Verwaltung darin bestehen soll, daß geurtheilt wird ohne Rück-ficht aus die Sachlage je nach der politischen Richtung des An-geklagten.Präsident v. Lebehow: Die letzte Bemerkung war be-leidigend für die preußische Justizverwaltung, ich rufe Sie deswegen zur Ordnung.Abg. Schultze(Soz.) bringt einen Fall zur Sprache, wozwei Arbeiter wegen Anfertigung falscher Stempel angeklagt undnur deswegen nicht bestraft wurden, weil sie angeblich nicht wußten,was mit den Stempeln geschehen solle. Fertigt der Arbeitersolche Sachen nicht an, wird er auf die Straße gesetzt, fertigt ersie an, so geräth er in Konflikt mit dem Staatsanwalt. Hier istein Schutz der Arbeiter nöthig.Ter Etat wird genehmigt, desgleichen der Etat des Reichs-Schatzamtes.Beim Etat des Reichs-Eisenbahnamtes bemängeltAbg. Speiser(Volksp.) die bestehenden Bestimmungen be-züglich des Transportes von Edclmetallwaaren aus Güterzügen.Präsident des Reichs-Eisenbahnamtes Schulz: Die Beitim-mungen sind die Folge des am l. Januar in Kraft getretenenAbkommens über den internationalen Frachtverkehr. Danachtrage» die Eisenbahnen die ganze Haftbarkeit für die Transporteund sind genöthigt, die Melallwaaren beim Transport mit be-sonderem Schutze zu umgeben. Es wird aber schon in dennächsten Tagen die Tariskommission der deutschen Eisenbahn-verwaltung zusammentreten und dabei werde» auch die Jnter-essenten gehört werden.Der Etat wird genehmigt, desgleichen die Etats der Reichs-schuld, des Rechnungshofs und des allgemeinen Pensionssonds.Beim Etat des Reichs-Jnvalidenfonds kommtAbg. Richter aus die Aeußerungen des Abg. Ahlwardt überdie Entstehung dieses Fonds zurück. Es habe in denselben dieVerdächtigung gelegen, daß die Regierung im Interesse von Börsen-juden irgend welche Bestimmung getroffen, welche dem Reichs-interesse nachträglich waren. Was denkt die Regierung über dieseBehauptungen?Staatssekretär v. Malhahn i Der lJnvalidensonds ist re-servirt aus der Kriegskontribution. Er ist durch Gesetze von1872 und 1878 festgelegt worden. Der Vorwurf des Abg. Ahl-warbt würde die verbündeten Regierungen und den Reichstag vondamals gleichmäßig treffen. Ich selbst habe über eines dieser Gesetzeden Bericht an denReichstag erstattet. Wären solche Verhandlungenvorgekommen, wie sie der Abg. Ahlwardt mit Börsengrößen an-zudeuten gewagt hat, so hätten sie der damaligen Kommissionnicht unbekannt bleiben können. Ob es zweckmäßiger war, Zinsenoder Kapital zu verbrauchen, darüber ist eine Differenz zwischenden Regierungen und dem Reichstage nicht hervorgetreten.Schon am 15. Mal 1871 ist von dem Fürsten Bismarck der Plan,wie er ausgeführt worden ist» in einer Denkschrift entwickeltworden.Abg. Ahltvardt(Antisemit): Ich wurde veranlaßt, dasWort zu ergreifen, weil sich hier eine Anzahl von Leuten auf-spielte als solche, die es mit den Invaliden wohl meinen.(Un-ruhe.) Unter diesen Umständen mußte ich nachweisen, daß dieFürsorge für die Invaliden seiner Zeit eine viel bessere hättesein können, wenn man den Jnvalidenfonds so eingerichtethätte, wie es der gesunde Menschenverstand vorschreibt.