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Ar. 120. 26. Jahrgang. 1. KcilM In Jgtivärtf ßftlintt flolMntt. Mttwch, 26. Mai MS. Hbgcordnctcnbaus. 96, Sitzung. Dienstag, den 26. Mai, vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: Schwartzkopff. Aus der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratung des Antrages Freiherr v. Zedlitz(fk.), welcher einen Gesetzentwurf vorschlägt, wonach diejenigen Gemeinden sGutsbezirke, Verbände), die zur Aufbringung des Diensteinkommens der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen nicht staatlichen mittleren Schulen das Recht erhalten sollen, der für die Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen dieses Bezirks bestehenden Alters. zulagenkasse zur Versicherung von Alterszulagen in Höhe der für die Lehrkräfte an den Volksschulen normierten Sätze beizutreten. Die Redner verschiedener Parteien erklären sich mit dem An- trage einverstanden, der die für den Mittelstand so wichtigen mittleren Schulen heben will. Ministerialdirektor Schwartzkopff dankt für das warme Jnter- esie an den Schulen des Mittelstandes, denen auch die Regierung erhöhtes Interesse zuwenden will. Darauf wird der Antrag angenommen. Es folgt die Fortsetzung der zweiten Beratung des Gesetz- entwurfs, betreffend die Abänderung des Stempelsteuer- g e s e tz e s. Durch Z 6 des Gesetzes werden von der Stempelsteuer befreit u. a. Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Zweck ist, minderbemittelten Familien gesunde Wohnungen zu billigen Preisen zu verschaffen, und die höchstens 4 Proz. Dividende an die Gesellschafter verteilen dürfen. Abg. Dr. Grunenberg(Z.) befürwortet einen Antrag, wonach diese Gesellschaften oder Genossenschaften sämtliche ermäßigten oder nachgelassenen Stempelbeträge nachträglich entrichten müssen, wenn sie ihr Statut und ihren Zweck in der Weise ändern, daß die an- gegebenen Voraussetzungen nicht mehr vollständig zutreffen. Regierungsrat Köttgen äußert hiergegen Bedenken und empfiehlt, den Antrag so zu fassen, daß die Stempelsteuerbeträge nachgefordert werden können. In dieser Fasiung, mit der sich der Abgeordnete Dr. Grünen- berg(Z.) einverstanden erklärt, wird der Antrag an» genommen. Der Rest des Gesetzes wird nach unwesentlicher Debatte ent- sprechend den Beschlüssen der Kommission angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Eisen- bahnanleihegesetzes(Sekundärbahnvorlage). Hierbei bringt eine Reihe von Rednern Lokalwünsche ihrer Kreise vor. Es folgt die dritte Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Berggesetzes. Abg. Hirsch(natl.): Zwischen der zweiten und dritten Lesung find von den Arbeitgebern wie von den Arbeitern Wünsche be- sonders über die Zusammensetzung der Arbeiterausschüsse geäußert worden, die noch einmal zu Verhandlungen zwischen den Parteien geführt haben. Diese Verhandlungen haben zu einem Kompromiß- antrag geführt, nach welchem die Wahl der Sicherheitsmänner auf Antrag der Werksbesitzer nach Fahrabteilungen statt nach Steiger- ohtcilungen erfolgen darf.- Zu den Wünschen, betreffend Abänderung der aktiven Wahl bercchtigung verhalten sich meine Freunde in Uebereinstimmung mit den rechtsstehenden Parteien ablehnend. Tagegen werden wir dem Antrage, daß ein Mitglied des Arbeiterausschusses schon auf je 400 statt 600 Arbeiter zu wählen ist, zustimmen. Wie das Gesetz wirken wird, muß die Erfahrung lehren. Meine politischen Freunde geben sich darüber keiner übertriebenen Hoff­nung hin. Wir glauben, den Wünschen der Arbeiter weit entgegen� gekommen zu sein. Es ist nun auch Pflicht der Arbeiter, die Be. mühungen des Staates und der Werksbesitzer zu unterstützen und von aller Agitation abzulassen, die das Gesetz in den Dienst einer gewissen politischen Partei stellt. Wenn die Arbeiter das letztere tun. wird das Gesetz