r. lA. 26. Iahrgüng.Donnerstag, 27. Mk! 1909.Mgeoränetenkaus.96. Sitzung, Mittwoch, den 26. Mai,vormittags 11 Uhr.Llm Ministertisch: v. Rheinbaben.Zunächst werden die Vorlagen über die Veränderung derGrenzen einiger Kreise in den Provinzen Sachsenund We st Preußen und einiger AmtsgerichtSbezirkeim Oberlandesgerichtsbezirk Königsberg an-genommen.Nach Erledigung einiger kleinen Vorlagen tritt daS Haus in diedritte Beratung der Stempel st euernovelle ein.Abg. v. Krics(k) empfiehlt die Annahme eines von den Parteiender Rechten, dem Zentrum und den Nationalliberalengestellten Koni pro mißantrages, wonach die in zweiterLesung beschlossene Staffelung der A u t o m a te n st e u e rabgeändert wird. Der Jahressteuersatz für Automaten sollnach dem neuen Antrage 1 Mark betragen, wenn derRohertrag des Automaten nicht mehr als 30 M. und er soll 2 M.betragen, wenn der Rohertrag 36 bis SV M. betrögt. Der Rednerbegründet einen weiteren Antrag der Konservativen, die Fahrrad-steuer allgemein auf 1,50 M. festzusetzen mit der Maßgabe, daß fürRäder von Arbeitern, Schülern und für zu gewerblichen Zweckenbenutzte Räder die Steuer bis auf 50 Pf. ermäßigt werden kann.Die Konservativen würden unter allen Umständen an der Fahrradsteuer festhalten und deshalb einen freisinnigen Antrag Gyßlingauf Beseitigung der Fahrradsteuer ablehnen. Die Steuer seiweder antisozial, noch werde ihre Durchführung vexatorisch wirken.(Unruhe links, Beifall rechts.)Abg. Waldstein(fcs. Vg.): ES ist unerhört, hier ohne weiteresAnträge zur Beratung zu stellen, deren finanzielle und sozialeWirkungen gar nicht übersehen werden können. Dies Verfahrenführt zu einem völligen Wirrwar. Sie(nach rechts) haben dieMieten der kleinen Gewerbetreibenden höher belastet als die Pachtenbei der Landwirtschast. Das nennen Sie Mittelstandspolilik(Unruherechts.) Dagegen haben Sie den Jagdpacht st e in pel herab-gesetzt zugunsten der»armen Jagdpächter". Dies Vorgehen derRechten ist ganz unsozial.(Bravo I links; Unruhe rechts.)Finanzminister Freiherr v. Rheinbaben: Einer unbilligen Be-lastung der Arbeiter würde ich nicht zustimmen. Aber bei einerRadfahrstcuer von nur 5V Pf. kann man doch unmöglich von einerdrückenden Belastung sprechen.(Sehr richtig I rechts und im Zentrum.)Auch den neuen Antrag kann ich nur unterstützen.Abg. Lcincrt(Soz):Nachdem über die Fahrradsteuer namentliche Abstimmung be-antragt ist, haben Sie(nach rechts) sich wohl gesagt:»Aus einenSchelm anderthalbe* und beantrag en die Erhöhung der Steuerauf 1,50 M. Freilich sollen Räder, die für gewerbliche oder beruflicheZwecke oder von Schülern benutzt werden, nur eine ermäßigte Steuervon 50 Pf. zahlen. Aber die Steuerbehörde wird diesem Passus eineandereAuslegung geben als Sie. Sie wird sagen, der Arbeiterbraucht das Rad ja nur, um zur Arbeit zu fahren, und das ist keingewerblicher Zweck.(Lebhafter Widerspruch rechts.) Nach demWortlaut Ihres Antrages wird die Steuerbehörde das so aus-legen. Der Finanzminister wollte vom Jagdpachtstempel absehenund wies auf die Ermäßigung des Stempels bei Mietsverträgen hin.Dabei sollen jetzt auch mündliche Mietsverträge versteuertwerden, die früher frei waren; also auch hier tritt eine neue B e-l a st u n g ein. Sie(nach rechts) sagen, Sie lassen sich von IhrenGrundsätzen nicht abbringen. Diese Grundsätze bestehen darin,die Lasten, die Sie zu tragen haben, auf die Schultern anderer ab-zuwälzen, und davon lassen Sie sich allerdings auch bei der Be-ratung des Stempelsteuergesetzes nicht abbringen.