Mg. Sachse(Sog.):In dem Streit zwischen Württemberg und Bayern will ich michnicht einmischen. Jedenfalls aber hat Herr Starz recht, wenn er estadelt, datz der Verkauf des„Vorwärts" auf denBahnhöfen verboten wird. Eine solche Nadelstichpolitikwirkt natürlich nur lächerlich.Infolge des Zusammenbruches des Altenbekener Eisenbahntunnels ist bezüglich der Eisenbahntunnels überhaupt einegroße Beunruhigung hervorgerufen. Ju meinem WahlkreiseWaldenburg in Schlesien befindet sich ein Tunnel auf der Streckezwischen Fellhamer und Dittersbach, über besten Sicherheit schonfeit Jahren Klage geführt wird. In der sozialdemokralischen Presse,der„Vollsroacht" in Breslau, und in Versammlungen wurde dieSchadhaftigkeit deZ Tunnels gerügt. Die wiederholte Kritik hatdann zur Untersuchung Anlaß gegeben und infolge der Untersuchungist er zeschlosten worden. Am 8. Februar wurde der Tunnelgeschlossen und schon am Tag darauf stürzte das Eisen-gerüst in ihm zusammeti. ES war alio die höchste Zeit,und das ReichSeifenbahnamt hätte wohl Veranlassung, solchen Preß»stimmen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.(Zustiminung bei denSozialdemokraten.) Gleichzeitig möchte ich das Rcichsciscnbabnamtauffordern, für eine bessere Einrichtung der vierten Wagenklasse zusorgen, welche die größten Einnahmen liefert. Wenn Tausende vonAuswanderern 10, 14, 16 Stunden lang in diesen Wagen be-fördert werden. so müssen sie unbedingt Bedürfnis-an st alten haben, wie die Wagen der anderen Klassen.Die Unsauberkeit in diesen Wagen ist oft ein Spott aufjeden Begriff von Reinlichkeit. Ebenso sollten Splicknäpfe nichtfehlen. Auch Richtraucherableilungen sollten in der vierten Klasseeingerichtet werden. Zu betonen ist, daß man in der drittenKlasse in Rorddeuffchland regelmäßig viel schlechter fährt als inSüddeutschland. Ferner möchte ich das ReichSeisenbahuamt aufein Patent der Firma Mehlhorn in Zwickau aufmerksam machen,das sich auf zerlegbare Rungen für Langholztransport bezieht,wodurch die Gefahr für die Arbeiter beim Verladen er-heblich verringert wird. Vor allem aber ist eS nötig, umdir Betriebssicherheit zu erhöhen, daß die schlecht bezahltenArbeiter und Unterbeamten aufgebessert iv erden.CS ist geradezu ein Hohn, wenn junge Leute, die voni Militär kommenund bereits heiraten, mit 2,4V— 2,60 M. entlohnt werden. In einigenGegenden sogar nur mit 2,20. In Zernsdorf kam eS wegen dergeringen Löhne zu Differenzen, und die Arbeiter wurden von derEisenbahnverwaltung entlassen. Als nun ein Arbeiter bei einemTiefbailimternehmer Arbeit bekommen hatte, wurde von feiten derEisenbahnverwaltung dafür gesorgt, daß er auch da entlassenwurde.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) DerartigeDinge find des Deutschen Reiches nicht würdig und daS Eisenbahn-amt sollte auf Abhilfe dringen.(Lebhaftes Bravo bei den Sozial-demokraten.)Abg. Ulrich(Soz.):Die Resolution verlangt, daß baldtunlichst Erwägungen an-gestellt werden, wie eine Verbilligung der Verwaltungskosten desReichseisenbahnamtS herbeizuführen rst. Dem können wir zu-stimmen, vorausgesetzt, daß dadurch nicht eine Beeinträchtigungder Tätigkeit deS Reichseisenbahnamis stattfinden soll, besonders nicht in der Richtung, daß das Amt sich nichtum alle die Dinge kümmern soll, die seiner Aufficht unterliegen.Dazu gehören auch die ArbeitSverhältniste und unstreitig auch dieSicherheitsverhältniste auf den