nicht zum Segen werden, sondern zum Fluch. IBravol bei den Nationalliberalen.) Abg. Jmbusch(Z.): Das Gesetz erfüllt eine Reihe von Wünschen meiner Parteigenossen und der Arbeiter nicht, so daß uns die Zustimmung keineswegs leicht ist. Es ist mir auch nicht recht begreiflich, warum Preußen und andere Bundesstaaten sich so sehr gegen eine reichsgesetzliche Regelung der Materie wehren. Ein Fortschritt ist die Beteiligung der Arbeiter an der Gruben» kleines feuilleton. Auß der Werkstatt der Diplomatie. Im Jahre 1814 gelang es der englischen   Regierung, mit dem persischen Schah ein Bündnis zu schließen, welches besagte,.daß alle Bündnisse PersienS   mit den englandfcindlichen Mächten als nichtexistierend betrachtet werden und daß der Schah verspricht, jedem Versuch einer jedweden Macht, durch China   oder Buchara   nach Indien   einzudringen, sich zu widersetzen." Dieses Bündnis, das noch andere gegen Rußland   gerichtete Spitzen hatte, veranlaßte Alexander I  .. einen Gesandten nach Persien  zu senden, der dem englischen Einfluß entgegenwirken und einige strittige Fragen schlichten sollte. Der Gesandte Jermoloff, ent ledigte sich seiner Pflicht vorzüglich. Mit welchen Mitteln, das be richtet er in sehr aufrichtiger und interessanter Weise:Mein finsteres Gesicht drückte meine Gefühle gut aus, und als ich vom Krieg sprach, spiegelte es die Gefühls eines Menschen wieder, der bereit»st, sich mit den Zähnen jemanden an die Gurgel zu werfen. Zum Unglück für die Perser bemerkte ich, daß sie das nicht gern sahen: wo es mir also an schlagenden Argumenten fehlte, da wirkte ich mit meinem tierischen Gesicht, meiner ungeheuren Gestalt, die einen schrecklichen Eindruck machten und mit meiner breiten Kehle. All' dies machte sie glauben, ein Mensch, der keine guten und überzeugenden Gründe hätte, würde nicht imstande sein. so zu schreien. Während man aber dem Schah zuflüsterte, ich sei ein unnahbares Untier, flößte ich ihm bei meinen Unterredungen das Gift der Schmeichelei ein." So zu lesen bei P. A. Rittich: Politisch-statistischer Abriß Persien s.(Petersburg 1396, S. 234.) Die Autographensammliing SardouS, deren Versteigerung am Montag in Paris   begonnen hat. enthält u.a. über tausend Nummern aus der Revolutionszeit. Fast alle bedeutenden Akteure der großen Umwälzung sind darin vertreten: Danton  , Marat, Couthon  , Fouquier-Tinville, Barras, Drouet  , Rouget de l'Jsle, Madame Roland  , Tallieu u. a. Von Robcspierre befindet sich darunter außer Briefen das Manuskript der Anklagerede, die Saint Just   gegen die Dantonisten hielt, von Camille Desmoulins   ein Brief an seine Frau Lncile: voll verliebter Zärtlichkeit und politischer Begeisterung. Mirabeau   berichtet in einem Briefe aus dem Gefängnis von Vincennes   über einen Zusammenstoß, den er dort mit dem berüchtigten Marquis de Sade   gehabt hatte: Sade drohte, Mirabeau   nach seiner Freilassung die Ohren abzuschneiden, worauf ihm dieser entgegnete: .Mein Name ist der eines Mannes von Ehre, der noch keine Frauen zerstückelt und vergiftet hat und der ihn Ihnen mit dem Stock auf den Rücken schreiben wird, falls Sie nicht vorher gerädert sind." Den Zusammenbruch der königlichen Majestät spiegelt ein von Ludwig XVI.   unterzeichnetes Billett aus dem Temple ab, Ivorin es beißt:.Der König bittet für den königlichen Prinzen um einen kleinen Baldachin über die Wiege und für die Prinzessin um ein schmales Bett mit Baldachin." Zugleich mit der Autographensanunlung gelangte auch die Bibliothek �ardous zur Versteigerung. Der berühmte Dramatiker, dem seine Millionentantiemen solchen Luxus erlaubt kontrolle, welche das Gesetz bringt. Sollten sich Mängel bei der Einführung des Gesetzes herausstellen, so erwarten wir, daß man sofort an eine Abänderung des Gesetzes herantritt. Einzelne Teile des Gesetzes