Stand darstellt, Sieben Vierteljahre, eine wirtschaftlich er- eigmörciche Zeit, sind verflossen seit der AuKfüllimg der Fragebogen für die Betriebs- und Berufszählung. Vieles bat sich seit dem 12. Juni 19l)7 geändert, die Krise hat schwere Kunden geschlagen, zahlreiche Existenzen vernichtet. Die Großen und Mächtigen im Wirtschaftsleben haben aber ihre führende und entscheidende Stellung bewahrt. So geben uns trotz aller notwendigen Vorbehalte die Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählung zwar nicht ein Gesamtbild der wirt- schaftlichen Verästelung, aber doch das zutreffendste Bild, das wir mit unseren ungenügenden Malutensilien entwerfen können. In einer Reihe in sich abgeschlossener Artikel iverden wir die Resultate des großen Zählungswertes vom Juni 1997 darstellen und kritisch beleuchten. rabalKoll oder Banderole. Bei den Beratungen der Finanzkommission über die Tabaksteuer erklärte der Direktor im Reichsschatzamt,„daß bei einer Gewichts- steuer unter 210 M. Zoll und 110 M. Jnlandssteuer nicht aus- zukommen sei. Die Banderole sei inimer noch die gerechteste und die am wenigsten drückende Steuer". Die prozentuale Belastung für Zigarren bei den verschiedenen Zoll- und Steuersätzen ergibt sich aus nachstehender Tabelle Schon die erste der drei obigen Tabellen, welche die gegen» wärtige Belastung darstellt, zeigt, daß dieselbe bei dem jetzigen Zoll- und Steuersystem eine höchst ungerechte ist. Wenn ein Mitglied der Steuerkommission, um die Banderole zu be» kämpfen, meinte:„Auch die heutige Gewichtssteuer biete eine gewisse Steuergerechtigkeit, denn die steuerliche Be- lastung stufe sich ganz nach der Sortierung des Tabaks ab", so dokumentierte der betreffende dadurch nur, daß er kein Fachmann ist. Das Gegenteil ist richtig; gerade bei der Sortierung des Tabaks tritt die steuerliche Ungleichheit am meisten hervor. Für eine reine, fahle Sumatradeckblatt-Sortierung zahlt der Fabrikant 3, 4, S Gulden für das Pfund; für eine bunte Stückblattsortierung vierter Länge von demselben Tabak vielleicht 20, 40, 60 Cts.— also nur den zehnten Teil von dem ersten Preis. Der Zoll für das Pfund ist in beiden Fällen gleich. Der feinste Havannatabak kostet nicht mehr Zoll als der ordi- närste blaue Domingo; während der Einkaufspreis für den elfteren vielleicht 6 M. pro Pfund beträgt, stellt er sich für den letzteren auf 30 Pf. pro Pfund. Je höher der Zoll wird, desto schreiender tritt die ungleiche und ungerechte Belastung bei dem fertigen Fabrikat zutage; bei einem Zoll von 210 M., wie ihn die Regierung für notwendig erklärt, um den gewünschten Steuermehrertrag zu be- kommen, sind die 4-, 6« und 6-Pf.-Zigarren mit 24—28 Proz. belastet, die 2S-Pf.-Zigarre mit kaum 7 Proz. Wenn nun aber die Regierung behauptet, die Banderole sei die gerechteste und am wenigsten drückende Steuer, so zeigt die obige zweite Tabelle, daß diese Behauptung unwahr ist; bei der vor- geschlagenen Kombination von Inland st euer. Zoll und Banderolesteuer sind die 6«Pf.»Zigarren mit über 26 Proz. belastet, die 25-Pf.