Soldatenschinder. iDas Kriegsgericht in Stratzburg i. E. verurteilte den MajorVogt und den Feldwebel Putz, beide von der 10. Kompagnie136. Jnfanterie-Negiineiits, ersteren zu einer Woche Stuben-a r r e st, letzleren zu vier Wochen gelinden Arrest. Be-antragt waren 4 Wochen Stubenarrest und'/* Jahr Gefängnis.Major Vogt hat. wie das Gericht feststellte, als Hauptmannbeim Exerzieren die Maimschasten nut dem Säbel auf die Beineund auf den Helin geschlagen. Der Feldwebel hat ebenfallsSoldaten mit dem Säbel über die Oberschenkel geschlagen und gegendas Spind geworfen und mit dem Knie in das Gejäg gestoßen.—Die Ereignisse in der Türkei.Verhaftung eines Alüanesen-Häuptlings.Köln, 11. Mai. Die„Kölnische Zeitung" meldet aus Saloniki:Der Albane senhäuptling Risa Beh aus Djakowa ist inAleppo verhaftet, nach Smyrna geschafft und dort ein-gesperrt worden. Er wird, einem Beschluß des Komitees entsprechend, nach Konstantinopel gebracht werden. Die Verhaftungsoll in Albanien verheimlicht werden, weil darüber großeAufregung entstehen würde.Christcnfeiudliche Bewegung in Armenien.Konstantinopel, 10. Mai. Nach bei der Pforte eingelaufenenMeldungen ist in B i t l i s und in anderen in der Umgebung desW a n s e e s gelegenen Orten eine Scheria-Bewegung aus-gebrochen. Die Mohammedaner drohen die Christen nieder-zumetzeln/ falls ihre Forderungen nicht erfüllt werden. DieKurden-Scheichs haben bei der Pforte telegraphisch militärischeHilfe verlangt._Oefterrcicb.Gegen Lueger.Wie», 10. Mai. Die„Neue Freie Presse" meldet auS Spalato:Die derzeitige Anwesenheit des Bürgermeisters Lueger hat denS o z i a l i st e n, Demokraten und Kroaten Anlaß zu großen D e-m o n st r a t i o n e n gegeben. Die Demonstranten zählten nachTausenden. Dr. Lueger, der Bürgermeister und der Abgeordnetevon Spalato wurden ausgepfiffen und beschimpft. MehrerePersonen wurden verwundet, mehr als hundert verhaftet.—Schwefe.Staatliches Salzmouopol.Aus Zürich wird uns geschrieben Die Schweizer Kantone habenschon längst den Salzhandel verstaatlicht und monopolisiert undzwar mit dem besten Erfolg für das Volk und die Staatskasse. Sokann man z, B. ini Kanton Zürich das Kilo Salz zu 10 Cts.(8 Pf.)kaufen und dabei hat die Staatskasse im Jahre 1307 doch nocheinen Reinertrag von 231043, 40 Fr. erhalten. In den anderenKantonen sind die Verhältnisse ähnliche.Die Salzprodultion selbst liegt in privaten Händen, d. h. wirdvon Aktiengesellschaften betrieben und zwar in den Kantonen Aargau,Baselland und Waadt, wo die Unternehmungen Monopolcharakter be-sitzen, der die Erschließung neuer Salzlager, die entdeckt wurden, aus-schließt. Der jährliche Salzkonsum der schweizerischen Bevölkerungbeträgt 6ö0 000 Zentner, der bis auf das Ouantwm von75 000 Zentnern, die hauptsächlich aus Frankreich importiert werden.von de» genannten einheimischen Privatsalinen gedeckt wird. Nunsoll von den drei Unternehmungen eine„Aufteilung" desschweizerischen Absatzgebietes, vielleicht auch im Einverständnis mitausländischen Unternehmungen zur Ausschließung der Konkurrenzund Aufrichtung eines Privatmonopols projektiert gewesen sein undum dem Beutezug mit teuerer» Salzpreisen zuvorzukommen, habendie Kantone Zürich, St. Gallen, Betn und Baselstadt die im KantonBaselland gelegene Salme»Schweizerhall" um 3 603 856 Frankgelauft, wozu natürlich auch noch die Stimmberechtigten in denkommenden Volksabstimmungen über bezügliche Gesetze ihre Meinungzu äußern Gelegenheit erhalten werden.Dieses Vorgehen zur Errichtung eines interkantonalen staatlichenSalzmonopols ist durchaus zu begrüßen und eS haben sich dennauch bereits noch andere Kantone, so Aargau, Zug. Baselland,Schaffhausen, Solothurn usw. zum Anschluß bereit erklärt. Not-wendig ist natürlich, dafür zu sorgen, daß in den bezüglichen Gesetzender billige Salzpreis gesichert wird.Italien.Ei» italienisches Eliteregiment.Rom» 8. Mai.