(Sehr gut!links.) Sie haben es dahin gebracht, daß mehrere hundert-tausend Mark aus den Jagdpachtverträgen nicht in die Staatskassefließen. Dabei spielt auch ein zehnprozentiger Stempel beiden hohen Pachten gar keine Rolle, und kein reicherMann, der die Jagd benutzt, würde sich dadurch von seinem Vergnügenbbringen lassen, lediglich aus Liebhaberet werden Jagdengepachtet, die durchaus nicht den Preis aufbringen. Bei den Fahr-rädern aber ist in den allerseltensten Fällen von einer Liebhabereidie Rede. Der Abg. Lüdicke sagte zwar, wer ein Rad hat, dem gehtes gut, der hat auch Geld. Biel richtiger wäre es zu sagen: Wereine Jagd pachten kann, dem geht eS gutl Siekleines feuUleton.Die Schönheit der Jndianermusik. Im Auftrage des natio-nalen Bureaus für Ethnologie in Washington hat Miß AliceFletcher, die sich als Erforscherin der indianischen Volkskunde be-reits einen Namen gemacht hat, neuerdings eine große Zahl india-nischer Gesänge mit dem Phonographen ausgenommen, sodaß nunmehr die Gelegenheit geboten ist, die Musik der Rothäuteeingehend zu studieren. Miß Fletcher stieß keineswegs aufSchwierigkeiten, da die Indianer in den Reservatgebieten der Auf-nähme ihrer Lieder nicht nur keine Schwierigkeiten bereiteten, son-dern sich sogar eifrigst um eine möglichst exakte Wiedergabe be-mühten, weil sie sich wohl durch die Aufmerksamkeit, die man ihrerKunst zollte, sehr geschmeichelt fühlten. Sie hatten in der Tat alleVeranlassung, auf ihre Musik stolz zu sein; denn alle Musikkenner,die Gelegenheit erhielten, sie in der Wiedergabe des Phonographenzu hören, sind von ihrer Schönheit überrascht und bewundern sieaufrichtig. Diese Jndianermusik, die bisher im allgemeinen fürroh und monoton gehalten wurde, zeigt dem tiefer dringendenKenner eine hochentwickelte Kunst, die'— was ganz besonders über-raschend wirkt— Analogien mit der Musik unserer modernstenKomponisten aufweist. Insbesondere erinnert ein Hymnus,„Wo-Way"(Friedenspfeife) genannt, ganz schlagend �an eins dercharakteristischsten Motive Richard Wagners! Die india-nischcn Rhythmen sind oft nicht weniger kompliziert und nuanciertwie die eines Schumann oder Chopin. Eine rhythmischeEigentümlichkeit, die stark auffällt, ist die häufige Verwendungeiner kurzen Note, die durch einen Trommelschlag markiert wirdund merkwürdig an die alte schottische Volksmusik erinnert. Auffälligist ferner das Fehlen von Variationen eines gegebenen Themas,was jedoch nicht hindert, diese Themen mit tausend Hilfsmittelnund immer neuen Wendungen zu entwickeln, von deren Reichtumdie modernen Komponisten Nutzen ziehen könnten. Die indianischeMusik entbehrt des Notenschlüssels; trotzdem ist die Sicherheit unddie Präzision, die die Rothäute in ihren Notcnkombinationcnzeigen, bewundernswert. Ihre Zusammenklänge beleidigen nichtetwa, wie man wohl behauptet hat, das Ohr des gebildetenMusikers, sondern sie üben einen ganz seltsamen Reiz aus. JederJndianerstamm hat Hunderte von Gesängen: heitere und traurigeLieder, religiöse, Kriegs- und Liebeslieder, die vom Vater auf denSohn überliefert werden, ohne daß sie jemals auf irgend eine Artschriftlich festgehalten würden; aber die Indianer setzen einen be-sonderen Stolz darin, eine möglichst große Zahl dieser Lieder zukennen und sie ohne jeden Fehler zu singen.Loyalität und Grammatik. Aus Straßburg wird der„Frank-furter Zeitung" geschrieben:„Man hat schon längst die Entdeckunggemacht, daß die deutsche Grammatik nicht genügt, um der Spracheeines Dcntscken diejenige Aüsdrucksfreiheit zu gewähren, die echteLoyalität über den simplen DurchichnittspatriotismuS hinaushebt. Undseit langem bemühen sich die Edelsten der Nation, nach dieser Richtungschöpferisch und sprachbildend tätig zu sein. Die„Frankfurter Ztg." hatdiesen Bestrebungen von jeher ihre ernste Aufmerksamkeit zugewendet,haben ja gar keinen Begriff davon, wie die Arbeiter zumEigentum eine? Rades kommen. Oft kaufen sie ein ganzaltes, unbrauchbares für 5, 6 und 10 Mark, oft auch einneues auf Abzahlung, weil sie nicht in der Lage sind, es auf einmalzu bezahlen. Nun soll noch1,50 Mark Stempel jährlichdarauf gelegt werden.