(GroßeHeiterkeit.) Damals kam es nicht darauf an, ob man denFonds um einige hundert Millionen höher dotirte. Die Zinsenhätten ausreichen müssen; dann blieb der Fonds unangetastet.Da nun die Zahl der Invaliden allmälig abnahm, der' Erlragaber nicht, könnte den noch vorhandenen Invaliden viel mehrgegeben werden. Starb dann der letzte Invalide, dann besaßDeutschland ein freies Kapital der allerbedeutendsten Art. DiesKapital machte Deutschland von den großen Börsenjuden unab-hängig, und das wollten diese nicht. Bekanntlich kann der Krieggarnicht erklärt oder geführt werden, wenn die großen Börsen-juden nicht wollen. Aus dieser Gefahr wären wir hcrausgekom-men. Man hat aber vorgezogen, den Fonds niedriger zu do-tiren. An der Einrichtung, wie sie getroffen wurde, hatten außerder Börse noch die damaligen Oppositionellen Interesse. Dennder preußische Verfassungskonflikt war eben erst zu Ende ge-gangen.(Lachen links.) Nun ist doch klar, daß alle Abmachungenhinter den Kulissen sich der Oeffentlichkeit entziehen und nichtoffiziell sind. Aktenmäßig durch Unterschriften von Herren,die noch hier sitzen und von einem Herrn, der jetzteine hohe Stellung in der Regierung einnimmt, istnachgewiesen, daß bei anderen ähnlichen Dingen Verhandlungender schlimmsten Art lhatsächlich geführt worden sind.(GroßeBewegung ans allen Seiten des Hauses. Rufe: Namen nennen!)Das»st jetzt nicht möglich, so nahe am Schlüsse des Reichstageseine Tage lange Debatte anzufangen. Der Name des jetzigenpreußischen Finanzministers ist auch darunter.(Große Be-wrgung.) Es wird sich zeigen, daß von diesen Leuten dasdeutsche Volk um Hunderte von Millionen betrogen ist.(Abg.Riekert: Ist der Mann gesund?) Es sitzen hier im Hause aufallen Seiten Freunde des Judenthums, die ihr eigenes Volk ver-rathen.(Heiterkeit und große Unruhe. Rufe: Schluß! Heruntervon der Tribüne!)Staatssekretär von Malhah»: Der Vorredner hat sich nichtentblödet den schweren Vorwurf zu wiederholen, welchen er derRegierung und dem Reichstag von 1871 gemacht hat, daß sie ihrLand um Geldintcressen verrathen hätten. Er hat nicht einmalden Versuch gemacht, diese Behauptung zu begründen. Ichkann nur wiederholen, daß diese Behauptung der Wahrheit direktwiderspricht.Präsident: Den Vorwurf, daß die damaligen Mitgliederder Regierung und der Reichstag ihr Vaterland um Geld ver-rathen hätten, habe ich nicht gehört.(Lebhafter Widerspruchrechts und links.)Abg. iilhlwardt: Bei dieser Stelle sprach ich von den An-gehörigen des deutschen Volkes schlechthin. Sie verrathen ihrVolk an ein fremdes Volk, um von der Beute etwas abzubekommen.Ich habe das weder auf den Fürsten Bismarck noch auf dieöiegierung bezogen.Abg. Richter: Es handelt sich jetzt darum, ob es wahr ist, wasHerr Ahlwardt am 18. März behauptet hat:„Natürlich nach Ver-Handlungen hinter den Kulissen mit den großen Börsenjuden, dienicht dulden wollten, daß die Regierungen große Kapitalien indie Hände bekämen". Es handelt sich um einen Angriff auf diedamalige Regierung. Herr Ahlwardt hat sich schließlich zu derBehauptung erhoben, er habe elf Aktenstücke, darunter einige unter-zeichnet von dem Finanzminister, welche bezeugen, daß Verhand-lungen der schlimmsten Art vorgekommen sind. Wir wollen ihnzwingen, diese Behauptungen zu beweisen; sonst stehen seine An-griffe auf die Finanzverwaltung genau so da, wie diejenigen aufdie Militärverwaltung.