-Zigarren Mit 1b Proz. Wollte die Regierung in Wirklichkeit nach den Bermögensver- Hältnissen der Raucher die Steuer bemessen, so müßte sie zunächst einmal das jetzige Zoll- und Steuersystem vollständig beseitigen und dann eine nach dem Wert der fertigen Fabrikate progressiv steigende Steuer einführen. Würde diese neue Wertsteuer dann den Massenkonsum nicht höher belasten, als er schon belastet ist— derselbe ist doch heute schon mit 10 bis 13,3 Proz. wahrlich hoch genug belastet—, dann wäre auch ein erheblicher Rückgang des Konsums nicht zu befürchten. Eine Mehr- belastung des Massenkonsums bei der von der Regierung vor- geschlageneu Banderolesteuer von 16 bis 20 Proz. aber muß nach den Erfahrungen mit der Zollcrhöhung von 1879 naturgemäß, namentlich in der jetzigen Krisenperiode, einen enormen Konsumrückgang und eine dementsprechende Arbeitslosigkeit zur Folge haben. Daß bei einer Banderolesteuer mit Beseittgung des jetzigen Steuersystems die Möglichkeit gegeben ist, eine nach dem höheren Wert des Fabrikats progressiv steigende Steuer einzuführen, kann und braucht in leiner Weise bestritten zu werden; die Banderolesteuer ist aber trotzdem verwerflich: 1. weil sie in sich die Tendenz deS Lohndruckes enthält; 2. weil sie das Markensystem großzieht und dadurch einzelnen Großbetrieben eine Monopolstellung verschafft; S. weil sie eine völlige Umgestaltung der gesamten Produktions- Verhältnisse nicht allein in der Tabak- und Zigarettenindustrie, sondern auch in deren Hilfsindustrien zum Teil sofort, zum Teil in konsequenter Durchführung deS Gesetzes erforderlich macht. Eine Zollerhöhung aber, und sei es selbst nur eine minimale, bedeutet einzig und allein eine Mehrbelastung deS Massenkonsums und ist schon vom Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit gegenüber den unbemittelten Schichten der Be- völkerung zu verwerfen. Die Tabakarbeiter sind ohne Ausnahme konsequente Gegner nicht nur der Banderolesteuer, sondern auch eines höheren Zolles-- weshalb? Es ist das schon so oft gesagt worden und kann uns von keinem Steuerfreund widerlegt werden— weil die Tabakarbeiter über zwei Jahrzehnte durch die Zollerhöhung von 1879 in ihrem Streben, sich auch nur einigermaßen anständige Lohn- und Arbeits- ,erhällnisse zu verschaffen, gehindert worden find. VIe ValliauMe. Eine neue Ablehnung direkter Berhandluuge». Selzrad, 13. März. Die Antwort der serbischen Regierung auf die «sterreichisch-ungarische Rote wird tu der nächsten Woche erfolg«»». UntcrrichteterseitS wird versichert, dieselbe werde zwar in höflicher, jedoch ablehnender'Form gehalten sein. Demgegenüber wird aus Wien gemeldet, die österreichische Re- gierung sei entschlossen, Serbien gegenüber auf Klarheit zu dringen, im übrigen aber abzuwarten, welche Haltung die von Serbien an- gerufenen Mächte einnehmen werden. Rnsfisdie Hinterhältigkeit. Wien , 13. März. Wie das„Neue Wiener Tageblatt" authentisch meldet, hat Rußland 1905 beim Abschluß des Handelsvertrages mit Ungarn die Bedingung gestellt, daß Serbien die Grenz- erleichterungen entzogen würden. Der Anfang der Differenzen zwischen Oesterreich und Serbien geht also auf einen wirtschaftspolitischen S treich zurück, den Rußland seinem serbischen Bruder versetzt hat. Eine neue Intervention. Wien , 13. März. Die„Neue Freie Presse" meldet aus Rom : Bestem Vernehmen nach haben die Vertreter Englands. Frankreichs und Italiens der Belgrader Regierung den freundschaftlichen Rat erteilt, die von Oesterreich erwartete Er- klärung über die Rüstungen nicht abzulehnen; ebenso