einzelnen Bahnen. Der große nord-deutsche Bruder Preußen treibt ParrikularismuS und ihm gegenüberfind die kleineren Brüder im Nachteil. Dagegen wenden wir uns.Wir müssen uns unter allen Umständen mit dem Gedanken derReichseifenbahngemeinschast beschäftigen. DerartigeRivalitäten, wie wir fie heute gehört haben, könnten dann nicht mehrvorkommen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Deshalbwünschen wir auch nicht, daß das Reichseisenbahnamt langsamaußer Funktion gesetzt wird. Sparsam soll das Amt arbeiten, aberwir müssen darauf bestehen, daß es sich seiner Rechte bewußt bleibtund von ihnen Gebrauch macht, lieber die Frage der Güterwagen-gemeinschaft zu reden ist verfrüht, hier müssen wir erst die Er-sahrungen der nächsten Jahre abwarten. Jedenfalls ermöglicht sieeine bessere Ausnutzung deS WagenmaterialS. Auch wird man Er-fahrungen für das ganze Reich sammeln und dadurch eher zu einerallgemeinen Eisenbahngemeiuschaft kommen, als eS ohne die Güter-waaengemeinschaft der Fall wäre. Wir begrüßen daher jede E,tt°Wickelung zur Zusammenfassung des gesamten EisenbahmvesensDeutschlands mit Freuden.(Zustimmung bei den Sozial«demolraten.)Herr Starz hat auch das Verbot des Verkaufs, des„Vorwärts"auf den Bahnhöfen zur Sprache gebracht. Beim.SimplicissiinuS"und anderen Blätteni erleben wir dasselbe. Man will die politischeBildung des Volles durch solche Polizeimaßregeln beeinträchtigen.Daß daS nickit geht, sollten eigentlich auch die königlich preußischenGehrirnräte wissen. Wenn mau schon einmal eine BahnhofSzensurausübt, so würde man eS im Volke mehr verstehen, wenn dieSchundromane, die Nick Carter- und Sherlock HolmeS-Bücher ver-boten würden anstatt politischer Blätter.Gras Oriola meinte, ohne den preutzisch-hesfischen Eisenbahn-vertrag wären die hessischen Eisenbahnen ruiniert worden. Ich kannnur jeden Bundesstaat warne», einen solchen Vertrag mit Preußenabzuschließe».(Vielfache Zustiinmung.) Preußen hat in den£K)erJahren den Verkehr geflissentlich von der hessischen LudwigSbahnabgeleitet(Vielfaches Hört! hört l), um Hessen kirre zu machen. Wasnun die angebliche günstige finanzielle Wirkung des Vertrags sür Hessenbetrifft, so hat die ungünstige TeilungSziffer für Hessen den Effektgehabt, daß die direkten Staatssteuern um 20—25 Proz. erhöhtwerden müssen, um den Ausfall zu decken.(Hört I hört l bei denSozialdemokraten. Abg. Frhr. v. G a m p: So heben Sie den Ver-trag doch auf!) Das, Herr Kollege v. Gamp, können wir nicht undwollen wir auch nicht(«ha! und Lachen rechts), denn solche Eisen-bahnpartikularisten sind wir in Hessen nicht.(Heiterkeit und Sehrgut! bei den Sozialdemokraten.) Aber wir werden nicht aufhören,auf die ungünstige Teilungszificr, die darauf basierendeungerechte Verteilung der Ueberschüsse und die daraus er-wachsende finanzielle Belastung Hessens hinzuweisen. Einfrüherer Direktor der Ludwigsbahn hat nachgewiesen, daß dieTeilungsziffer ungerecht festgesetzt worden ist.(Glocke desPräsidenten.)Präsident Graf Stolderg: Herr Abgeordneter, Sie entfernen sichweit vom Gegenstand der Beratung und berühren Dinge, die mitdem ReichSeisenbahnamt doch eigentlich nichts zu tun haben.(Sehrrichtig! rechts.)Abg. Ulrich(fortfahrend):Herr Präsident, meine AuSführüngen haben gerade den Zweck.nachzuweise«, daß diese Dinge das Reichseisenbahnamt etwas an-gehen sollten.