entsprechen unseren Wünschen nicht. Deshalb muß es von den Arbeitgebern loyal gehandhabt werden; die Beteiligung der Arbeiter an der Grubenkontrolle darf nicht durch illoyale Hand- habung illusorisch gemacht werden. Abg. v. Gescher  (k.): Das Leben und die Sicherheit des Berg- arbeitcrs muß geschützt werden, doch wird das durch die vorliegen- den Anträge keineswegs erreicht. Trotzdem stimmen wir dem Antrag, daß schon auf 400 Arbeiter ein Ausschußmitglied zu wählen ist, und daß die Wahlen nach Fahrerabteilunaen stattfinden können, zu, weil wir Wert darauf legen, daß das Gesetz von einer mög- lichst großen Mehrheit angenommen wird. Es kommt den Ar- beitern soweit entgegen, als das Interesse der Industrie es irgend gestattet.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Abg. Borstcr(freik.): Wir haben Wert darauf gelegt, daß bei der Wahl der Sichcrheitsmänncr und der Arbeiterausschüsse das ruhige und besonnene Element zur Geltung kommt.(Zustimmung rechts.) Abg. Tracgcr(frs. Vp.): Bei den Kompromitzanträgen muß man die Bescheidenheit der Herren bewundern, die ihnen trotz weitergehender Wünsche beigetreten sind. Die Veränderung der «teigerabteilungen in Fahrerabteilungen war vorher von veson- deren Voraussetzungen abhängig und soll nach dem Kompromiß- antrag von dem Belieben der Werksbesitzer abhängen, das aller- dings der Gznehmigung durch das Oberbergamt bedarf. Das ist das Ganze. Wir werden dem Gesetz zustimmen, aber nicht auf den Versuch verzichten, es noch nach unseren Wünschen zu ver- bessern. Nach wie vor verlangen wir ein Reichsberggesetz und deshalb würden wir den Entwurf ablehnen, wenn dadurch das Reichsberggesetz in weite Ferne gerückt würde, wie man auf der Konferenz der Berggewaltigen am 6. Januar hoffte. Diese Hofs- nung aber ist eitel. Die Wirkung des Gesetzes wird nicht von dem Verhalten der Arbeiter abhängen, sondern von dem der Ar- beitgeber, die vorläufig noch die Mächtigen sind.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Deshalb mutz der Minister mit aller Energie darüber wachen und darauf dringen, daß das Gesetz seinen Intentionen entsprechend von den Arbeitgebern gehandhabt wird. (Sehr richtig! links.). Die Unternehmer widersetzen sich einem Reichsberggesetz vor allem deshalb, weil sie die Kontrolle des Reichstages bei der Durchführung des Gesetzes fürchten. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Opposition gegen die vom Reiche mit Glück begonnene soziale Gesetzgebung. Auf der schon erwähnten Konferenz wurde ja auch ganz offen gesagt, das Berg- gesetz fei mit sozialen Dummheiten genug beschlvert. Selbst die Sicherheitsmänner werden in diesen Kreisen für Pioniere des Umsturzes erklärt. Da ist es gewiß gerechtfertigt, sie nach jeder Richtung zu schützen und unabhängig zu machen. Der Herren- stanopunkt der Bergherren wird auch mit dem Argument ver- teidigt, daß wir konkurrenzfähig gegenüber dem Ausland bleiben müssen. Sollen wir etwa dadurch konkurrenzfähig bleiben, daß wir unseren Arbeitern das nicht gewähren, was die ausländischen Arbeiter bereits haben? Wir müssen im Gegenteil den Berg- arbeitern gewähren, was sie in England und Frankreich   längst haben. Ten Unternehmern gegenüber mutz der Minister fest bleiben, sonst wird durch das Gesetz der soziale Friede nicht ge fördert, sondern gestört werden.