(Eig. Ber.) Schwere Anklagen gegen denKommandanten des vornehmsten italienischen Gardekorps, derEsladron der Kürassiere, hat Genosse De F e l i c e in derParlamentSsitznng vom 6. d. vorgebracht. Der MajorD' A l e s j a n d r o soll in seiner Eigenschaft als Chef der genanntenEsladron sich schwere Unregelmäßigkeiten haben zuschulden kommenlassen. In der Eskadron soll nickt nur eine barbarische Disziplinherrschen, sondern der Major gefällt sich auch darin, seine Kürassiereeinem Zivilistenpublikum von Herren und Damen in halsbrecherischenReitübungen vorzuführen. Diese Liebhaberei hat wiederholt zu Un-fällen gesührt, und ein Kürassier S a l v a t o r i kam bei einemSprung ums Leben, zu dem er viermal gezwungen wurde. Nichtgenug damit, wird der Kommandant auch beschuldigt, mitden wertvollen Pferden seiner Eskadron einen sehr lukrativenHandel zu führen. Die Pferde kosten 2000 bis 2300 Liredas Stitck. De Felice hat nun formell die Anklage erhoben,daß die Pferde durch allerhand Kunstgriffe so hergerichtetwerden, daß sie fehlerhast erscheinen und verkauft werden müssen.Kausen tut sie dann der Major DÄlessandro. der sie wieder inStand setzen läßt und die Tiere, für die er 600 bis S00 Lire be-zahlt hat, um 2000 Lire und mehr weiter verhandelt. Unser Ge-nasse hat sogar die Namen der betreffenden Pferde angegeben.Schließlich warf De Felice dem Major vor, daß er die Kürassierezu Arbeiten heranzöge, die er dann als von anderen Arbeitern aus-geführt, in Rechnung setzte, um das Geld in die eigene Tasche zustecken. Die Antwort des Unterstaatssekretärs, Generals Prüde ntewar nicht derart, die schweren Anschuldigungen zurückzuweisen.Prudeute begnügte sich, von einer Untersuchung zu sprechen,die zwar die Strenge des Kommandanten dargetan, abergleichzeitig seine volle Korrektheit bestätigt hätte. Was den ver-verunglückten Soldaten betrifft, so hätte ein Strafprozeß mit derFreisprechung des Ofsiziers geendet. ES ist zu erwarten, daß dieganze Sache weiter geklärt werden wird. Wen» das Kriegs-Ministerium nicht mehr zu antworten weiß als bisher der Unter-staatSsekretär antwortete, wird die öffentliche Meinung das Schuld-buch des Militarismus um die Enthüllungen des Genoffen De Felicevermehren.6ngianÄ.Annahme der Schankkonzessionen.London, 11. Mai. In der gestrigen Sitzung des Unter-y a u s e s entspann sich bei der Beratung oes Budgets eine lebhafteDiskussion über die Resolution, einen höheren Abgabentarif für Ge-Währung von Schankkonzessionen einzuführen. DieOpposition bekämpfte den Antrag aufs heftigste, und die Diskussionzog sich bis in die frühen Morgenstunden hin. Die Resolutionwurde schließlich mit 206 gegen 123 Stimmen angenommen.Rußland.Der Prozeß Lopuchiu.In Petersburg hat heute, unter dem Vorsitz des SenatorsDar warin. der Prozeß Lopuchin, den früheren Direktordes Polizeidepartements begonnen. Er ist der Teilnahme an einer'revolutionären Gesellschaft angeklagt, weil er bekanntlich die Auf-deckung der Machenschaften des A z e w gefördert hat. Der Prozeßsoll natürlich mit der Verurteilung Lopuchins, das heißt mit derUnschädlichmachung dieses genaue» Kenners der Verbrechen derpolitischen