(Zustimmung auf allen Seiten desHauses.)Abg. Nhlwardt: Ich habe nicht von der Finanzverwaltunggesprochen. Die Original- Aktenstücke werde ich gleich nachWiedereröffnung der Sitzungen auf den Tisch des Hauses nieder-legen.(Zwischenruf: Gestohlen!) Ob sie gestohlen sind odernicht, kommt nicht in Betracht. Sie sind übrigens ehrlich er-worden. Meine Angriffe sind gestern und heute gleich berechtigtgewesen.(Lachen links.) Ich fürchte den Kampf nicht!Abg. Richter: Personen wie den Vorredner kann man nurunschädlich machen, wenn man sie in alle ihre Schlupfwinkel ver-folgt. Nicht todtschweigen wollen wir die Dinge, sondern diePersonen reden machen.Abg. Riekert beantragt die Vertagung der Sitzung und denAbg. Ahlwardt zu veranlassen, die Akten schon morgen vorzn-legen. Ein Vorwurf von dieser Schwere dürfe auch nicht24 Stunden aus den verbündeten Regierungen sitzen bleiben.Abg. v. Manteuffel unterstützt den Antrag im Interesseder Würde des Hauses und der verbündeten Regierungen.Das Haus beschließt einstimmig unter großer Erregung demAntrage gemäß.Schluß SV« Ubr. Nächste Sitzung Mittwoch l Uhr.rokales.Ueber einen Schwindler, der sich die Feier des 13. Märzzu Nutze machen wollte, macht ein Lokalberichterstatter folgendeMittheilung: Am Sonnabend Vormittag erregte ein dürftig ge-kleideter Mann mit weißem Barte unter den Besuchern des Fried-Hofs im Friedrichshain Aufsehen. Mit lauter Stimme erzählteer die Geschichte des 18. März, daß er selbst auf der Barrikadean der Klosterstraße gestanden und den Angriff geleitet habe.Den Schluß bildete die Erklärung, daß es ihm, dem alten Kämpferfür Freiheit und Recht, jetzt auf seine alten Tage schlecht geheund daß er oft hungern müsse. Ein Arbeiter veranstaltete eineSammlung und gab ihm den nicht unbedeutenden Betrag. Sohatte der Alte im Laufe des Vormittags dreimal die Geschichtevon der Barrikade erzählt, als ein Schlosser aus der Reichen-bergerstraße ihm den Vollbart abriß, so daß ein glatlrasirtesGesicht zum Vorschein kam. Nach einer handfesten Belehrungwurde der Schwindler nach der Polizeiwache gebracht und hierals der 43 jährige, schon bestrafte Arbeiter Karl Tinkert festgestellt.Zu der Unterschlagung des Orts-Krankeiikassen-RendantenBuchert in Weißensee wird uns mitgetheilt, daß die veruntreuteSumme eine weit höhere ist, als zuerst angenommen wurde, undzirka 30 ovo M. betragen dürste. Auch der BerlinerM a g i st r a t hat an die geschädigte Orts-Krankenkasse eine aus-geklagte größere Forderung, von der natürlich weder der Vor-stand noch die Mitglieder etwas wissen, da der Defraudant diegerichtlichen Schriftstücke— ebenso wie er dies mit anderen ihnbelastenden Schreiben gethan— vernichtet hat.Die Obduktion der Leiche des Knaben Zlrthur Zacharias,welcher infolge von Mißhandlungen seitens seines Lehrers ge-starben sein sollte, hat als Todesursache Lungenentzündung er-geben. Damit ist freilich die Frage, ob Mißhandlungen statt-gefunden, auf deren Beantwortung es vor allein ankommt, nichterledigt.Der Polizei wurde mitgetheilt, daß die Metzerstr. 