haben sie die Versicherung abgegeben, daß die Großmächte eine weitere Verwirrung und Verschleppung der serbischen Frage auf das lebhafte st e bedauern würden. Die Sozialdemokratie gegen den Krieg. Die österreichische Sozialdemokratie hatdie erste Gelegenheit benützt, um von der Reichsratstribüne aus mit aller Kraft für den Frieden und gegen die Kriegshetze Stellung zu nehmen. Bei der Debatte über die bosnische Grundablösung führte Genosse Dr. Renner im Namen unserer Partei folgendes aus: Wir protestieren gegen die leichtsinnige und oberfläch- liche Art, wie die bosnische und serbische Frage behandelt wurde. Durch Monate hat das Reich in der Gefahr eines Krieges geschwebt, der durch die abenteuerliche Politik des Herrn v. Aehrenthal heraufbeschworen wurde. Ich kann diese Verhandlung nicht vorübergehen lassen, ohne dagegen Verwahrung ein- zulegen, daß die Söhne des österreichischen Proletariats und der österreichischen Bauernschaft infolge dieses Aben- teuerS deS Baron Aehrenthal die schweren Opfer einer halben Mobilisierung im Winter ertragen müssen. In den Pulvermagazinen auf dem Balkan mit dem FidibuS der Rechts- titel zu manipulieren, ist eine Fahrlässigkeit, die an Ber » brechen grenzt. Noch mehr protestieren muß ich aber gegen den hochmütigen GroßmachtSkoller, der gewisse Parteien dieses Hauses— fie sind zum Glück die Minderheit— gepackt hat und der in der Presse unablässig schürt und hetzt. Eine kriegerische Unternehmung, sei fie auch noch so kurz und gegen einen noch so schwachen Gegner geführt, bleibt immer ein Unglück.(Lebhafter Beifall.) Diejenigen, die unsere verantwortlichen Regierungsorgane auf der Bahn der Hartnäckigkeit weiter zu treiben suchen, vergessen ganz, daß alle kriegerischen Zeitungsphrasen für die Masse des Volkes nichts anderes bedeuten als erneuten Kummer und erneutes Leid. Sicher ist, daß die Völker Oesterreichs den Frieden wollen(Lebhafter Beifall.) und daß sie insbesondere einen Krieg mit Serbien nicht wollen, weil Oesterreich allen Grund habe, Serbien trotz dessen ungerechtferttgter Provokatton Anerbieten zu einer fried- lichen Nachbarschaft zu machen. Ich glaube auch nicht, daß die gemeinsame Regierung in letzter Linie von einer anderen Politik geleitet ist. Ich finde nur, daß fie in dieser Politik nicht genug Vorsicht, Zurückhaltung und Urbane Formen ausbietet. Insbesondere geziemt eS sich dem Starken nicht, Serbien gegenüber so sehr die Großmacht herauszukehren und die Politik der Bevormundung fort- zusetzen. Kaum irgendwo liegt die wirtschaftliche Jnteressensolidarität so offen zu Tage wie zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien . Er hoffe, daß es zwischen diesen beiden Staaten zu einem Handels- vertrag oder vielmehr zu einem dauernden Zollbündnis kommen werde. Wenn man Serbien die Möglichkeit eines solchen ZollbllndnisseS bietet, wird zweifellos der Friede aufrecht erhalten werden. Deshalb muß ich dagegen protestieren, daß heute schon in Ungarn und auch in Oesterreich die Agrarier erklären, daß keinerlei wirtschaftliche Konzessionen gemacht werden dürfen. Serbien kann ohne Handelsvertrag mit Oesterreich nicht existieren; aber auch Oesterreich braucht diesen Handelsvertrag not- wendig zur Nährung seiner Volksmassen. Auf diesem Wege wird man den Frieden finden und darum fordern wir, daß die gemeinsame Regierung gegenüber Serbien Besonnenheit, gegenüber den Kriegshetzern im Lande aber Mut und Kraft zeige, gegenüber den Kriegshetzern, die aus überschäumendem Hurra- Patriotismus in Belgrad und Wien zum Kriege treiben, und gegen- über den Kriegshetzern. die aus ihrem Schweinegeschäft heraus bereit wären. Oesterreich-Ungarn in einen Krieg zu ver- wickeln.