Polizei enden. Die Vermutungen, daß die Rolle, dieAzew gespielt, in dem Prozeß Aufklärung finden werde.dürsten nicht in Erfüllung gehen. Dafür spricht schon, daßLopuchins Anträge, das gesamte Untersuchungsmaterial bezüglich derErmordung des Stadthauptmanns von der Launitz, bezüglich derAttentate auf den Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch und aufden Justizminister Stschegowitow sowie aus zwölf anderen politischenProzessen zu seiner Rechtfertigung heranzuziehen, verworfenworden sind. Auch waren die als Zeugen geladenen Beamten derpolitischen Polizei, der frühere Chef der Petersburger politischenPolizei, G e r a s s i m o w, der Beamte des PolizeidepartementLRetschkowski und die Beamten der politischen Polizei Ratajewund Odartschenko nicht erschienen.Stolypin bleibt.Im Oktobristenlager herrscht Jubel: Stolypin, der Herr undMeister, bleibt; der Zar hat ihm sein„Vergehen gegen die Vor-rechte der Krone" vergeben. Stolypins Verbrechen war bekanntlich,in der Duma den Etat des MarinegeneralstobeS eingebracht zuhaben, bei besten Beratung die Duma ihre Wünsche äußerte. Daswar für die Reaktionäre der Vorwand für ihren Vorstoß. DieKrauijunker und die mit ihnen verschwägerten Bureau-traten haben dafür sehr wichtige Gründe. Stolypin, derBesieger der Revolution, will den Lorbeer des ReformatorsRußlands erringen. Passen die Reformen den Kraut-junkern in die Rechnung— wie das Agrargesetz, das derjetzigen„Ordnung" eine Phalanx von Baueniprätorianern schaffensoll— dann ist das Resonnwerk gut. Will es aber die großenDiebe, die sich aus den Reihen der Krautjunker rekrutieren, härteranfassen, dann ist das der Kriegsfall. Stolypin hat Revisionen derVerwaltung angeordnet, und es entstand ein Gestank, daß selbst dermit der russischen Luft Vertraute die Nase abwenden mußte. Dasmachte die braven Verfechter des Thrones rabiat. Der starke MannRußlands wurde in ihren Augen niit einem Male zum Liberalen.Zwar werden morgen ohnehin die Diebereien schon wieder beginnenkönnen, aber bannt sind die Bureaukratcn noch nicht zuftieden: ihrBeuterecht muß völlig unangetastet bleiben. Diesmal sind die Diebenoch unterlegen, und daher die Freude der Ottobristen, die sich ein-bilden, die Korruption beseitigen zu können, ohne das ganze Systemzu stürzen.Das arbettende und unter dem Druck der Konterrevolutionächzende Volt interessiert diese Krise nicht das mindeste. EineWiederkehr zu den alten Verhältnissen gibt eS für den Zarismusnicht mehr. Ein noch reaktionärerer StaatSlenler als Stolypin. wennes einen solchen gäbe, müßte gleichfalls die„Reformierung" Ruß«lands fortsetzen. Stolypins Fall würde also nichts ändern, selbstwenn diese Reformarbeit eine Bedeutung für die Erneuerung Ruß-lands hätte. Ob Stolypin bleibt oder nicht, die Konterrevolutionbleibt und so lange sie herrscht, ist eine wirkliche Erneuerung Ruß-lands unmöglich.perflen.Die Revolutionäre von Teheran.Frankfurt a. M., 11. Mai. Die.„Frankfurter Zeitung"meldetaus Teheran, daß die Nationalisten dieAuslieferung von 16 Personen aus der Umgebung desSchahs und die Abdankung dcö Schahs oder seine E n t-fernung aus dem Lande für mehrere Jahre verlangen.Die Umzingelung Teherans ist vollständig durch-geführt.'Man befürchtet blutige Zusammen-stoße._Eine Erklärung Sattar KhanS.Petersburg, 11. Mai. Der Korrespondent der PetersburgerTelegraphcu-Agentur wurde im Lager bei T ä b r i S von SattarKhan empfangen, der sich dahin äußerte, er betrachte die Rüstenals werte Gäste, die gekommen seien, um der