30wohnende Näherin Pietrowsky seit Monaten einen Mann beisich versteckt halte. Die Behörde entsandte gestern zwei Beamtedorthin, die, da sie keinen Einlaß fanden, zur gewaltsamen Oeff-nung der Thür schritten. Der Gesuchte hatte sich inzwischen ander Thürklinke erhängt. Es soll sich um den früheren KellnerJohann Olnhoff handeln. Warum er die Polizei so sehr fürchtete,entzieht sich noch der Oeffentlichkeit.Mit sehr schweren Verletzuuaeu wurde vorgestern Abendder 34 Jahre alte Lackirer Ernst Feige, Hagenauerstraße 12, indie Charitee eingeliefert. Ueber den Vorfall wird uns berichtet:Feige fand das Haus, wo er wohnt, kurz nach 10 Uhr Abendsgeschlossen und suchte das noch offenstehende Nebenhaus Nr. 11auf. Von hier aus versuchte er einen Gitlerzaun zu überklettern,um in seine Wohnung zu gelangen. Dabei glitt er aus undwurde auf den eisernen Spitzen des Gitters aufgespießt. DerUnterleib wurde ihm aufgerissen, ebenso der rechte Arm, sodaßer mittels des Kopp'schen Krankenwagens nach dem Kranken-hause gebracht werden mußte.Zwei Selbstmordversache, deren Beweggründe noch inkeiner Weise klargestellt worden sind, werden vom vorgestrigenAbend gemeldet. Gegen 6'/2 Uhr sprang das siebzehn Jahre alteDienstmädchen Ida Gestram von der Herkulesbrücke aus in dieSpree, um im Wasser den Tod zu suchen. Wie sich später heraus-gestellt hat, dient sie bei dem bekannten Bildhauer B. in derSchillstraße, wo sie eine durchaus gute Behandlung erfuhr, sodaßder Selbstmordversuch darauf nicht zurückgeführt werden kann.—Etwa zwei Stunden später trank die Ehejrau des Steppers Tulla,geborene Bertha Glitzky, in ihrer Wohnung, Luisenstr. 59, eineSalmiaklösung und wurde, wie auch die Gestram, in schwer-krankein Znstande einer hiesigen Anstalt zugeführt. Ob sie amLeben erhalten wird, ist noch zweifelhast.Die Knude von einem Verbrechen verbreitete sich heuteMorgen im Norden der Stadt. Der Aufseher Johann Gund-lach, der in dem Hause Dalldorserstr. 3 wohnt, fand in derPanke heute früh um sechs Uhr die Leiche einer etwa 23 Jahrealten Frau, deren beide Augen aus den Höhlen hervorgequollenwaren. Da die Persönlichkeit noch nicht festgestellt werdenkonnte, so läßt sich ein sicheres Urtheil noch nicht fällen. Vor-läufig wird angenommen, daß die Verletzungen mit dem Tode inkeinem Zusammenhange stehen.Mitten über den Leib aefahre» wurde in der vorgestrigenNachmittagsstunde ein junger Mensch von etwa siebzehn Jahrenan der Ecke der Friedrich- und Zimmerstraße von einer Droschkeerster Klasse. In schwerverletztem Zustande wurde der Ueber-fahrene mittels Droschke nach einem Krankenhause überführt,während der unvorsichtige Kutscher von einem Schutzmann nachder Polizeiwache geleitel wurde.Von einem Balkon ans die Straße gestürzt ist gesternMorgen um 6 Uhr das Dienstmädchen Marie Kühne, welchesSchadowstraße 12/13 bei der Wittwe Nobiling in Stellung war.Sie scheint infolge eigener Unvorsichtigkeit von dem Balkon desersten Stockwerks heruntergestürzt zu sein und wurde mit schwereninneren Verletzungen und mit zerbrochenen Beinen nach derCharitee gebracht.Der»nbekaimte Selbstmörder, welcher sich vor einigenWochen in einer Droschke eine Kugel durch den Kopf jagte undnach dem Krankenhause Moabit überführt wurde, ist nunmehrals der 2üjährige Kausmann I. Reißner, Scharrnstraße