um zwei Dritte!! 1907 mußte für 11 360 Verletzte Entschädigung festgesezt werden; Bach Verein unter Walter Fischer eine recht gute Auf­führung des Elias" in der Kaiser Wilhelms- Gedächtniss Theaterronit. Im Neuen Operetten­Kirche. Dasselbe Dratorium brachte auch der neugegründete Neue Oratorien Chor unter Alexander Weinbaum am heater erlebte Die Dollarprinzeffin, Leo Falls Bußtag zur Aufführung und wiederholte es am 14. d. M. in der melodienspendende Operette, am Dienstag die 200. Aufführung, die Zwei Heilige. Der römischen Kirche geht es in Frankreich   recht Neuen Welt" unter Mitwirkung des Blüthnerfaalorchesters und ganz prächtig und frisch heraustam. Das Programmbüchlein bot schlecht, seitdem Pius X.   die ihr vom Staat dargebotene ganz an- guter Solisten, von denen Elisabeth Ohlhoff, Paula Weinbaum, aus diesem Anlaß fehr nette Karikaturen der Hauptdarsteller von Schon in An-. Edel mit lustigen Versen. genehme Situation ausgeschlagen hat. Besonders die Landgeist- Artur van Eweyd mit Auszeichnung genannt seien. Die Neue freie Voltsbühne bringt diesen Sonntag lichen, die nicht in feudalen oder getauften finanzjüdischen Familien betracht des guten 8wedes( für die Hinterbliebenen in Nadbod) schmarogen fönnen, find übel daran, weil auch die bigotte Bäuerin hätte man dem Stonzert einen besseren Besuch wünschen mögen; abend für ihre Mitglieder Jbsens Schauspiel Ein Voltsfeind" nicht gern ihren Eparstrumpf aufmacht. Um die Gläubigen nicht doch ist die Zeit furz vor Weihnachten wohl für Konzerte am aller- im Schiller- Theater O. zur Aufführung. Reinhardt in München  . Der Direktor des Deutschen  zu verlieren und ihre Steuerwilligkeit anzuregen, ist es nun eine ungünstigsten. Die Aufführung war für den jungen Chor aller ganz gut ausgedachte Jdee, die wunderwirkende himmlische Heiligen Ehren wert. 8war leidet auch er an den Leiden fast aller ge- Theaters, May Reinhardt, erhielt vom Münchener   Künstlertheater, folonie um ein paar leistungsfähige Ansiedler zu vermehren. Daher mischten Chöre, an der ungenügenden Zahl und schlechten das auch im nächsten Sommer in feinem eigenen für die dies­ber Männerstimmen( ersteres auf die Bäffe, jährige Ausstellung gebauten Haufe fpielen laffen will, die Ein­hat der Papst dem firchenräuberischen Frankreich   großmütig eine Dualität neue Selige" spendiert: Jeanne d'Arc  , die Jungfrau von letteres auf die Tenöre bezüglich), doch entschädigen dafür ladung, die Leitung des Theaters zu übernehmen. Wie sich die Orléans  . Die Sache hatte eine beifle Seite, denn Johanna ist einigermaßen die Frauenstimmen, von denen wieder der Sopran Reinhardtsche Inszenierungs- und Regiemethode mit der von den ja nun einmal von einem geistlichen Gericht unter Vorfiz fich durch Frische und Slangstärte auszeichnete. Am wenigsten Münchener   Künstlern approbierten vertragen oder paaren wird, darauf eines Bischofs als Here verurteilt worden und hat auf fonnten die Solo- Ensembles befriedigen, die nicht immer rein darf man gespannt fein. Sizilianer als wilde". In den Schaubuder einem Scheiterhaufen zur größeren Ehre Gottes geendet flangen und allzuwenig abschattiert tvaren; auch wird der Chor noch wie Johann Huß   und Giordano Bruno  . Indes ist die piano und pianissimo fingen lernen und auf gute Aussprache achten werden hierzulande immer noch brave Mitbürger gezeigt, die sic alles Erdenkliche vatikanische Fleckpußerei mit dem Verfahren vertraut, aus einer ver- müssen. Doch das sind Kinderkrankheiten, die sich unter der be- als furchtbare Krieger aus dem blutigsten Afrika   masterieri an erotischer Wildheit nun brannten Teufelsbublin eine gottgefandte Märtyrerin zu machen. währten Leitung von A. Weinbaum sicherlich überwinden laffen haben und vorführen. Auch sonst gibt es immer Leute genug, dit Zur Geligiprechung ist ein förmlicher Brozeß vorgeschrieben, in werden, so daß für die Zukunft des jungen Chors das Beste zu den Wilben spielen. Als vor einigen Monaten die fizilianischer Mimen in der unholden Zwietracht zweier Konkurrenztruppen in Berlin   um die Wette Kolportagedramen voller Fürchterlichkeiten auf­führten und dann auch von einem Teil der Preffe und des Publikums ebenso echt wie furchtbar interessant befunden wurden, erhoben wir allerlei, durch einige Kenntnisse geftüste Einwände geger. .Simpli- diefe Kunstbarbarei. Jest protestieren, wie wir im Berl. Tagebl erfehen, auch römische Blätter gegen den Kunsterport der dramati fierten Blutwürfte. Die römischen Blätter beweisen damit mehr Gefchmack als beispielsweise das Berl. Tagebl.", das die Grasso und Aguglia großpäppeln half."

dem nachzuweisen ist, daß die Kandidatin mindestens drei von der hoffen steht. Ritentongregation anerkannte Wunder vollbracht habe. Und so wurde denn nachgewiesen", daß Johanna erstens im Jahre 1900 auf Für­bitte ein Magengeschwür, zweitens im Jahre 1898 ein Krebsgeschwür

in der Brust und drittens 1891 einen tuberkulösen Knochenfraẞ tom­

Humor und Satire. Prinzenrede.