(Lebhaftes Bravo! links.) Abg. Leinert(Soz.): B»im Anhören der versöhnlichen Reden hier hatte ich die Empfindung, als ob der Terrorismus der Gruben Herren gegen die Arbeiter jetzt bei der dritten Lesung voll ständig vergessen werden soll. Die hier zutage getretene Versöhnung berührt mich sehr eigentümlich, weil ja über die Ausführung des Gesetzes noch nicht das aller- gerinste gesagt ist. lieber die Wahl der Sicherheitsmänner und der Mitglieder des Arbeiterausschusses haben wir nur die Bestimmung: die Wahl ist unmittelbar und geheim. Bei der zweiten Lesung hatte ich einen Antrag eingebracht, diese Wahl wenigstens etwas sicherzustellen. Leider ist er ab. g e lehnt worden; deshalb möchte ich an den Minister die Bitte richten, die Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz noch etwas anders zu gestalten, als es bei dem Gesetz von 1906 geschehen ist. In Frankreich   sind für die Wahlhandlungen ganz andere Bestimmungen geschaffen. Schon im Jahre 1890 sind dort Sicher- heitsmänner eingeführt und im Jahre 1901 sind die Wahlbestim- mungen so abgeändert, daß der Wähler, bevor er seine Stimme abgibt, einen isolierten Raum durchschreiten muh, wo er ungesehen haben, sammelte mit Vorliebe Bände, die sich im Besitz geschichtlich berühmter Persönlichkeiten befunden hatten. Außer etlichen Königen von Heinrich II. an und ihren Maitressen sind auch interessante Namen zu finden. Eine Plinius  -Ausgabe von 1496, die sich im Be- sitze des Erasmus von Rotterdam befunden hat, zeigt am Rande 1600 Anmerkungen von der Hand des berühmten Humanisten. Er- wähnenswert ist auch ein Herodot aus dem Besitz RacineS mit vielen Randnoten des Dichters. Die SinneSschärfe bei den Blinden  . Es ist eine allgemein ver breitete Anschauung, daß in den Fällen, in denen der menschliche Organismus eines Sinnes beraubt ist, die anderen Sinne sich zu größerer Feinheit entwickeln und bis zu einem gewissen Grade die fehlenden Eindrücke ersetzen können. Vor allem glaubt man von den Blinden, daß ihr Gehör und besonders ihr Tastempfinden weit besser entwickelt wäre als bei den sehenden Menschen, was ihnen bisweilen mit überraschender Sicherheit ihren Weg selbst zu finden ermöglicht. Diese Meinung wird nun durch eine Reihe von Experi» menten widerlegt, die Professor Griesbach und der Direktor des Blindeninstituts in Jllzach-Mülhausen K u n g an einer großen Zahl von Blinden   und gleichzeitig von sehenden Schulkindern desselben Alters angestellt haben, und die nach einem Bericht derNature" folgende Tatsachen ergaben: Die Blinden   erkennen die Richtung der Töne nicht besser als Sehende und nehmen sie auch nicht aus größerer Entfernung wahr: ihr Geruchsinn ist sogar geringer ent- wickelt. In der Blindenschrift, dem Braille- Alphabet, sind die Buchstaben durch verschiedene Kombinationen von Relies punkten dargestellt; man nahm nun an, daß der Zeigen finger der rechten Hand, dessen sich die Blinden  'beim Lesen bedienen, besonders fein entwickelt sein müßte es ist aber nicht so: eine allzu große Sensibilität der Fingerspitze ist beider Lektüre eher hinderlich, und wenn die Blinden etwa infolge von Handarbeit eine dickere Haut am Zeigefinger der rechten Hand be- kommen, so wird es ihnen leichter, die Buchstaben zu erkennen. Es scheint danach erwiesen, daß bei Blinden die übrigen Sinne keine größere Feinheit entwickeln. Wie ist nun die Tatsache zu erklären, daß die Blinden   Hindernisse vermeiden und ihren Weg allein finden können? Man hat vermutet, daß sie auf die Luftströme aufpassen, die ihr Gesicht treffen, und daß sie außerdem durch Temperatur- empfindungen geleitet werden. In der Tat vermeiden sie nicht ebenso gut Hindernisse, wenn ihr Gesicht bedeckt wird. Oft er- klären sie zuwissen", daß sie nahe einer Mauer sind, und es zufühlen", obwohl sie sie nicht berühren. Bei der eben erwähnten Annahme würden sich diese Tatsachen leicht erklären. Man darf edoch auch die Wichtigkeit des rein psychischen Elements nicht unterschätzen. Die angespannte Aufmerksamkeit bewirkt, daß manche Sinneseindrücke, die uns gewöhnlich nicht zum Bewußt« ein kommen, bemerkt werden können. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die Blinden nicht vollkommenere Gehörs- und Tast- empfindungen als die nonnalen Menschen, wohl aber hat die Not- wendigkeit, diesen eine schärfere Aufmerksamkeit zu- zuwenden, zur Folge, daß eine größere Zahl von ihnen ins Bewußtsein tritt, und das Resultat ist dasselbe, alS ob die Empfindungen an sich wirklich feiner entwickelt wären. seinen Stimmzettel in den Umschlag legen kann; auch darf der Unternehmer in dem Wahllokal nicht durch mehr als zwei Per- sonen vertreten sein. In der Begründung zu dieser Bestimmung war gesagt, die Wahlfreiheit sei nicht gesichert, sondern sei ge- fährdet. weil die Unternehmer die Stimmzettel nach dem offizielleri Muster vor dem Wahllokal verteilen und die Wahlhandlung k o u- trollieren konnten. Weiter wird gesagt, die zur Erreichung der Sicherung der Wahlfreiheit vorgeschlagenen Maßnahmen wür­den bei einer gewöhnlichen Wahl ivohl ein wenig komisch er« scheinen, denn ein Wähler soll den Mut seiner Ueberzeugung haben (Sehr richtig! rechts), und es sei nicht empfehlenswert, aus ihm ein verzagtes Wesen ohne Charakterfestigkeit zu machen.(Sehr richtig! rechts.) Der Bericht fährt dann fort:Aber es ist nicht zu verkennen, daß die Lage des Wählers, der hier geschützt werden soll, verschieden ist von der eines gewöhnlichen Wählers. Letzterer ist, auch wenn er in sehr untergeordneter Stellung sich befindet, doch nicht von einem einzigen Arbeitgeber abhängig, und kann, wenn er entlassen wird, wieder wo anders Arbeit finden. Der Bergarbeiter aber kann unter einem sehr leicht zu findenden Vorwand aus der Arbeit gejagt werden und findet dann nicht so leicht wieder andere Arbeit." Das trifft für Preußen ganz ebenso zu. Das Oberbergamt Dortmund hat im Jahre 1906 bestimmt, daß die Stimmzettel von der Zechenverwaltung geliefert werden; aus den Stimmzettel darf von den Wählern nur der Name des zu Wäh- lenden geschrieben werden und kein äußeres Kennzeichen angebracht werden. Diese Bestimmung hat zu merkwürdigen Ergebnissen auf der Zeche Westhausen geführt. Jedes Belegschaftsmitglied erhielt 2 Stimmzettel, einen unbeschriebenen und einen mit dem KanLi- baten der Zechenverwaltung bedruckten. Die Beamten der Zeche behielten den Wähler im Auge, bis er an den Wahltisch trat und seinen Zettel abgab. Wollte er gegen den Kandidaten der Zechen- Verwaltung stimmen, so mutzte er den leeren Zettel erst be- s ch r e'i b c n, was den Beamten natürlich nicht entgehen konnte. So ist es gekommen, daß der Kandidat des ch r i st l i ch e n Verbandes vollständig an die Wand gedrückt und der Kandidat der Zechenverwaltung gewählt wurde. Das nennt man dann eine unmittelbare und geheime Wahl! (Hört! hört! links.) So wie hier wurden auch auf den Zechen Graf Moltke" undConsdantin IV und V" gedruckte Stimmzettel, die übrigens nicht von der Zechenverwaltung ausgegeben waren, für gültig erklärt. Aber auf der ZecheVereinigte General und Erbstollen" wurden bei der Wahl am 6. Oktober 1908 alle g e« druckten Stimmzettel, sowie solche, bei denen dem Namen des Karrdidaten der größeren Deutlichkeit halber seine Markennummer zugefügt war, für ungültig erklärt. Außerdem erhielt jeder Wähler nur einen Zettel von der Verwaltung und falls dieser verschrieben war, keinen zweiten, so daß einer Reihe von Wählern das Stimmrecht genommen wurde. Von 400 Wahlberechtigten übten 260 das Wahlrecht aus. Es wurden aber aus den angeführten Gründen 174 Stimmen für ungültig erklärt und dann nicht diejenigen Kandidaten, welche 177, 182 und 175 Stimmen erhalten hatten, für gewählt pro- klamiert, sondern die mit 45, 17 und 11 Stimmen zogen als Ver- trauensmänner der Wähler in den Arbeiterausschutz ein. Auf die eingelegte Beschwerde bestätigte das Obcrbergamt die Ungültig» keitserklärung der Stimmzettel, und der Minister verwies auf den Klagcweg beim Oberverwaltungsgericht, für welchen aber der Ter- min inzwischen verstrichen war. Auch bei der Wahl der Sicherheit?