(Stürmische Heiterkeit. Lebhaftes Sehr ant! bei denSozialdemokraten.) Ich beabsichtige, das ReichSeisenbahnamt zubitten, sich um den Vertrag zu bekümmern und uns zu helfen, zueinem besseren Vertrage z» kommen.(Erneute Heiterkeit und Sehrgut I bei den Sozialdemokraten.) Hessen ist im Laufe von 10 Jahrendurch die ungünstige TeilungSziffer um nicht weniger als Sv Millionen800 00 M. geschäoigt worden.(Hörtl hört!) DaS ist doch keineKleinigkeit für ein kleines Land wie Hessen. Selbst in der Anlagevon Stationen und Haltestellen wird Hessen benachteiligt.(GlockedeS Präsidenten.)Präsident Graf Stolberg: Herr Abgeordneter, dieses sind aberdoch wirklich Einzelheiten, die daS Reichseisenbahnamt nichts angehen.(Bravo! rechts.)Abg. Ulrich(fortfahrend):Ich führe diese Dinge nur als Beispiel für die SchädigungHessens an. Im vorigen Jahre hat auch der Präsident des Eisen-bahnamts Mißstände, z. B. beim Bahnhof von Offenbach, anerkanntund versprochen, sein möglichstes zu tun, um Abhilfe zu schaffen.Wir werde» nicht aufhören, die gerechten Beschwerden Hessens hierauf der Tribüne des Reichstages vorzutragen und das ganze Reichzu unseren Gunsten mobil zu machen.(Lebhafter Beifall bei denSozialdemokraten.)7 Württembergischer Geheimrat Schlrehavf wendet sich gegen Aus-führungen des Abg. Pichler.Abg. Heyl zu Herrnsheim(natl.) polemisiert gegen die AuS-führungen des Abg. Ulrich. Ohne den Vertrag mit Preußen wäreHessen gar nicht in der Lage, seine Kulturaufgaben zu erfüllen.(Lebhafter Beifall rechtS.) Die große Mehrheit der hessischen Be-völkerung segnet den Vertrag mit Preußen.(Lebhafter Beifallrechts. LauteS Lachen bei den Sozialdemokraten.) In jederBeziehung kommt die Verwaltung der preußisch-heffischen Staats-bahnen den Interessen und Wünschen Hessens entgegen. Zum Bei-spiel hat mir das Entgegenkommen der Bahnverwaltung— durchEinlegen von Zügen usw.— die Verkürzung der Arbeitszeit inmeinen Werken ermöglicht. Wie kommt Herr Ulrich zu so grund-losen Behauptungen?(Tosender Beifall rechts. Lachen bei denSozialdemokraten.) Ich kann nur jedem Bundesstaate zu einementiprechenden Vertrage mit Preußen raten.(LauteS Bravo! rechts.Lautes Lachen bei den Sozialdemokraten.)Abg. Freiherr v. Gamp-Massauen(Rp.) ergreist das Wort, umzu erklären, daß er angesichts der„vortrefflichen Ausführungen' deSAbg. v. Heyl aufs Wort verzichte.(Lebhaftes Bravo!)Abg. Storz(siidd. vp.) bezeichnet die Ausführungen Ulrichs alsUeberlreibuugen, will aber auch daS vorbehaltlose Lob, das HeylPreußen gespendet hat. nicht so ganz unterschreiben und polemisiertsodann in breiten Ausführungen gegen Dr. Pichler.— Herr Pichlerscheint die Zunahme de» Eisenbahnverkehrs im Grunde sehr ungernzu sehen. Er fürchtet von ihr augenscheinlich— und nicht mitUnrecht— Gefahr für die Weltanschauung, der daS Zentrum seineMacht verdankt.(Sehr richtig l links. Lachen im Zentrum.)Abg. Stolle(Soz.).Die Zahlen, die der Präsident de« ReichscisenbahnamteS mirgegenüber gegeben hat. sind nicht stichhaltig. In einzelnen Fällenist wohl eine Verminderung der Unfälle eingetreten, alles in allemaber hat die Zahl der Unfälle sowohl absolut wierelativ eine S t ei gerung erfahren. Ebensowenig sind seineEinwendungen bezüglich der Dienststunden des Personals stichhaltig,man mutz die gesamten Dienststunden nicht auf 865 Tage beziehen,wie er eS getan hat, sondern nur auf 300 Tage.Schließlich möchte ich den Präsidenten des ReichSeisenbahnamteSnoch auf einen