armen BevölkerungHilfe zu bringen. Sein einziges Ziel fei das Volkswohl; er undseine Gesinnungsgenossen trauten dem Schah nicht, weildieser sein Wort gebrochen habe. Durch seine Handlungs-weise habe der Schah das Land ruiniert und dennochnichts erreicht. Vom Schah erwarteten er und seine Gesinnungs-genossen nichts. Sie wünschten nur die Wiederherstellung der vomVater des Schahs gegebenen Konstitution, aber unbedingt unterder Garantie der Mächte, so baß sie nicht mehr verletztwerde. Bis dahin würden sie die Waffen nicht nieder-legen. An Waffen hätten sie Uebcrfluß, da ein großes Arsenalin Täbris in ihren Händen sei. Wenn der Schah ihn nach Wieder-Herstellung der Ordnung zu seinem Dienst berufe, werde er bereit-willig diesem Rufe folgen.—_Die Wahlen.Teheran, 10. Mai. Die Wahlen sollen sogleich nach Aus-arbeitung des Wahlgesetzes durch den Reichsrat stattfinden. DerMedschlis wird zusammentreten, sobald zwei Drittel der Abgeordnetenin Teheran eingetroffen sind.?apan.Eine parlamentarische Korruptionsaffäre.Die parlamentarische Korruption, diese regelmäßige Begleit-erscheinung der kapitalistischen Entwickelung, hat nun auch in Japanihren Einzug gehalten. Es handelt sich um eine große Bestechungs-affäre, in die besonders die liberale Partei, die Seijukai,verwickelt ist. Bei der geplanten Verstaatlichung derjapanischen Zuckergesellschaft sollten den IndustriellenAbfindungen gezahlt werden, und um diese recht günstig zu gestalten,wurde eine ganze Anzahl einflußreicher Politiker, Parlamentarierund Jouralisten bestochen. Unter ihnen befindet sich Uokai, dereinflußreiche Redakteur eines sehr verbreiteten Tokioter Blattes.Die Regierung scheint energisch eingeschritten zusein undhat sowohl die Direktoren als auch Dolai und andere Mitglieder derliberalen Partei verhaftet. Die Zahl der Verhafteten beträgt imganzen 12. Die Anklage lautet auf Annahme von Bestechungs-geldern. Man bezeichnet aber 50 weitere Abgeordnete als kom-promittiert und erzählt, daß die Direktoren der Zuckergesellschaft un-gefähr eine halbe Million Mark zu Bestechungen verwendet haben.Argentinien.Die Folgen dcS Streiks.Buenos Aircö, 11. Mai. Infolge der jüngsten Ereignisse richteteder Minister des Innern an den Ackcrbauministsr eine Note, inder er forderte, daß das argentinische Gesetz von 1876, das vo» denEinwanderern den Nachweis guter Führung und Eignungfür die Arbeit verlangt, scharf gehandhabt werde, bis einGesetz, ähnlich dem in den Bereinigten Staaten bestehenden, an-genommen worden sei, das die gefahrdrohende Ein-Wanderung verhindert.Huö der Partei.Militärausgaben und Sozialismus.Rom, 6. Mai.(Eig. Ber.) Im Anschluß an die Erklärungdes Genossen Pietro Chiesa in der italienischen Kammer,die wir seinerzeit wiedergegeben haben, hat sich in der italienischenParteipresse eine Diskussion über die Stellung der Sozialistenzu den Militärausgaben entsponnen. Diese Diskussion hat bisjetzt zu nichts anderem geführt, als der wiederholten Erklärung,daß die Aufrechterhaltung der nationalen Unabhängigkeit inunserer Zeit auch im Jnieresse des Proletariats läge, daß aberauf Zeiizon Fall eine Erhöhung der Militärausgaben zu be-willigen sei. In der letzten Nummer der„Critica Sociale"nunmt nun euch Genosse T u r a t i zu der Frage Stellung. Erkritisiert die Art, wie von einem Teil der Sozialisten die Frageaufgegriffen würde. Es sei falsch, bei der Verweigerung neuerMilitärausgaben die unrationelle oder unredliche Verwendungder bisherigen voranzustellen. Dies böte der Regierung