wohnhast,ermittelt worden. R., der sich übrigens in der Rekonvaleszenzbefindet, verweigert nach wie vor Auskunft über das Motiv zudem Selbstmordversuch.Marktpreise in Verliu am 20. März, nach Erwitte-lungen des Polizeipräsidiums. Weizen per 100 Kg. guter von15,60—15,10 M., mittlerer von 15,00—14,60 M.. geringer von14,50— 14,00 M. Roggen per 100 Kg. guter von 13,40—13,10 M.,mittlerer von 13,00—12,80 M., geringerer von 12,70—12,50 M.Gerste per 100 Kg. gute von 17,50—16,30 M., mittlere von16,20—15,10 M., geringe von 15,00—13,80 M. Hafer per 100 Kg.guter von 15,80—15,20 M., mittlerer von 15,10— 14,60 M.,geringer von 14,50—14,00 M. Stroh, Richt- per 100 Kg. von0.00—0 M. Heu p. 100 Kilogr. von 0—0 M. Erbsen, gelbezum Koche» per 100 Kg. von 40,00—25,00 M. Speisebohnen, weißeper 100 Kg. von 50,00— 20,00 M. Linsen per 100 Kg. von 80,00bis 30,00 M. Kartoffeln per 100 Kg. von 6.00— 4,50 M. Rind-fleisch von der Keule per 1 Kg. von 1,60—1,20 M. Banchfleischper 1 Kg.. von 1,30—0,90 M. Schweinefleisch per 1 Kg. von1,50—1,20 M. Kalbfleisch per 1 Kg. von 1,60—0,80 M. Hammel-fleisch per 1 Kg. von 1,50—0,90 M. Butter per 1 Kg. von 2,80bis 1,80 M. Eier per 60 Stück von 5,00—2,40 M. Fische per1 Kg.: Karpfen von 2,40—1,20 M. Aale von 3,00—1,20 M.Zander von 2,40—1,00 M. Hechte von 1,80—1,00 M. Barschevon 1,60—0,70 M. Schleie von 2,40—1,00 M. Bleie von 1,40bis 0.60 M. Krebse per 60 Stück von 10,00—3.00 M.Polizeibericht. Am 20. d. M. Morgens sprang ein Dienst-mädchen vom Balkon im ersten Stock des Hauses Schadow-straße 12/13 aus die Straße hinab und erlitt einen Bruch desUnterschenkels, so daß es nach der Charitee gebracht werdenmußte.— Vor dem Hause Krautstr. 15 fiel eine Frau infolgeder Glätte zur Erbe und brach das Handgelenk.— Vormittagswurde ein Privatier in seiner Wohnung in der Metzerstraße er-hängt vorgefunden.— Ein Schlächtermeister siel vor dem HauseKlosterstr. 15 mit seinem Dreirad um und erlitt dabei einenArmbruch.— An der Corneliusbrncke sprang Abends einMädchen in den Landwehrkanal, wurde jedoch noch lebend ausdem Wasser gezogen und nach der Charitee gebracht._—In der Nacht zum 21. d. M. versuchte ein Arbeiter in seinerWohnung, in der Birkenstraße, sich zu erhängen. Er wurde nochrechtzeitig aus seiner Lage befreit und nach erfolgreichen Wieder-belebungsversuche» nach dem Krankenhause Moabit gebracht.—Vor dem Hause Lindenstr. 56 wurde ein Arbeiter mit einer be-deutenden Kopfwunde und gebrochenem Unterschenkel aufgefundenund nach der Charitee gebracht. Anscheinend hat er die Ver-letzungen durch einen Fall erlitten.— Am 21. d. M. Morgenswurde in der Panke, an der Schleuse in der Dalldorserstraße, dieLeiche einer unbekannten, etwa 20jährigen Frauensperson an-geschwemmt.— Am 20. d. M. Abends und am darauffolgendenMorgen fanden vier kleine Brände statt.Gevirliks-IZeikuitgrUnter der Anklage der KautionSschwindelei stand gesternder Restaurateur Hermann Drasdo vor der ersten Straf-kammer des Landgerichts l. Der Angeklagte hatte im vorigenSommer ein Lokal übernommen, ohne im Besitz genügenderMittel zu sein. Er verfiel auf den gefährlichen Ausweg, einenBuffetier gegen Hinterlegung von Kaution anzunehmen. DasGeld benutzte er für sein Geschält. Als der