Uebelstand aufmerksam machen, der sich im KönigreichSachsen bei der Einführung der vierten Wagenklasse eingebürgert hat.Die Einführung war dringend notwendig, wie die außerordentliche Steige-rung de« Verkehrs erweist. Es müssen jetzt an Sonntagen zuweilen 10.11 oder auch 12 Wagen vierter Klasse an den Zug angehängt werden,um den Berkehr zu bewältigen. Ader eine Vermehrung de» Zng-begleiterpersonals ist nicht eingetreten, die Schaffner haben jetzteinen wahren Schnellläuferdienst, um ihre Obliegenheiten an diesenlangen Zügen zu erfüllen und dadurch ist natürlich die Gesundheitdieser Leute aufs äußerste gefährdet und ihre Unfallgefahr sehr er-höht. Ich bitte den Herrn Präsidenten hier Wandel zu schaffen.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.)Abg. Dr. David:(Soz.):Herr v. Hehl meinte, er habe hier im Namen der großenMehrheit des hessischen Volkes gesprochen.(Zuruf: Das Volk inder Ersten Kammerl) In der Ersten Kaminer ist das hessische Volküberhaupt nicht vertreten. Bei den Verhandlungen der hessiichcnKammer hat sich jedesmal gezeigt, daß das hessische Volk dasGegenteil von dem wünscht, was Herr von Heyl als Wunsch derallgemeinen Volksstimme bezeichnete. Mit uns Sozialdemokraten,Himer denen doch ein großer Teil deS hessischen Volkes steht, habenauch die Vertreter der Freisinnigen, d«S Zentrums, und daS letzteMal auch einige Bauernbündlcr dieselben Klagen erhoben. Es isttotal falsch, die Besserungen, die seit der Verstaatlichung eingetretensind, auf den Verttag nnt Preußen zurückzuführen. ES wäre durch-auS eine Eisenbahngenieinschast zwischen den süddeutschenStaaten herbeizuführen gewesen.Herr v. Heyl hat nicht den geringsten Versuch gemacht, noch machenkönnen, das von meinem Freunde Ulrich beigebrachte Zahlenmaterialzu erschüttern. Wir hätten nicht nur aus eine TeilungSziffer von3 Proz., sondern auf eine weit höhere Aiispruch. Preußen hat alsoJahre hindurch sich auf Kosten Hessens zu Unrecht bereichert.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten. Unruhe recht«.) Ich begreife nicht.wie ein angeblicher Bertteter des bessischen Volkes hier zugunsten eines Vertrages reden kann, der Hessen so schwer geschädigt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie(nach rechts) nichtauf dem Standpunkt stehen, daß nach Recht und Unrecht nicht ge-fragt werden darf, sobald die Interessen Preußens in Frage kommen,so müssen Sie für eine Revision deS Vertrages eintreten.(LauteSLache» rechts.)— Noch schlimmer als Hessen sind ja die thüringischenStaaten daran. Man sollte nun denken, daß die national-liberale Partei, die sich rühmt, die Hüterin des Reichsgedankcns zusein, sich um die Verwirllichung der Idee der Reichseisenbahn-gemeinschaft bemühen müsse. Davon spürt man wenig.Im Gegenteil hört man auS den nasionalliberalen ReihenReden wie die heutige des Abg. v. Heyl. Da wird man aufeine Reichseisenbahngeineinschaft wohl noch lange warten müssen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Abg. Dr. Pichler(Z.) bedauert, sich ein bißchen zu scharfer AuSdrücke gegen Württemberg bedient zu haben. erklärt. daß derpreußische EisenbahnpartikulariSmuS gewiß noch viel schlimmer sei,als der württembergische, polemisiert ausführlich gegen den Abg.Starz und bestreitet sehr energisch, daß er lieber mit der Postkutscheals mit der Eisendahn fahre.Abg. Storz(südd. Vp.. mit Unruhe empfangen) bleibt dabei,daß der bayerische EisenbahiipartikularismuS schlimmer sei als derwiirttembergische. Der schlimmste EisenbahnpartikulariSmuS seiaber der preußische. Redner gibt sich dem Glauben hin. dieKonservativen davon überzeugen zu können.