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Politische debersickt. Berlin , den 13. März 1399. Delbrück gegen Rheinbaben. Professor Delbrück veröffentlicht in der„Tägl. Rundsch." einen Arttkel gegen die Veröffentlichung des preußischen i n a n z m i n i st e r S in der„Verl . Korrefp.". auf deren nrichttgkeiten der„V o r w ä r t s" bereits selbst aufmerksam gemacht. In dem Artikel Delbrücks heißt es: „Die offiziöse„Berliner Korrespondenz", die mich berichtigen sollte, war mir noch nicht zugegangen, als ich meinen gestrigen Artikel schrieb, aber nachdem ich sie nunmehr gelesen und auch die Einwände deS Herrn FinanzministerS nachgeprüft, komme ich zu dem Ergebnis, daß ich sehr wenig zu konzedieren habe und in der Hauptsache meine Zahlen aufrecht er- erhalten kann. Ich werde im nächsten Heft der„Preußischen Jahrbücher" die genaue Rechnung darüber ausmachen. So viel ich heute sehe, werde ich kaum unter 140 Milliarden herunter- zugehen brauchen, und ich denke, das genügt; es würden rmmer noch 60 Proz. der Veranlagten sein (91,6 statt rund 140), die dem Staate entgehen, allein bei der Vermögenssteuer und bei der Einkommen st euer steht es noch schlechter. Für heute nur noch folgende Richtig- stellung: Herr v. Rheinbaben hat gesagt, ich hätte den HauSrat. der nicht steuerpflichtig sei, nicht abgezogen. DaS ist ein Irrtum. Ich habe in dem Arttkel im.Tag" ausdrücklich gesagt, daß ich den HauSrat mit den öffentlichen Anleihen und einigen anderen Objekten, die dort aufgeführt find, kompensiere. Ferner wollen der Herr Finanzminister und die„Berliner Kor- respondenz" für die nichtsteuerpflichttgen Vermögen unter 6000 M. 80 Millarden in Abzug bringen— als ob ich hierfür nichts in Abzug gebracht hätte! Ich habe aber dafür 10 Milliarden in Abzug gebracht, und zwar gestützt auf eine Quelle, die offenbar ebenso offiziös ist. wie die„Berlin « Korrespondenz" selber, nämlich einen Arttkel in den.Grenzboten" vom 9. Juli 1903. Dieser Artikel nimmt sogar nur 9 Milliarden an, und es wird mir ein leichtes fem, nachzuweisen, daß meine.10 Milliarden" der Wahrheit jedenfalls viel näher find, als die 30 de» zweiten OssiziesvS." Auch wir glauben, daß Herr v. Rheinbaben bei der Aus- einaitdersetzung sehr schlecht abschneiden lvird I Das Grubenkapital gegen den Bergarbeiterschutz. Ungewöhnlich zahlreich find die Petitionen, die von dcki Interessenten an das Abgeordnetenhaus gerichtet werden und die darauf abzielen, den von der Regierung beabsichtigten minimalen Schutz der Bergarbeiter völlig illusorisch zumachen. Ge- memsam ist allen diesen Petitionen, daß sie von sachlichen Er- wägungen überhaupt Abstand nehmen und sich lediglich in politischen Phrasen ergehen. So protestiert z. B. die Handelskammer für den Regierungsbezirk M ü n st e r in einer geharnischten Eingabe gegen die Einführung von Sicherheitsmännern im Bergbau, weil die Be- stellung dieser Sicherbeitsmänner