Buffetier die Stel-lung aufgab, war der Angeklagte außer Stande, ihm die Kautionzurückzugeben, ein zweiter Buffetier wurde angenommen und mitdessen Kaution die erstere gedeckt. Die Sache wiederholte sichnoch mehrere Male, bis Anzeige erstattet wurde. Trotzdem derAngeklagte seine früheren Angestellten nachträglich fast vollständigentschädigt hat, erkannte der Gerichtshof unter Berücksichtigungder Gemeingefährlichkeit der Kautionsschwindeleien auf eine G e-fängnißstrafe von drei Monaten.DaS rohe Benehme» eines Droschkenkutschers erregteau einem Novemberabende des vorigen Jahres die Entrüstungder Angenzeugen. Der Droschkenkutscher Georg Riedel hatteeine Dame nach dem Oranienburger Thor gefahren. Bei der Be-zahlung wagte die Dame die Berechtigung der an sie gestelltenForderung in Zweifel zu ziehen, worauf Riedel sie sofort mitden schimpflichsten Ausdrücken überschüttete. Die Dame zahlteund ging schleunigst davon. Einen in der Nähe stehenden altenHerrn klagte sie die ihr widerfahrene Behandlung. Riedel gingauf den Herrn zu mit den Worten: Haben Sie etwas gehört?Bevor der Gefragte etwas zu erwidern vermochte, erhielt er vonRiedel einen Stoß, daß er zur Erde fiel. Nun nahm dasPublikum gegen Riedel Partei, ein Schutzmann wurdegerufen, der denselben zur Wache führte. Hierbei widersetzteRiedel sich dermaßen, daß mehrere Schutzleure ihrem Kollegenbeistehen mußten. Auf der Wache fuhr Riedel fort zu toben unddie Beamten zu beschimpfen, so daß er gefesselt werden mußte.Das Schöffengericht hatte die Angetrunkenheit des Angeklagtenals Milderungsgrund angesehen und ihn nur mit einer Geld-strafe von 50 M. belegt. Hiergegen hatte der Staatsanwalt Be-rufung eingelegt. Dieser führte im gestrigen Termine aus, daßdas schöffengerichtliche Strafmaß in gar keinem Verhältnisse zuden Strafthaten stehe. Er beantragte eine Gesammlstrafe vonvier Monaten Gefängniß. Der Gerichtshof schioß sichdiesen Ausführungen an und erkannte auch nach dem Antrage.Wegen Nachdrucks wurde gestern die jetzt in Stuttgartwohnende Schriftstellerin Franziska von Kapff-Essenther(Blumenreich) vor der I. Strafkammer hiesigen Landgerichts Izur Verantwortung gezogen. Die Angeklagte hatte seiner Zeitden von ihr verfaßten Roman„Glückbeladen" dem Schorer'schenFamilienblatte verkauft. Da die Zahlung des Honorars erstnach erfolgtem Abdrucke des ganzen Romans in Aussicht stand,so setzte sich der Ehemann der Angeklagten, Schriftsteller PaulBlumenreich, mit dem literarischen Bureau von Ernst Rosen-Jeld in Verbindung und überließ demselben gegen so-ortige Zahlung von 600 M. das Recht, von Schoreras über 700 M. betragende Honorar einzuziehen, gleichzeitigdamit aber auch das Recht der weiteren Zeitungsverwerthung desRomans bis zum Ende des nächstfolgenden Jahres. Als nun dieAngeklagte vor Ablauf des Jahres den Roman in Buchform inLeipzig erscheinen ließ, veranlaßte Herr Rosenfeld die Anklagewegen Veranstaltung eines Nachdrucks, indem er behauptete, daßihm das Eigenthumsrecht an dem Roman für die 600 M. ritsverkauft sei. Paul Blumenreich bestritt entschieden, daß die vonihm mit Herrn Rosenfeld getroffene Abmachung irgendwie eine andereBedeutung als die einer einfachen Zession gehabt