(Ungläubiges Kopsschütteln bei den Sozialdemokraten.)Abg. Frhr. Heyl v. Herrnsheim(natl.): Seinerzeit waren geradedie süddeutschen Staaten nicht für den Gedanken der ReichSeisenbahnen zu haben. Herrn David erwidere ich. daß daS materielleInteresse Hessens bei den Reichseisenbahnen nicht so gewahrt wärewie jetzt: trotzdem stehe ich auf dem Standpunkt, daß Reich«-eisenbahnen vorzuziehen sind. Mit dem Vertrag, den Hessenmit Preußen abgeschlossen hat. find. daS wiederhole ich, alle Parteienzufrieden mit Ausnahme der Sozialdemokraten.Abg. Ulrich(Soz.):Ich kann die südddeutschen Kollegen nur vor einem ähnlichenVertrage warnen: sonst bekommen Sie Finanzzustände wie wir,wo der Finanzminister an eine Steuererhöhung von 20 bis24 Prozent denkt. Herr von Heyl spricht von einem glän-zenden Geschäft, das wir gemacht haben und weist aufunseren Ueberschuß hin. Dabei hat unser Finaichministerselbst darauf hingewiesen, daß wir diesen Ueberschuß nur haben, weilwir neue Schulden machen. Wir leben von unseren Schulden.(GroßeHeiterkeit.) Unsere reine Eisenbahnschuld beträgt 100 Millionen, undwird Jahr kür Jahr vermehrt. Wenn der Verkehr noch mehr zurück-geht, werden die Einnahmen nicht mehr ausreichen,um die Eisenbahnschuld zu verzinsen. Herrn v. Heyl verweise ichauf die Ausführungen der nationalliberalen hessischen AbgeordnetenWolfskohl. Dr. Schröder und de« verstorbenen früheren KollegenOsann, die alle unsere Klagen für berechtigt erklärten.(Bravo I beiden Sozialdemokraten.)Abg. v. Brockhansen(k.): Preußen hat im Interesse der All-gcmeiiiheit bei dem Bertrage mit Hessen große Opfer gebrocht.Interessant wäre es, wenn zu dieser Frage auch der Präsident derZweiten hessischen Kammer, den ich hier sehe, ebenfalls das Wortergreifen würde.(Heiterkeit.)Abg. Haas(natl.) schließt sich den Ausführungen deS Abg. Heylan und polemisiert gegen den Abg. Ulrich.Abg. Ulrich(Soz.)widerlegt die Ausführungen des Abg. Haa». Die angeführte»Ziffern konnte Herr Haas nicht erschüttern; alljährlich machenwir 10 Millionen neue Eisenbahnschulden; wir stellen zwar 3 Mill.auS den Eisenbahneinnahmen in den Etat ein, tilgen aber nurVi Proz., kommen also zu immer höheren Schulden. Diese Logiksollte doch auch Herr Haas begreifen.Abg. Köhler(b. k. Fr.): DaS hessische Volk ist über den Bertragkeineswegs erfreut.Damit schließt die Diskussion. Der Etat wird nach den Be-schlüssen der Kommission bewilligt, die von der Kommissionbeantragte Resolution wird angenommen.Darauf vertagt sich das Haus auf Mittwoch 2 Uhr.(Gesetzbetr. Einwirkung der Armeiiunterftütznng auf öffentliche RechteGesetz wegen Beieitigung der Doppelbesteuerung. Bankgesetz.)Schluß 71/, Uhr.Berichtigung. In der Wiedergabe der vorgestrigen Rede desGenossen Geck zum Etat deS Reichstags befindet sich ein Irrtum.Genosse Geck erNärte sich nicht mit der Anregung des Freiherrnv. Hertling(offizielle KominissionS- und Plenarberichte) einver-standen, sondern mit der des Grafen OpperSdorff(Herstellung einerGeschichte des Reichstag?). Genosse Geck hat sich ebenso wie GenosseLedebour ausdrücklich gegen den Plan einer offiziellen Bericht-erstattung erklärt.Hbgeordnetenbaiiö.32, Sitzung vom Dienstag, den 16. Februar,vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: Dr. Delbrück.Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung derNovelle zum Berggesetzin Verbindung mit der Beratung der folgenden Anträge:1. Antrag Dr. Szuman(Pole) und Genossen, betreffend diegeheime Wahl der Knappschaftsältcsten, die Einführung von Ver-tranensmännern der Bergarbeiter und die Einführung deS Acht-stundentages in den Bergwerken.2. Antrag A r o n s o h n(frs. Vp.) und Genossen, betreffenddie Einführung von Vertrauensmännern der Bergarbeiter und diereichsgesetzliche Regelung des Bergrechts.3. Antrag I m b u f ch<Z.) und Genossen, betreffend die Mit-Wirkung der Bergarbeiter bei der Grubenkontrolle und die reichs-gesetzliche Regelung der Bergarbeiterverhältnisse: und4. Antrag K r a u s e» Waldenburg(frkons.), betreffend die Ver-antwortlichkeit der Bergwcrksbetriebsbeamten und Werkbesitzer unddie Mitwirkung der ArbeiterauSschüffe bei der Grubenkontrolle.HandclSminister Dr. Delbrück:Die Fragen, welche der Gesetzentwurf regeln will, beschäftigendie Bergvcrwaltung seit Jahrzehnten und sind jetzt als spruchreifzu betrachten. Den äußeren Anlaß zu ihrer Regelung hat dasUnglück auf der Zeche Radbod gegeben. An sich ist das,was über die Ursache des Unglücks von Radbod ermittelt ist undnoch ermittelt wird, völlig irrelevant für die Beschlüsse, die hier zufassen sind. Ich werde deshalb auch darauf nicht eingehen. Dererste Teil des Gesetzes beabsichtigt eine anderweitige Regelung derbergpolizeilichen Verantwortlichkeit der Bctriebsbeauiten. Diejetzigen Bestimmungen haben sich bei der Ausdehnung der Betriebenicht mehr als ausreichend erwiesen. Nach wie vor soll die Stellungeines für die Gesamtheit des Betriebes berufenen BctriebSführersbeibehalten werden; daneben sollen auch verantwortlich gemachtwerden die ihm nachgeordneten Beamten, und auch den VorgesetztendeS Betriebsführers soll insoweit volle Verantwortlichkeit zuge-wiesen werden, als sie durch Anordnungen oder Unterlassungen iyden Betrieb sich einmischen. Geändert sind ferner die Bestimmungenüber die Erteilung und Entziehung der Qualifikation. Wenn auchdie Zahl der Rekurse gegen bisherige Entziehungen der Qualifika-tion sehr gering waren, so entspricht doch das bisherige Verfahrennicht den modernen Bedürfnissen. Die Bestimmungen sind geordnetanalog den entsprechenden Bestimmungen für die Markscheider. DasVerfahren wird dadurch einerseits rascher und andererseits erhaltendie Beteiligten alle notwendigen Rechtsgarantien. Die neu gc-schaffene technische Deputation soll zu zwei Dritteln auS Jnter-essenten bestehen, die von Arbeitgebern und Arbeitern gewähltwerden, und zu einem Drittel vom Minister ernannt werden. Vonder teckmischen Deputation sollen bestimmt« Ausschüsse zur techui-scheu Bearbeitung bestimmter Fragen gebildet tverden. Die wich,tigste Frage ist die der G r u b e n k o n t r o l l e u r e. In Englandwerden für jede Grube aus der Belegschaft heraus zwei Kon«trollcure gewählt, die daS Recht haben, einmal im Monat die Grubezu befahren. Die Kosten der Befahrung sind den Arbeitern auf-erlogt. Aehnlich ist das Verfahren in Frankreich, nur daß dort die5iosten die Arbeitgeber zu tragen haben. In Belgien werden dieKontrollcure vom Minister ernannt auf Vorschlag der Arbeitgeberund Arbeiter. Das belgische Institut entspricht unseren Einfahrcrn.Bei uns haben sich die Verhältnisse ganz anders entwickelt. Wäh-rcnd in England völlige Bergbaufreiheit vorhanden war, herrschtebei uns dos Direktionsprinzip: der Staat war für alles verant-wortlich. Als dann das Direktionsprinzip aufgegeben wurde, übernahm der Staat die Kontrolle der Gruben. Während in Englandauf 23 000 Arbeiter ein staatlicher Kontrolleur kommt, kommt inPreußen ein staatlicher Kontrollbeamter auf 1430 Arbeiter.