(Zuruf rechts: 50 Pfennig!) Ach, reden Siedoch nicht von 50 Pf., Sie wissen ja gar nicht, wie die Steuer-behörde entscheiden wird.(Sehr richtig! links.) Sie erklären esfür ausgeschlossen, daß die Polizeibeamten auf die Radfahrer Jagdmachen werden, um die Steuer zu kontrollieren. Bei der Art, wiedie Radfahrer öfter von Polizeibeamten behandelt werden, sind solcheJagden im Februar und März mit tödlicher Sicherheit zu erwarten.Sollen übrigens neben den Stcuerkarten noch diejenigen Karten be-stehen bleiben, die auf Grund der Verordnung des Ministeriumsausgegeben werden und die heute schon mit 20, 30 und 40 Pfennigbezählt werden? Sie schütteln den Kopf, aber ich habe meine Karteauch mit 40 Pfennig bezahlen müssen. Heute sagen die Herrenrechts, die Nadfahrsteuer sei ja nicht drückend. Ist sie aber ein-mal eingeführt, so werden Sie jeden Augenblick bereit sein,sie noch zu erhöhen. Bei der N a ch I a ß st e u e rfürchteten Sie ja auch eine Erhöhung. Wenn sie erst einmal dawäre. Der Finanzminister wies auf die Fahrradsteuer für Hessenhin. Wenn irgendwo in einem der deutschen Vaterländer einschlechtes Gesetz gemacht ist. das die Minderbemittelten belastet,sehnt man sich in Preußen sofort auch nach diesemGesetz. Warum nehmen Sie nicht gute Gesetze aus anderen. Bundes-staaten? Waruin nicht das bayrische Wahlgesetz?(Sehr gutl links.)Herr v. Richthofen sagte:„Wir, die wir hier im Hause sitzen,werden vom Jagdpachtstempel nicht getroffen, denn wir haben eineeigene Jagd." Warum führen Sie dann nicht eine Abgabefür den Jagdbesitz ein!(Sehr gut l links.) Damit könntenSie zeigen, daß Sic etwas für die Finanznot des Staates übrighaben. Aber das fällt Ihnen nicht ein. Die Radfahrstcuer be-deutet für die größte Anzahl der Arbeiter auch das Opfer einerStunde Arbeitszeit. Opfern Sie doch einmal eine Stunde IhresEinkommens für den preußischen Staat! Wenn Sie schon den Verkehrbelasten wollen, so führen Sie Steuern auf Automobile,Equipagen, Reitpferde und dergleichen ein. ES liegt jaauch ein Antrag der Freisinnigen vor, jedes Reitpferd mit 30 M.zu besteuern, ein ziemlich geringer Satz, wenn man den Wertde? Reitpferdes mit dem des Rades vergleicht. Der Stempelsteuer-tarif, wie er hier gestaltet lvird, entlastet die agrarischen Kreise undbelastet die Arbciterkreise und bildet so ein Dokument füreine echt preußische Gesetzgebung, die nur in einem Parlamentzustande kommen kann, das auf Grund des Dreiklassenwahlrechtsgewählt ist. Wer eine derartige Gesetzgebung nicht will, muß dasallgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht verlangen.(Unruhe rechts),damit Sie, die Sie die Arbeiter belasten, endlich einmal aus diesemHause herauskommen.(Große Unruhe rechts. Bravo links.)Inzwischen ist ein Antrag Gyßling(frs. Vp.) eingegangen, derfür den Fall der Genehmigung der Fahrradsteuer einen Reitsteuer-stempel von jährlich 30 M. verlangt.Geheimrat Hummel: Auch im Auslände bestehen Fahrradsteuern,die sich gut bewähren. Das Publikum, das durch die Radfahrer be-lästigt wird(Stürmischer Widerspruch links), kann eine Sonder-bestcuerung der Radfahrer verlangen.Abg. Frhr. v. Richthofen(k.): Die Ausführungen der HerrenLeinert und Waldstein passen mehr für eine Volksversammlung alsfür dieses Haus.