Beter Schlentihl befingt den Speech, den der Hohenzollern plett geheilt hat. In diefen drei Fällen, wo die Jungfrau von sprößling Datar den Bonner Profefforen hielt, also im Orléans   ihre Heilkunst erprobt hat, waren Nonnen die Verfuchs cisfimus": famınchen. Wenn Johanna, wie anzunehmen ist, als beförderte Selige" ihre Tätigkeit in größerem Stile fortfest, ist zu erwarten, daß die irdischen medizinischen Fakultäten, in denen sich ja die Gottlosigkeit üppig macht, völliger Verachtung anheimfallen und eingehen. Dagegen wird vermutlich die himmlische Akademie einem neuen Bewerber die Er­laubnis zum Braftizieren erteilen. Es scheint nämlich, daß die französischen   Klerikalen den edlen Sybeton zu einem Heiligen machen wollen. Am Sonntag waren die Pariser Reaktionäre zum vierten Male an seinem Grabe bersammelt, um ihn als Netter des Vaterlandes zu feiern. Shveton hat, wie erinnerlich, Selbstmord geübt, weil er zu befürchten hatte, daß die von ihm an seiner Stieftochter praftizierten Schweinereien an den Tag lommen würden. Für die patriotischen Frömmlinge aber ist er ein von den Frei­maurern Gemordeter und da ist zur Seligsprechung nicht mehr weit. Bleibt nur noch sein Spezielfach fraglich. Vielleicht unternimmt er es, durch Kuren aus der Unendlichkeit seine irdischen Kollegen aus dem Felde zu schlagen, die auch brieflich" behandeln.

Musik.

Allerorten rüsten sich die Gesangs- und Konzertvereinigungen zur Feier der 100 jährigen Wiederkehr von Felig Menbels. john- Bartholdys Geburtstag( 3. Februar 1809). Auch in Berlin   wird es solche Feiern in Fülle geben; nicht nur die großen Chorvereinigungen( Philharmonischer Chor, Sing- Akademie, Stern­scher Gesangverein) haben im Januar und Februar Mendelssohnsche Berte auf ihrem Programm, auch die kleineren Gesangvereinigungen veranstalten, um mit den ersteren nicht allzusehr zu kollidieren, fchon jest ihre Geddnlfeiern. So hörten wir vor furzem vom

Wat feggt der Jung' zu den Profeffern? Er will sich noch in allem beffern llud will was lernen? Fleißig fein? Und bittet alle im Verein, Sie sollen mit ihm Nachficht han, Denn feiner fängt mit Weisheit an, Und noch nicht trocken hinterm Ohr, Kommt einem vieles schwierig bor? Seggt das der Jung'? J Gott bewahr! Er macht den Standpunkt jenen flar, Die seine alten Lehrer sind. Ein netter Jung'! Ein fluges Kind! Er mahnt mit ernstem Angesicht Die Professoren an die Pflicht, Die ihnen ziemt, und er erzählt, Wie man die Kraft zum Guten stählt, Und legt in sie ein Samenforn Aus feinem Hohenzollernborn, Und sagt, wie man sich Mut verleiht Für eine schidfalsschwere Zeit, Und gibt noch manchen tiefen Sazz Aus feinem reichen Wissensschatz Mit hohem Ernst und Flammenschwing. Ein nettes Kind! Ein fluger Jung'! Die Lehrer im Kollegio Sie murmeln staunend: so! fo! fol Und jeder denkt:-ja!-ja! Ganz der Bapa Ganz der Papa!*

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Der felige Goethebund protestiert. Das Ver­bot des Dramas Die Teufelskirche" von Adolf Paul  , das fich die Hamburger   Polizei leistete, und die Beschlagnahme der beutschen Uebersetzung des russischen Romans Ssanin", durch die fich Münchens   Polizei als jeder norddeutschen Konkurrenz gewachsen erwies, haben den Goethebund auf den Plan gerufen. Der Bremer  Goethebund als Vorort erläßt einen Proteft, in dem es heißt:

" Im Interesse einer freien, künstlerischen Widerspiegelung der Kulturströmungen unserer Zeit, die allein die Fortentwidelung aller Kultur garantieren kann, vereinigen sich die gesamten Goethe­bünde Deutschlands   zum öffentlichen Ausdruck thres lebhaften Pro­testes gegen die beiden Polizeimaßnahmen und appellieren an die öffentliche Meinung, diesem Proteste durch ihr Echo solche Straft zu geben, daß die beiden Behörden ihren Einspruch möglichst bald fallen lassen, in der Erkenntnis, das Gegenteil ihrer eigentlichen Absicht erreicht zu haben."

- Graf Zeppelin als Christ. Wir lesen im jüngsten Heft des März": Den Orgien von Geschmacklosigkeit und fitschiger Begeisterung, deren Anlaß und Opfer der Graf Zeppelin wurde, scheint nun doch eine ernsthafte Art der Betrachtung zu folgen. Den Anfang machen die Zürcher  , wenigstens stand im dortigen, Tagblatt" neulich die Annonce:

Kirche Wiedikon. Sonntag, den 15. Nov., abends 6 Uhr, Bortrag von Hrn. Pfarrer Baumann: Graf Zeppelin als Christ. Es wird aus dein Kirchengesangbud geingen. Die Kirchenpflege."