durch geheime Wahl der Arbeiter keineswegs die Wahl von Arbeitervertretern garantiere, welche zu diesem schwierigen und verantwortungsvollen Amte die nötige Be- fähigung besitzen. Bielmehr sei anzunehmen, daß bei diesen Wahlen der Druck und die Agitation politischer Parteien, insbesondere der Sozialdemokratte ausschlaggebend sein werden. Weiter spricht die Handelskammer ihr Bedauern darüber aus, daß sich die Regierung überhaupt zur Vorlage deS Gesetzentwurfs habe bestimmen lassen. Zur Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Belegschaft und Be- triebsverwaltung wird nach Ansicht der Handelskammer die Ein- richlung der Sicherheitsmänner nicht beitragen, weil dies Vertrauen nicht durch Schuld der Betriebsverwaltungen, sondern durch plan- mäßige Verhetzung der Sozialdemokratie erschüttert worden sei, welcher die Einrichtung nur eine neue Handhabe für ihre Agitation unter den Arbeitern bieten werde. Die Nachgiebigkeit, welche gegen- über den Forderungen der Arbeiter nicht bloß seitens der parla- mentarischen Körperschaften, sondern auch seitens der Regierung gezeigt werde, könne nur dazu beitragen, die Arbeiter zu immer neuen Forderungen zu ermuntern; es würden dadurch die schwersten Gefahren für unser gesamtes Wirtschaftsleben heraufbeschworen werden. In ähnlichen Uebertteibungen bewegt sich die Eingabe des Vereins für die gemeinschaftlichen Interessen des Hannoverschen Kalibergbaues. Auch diese Interessenten haben den traurigen Mut, die Forderung der Anstellung von Arbeiterkontrolleuren als sozialdemokrattsches Agitationsmittel zu bezeichnen, und um mit der Mode mitzugehen, faseln fie dann des langen und breiten von Terrorismus. Durch die Tätigkeit der Arbeiterkontrolleure würden die Steiger so drangsaliert werden, bis fie endlich auch dem sozial- demokratischen Verbände beitreten müßten.„Das wäre also genau so, als wenn in der Armee die Unteroffiziere und Feldwebel dem sozialdemokratischen Verbände beitreten würden." Traurig ist es, daß sogar die technischen Berg- beamten Oberschlesiens „im Interesse der Aufrecht- erhaltung der Beamten-Autorität und der Disziplin auf den Gruben" gegen die Einrichtung der Sicherheits- männer protestieren. Die Kontrolle der Grubenbeamten durch die ihnen untergebenen Arbeiter wirke ebenso demoralisierend, wie eine Kontrolle der Unteroffiziere und Offiziere durch Vertreter der Gemeinen beim Militär wirken würde; Autorität und Disziplin seien beim Bergbaubetriebe mit seinen Gefahren ebi nso notwendig wie beim Militär. Das sagen dieselben technischen Beamten, die eben noch am eigenen Leibe gespürt haben, daß daS Kapital keinen Unterschied zwischen Arbeitern und abhängigen Beamten macht, sondern daß eS mit der Arbeitskraft aller seiner Angestellten auch ihre politisch« Ueberzeugung gekauft zu haben wähnt. Wenn schon angesichts eines so zaghaften Versuchs der preußischen Regierung eine so lebhafte Gegenagitatton«insetzt, wie wird eS dann erst werden, wenn es sich wirklich einmal um einen durchgreifenden Arbeiterschutz handelt._ Ei« Gescheitelter. Bor einer Reihe von Jahren trat in K ö l n ein evangelischer Geistlicher, Pastor Wohlleben, auf, um a la Naumann die Sozialdemokratie abzulösen. Er verschaffte sich Anschluß an die christlichen Gewerkschaften und gründete eine Tageszeitung, das „Westdeutsche Volksblatt". Arm in Arm mit den Zentrumschristen trat er den modernen Gewerkschaften entgegen. Aber bald mußte er erkennen, daß selbst im heiligen Köln die Zukunft der modernen Arbeiterbewegung und dem Sozialismus gehört. Und nicht lange nachher verkrachte das„Westdeutsche Polls- blatt". Wie der Herr Pastor die ihm nun gewordene ver- mehrte fteie Zeit verwendete, mag"man daran erkennen, daß er bald sein Amt als Gefängnisprediger nieetzrlegen mußte, weil eine Ge- fangene ihn beschuldigte, er habe sich sittlich an ihr vergangen. Nachher übernahm der Geistliche die Verwaltung der WohlsahrtS- einrichtungen der großen Zandersschen Papierfabriken in B.-Gladbach bei Köln . Die Anstellung erfolgte, nachdem in der Fabrik ein Streik der christlichorganisierten Arbeiter stattgesunden hatte. Dieser Tage stand der Pastor vor der Kölner Strafkammer' Er hatte 1943 M. aus der ihm anvertrauten Kasse genommen, obwohl er ein Gehalt von 6000 M. bei freier Wohnung hatte. Er gab seiner Familie nur 100 M. HauShaltungSgeld pro Monat und hielt sich dafür ein Liebchen zur linken Hand. DaS Gericht ver- urteilte ihn wegen Unterschlagung zu drei Monaten Ge- f ä n g n i S._ Gegen de« Blockliberalismus. In Mülheim am Rhein nahm der Jungliberale Verein einstimmig folgende Resolution an:„Ter Jungliberale Berein gibt seiner Entrüstung über die schmachvolle Haltung der National liberalen im ReichStagSwahltreise Bingen- Alzey bei Gelegenheit der Sttchwahl Ausdruck. Ein derartiges Verhalten bedeutet die vollständige Verleugnung liberaler Grundsätze und wird das Verhältnis zwischen den einzelnen liberalen Gruppen, die gerade im Westen unbedingt aufeinander angewiesen sind, bedauerlicherweise trüben müssen." In Köln hat der Verein der Freisinnigen Volks» Partei eine Resolution beschlossen, worin er eS„für durchaus erforderlich" erklärt,„daß die freifinnige Frakttonsgcmeinschast den direkten Steuern die Zustimmung so lange versagt, bis entweder Reichsnachlaß- oder Reichsvermögenssteuer an- genommen oder wenigstens ein« einzelstaatliche Belastung des Be- sitzes hinreichend geregelt ist. Im letzteren Falle müssen Garantien geschaffen werden, daß die einzclstaatliche Gesetzgebung und ihre Handhabung den liberalen Auffassungen über die gerechte Belastung des Besitzes wirklich entsprechen werden. Ohne solche Garantien haben wir insbesondere zur preußischen Regierung nicht daS Vertrauen, daß ihre Praxis der Veranlagung sich der Begünstigung einzelner Berufskreise enthalten wird." Zum Schlüsse spricht die Relolution aus, daß„der Opfer, die die Blockpolittk der Freisiunigen Partei auferlegt, nachgerade genug sind."_ Die Dresdener Justiz gegen die Wahlrechts- demonstratio»««. (Privatdepesche des„Vorwärts".) Dresden , den 13. März 1909. Die schon mehrfach besprochene Aufruhranllage gegen den Ge- noffen Redakteur D ü v e I l von der„Dresdener Vol's�eitung", die der Wahlrechtsdemonstration vom 17. Januar entsprang, g«. langte am heutigen Tage vor der fünften Strafkammer des hiesigen Landgerichts zur Verhandlung. Gleichzeitig wurde gegen einen zweiten Genossen, den Tischler Stenzel, verhandelt. Genosse Düvell hatte am 17. Januar im Saale des Volk». SMijoS umissL Er war Dann«K der BsclWBlmlg nach der
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