(Unruhe links.) Unsere Beschlüsse bedeuten keineErmäßigung, sondern eine Erhöhung des Jagdpachtstempels, dassollte Herrn Leinert doch klar sein. Die Härte der Radfahrsteuerkönnten die Sozialdemokraten den Arbeitern leicht ersparen, wennsie einen entsprechend geringeren Beitrag zur Parteikasse erheben.(Heiterkeit rechts.) Wir halten den Beruf des Arbeiters hoch undsehen im Arbeiter unseren Freund.(Bravo I rechts.)Finanzminister v. Rheinbaben: Ein Arbeiter, der das Radbraucht, um zur Arbeitsstelle zu fahren, zahlt selbstverständlich nurdie ermäßigte Steuer, auch wenn er es nebenher einmal zu einemBergnügungsausflug benutzt.Abg. Witzmann(natl.) wendet sich entschieden gegen die Radfahr-steuer. Es ist bezeichnend, daß sie vom Zentrum beantragt ist unddann die Zustimmung der Rechten und der Regierung gesunden hat.Der Bundesrat hat noch 1307, als der Plan einmal auftauchte, er-klärt, das Fahrrad als daS Transportmittel des armen Manneswenn sie auch nicht immer daS notwendige Verständnis für daS Er-zielte zeigte. Sie wird mir aber unzweifelhaft aus vollem Herzenzustimmen, wenn ich ihr im folgenden zeige, daß ein großer Schrittin der Entipickelung unserer Sprache zu einer glänzenden Höheloyalen Ausdrucks nunmehr getan scheint. Bei der Einweihung desKaiser Friedrich-Denkmals in Metz hielt der Geheime Rcgierungs-rat Herrmann die Festrede vor dem Prinzen August Wilhelm,dem Sohne des Kaisers; darin kamen nach der Wieder-gäbe in der amtlichen„Straßburger Korrespondenz" folgende Stellenvor:„Für diese Gnade bitten Eure Königliche Hoheitwir ehrerbietigst..." und:«Nun bitte Eure KöniglicheHoheit ich untertänigst..." Zum ersten Male ist hier dieInversion, d. h. die Unistellung von Worten zu stilistischemZiveck, im Dienste loyaler Staatsbürgergesinnung verwendet. Längstwar es für wirklich patriotisch empfiiidende Männer ein ticfgefiihltesBedürfnis, auch im Satze höher gestellten Personen den Vortritt zulassen. Dies ist jetzt erreicht. Heil dem Geheimen ObcrrcgierungsratHcrrmann I Wir wagen nicht zu prophezeien, aber ungeahnteEntwickelungSmöglichkciten bieten sich uns: Bald werden wir inReden, deren einziger Zweck die Demonstration einer brauchbarenGesinnung ist. die störenden persönlichen Fürwörter ganz weglaffen,sie etwa durch ein diskretes Hüsteln oder durch ein Scharren mitdem Lackschuh andeuten. Im Druck könnte man sie durch ein be-sonderes Zeichen, etwa eine Null, ersetzen.— Doch dies sind nurVorschläge; auf jeden Fall bitte«S i e i ch", Herr Geheimrat, fahrenSie nur so fort lTheater.Charlottenburger Schillertheater.»BrestersMillionen", Lustspiel in 4 Akten von W. Smith undB. Ongleh. Dem von ein paar Amerikanern nach einem ameri-konischen Roman zusammengezimmerten Stücke ist durch die Auf-nähme inS Schillertheaterrcpertoire, Ivenn auch nur als Sommer-füllfel, unverdiente Ehre widerfahren. Die Bezeichnung Lustspiel,die doch irgendwelche feiner verschlungene Durchführung eines Motivserwarten läßt, wirkt hier wie Selbstironie. Die Mittel, die die Autorenanwenden, sind plumper als in einem halbwegs geratenen Dutzend-schwank und spekulieren, was noch schlimmer, auf arg snobistischeInstinkte. Das renommistische Behagen, mit dem die sinnlose Ver-schwendungSsucht eines sechsundzwanzigjährigen BllrschchenS, desleitenden„Kopfes" im Verein der„Krösusenkel" geschildert wird, erinnertin dem Ton