die Hand-habe, gegen Gewährung neuer Kontrollorgane, die Bewilligungneuer Ausgaben zu erpreffen. Falsch sei es auch, sich auf die Dis-kussionen über die technischen Notwendigkeiten der Landes-Verteidigung einzulassen, wie es z. B. im Mailänder„T e m p o"geschehen sei, das sich gegen die Dreathnoughts, die großenKanonen, die großen Forts zugunsten kleinerer und beweglichererVerteidigungsmittel ausgesprochen hätte. Auf dies Gebiet könnensich Kriegstechniker, nicht aber eine Partei begeben. Was hießeübrigens„Bedürfnisse der Landesverteidigung"? Wenn Italienz. B. Deutschland und Oesterreich vereint gegen sich hätje, würdees offenbar auf alle Fälle unterliegen.„Wenn wir," schreibtTurati wörtlich,„von der Auffassung ausgehen, daß Italien, so-lange es ruhig innerhalb seiner Grenzen bleibt, sich nicht alsGroßmacht aufspielt, sich nicht in die Intrigen eigener oderfremder Eroberungen einmischt, auf den Jrredentismus verzichtet,so schwer ihm dies auch werden mag, wenn es, mit einem Wort.die Auslandspolitik des kleinen Belgien, der kleinen Schweiz, deskleinen Holland triebe, trotzdem überfallen werden könnte, zer-stückelt, von neuem unter Fremdherrschaft gebracht, ohne daß zuseiner Verteidigung die Waffen ausreichen, die es heute besitzt,die Interessen, die in Europa seine nationale Existenz schützen,und schließlich der verzweifelte Aufstand eines ganzen Volkes,das sich in den Quellen seines Lebens angetastet sähe, wenn wirvon dieser Hypothese ausgehen, die für mich in der heutigeneuropäischen Lage vollständig irrsinnig wäre, dann ist das Problemunserer Landesverteidigung ganz einfach unlösbar. Dann gibtuns nichts die Gewißheit, auch wenn wir statt einer halbenMilliarde eine ganze Milliarde ausgeben, auch wenn wir uns...umbrächten, um am Leben zu bleiben, daß wir unsere nationaleUnverletzlichkeit erhalten könnten." Turati meint weiter, daß Ge-fahren von Kriegen und Einfällen nur durch die BeteiligungItaliens an Intrigen, nur durch die Uebernahme bestimmter Ver-pflichtungen usw. entstehen können. Man müsse die übliche Formelumkehren, nicht die Rüstungen von der äußeren Politik, sonderndie äußere Politik von den Rüstungen abhängen lassen. Was denEinwand beträfe, daß man,'wenn man einen Krieg in Europafür unmöglich hielte, überhaupt gegen jede Militärausgabe ein-treten müsse, so meint der Autor, daß einmal gegen den Kriegdie Furcht vor den Schäden des Krieges spräche, und daß dieseSchäden gerade durch die starken Rüstungen bedingt wären.Andererseits würde heute ein Staat, der sich zur Abrüstung ent-schlösse, sich jeden moralischen Einflusses, jeder moralischen Machtim internationalen Turnier begeben. Turati fordert also eineAuslandspolitik, die sich mit den heutigen militärischen und wirt-schastlichen Kräften des Landes verträgt. Er könne nicht glauben,daß eine Nation mit 33 Millionen Einwohnern und einem Staats-budget von 2 Milliarden keinen anderen Ausweg hätte als den,sich entweder in irrsinnigen Militärausgaben zu erschöpfen oderdiplomatisch auf die Bedeutung des Fürstentums Monako herab-zusinken.Wenn man die Frage von allein technischen Firlefanz unddiplomatischen Lügengewebe entkleidete, so stellte sie sich einfachals eine Frage des ewigen Kampfes dar zwischen kriegerischer undindustrieller Kultur, zloischen Reaktion und Demokratie, Politikdes Stillstandes und der Reform, als eine Episode des Klassen-kampfes, bei dem die Parasiten auf der einen und die Arbeiter aufder anderen Seite stehen.