(Hörtlhört! rechts.) An diesem Zustande soll im lvescntlicheu nichts ge-ändert werden. Unsere Rcvierbeamten sind durchaus zur Kontrollequalifiziert, um so mehr, als ihnen noch das Heer der Einfahrcrzur Seite steht. Im Saarrevicr wurden dann Versuche mit Gruben-kontrollenren aus den Kreisen der Arbeiter gemacht. Man hat mievorgeworfen, daß ich mich noch vor drei Jahren gegen Arbeiter-kontrolleure ausgesprochen hätte und hat mich gefragt, ob mir dennnicht das Unglück von Radbod so in die Glieder gefahren sei, daßich meine Ansicht bereits geändert hätte. Demgegenüber muß ichfessstellen, daß ich bei Antritt meines Amtes jeder persönlichen Er-fahrung entbehrte. Nachdem ich dann selbst der Sache nachging,babe ich festgestellt, daß die Beziehungen zwischen Arbeitgebern undArbeitern außerordentlich lose geworden waren. Jeder kleine häuö-liche Streit über den Arbeitersekretär, über den Barbier, den Gast-Wirt ging in die Presse und wurde dar» übertrieben dargestellt. Da-durch spitzten sich die Verhältnisse immer mehr zu. Daher kam ichauf den Gedanken, zur Verbesserung dcS Verhältnisses zwischen Belegschaft und Betriebsvettvaltung Arbciterkontrollcure zu schaffen,und der Weg hat sich al« gangbar erwiesen. Ich war bei Unglücks-fällen in der Lage, mich von vornherein mit den Vertrauensleutender Belegschaft in Verbindung zu setzen, und damit war jeder Le-gendenbildung vorgebeugt, die wieder in Radbod dieöffentliche Meinung in Aufregung versetzt hat.Auf diesem Wege, bin ich überzeugt, wird es gelingen, bessere Be-zirhungen zwischen der Belegschaft und den Betriebsverwaltungenherbeizuführen und eine Abtehr unserer Arbeiter von der Sozial-demokratie zu erreichen, was alle Bemühungen zur ma»teriellen und sozialen Hebung der Bergarbeiternicht vermocht haben. Alle diese Wohltaten haben dir Ar-besser angenommen als Erfolge der Sozialdemokratie, denn dieSozialdemokratie ist eS, dir alle ihre Forderungen vertritt. Soist ein großer Teil der Arbeiter zu Sozialdemo.kraten geworden, obgleich sie durchaus deutschfühlen und treue Diener des Königs sind. Wirmüssen versuchen, wieder um die Seele des einzelnen Mannes zukämpfen, und das will ich durch die Neueiurichtung erreiche». S iewird politisch nicht ausgenutzt werden können,dagegen sind die erforderlichen Kaut ei en ge-troffen. Die Maßnahme wird von vielen Arbeitern, die sozial-demokratisch wählen, aber deutsch denken, als freundliche undentgegenkommende Handlung angesehen werden. Sieschaffen mit der Annahme dieser Vorlage ein sozialpolitisches Werk,das mehr wiegen wird, als so manches unserer großen sozialpoliti-schen Gesetze. Die Neueinrichtung wird uns in die Lage versetzen,wieder einen Weg zu finden zu der Seele eines großen Teile« desdeutscheu Solle». Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zu derBorlag«.! Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)Abg Beuchelt(k.): DaS gute Einvernehmen zwischender Belegschaft und der Betriebsverwaltung, das auch wir für sehr