gedankenlosen Stumpfsinnes an den Geist, der etwa inHof- und Festberichten des„Lokal-Anzeigers" weht. Die unmöglichenVoraussetzungen, auf denen sich die Handlung ausbaut, hätten eineEntschuldigung gehabt, wenn sie einer witzig höhnenden Satire aufden Protzenluxus der Dollarkönige zur Grundlage gedient hätten.Aber die Idee, daß sich dem Einfall eine solche Wendung geben ließeund daß er. wenn überhaupt, allein hierdurch ein Interesse erhaltenkönnte, scheint den Verfassern nicht im Traum gekommen zusein, oder sie sind ihr— bewußter Kalkulation auf dasGeschäft— im weiten Bogen aus dem Wege gegangen.Dem Helden, der eben erst von seinem Großvater ein paar lutupigeMark-Millionen geerbt hat. wird durch die Weisheit eines anderenErblassers die Aufgabe zuteil, dieses Geld im Laufe eines Jahresmüsse von allen Vexationen und Steuern verschont bleiben.(Hört!hört! links.)Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben bestreitet, daß der Bundesratsich so ausgesprochen habe, und wiederholt, daß die Fahrradsteuerfür niemand eine Belästigung böte.Hierauf wird, ein Schlnßantrag angenommen.Es folgen persönliche Bemerkungen.Abg. Waldstcin(frs. Vg.): Ich konstatiere. daß Frhr v. Nicht«hosen mich persönlich angegriffen hat und daß dann von der Rechtendie Debatte geschlossen wurde.(Sehr richtig I links.)Abg. Frhr. v. Richthofen(kons.) bestreitet, den Abg. Waldsteinpersönlich angegriffen zu haben.Abg. Leinert(Soz.): Abg. Freiherr v. Richthofen hat mir unter«stellt, ich hätte gesagt, die Stempel für Jagdpachlverträge seien her-abgesetzt. Ich habe nur betont, daß sie der Regierungsvorlage gegen-über von der Rechten herabgesetzt sind, und das ist richtig.(Zu-stimmung links.) Weiter hat Herr v. NichtHofen sich über meineErregtheit beschwert. Diese ist in dem Augenblick gekommen, alsSie(nach rechts) mich in ganz ungehöriger Weise unterbrochen haben.(Sehr richtig! links.)In der Spezialberatung wird der Kompromißantrag bezüglichder Automatensteuer angenommen, ebenso ein freisinnigerAntrag'Waldstein auf Freilassung der Kommissionsnoten von derBesteuerung.Bei der Tarifstelle»Radfahrsteuerkarten" liegen die schon er»wähnten Anträge vor.Abg. Thurm(frs. Vp.) wendet sich nochmals gegen die Fahrrad-steuer. Wie konnte gerade das Zentrum diese Steuer verlangen,daS doch behauptet. Taufende von Arbeitern hinter sich zu haben!Die Abgg. Schmcdding(Z.) und v. Tilly(k.) befürworten noch«mals die Fahrradsteuer in Höhe von 1,50 M.Abg. Boisly(natl.): Schon technisch ist die Fahrradsteuergar nicht durchgearbeitet. Wer soll sie denn bezahlen bei vermietetenRädern?Abg. Brust(Z.): Ich werde mit einem Teile meiner Freundegegen die Fahrradsteuer stimmen.Damit schließt die Diskussion.Die Abstimmung ist auf Antrag des Abg. Dr. Gyßling(frs. Vp.)namentlich.Die Fahrradsteuer in Höhe von 1,50 Mark, für Räder zugewerblichen Zwecken in Höhe von 0,50 Mark wird mit 126 gegen107 Stimmen angenommen.Die Rechte begrüßt dies Ergebnis mit lebhaften Bravo!-Rufen.Zur Annahme gelangt ferner ein Antrag Dr. v. KrieS(k.),wonach die Fahrradstcuer für mehrere Jahre vorausbezahltwerden kann.Ein Antrag der Freisinnigen Vokkspartci und der FreisinnigenVereinigung fordert eine Reitstempelsteuer von 30 M. jährlich fürjedes Reitpferd.Abg. v. Tilly(k.): Der Antrag ist in keiner Weise durch«gearbeitet, er fordert die sinngemäße Ucbcrtragung der Bestimmungenbei der Radfahrsieuer. Wie soll das möglich sein bei der Ermäßigungder Räder zu gewerblichen Zwecken.Abg. Waldstein(frs. Vg.): Den Antrag durchzuarbeiten warenwir ja gar nicht in der Lage, er ist ja die logische Folge der Fahrrad-steuer. Die endgültige Fasfmrg überlassen' wir vertrauensvoll demHerrenhaus.Abg. Dr. Fricdbcrg(natl.). Die neuen Steuern dieses Gesetze?sind sämtlich nicht durchgearbeitet, auch die Automatensteuer nicht,und vor allem nicht die Fahrradsteuer. Die Herren rechts schütteln ineinem andern Hause ja niit der Wertzuwachssteuer ohne weiteres80 Millionen aus dem Bermel. Sie haben also gewiß kein Recht,sich über nicht genügende Durcharbeitung einer Steuer zu beklage».