� Im„A van t i" vom 6. Mai stellt B i s s o l a t i den Ans-führungen Turatis einige Einwände entgegen. Wenn Turati dasKriterium aufstellte, daß ein Verhältnis zwischen Militärausgabenund der finaziellen und wirtschaftlichen Lage des Landes bestehenmüsse, so hätte er dadurch durchaus nicht bewiesen, daß diesesVerhältnis sich in einer bestimmten Ziffer ausdrücken ließe.Gerade hier müsse sich die Partei auf das technische Gebiet be-geben; wolle sie das nicht, so liefe ihre Opposition auf eine leerePrinzipicnerklärung hinaus. Dann müsse man sich einfach alsZukunftspartei erklären, sich um die bürgerlichen Intrigen nichtkümmern; nur sähe er nicht ein, mit welchem Recht wirdann weiter den Herveismus für verrückt erklären könnten. Daßder Herveismus übrigens auch in Italien bestehe, trotz der gegen-teiligen Ansicht Turatis, das hätten ja die Proteste der sozialistischenFederation von Mantua und des Landarbeiterverbandes bewiesen..Wie man sieht, kommen die Ausführungen Turatis denmilitaristischen Bedürfnissen weit weniger entgegen als dieBissolatis. Aber im ganzen können sie ebensowenig befriedigen,wie die seines Opponenten. Im wesentlichen steht er in der Frageaus demselben Boden wie Bissolati, nur daß er die Rüstungen inengeren Grenzen gehalten wissen möchte. Die grundsätzliche Be-kämpfung des Militarismus als eine den proletarischen Be-freiunslampf wie den internationalen Frieden gefährdende In-stitution wird aufgegeben, sobald man aus den Boden derTuratischen Argumentation tritt. Das proletarische Interessefordert eine spezifische Form der Landesverteidigungsorganisation,das Milizsystem.Tie„Chemnitzer Beweglichkeit" soll nach der neuesten Nummerder„Chemnitzer Volksstimme" lediglich darin bestehen,„daß wirnach der u. E. richtigen Auslegung der„Vorwärts"-Notizgegen eine etwaige falsche Ausdeutung vorbeugend protestierthaben". Unter der„etwaigen falschen Ausdeutung" versteht dasBlatt die, daß die Fraktion unter allen Umständen gegen die Erb-schaftsstcuer zu stimmen habe; die„richtige" ist seines ErachtenS,daß sie dagegen stimmen wird, wenn dadurch die Finanzreformzum Scheitern gebracht und eine Reichstagsauflösung herbeigeführtwerden iann, daß sio aber, wenn die Annahme der Steuern aufden Massenverbrauch sich doch nicht verhindern läßt, dafür stimmenmuß: �„damit die Kapitalisten wenigstens einen kleinen Teil derKosten des deutschen Imperialismus tragen". Wir wollen unshier mit der Taktik, die die„Volksstimme" vorschlägt, nicht be-schäftigen, sondern lediglich feststellen, daß das Eigentelegrammviel mehr war als ein vorbeugender Protest gegen eine falscheAusdeutung der„Vorwärts"notiz. In der Wendung des Eigen-telegramms:„von der keineswegs feststeht, daß sie sich mit derAnschauung der parlamentarischen Vertretung der Fraktion deckt"liegt eine zwar nicht direkt ausgesprochene, aber für jeden, derlesen kann, sehr deutliche Abweisung der„Vorwärts".notiz. Wenn der Leiter der„Volksstimme" diese Abweisung ohnejede eigene einschränkende Bemerkung durchgehen ließ, so war dasallerdings eine totale Aenderung seines zwei Tage vorher ein-genommenen Standpunktes. Wir mußten natürlich annehmen.daß er die Bedeutung der oben zitierten Worte aus dem Eigen-telegramm erkannt hat. War's nicht der Fall, so hat er zu wenigherausgelesen. Das ist um so wunderbarer, als er in unsereKritik seiner Beweglichkeit zu viel hineinliest. Davon, daß er seineEigentelegramme selber fabriziere— diese„geiswolle Erfindung"will er darin gefunden haben r- steht nichts darin, auch nichtszwischen den Zeilen l