habe. HerrRosenfeld sollte für die sofortige Hergabe der 600 M. das zuerwartende Plus an Honorar erhalten und außerdem den Romannoch in anderen Zeitungen verwerthen. Von dem etwaigen Er-scheinen in Buchform sei gar keine Rede gewesen. Der Staats-anmalt hielt aber doch einen unberechtigten Nachdruck für vor-liegend und beantragte dreihundert Mark Geldstrafe.Der Nebenkläger verlangte für sich eine Buße von vier-hundert Mark. Der Gerichtshof sprach jedoch die Angeklagteganz frei, da, abgesehen von allen sonstigen zweifelhaften Mo-menten nicht die Angeklagte, sondern deren Ehemann selbständigdie betr. geschäftlichen Vereinbarungen getroffen habe.Ein Durchbrenner stand gestern in der Person desSchreibers Emil K u p r i s vor der vierten Slraskammer des Land-gerichts I unter der Anklage der Unterschlagung. Der erst27 Jahre alte Angeklagte, welcher nach zehnjähriger Dienstzeitals Sergeant aus dem Militärstande geschieden war, hatte sichnach Berlin gewendet und hier bei der BaumaterialienhandlungReinhold Bach u. Co. in der Werftstraße eine Stelle als Buch-Halter gefunden. Er genoß das volle Vertrauen seiner Chefs.Am 14. Januar d. I. wurde er mit einem nach Kalkverge-Rüdersdorf bestimmten Geldbriefe mit 2890 M. nach dem inder Werststraße belegenen Postamt geschickt, er hat aber denBrief dort nicht abgeliefert, sich vielmehr das Geld an-geeignet und das Weite gesucht. Er hat früher in Metz gedientund dorthin hatte er auch seine Schritte gelenkt. Seine Fest-»ahme erfolgte auf grund der Mittheilungen, welche die BerlinerBlätter s. Z. über die Veruntreuung veröffentlicht hatten. EinPolizeibeamter in Metz hatte diese Mittheilungen und auch diegenaue Personalbeschreibung des Durchbrenners gelesen unddaraufhin den Angeklagten festgenommen. Man fand bei ihmnur noch 1800 M. vor, so daß er in kurzer Zeit bereits 1000 M.verbraucht hatte. Was er mit dem Gelde angefangen, oderwohin dasselbe gewandert ist, ließ sich nicht feststellen. DerGerichtshof verurtheilte den bis dahin gänzlich unbescholtenenAngeklagten, der so leichtsinnig sein Lebensglück verscherzt hat, zu1 Jahr 3 Monaten Gefängniß.Mainz, 20. März. Am 18. Dezember v. I. fand in einerhiesigen Wirthschaft eine von den Unabhängigen einberufeneArbeitsloscn-Versammlung statt, in welcher es infolge unbedachterReden zur Auflösung und Verhaftung eines Redners und späterzum Handgemenge mit der Polizei"kam. Der HauptmaulheldZer hiesigen Unabhängigen, der Mann der That/ Herr Rocker.seines Zeichens Buchbinder, hat sich infolge dieser Vorgänge beiZeiten aus dem Staube gemacht und seine Kollegen ihremSchicksal überlassen. Er weilt, wie es heißt, an den Usern derSeine im schönen Paris und schwadronirt dort lustig weiter.Die Strafkammer des hiesigen Landgerichts verurtheilte dafürheute seine Gesinnungsgenossen zu schweren Strafen. FriedrichOerter aus Straubing wurde wegen Ausreizung zum Klassenhaß,Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze und Beamten-beleidigung zu 1 Jahr 1 Monat und 3 Wochen Gefängniß ver-urtheilt. Sein Bruder, Josef Oerter, ßerhielt 1 Jahr 6 Monate,und der Schneider Heinrich Zahn 7 Monate Gefängniß. JosesOerter werden 2, Zahn 1 Monat Untersuchungshast in Anrech-nung gebracht.