(Lebhafte Zustimmung links.) Auch ich vertraue der Weisheit desHerrenhauses bezüglich der endgültigen Fassung. Wir sind höflichgegen das Herrenhaus, trotzdem dort gegen das AbgeordnetenhausAngriffe gerichtet werden, die, wenn wir sie auch nur versuchenwollten, von den Herren Präsidenten als unschicklich zurückgewiesenwürden.(Lebhaftes Sehr gut! links.)Abg. Dr. Arendt(fk.): Man kann den Antrag gar nicht ernstnehmen.(Große Unruhe links.) Der ihm zugrunde liegende Gedankeist allerdings erwägenswert.Abg. Waldstcin(frs. Vg.): Der Antrag ist durchaus ernst ge»meint. Bei den Fahrrädern haben Sie sich über die Schwierig-leiten der Faffung leicht hinweggesetzt. Uebrigens beantrage ichzunächst Verweisung des Antrages an eine Kommission. Daßdurchzubringen. Wenn ihm das gelingt, erhält er laut Testamentdas Zehnfache seines jetzigen Reichtums zum Lohne. Aber deshalbsind der verstorbene Herr Onkel, der diese Bestimmung getroffenhat, und der Herr Neffe, der sich ihr unterwirft, beileibekeine Possennarren und kompromittierliche Karikaturen der oberenZehntausend, wie sie etwa in Pariser Schwänken herumlaufen—vielmehr echte, rechte Gentlemen. Die Verschleuderung des groß-väterlichen Vermögens soll nämlich die gerechte Strafe sein für dieSchlechtigkeiten, die der Großvater an des Oheims Schwester, BrestersMutter begangen hat!Daraus erklärt sich jene Klausel, und darum bleibt auch Bresterselbst in allen Hanswurstiaden der Verschwendung immer—respektabel, ein edler Sohn und dito edler Gatte für die Zukunft.Nach dieser eingeflickten, abgeschmackten Sentimentalität kann mansich eine Vörstellung von der RichtungS- und Ziellosigkeit derSpäße, von der spießbürgerlichen Platitüde des Ganzen machen.Die Aufführung brachte eine sehr hübsche Schiffsdekoration undwurde eifrig beklatscht. ät.Humor und Satire.Phili.Schon wieder macht den Gerichten AergerPhilipp, der edle Liebcnberger:Von wegen dem ito'gen UnwohlseinWeilt er zur Nach«r in Gastein.Der Staatsanwalt, der Justizminister.(Natürlich unparteiisch ist er)In diesem schwierigen Fall bcftagt.Haben die Auskunft streng versagt;Nicht kompetent wären die beiden,Einzig berechtigt zu entscheidenWäre nach strenger Observanz„Die höchste ärztliche Instanz".Nur ruhig I Keine Uebereilung ldenn solches hohen Herren HeilungWährt eine kleine EwigkeitUnd überdauert Raum und Zeit.Es lebe die Gerechtigkeit Iroä.Notizen.-—Der siebente internationale Kongreß fürangewandte Chemie beginnt heute in London. Ungefährzweitausend Teilnehmer haben sich angemeldet.— Erntemonate. Die früheste Getreideernte in Europafindet im Juni statt, und zwar in Spanien, Portugal, Italien,Griechenland und einem Teile von Frankreich; die späteste imOktober: in den Finnmarken. In außereuropäischen Ländern wirdaber auch schon im Januar gcerntet, so in Australien, Neuseeland,Chile und Argentinien. Von da ab könnten wir uns in jedemMonat in einem anderen Lande an der Ernte beteiligen bis zumNovember. November und Dezember sind die einzigen Monate desJahres, wo nirgends auf der Erde Getreide geerntet wird.