- männer kann die Freiheit der Wahl in ähnlicher Weise illusorisch gemacht Vierden  . Deswegen sollte der Minister die Ausführungs- bcstimmungen entsprechend einrichten. Bei der zweiten Lesung hat Herr Beumer gesagt, nur kontraktbrüchige Arbeiter kommen auf die schwarze Liste. Es ist aber schon im Reichstag mitgeteilt worden, daß auch andere, namentlich politische Gründe, dafür maß- gebend sind. Und vor einiger Zeit hat der Arbeiterschutzverband eine Versammlung abgehalten, in der dasselbe festgestellt wurde; die Bestimmungen sollten revidiert werden aus Anlaß der Verhand- lungen im Reichstag und diese Revision besteht nun darin, daß dem Arbeiter bei seiner Annahme eröffnet wird:Wenn Du kontrakt- brüchig wirst, kommst Du auf die schwarze Liste und bekommst sechs Monate keine Arbeit." Juristisch mag das unbedenklich sein, wirtschaftlich aber keineswegs, denn über den Kontraktbruch ent- scheidet in letzter Linie ja der Arbeitgeber. Die schwarzen Listen sind deshalb unmoralisch und mit Recht habe ich deren An- Wendung als Terrorismus bezeichnet. Weiter wurde in der De- Humor und Satire. Die Lösung des Problems. Und das Murren über die Mängel des Vereinsgesetzes nahm kein Ende und wurde immer lauter. Da entschloß sich die Regierung, mit starker Hand ein- zugreifen und folgendes zu verordnen: 8 1. Mitglied eines politischen Vereins kann jeder unbescholtene Bürger werden, welcher beschälten zu tverden wünscht und sich den größten Unannehmlichkeiten auszusetzen beabsichtigt. 8 2. Jedem Bürger, der der polnischen Sprache mächtig ist, bleibt e? unbenommen, sich dem Verein entlassener Strafgefangenen anzuschließen. 8 3. Soll ein neuer politischer Verein gegründet werden, so haben die Veranstalter der vorgesetzten Polizeibehörde Meldung zu erstatten und sich dringend abraten zu lassen. 8 4. Der Behörde steht das Recht zn, die Gründung behufs späterer Auflösung zu gestatten. 8 6. Politische Vereine haben ihr Disknssionsgebiet auf Gemüse- zucht, Baumkultur, Kinderernährung. Musik, Hantpflege, Zahnhygiene, Bewegungsspiele und häusliche Handarbeiten zu konzentrieren. 8 6. Die Statuten sind in z w e i Exemplaren einzureichen. Zur Erhebung der Anklage genügt eins. 8 7. Die Mitgliederbeiträge sind monatlich einzuziehen und zwar nur ein einziges Mal. da im zweiten Monat der Verein bereits erloschen sein wird. 8 8. Frauen dürfen an Versammlungen teilnehmen, ivcnn ihnen wegen starken Schnurrbartes das Tragen von Männerkleidnng poli- zeilich erlaubt ist. 8 9. Versammlungen unter freiem Himmel sind gestattet: a) wenn ein König einzieht, zum Zweck des TücherschwcnkcnS; b) wenn ein Aviatikcr fliegt, zum Zweck genieinsamer Enttäuschung. 8 10. In Sälen ist der Mittclgang freizuhalten, und zwar auf Wunsch des überwachenden Beamten in Breite des ganzen Lokales. ß 11. lieberThema" darf nicht gesprochen werden. _(Lustige Blätter.') Notizen. Georg von Neu mayer, Prof. Dr., Wirkl. Geheimer Rat und früherer Direktor der Deutschen Seewarte in Hamburg  , ist. 84 Jahre alt, gestorben. Kurpfuscher. In den Prozessen gegen Kurpfuscher wird den Angeklagten häufig mit Recht ein Borwurf daraus gemacht, daß sie ich erbieten,brieflich zu behandeln". Die approbierten Aerzte ent- rüsten sich bei solchen Anlässen gar sehr und finden selbst die höchsten Strafen gegen Kurpfuscher noch zu niedrig. Daß nian heutzutage aber sogar ingebildeten",besseren" bürger- lichen Kreisen auchstudierten" Medizinern die Bcreitwilligleit zutraut, für schnöden Mammon die berühmtebricflliche Behandlung" zu betreiben, das geht aus folgender Annonce hervor, die letzten Sonntag imBerliner Tageblatt" an hervorragender Stelle prangte: Arzt gesucht von Verlag für briefliche Behandlung der Patienten. Bedingungen und Honorarangabe... Wir sind fest davon überzeugt, daß sich auf diese Kurpfuscher» Annonce Hunderte von Aerzten gemeldet haben.,,